Protocol of the Session on June 2, 2017

Thüringen kann in Sachen Schulverpflegung auf zumindest ein ganz stabiles Angebot aufbauen. Die Strukturen funktionieren und sind Eltern, Schülerinnen und Schülern sowie Lehrerinnen und Lehrern bekannt. Doch die je nach Alter abnehmende Tendenz der Essensteilnahme, nämlich von 76 Prozent bei den Grundschülerinnen und Grundschülern bis zu 27 Prozent bei den Gymnasiastinnen und Gymnasiasten zeigt, dass längst noch nicht alles gut ist. Auch die Vorbildwirkung der Lehrerinnen und Lehrer, bei denen nur 20 Prozent an der Schulspeisung teilnehmen, ist zu hinterfragen.

Und obwohl die Akzeptanz der Qualitätsstandards, zu denen es schon einige Ausführungen gab, gefühlt zunimmt, befürchte ich, dass nicht allen Befürwortern klar ist, was alles zu diesen Kriterien gehört. Nach den Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung gibt es ganz klare Empfehlungen für die Mittagsverpflegung, zum Beispiel Lebensmittelauswahl, Anforderungen an einen Vier-Wochen-Speiseplan, Speisenzubereitung, aber auch Warmhaltezeiten und Ausgabetemperaturen – und das halte ich auch für wichtig. Das allein stellt jetzt bereits eine große Herausforderung für die Überführung in die Praxis dar. Denn nach wie vor scheint doch der Preis das entscheidende Kriterium für die Bereitstellung der Mittagsverpflegung zu sein. Die Einführung des Mindestlohns hat bereits im vergangenen Jahr so manche Schulküche oder manchen Caterer, der sich darauf spezialisiert hat, gefordert, was nicht jeder geschafft hat.

Der Markt für Kita- und Schulverpflegung in Thüringen ist durchaus vielfältig. Circa 150 Einrichtungen verpflegen Kindergärten und Schulen und liefern das Essen an. Die meisten von ihnen reagieren flexibel auf die Anforderungen der einzelnen Träger. Diese Einrichtungen orientieren sich oft an den Wünschen der Schulen. Kurzfristige Zu- und Abbestellungen, wenn jemand krank wird zum Beispiel, sind möglich; inzwischen wird auch zunehmend eine Online-Abwicklung der Bezahlung vorgehalten und auch bei besonderen Anforderungen von den Schulen gibt es durchaus die Bereitschaft, eine Lösung zu finden. An dieser Stelle möchte ich mich übrigens auch für die ausgezeichnete Arbeit der Vernetzungsstelle Schulverpflegung bedanken – Frau Lienig und Frau Bärwolf, die mit zwei Teilzeitstellen eine ausgezeichnete Arbeit leisten. Durch ihre Arbeit können wir auf belastbare Daten in Sachen Schulverpflegung in Thüringen zurückgreifen, die ja auf thüringenweiten Befragungen aus 2009 und 2013 beruhen.

(Beifall DIE LINKE)

Auch durch sie wissen wir, dass die Caterer überwiegend gut ausgestattet sind und qualitativ hochwertige Speisen zubereiten können. Sie haben alle Möglichkeiten, sowohl konzeptionell als auch in der Umsetzung gesund, abwechslungsreich und vor allem kindgerecht zu kochen. Einige wenige besitzen auch die zeit- und temperaturentkoppelten Produktionssysteme, das heißt, sie können also schockfrosten, um Warmhaltezeiten zu minimieren. Das würde jedoch auch bedeuten, wenn wir das vollständig umstellen würden, dass jede belieferte Einrichtung auch die Möglichkeit der Erwärmung vorhalten müsste. Leider werden im Moment diese Produktionssysteme wegen des hohen Preisdrucks nur wenig genutzt. Es gibt in Thüringen auch eine Vielzahl landwirtschaftlicher – kleinerer, aber auch größerer – Betriebe. Ihre erzeugten Produkte könnten viel öfter Eingang in die Schulverpflegung finden. Regionale Produkte, wie sie auch alle wünschen, aus diesen Betrieben haben auch noch den Charme, dass Kindergärten und Schulen diese Betriebe besuchen und die vielfach kritisierten Wissenslücken darüber, wo das Essen herkommt, ganz praktisch schließen könnten. Hier sehen wir natürlich auch Ansatzpunkte für die praktische Umsetzung: Was können wir tun? Zur Bereitstellung einer guten Verpflegung gibt es viele Partner. Uns wäre wichtig: Die Kommunen, Kita- und Schulträger, aber auch das Land sollten enger zusammenarbeiten. Sie müssten sich die Stärken im Bereich Schulverpflegung bewusst machen und die Schwächen Schritt für Schritt abstellen. Das sind für uns Ansatzpunkte, die wir weiter angehen möchten.

Leider wurden im vergangenen Jahrzehnt die Zuschüsse zur Schulspeisung Schritt für Schritt reduziert. Damit wurden die Anbieter allein gelassen, kleinere Caterer mussten zum Teil aufgeben, weil sie den Preisdruck und den damit einhergehenden Qualitätsverlusten nicht standhalten konnten. Die Bedeutung der DGE-Standards spielen bei den Schul- und Kitaträgern immer noch eine untergeordnete Rolle. Selbst die wenigen Qualitätsstandards werden nicht immer von den Caterern eingehalten; das muss auch kontrolliert werden. Die Entscheidung für den Anbieter ist noch zu oft von diesem Preis-Leistungs-Verhältnis abhängig.

Ich möchte an dieser Stelle einige wichtige Erkenntnisse aus der Anhörung formulieren. Machen wir uns die Abstriche bei der Qualität zugunsten des günstigen Preises wirklich bewusst? Noch im Jahre 2014 lag der Preis einer Thüringer Portion 65 Cent unter dem Bundesdurchschnitt. Die Einschätzung damals war, dass der geringe Essenspreis zu Qualitätsabbau geführt hat. Viele Portionen bedeuten auch kaum Extra-Speisen für Kindergärten, von regionalen und ökologischen Produkten ganz zu schweigen. Da hebt sich ein Beispiel aus meinem Heimatkreis zum Beispiel ganz positiv ab und es zeigt auch, es geht anders. In Frießnitz gibt es eine

kommunale Küche, die pro Tag 500 Portionen für Kitas, Schulen und Senioren kocht. Sie wird für diese Qualität sehr gelobt.

Die Warmhaltezeiten sind ein weiteres Problem. Dabei weiß jeder, dass das Vitaminen unter anderem abträglich ist. Auch deshalb fordert die DGE, dass die Warmhaltezeiten drei Stunden nicht überschreiten dürfen. Warum sind die Essenspausen nicht lang genug? Nicht immer wird zwischen Vorund Nachmittagsunterricht eine Stunde Pause eingehalten, eben damit die Schülerinnen und Schüler ausreichend Zeit zur Einnahme der Mittagsmahlzeit haben. Im ländlichen Raum kommt dazu noch die Erreichbarkeit der verschiedenen Dörfer hinzu. Wenn der Schulbus nur noch die einzige Möglichkeit ist, mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause zu kommen, ist es kein Wunder, dass das warme Mittagessen abgewählt wird. Auch die völlig unzureichend ausgestatteten Speiseräume lassen wenig Lust zum Verweilen aufkommen. Dabei zeigen verschiedene Schulen beispielhaft, dass das nicht so sein muss. So gewann bereits im Jahre 2010 das Leaderprojekt „Schulessen – Regional, Gesund und Gut“ im Saale-Orla-Kreis, nämlich das Bildungszentrum Knau, einen ersten Preis beim thüringenweiten Wettbewerb „Innovative Projekte im ländlichen Raum“. Mit der Umgestaltung des Speiseraums und der Umstellung der Zubereitung des Mittagessens mit möglichst regionalen Produkten hatte dieses Produkt den Nerv der Schülerinnen und Schüler vor Ort getroffen. Unter dem Titel „Nachgedacht und Angepackt“ präsentierte die damalige Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht eine Broschüre zur guten Schulverpflegung auf der Grünen Woche; 2012 war das schon, also vor fünf Jahren. Die Forderungen daraus möchte ich an dieser Stelle für alle wiederholen: Schöne, angenehme Speiseräume; bessere Ausstattung; mehr Mitspracherecht bei der Erstellung der Speisepläne; gesundes Essen aus regionalen Produkten; mehr Zeit zum Essen. Und was ist heute, fünf Jahre später daraus geworden? Dabei gibt es eine ganze Reihe verschiedenster Aktivitäten. Die Bundesregierung startete 2014 recht vollmundig eine Qualitätsoffensive für ein gesundes Schulessen. Es sollten verbindliche Qualitätskriterien in der Ausschreibung für Schulverpflegung verankert werden und es sollten Mechanismen zur Qualitätskontrolle etabliert werden. Ebenso sollte für eine ausgewogene Verpflegung und eine fundierte Ernährungsbildung geworben werden. Und praktisch?

Kommen wir noch einmal zurück zur Anhörung. Unter den Antworten der Angehörten beindruckt ein Beispiel aus Finnland ganz besonders. In der Zuschrift der DGE wurde dieses benannt. Hier gelang es nämlich einer westfinnischen Stadt, durch verschiedene Maßnahmen sowohl das Bewusstsein für gesunde Ernährung als auch die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen enorm zu verbessern. Zu

den Maßnahmen gehörte eine konsequente Umstellung des Speiseplans in der Schulkantine. Weiterhin wurden Bildungsinhalte zum Thema „Ernährung“ bereits in den Kitas und natürlich darüber hinaus in den Schulen fest verankert. Auch die Pausenzeiten wurden verändert, damit die Mahlzeiten in Ruhe und ohne Hektik eingenommen werden können.

Innerhalb von nur fünf Jahren, nämlich von 2011 bis 2016, halbierte sich fast die Zahl der übergewichtigen Kinder im Alter von elf Jahren, nämlich von 16,1 auf 8,8 Prozent. Ich denke, das ist ein Erfolg. In Schweden und Finnland ist übrigens auch das Essen elternbeitragsfrei. Davon sind wir in unserem Land leider noch meilenweit entfernt. Ich denke, das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat immer wieder die Bereitstellung von mehr Mitteln für eine gesunde und qualitative hochwertige Schulverpflegung gefordert, aber es kommt nach meiner Meinung völlig unzureichend zu Potte. Die Realität sieht immerhin so aus, dass es in seinem Programm 1,9 Millionen Euro im Jahr für die Schulverpflegung ausgegeben hat, das entspricht übrigens ganzen 23 Cent pro Schüler und pro Jahr. Ein echtes Armutszeugnis, möchte ich da sagen.

Vor drei Wochen hat die Bundestagsfraktion Die Linke ein detailliertes und umsetzbares Konzept vorgelegt, um eine elternbeitragsfreie, dennoch qualitativ hochwertige und gesunde Verpflegung zu ermöglichen. Dieses Konzept wurde gemeinsam mit Schülern und Elternvertretungen, mit Gewerkschaften, Fachexperten, Berufsverbänden, Caterern und Köchen entwickelt. Es orientiert sich an den DGE-Standards, ist finanzierbar und rechtlich sogar umsetzbar. In der Plenardebatte im Bundestag zu diesem Konzept war es ausgerechnet der Bundestagsabgeordnete mit dem Doktortitel, den er nur in Englisch oder Armenisch tragen darf, wie heißt er doch gleich, Albert Weiler, glaube ich, der sich über den Antrag lustig machte und auf die marode Infrastruktur der Schulen in Thüringen verwies. Er behauptete sogar, dass so ein Konzept kaum funktionieren kann. Wir sehen das anders. Ich denke, wir können das auch nur gemeinsam verändern. Deshalb lade ich Sie als CDU-Fraktion ein, unserem Antrag zuzustimmen.

Rot-Rot-Grün ermöglicht mit dem heutigen Antrag einen Einstieg in eine nachhaltige Verbesserung der Kita- und Schulverpflegung in Thüringen. Wir verweigern uns dabei nicht Ihren Vorschlägen und Anregungen, wir führen sie aber weiter. Es wäre ein Zeichen eines gemeinsamen Willens, die vereinzelten guten Beispiele auch in Thüringen zu bündeln und weiterzuentwickeln. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Als Nächste hat sich Abgeordnete Mühlbauer von der SPD-Fraktion gemeldet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine werten Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir haben uns jetzt hier auch deutlich lang und ausführlich mit allen Kolleginnen und Kollegen über die Ergebnisse der Anhörung unterhalten. Diesbezüglich habe ich beschlossen, ich lege meine ersten zehn Seiten zur Seite und gehe pointiert jetzt noch einmal ganz kurz auf einige Dinge ein.

(Beifall SPD)

(Unruhe CDU)

Das freut mich, aufgewacht und mitgemacht, Frau Tasch, der Nachmittag wird schön.

(Heiterkeit DIE LINKE)

(Unruhe CDU)

Erster Punkt: Herzlichen Dank an alle Kolleginnen und Kollegen, die bei dem Thema aktiv mitgemacht und -gestaltet haben. Das ist ein klares Signal. Ja, wir sind für gutes Essen in unseren Schulen, ja, wir machen uns einen Kopf, und ja, wir wissen als Thüringer gutes Essen und Regionalität zu schätzen. Dank auch an das Ministerium, das dieses sehr kompetent begleitet hat und für alle Diskussionen offen war.

Was haben wir gelernt, Herr Kowalleck? Das ist eigentlich der kleine Unterschied zwischen Ihrem und unserem Antrag. Wir haben einen Punkt gelernt, dass es im Prinzip nur auf Augenhöhe geht, Essen zu verbessern, und zwar mit allen Beteiligten des Essens, weil das Thema nämlich ein Querschnittsthema ist, um das einmal so deutlich zu sagen. Was sich schon am Anfang hier im Hause zeigte: Ist es Bildung, ist es Verbraucherschutz oder wo ist es eigentlich zugeordnet? Wir können die Standards nur dann umsetzen, wenn Eltern, Schüler, Lehrer, der Thüringer, der Produzent im Prinzip mit uns gemeinsam auf Augenhöhe das Thema diskutieren, Regionalität entdecken, Nachhaltigkeit entdecken.

Ein weiterer Punkt zeigt doch auch, wie stark wir in dem Thema schon verwurzelt sind, dass sogar das Wirtschaftsministerium mit der TTG Thüringer Tischkultur ja auch bespielt und bewirbt, was richtig und was wichtig ist, weil das, was in Thüringen produziert wird, hohe Qualität hat, nachhaltig ist, wichtig ist und gesund ist und diesbezüglich auch in unseren Schulen verwendet werden muss.

Herr Kowalleck, nur da liegt der Unterschied. Das heißt, wir sind davon überzeugt, dass es nichts bringt, von oben zu bestimmen, sondern nein, wir wollen es gemeinsam entwickeln, uns auf den stei

nigen Weg begeben, mit den Betroffenen, mit den Thüringern diskutieren, was wir wollen und kein Diktat von oben, sondern diese Standards demokratisch gemeinsam entwickeln.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind uns da vollkommen einig, was Fettleibigkeit anbelangt, diese Dinge mit zu betrachten. Diesbezüglich werbe ich jetzt auch in Richtung CDU, wir sind sehr, sehr nahe mit unseren Anträgen, wir wählen nur einen unterschiedlichen Punkt der Umsetzung. Ich glaube, ein Diktat ist der falsche Weg, die Diskussion ist der richtige Weg. Schließen Sie sich doch unserem Antrag an und wir wären ein ganzes Stück weiter.

Frau Muhsal, zwei Dinge: Eigene Standards zu erfinden, das ist nicht der Sinn der Sache, denn die müssen wir nämlich auch kontrollieren, das bringt uns an dem Punkt also nicht weiter. Aus diesem Sinne war es eigentlich viel Luft um nichts, was aus Ihrem Bereich kam.

Danke für die engagierte Diskussion um gute Qualität aus Thüringen, für ein gutes Essen für die Schüler und Kinder in unseren Einrichtungen

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Und zu Hause auch!)

und zu Hause auch, Frau Tasch, genau das wollte ich bringen. Wenn man zu Hause den Kulturwert des Essens nicht erkennt, kann man den woanders nicht annehmen. Diesbezüglich müssen wir alle zusammen, jeder für sich, dieses Bildungsangebot mitnehmen, im Landwirtschaftsbereich, im Verbraucherbereich, natürlich in der Bildung, natürlich in allen Bereichen, das ist eine Aufgabe, die uns tagtäglich fordern wird. Ich werbe, Kolleginnen und Kollegen der CDU: Schließen Sie sich dieser Aufgabe an, packen wir es gemeinsam, stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aufgewacht und mitgemacht gilt jetzt auch für die Landesregierung. Herr Minister Lauinger macht jetzt mit.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, wie die Debatte gezeigt hat, sind wir uns in der Problemanalyse eigentlich einig: Der gesunden Verpflegung in Kitas und Schulen kommt eine ganz erhebliche Bedeutung zu, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich seit geraumer Zeit eine bundesweite Tendenz zur Fehlernährung, Übergewicht und Essstörungen bei Kindern abzeichnet. Nach aktuellen Angaben

der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – OECD – wächst der Kreis der von Übergewicht und starkem Übergewicht betroffenen jungen Deutschen schneller als im Durchschnitt der Industriestaaten. In Deutschland sei – so die OECD – die Rate übergewichtiger 15-Jähriger von 2001 bis 2014 von 11 auf 16 Prozent gestiegen. Damit gilt inzwischen jeder sechste deutsche Jugendliche als übergewichtig.

Eine gesunde und ausgewogene Kita- bzw. Schulverpflegung sowie ausreichende Bewegung sind daher für die körperliche und geistige Entwicklung und die Herausbildung späterer Ernährungsgewohnheiten extrem wichtig. Hier hat auch Thüringen wie alle anderen Bundesländer – das sage ich ganz klar – Nachholbedarf.

Sowohl im Kita- als auch im Schulbereich hat sich das Modell der Warmverpflegung durch Caterer etabliert. Häufig beinhalten die Speisepläne in beiden Bereichen sowohl Schule als auch Kita zu viele Fleisch- und Wurstwaren – da habe ich mir die Notiz gemacht, dass das, glaube ich, das erste Mal in zweieinhalb Jahren ist, dass ich der AfD in einem Punkt zustimmen würde, da sind wir uns tatsächlich einig – und vor allem zu wenig Gemüse und Fisch.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Das hat einen Applaus verdient!)

Während im Kita-Bereich Schwierigkeiten bestehen, die Speisen alters- bzw. kindgerecht zuzubereiten, besteht im schulischen Bereich besonderer Handlungsbedarf bei den Rahmenbedingungen wie etwa der Gewährleistung ausreichender Essenszeiten und entsprechender Räumlichkeiten sowie vor allem auch der Imageverbesserung für die Schulverpflegung.

Mit steigendem Alter der Schüler nimmt die Zahl der Teilnehmer an der Gemeinschaftsverpflegung ab, da von den Schülern andere Versorgungsmöglichkeiten als attraktiver angesehen werden. Um deutliche Fortschritte zu erzielen und auch konzeptionell voranzukommen, sind wir in einem permanenten Dialog mit der Vernetzungsstelle Schulverpflegung, mit der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, Sektion Thüringen und künftig auch mit dem neu gebildeten Bundeszentrum für Ernährung sowie dem nationalen Qualitätszentrum, das die Vernetzungsstellen Schulverpflegung in den Ländern unterstützen soll.

In Thüringen fördern wir seit einigen Jahren gemeinsam mit dem Bund das bei der Verbraucherzentrale Thüringen e. V. errichtete Beratungsprojekt „Vernetzungsstelle Schulverpflegung Thüringen“. Das Beratungsangebot der Vernetzungsstelle richtet sich an alle Akteure, die im Bereich der circa 900 allgemeinbildenden Schulen mit der Gestaltung der Schulverpflegung befasst sind. Ziel ist die Ent

wicklung eines ausgewogenen und gleichzeitig schmackhaften, qualitativ hochwertigen Verpflegungsangebots.

Diese Vernetzungsstelle sorgt dafür, dass die Akteure bei der Planung, dem Aufbau und der Optimierung einer adäquaten Verpflegung unterstützt und zusammengeführt werden. Sie gibt den Einrichtungen Hinweise und Hilfestellungen zu Fragen rund um eine ausgewogene gesunde und ansprechende Verpflegung. Die Grundlage dafür bildet der DGE-Qualitätsstandard für die Schulverpflegung.

Neben dem allgemeinen Beratungsangebot werden im Rahmen der Projektförderung auch strategische Maßnahmen ergriffen. 2009 und 2013 wurden landesweite Erhebungen zur Verpflegungssituation durchgeführt. Die nächste Erhebung ist für 2017 vorgesehen. Jährlich finden eine überregionale Fachtagung sowie thematische Aktionen zu verschiedenen Schwerpunkten statt. Im Kita-Bereich fördert das Verbraucherschutzministerium seit Juni 2015 eine Servicestelle in Trägerschaft von Symbioun e. V. Ziel dieser Projektförderung ist die Verbreitung des DGE-Qualitätsstandards für die Verpflegung in Tageseinrichtungen für Kinder. Dabei berät diese Servicestelle alle an der Verpflegung in Kitas beteiligten Akteure und Entscheidungsträger, organisiert ebenfalls Fachvorträge und Seminare zur Kita-Verpflegung. Neben der Vermittlung von Kompetenzen soll hierdurch eine Sensibilisierung der Beteiligten für Lösungen zur Verbesserung der Kita-Verpflegung erreicht werden. Das Projekt wird ebenfalls von der Techniker Krankenkasse kofinanziert.

Darüber hinaus fördern wir auch noch weiterhin das Projekt „Praktische Ernährungsbildung in Kitas – Kita i(s)st gesünder“. Dieses auf zwei Jahre angelegte Projekt der DGE Sektion Thüringen wird in enger Zusammenarbeit mit der Friedrich-Schiller-Universität Jena umgesetzt. Es beinhaltet eine landesweite Erhebung zur Verpflegungssituation in den Kindertagesstätten in Thüringen. Auf der Grundlage der Erhebungsergebnisse werden dann Handlungsempfehlungen erarbeitet. All diese Projekte, die ich Ihnen jetzt genannt und aufgezählt habe, sind unverzichtbar, werden aber für sich genommen wohl nicht ausreichen, um durchgreifende und nachhaltige Verbesserungen bei der Schul- und Kita-Verpflegung zu erreichen. Ein hoher Preisdruck und niedrige Portionspreise erschweren oft eine hochwertige Qualität der Speisen. Die Akzeptanz und das Verständnis für den Wert eines gesunden Schulessens sind nicht bei allen Verantwortlichen vorhanden. Gängiges Verpflegungskonzept ist die Warmverpflegung, die oft Qualitätsverluste – auch darauf wurde schon hingewiesen – durch lange Warmhaltezeiten mit sich bringt. Um diesen unbefriedigenden Zustand nachhaltig zu ändern, bedarf es eines Gesamtkonzepts zur Gesundheitsförderung in der Kita- und Schulverpflegung, um mittel- und langfris

(Minister Lauinger)

tig wesentliche Verbesserungen zu erzielen. Dabei sind neben den Kindern bzw. Jugendlichen und deren Eltern auch die Einrichtungsträger, die Leiter der Einrichtungen, die Pädagogen und Erzieher sowie die Caterer in einem umfassenden Dialog in die Veränderungsprozesse einzubinden. Für ein erfolgreiches Dialogformat gibt es bereits Vorbilder, auf die zurückgegriffen werden kann. Im Jahr 2016 wurden in Brandenburg im Rahmen eines breit angelegten Dialogforums für eine verbesserte Schulverpflegung mit allen betroffenen Akteuren mehrere viel beachtete Brandenburger Tafelrunden durchgeführt, deren Beratungsergebnisse durch die Landesregierung derzeit evaluiert und in konkretes Handeln umgesetzt werden sollen.

Die Thüringer Landesregierung hat bereits seit geraumer Zeit eine interministerielle Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich unter Beteiligung externen Sachverstands, der Vernetzungsstellen und der DGE mit der Erarbeitung von Handlungsempfehlungen für alle Beteiligten befasst. Bei alldem erstreben wir die Einbeziehung regionaler Produkte und Erzeugnisse aus ökologischem Anbau und erwägen hierzu die Einrichtung einer Plattform, um die Vermarktung und den Zugang zu diesen Produkten zu erleichtern. Diese Arbeitsgruppe kann in Anlehnung an das Brandenburger Modell ein Initiator für einen breit angelegten Dialog zur Verbesserung der Kita- und Schulverpflegung sein. Aber, Frau Muhsal, Nägel mit Köpfen machen, hatten Sie gesagt und von daher bin ich besonders stolz, noch mal auf das zu verweisen, was wir gerade zuvor hier diskutiert haben, nämlich den Entwurf eines neuen KitaG.

Ich freue mich als Verbraucherschutzminister ganz besonders darüber, dass es uns jüngst im Rahmen des vom Kabinett schon verabschiedeten und jetzt im Landtag debattierten Entwurfs eines Gesetzes über die Neuregelung der Kindertagesbetreuung in Thüringen gelungen ist, eine Bestimmung zu verankern, die sehr, sehr weitreichende Konsequenzen für die Systeme hat, über die wir heute reden, nämlich die Bestimmung, wonach die warme Mittagsmahlzeit in den Thüringer Kitas zukünftig den aktuellen ernährungswissenschaftlichen Qualitätsstandards für eine ausgewogene, altersgemäße, vollwertige und gesundheitsfördernde Mittagsmahlzeit entsprechen muss. Mit dieser Passage in dem neuen Kita-Gesetz wird nämlich genau das umgesetzt, worüber wir jetzt hier seit einer Stunde diskutiert haben und wo wir uns auch einig sind, dass es kommen sollte.