Protocol of the Session on June 1, 2017

Mir ist es deshalb wichtig, weil, ich habe es Ihnen gesagt, ich in dieser Regierungserklärung auch darauf hinweisen werde, was bei früheren Regierungsentscheidungen richtig gemacht worden ist, weil uns eine reine Schwarz-Weiß-Betrachtung in der Analyse der Bildungspolitik und der Benennung der Herausforderungen nicht weiterhilft.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe in meinen bisherigen Ausführungen vor allem Wert auf Ambivalenzen, Komplexität und auf Widersprüchlichkeiten bei der Bewältigung bildungspolitischer Herausforderungen gelegt. Lassen Sie mich nun darstellen, welche Maßnahmen die Landesregierung vorsieht, aber auch bereits unternommen hat, um die genannten Herausforderungen zu bewältigen.

Land und Kommunen und den Schulen ist es gelungen, auf die Herausforderung der Flüchtlingszuwanderung zu reagieren. Das ist deutlicher Ausdruck der Stärke unseres Bildungssystem. Diese rot-rot-grüne Koalition trug bereits mit Beginn der Zuwanderungswelle im Jahr 2015 dafür Sorge, dass zusätzlich zu den bereits vorhandenen Lehrerinnen und Lehrern für Deutsch als Zweitsprache weitere Lehrkräfte befristet eingestellt wurden. Diese Lehrkräfte entfristen wir nun und geben ihnen eine dauerhafte Beschäftigung an den Thüringer

(Minister Prof. Dr. Hoff)

Schulen. Über 95 Prozent der befristet eingestellten Deutsch-als-Zweitsprache-Lehrerinnen und -Lehrer haben ein unbefristetes Beschäftigungsangebot erhalten.

Ich sage es ganz deutlich und werde es nachher auch noch einmal wiederholen: Es wird den ein oder anderen Puristen geben, der sagt: Aber die sind doch schon im Schulsystem. Ja, aber sie sind befristet eingestellt und wären unserem Schulsystem wieder verloren gegangen. Genau deshalb entfristen wir sie, weil wir diese Fachkräfte dauerhaft an unseren Schulen brauchen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn am Freitag im Bundesrat die Bund-Länder-Finanzen behandelt werden, dann reden wir darüber auch an einem Punkt, der den Ländern durch den Bund und mit Unterstützung des Bundes mehr finanzielle Möglichkeiten gibt, in die Bildungsstruktur zu investieren. Jeder investierte Euro in unsere Bildungsinfrastruktur – ich könnte jetzt viele Millionenbeträge aus den Programmen aufzählen, die Bund und Land gemeinsam finanzieren oder die der Bund angekündigt hat; ich werde mit Blick auf die Uhr auf diese sehr detaillierte Darstellung verzichten.

Ich sage aber auch, und das ist ein Thema der Kommission, dass wir bei der Schulbauinvestitionsplanung besser als bisher sein müssen. Die Schulkommission wird zu diesem Punkt Empfehlungen vorbereiten. Ich danke Ihnen, denn es ist kein Geheimnis: Der Sanierungsbedarf an den Thüringer Schulen ist hoch. Viele Investitionen sind erforderlich, um den seit Jahren angewachsenen Investitionsstau abzubauen. Es gehört aber auch zur Ehrlichkeit dazu, dass diese Koalition 150 Millionen Euro Investitionsprogramm festgelegt hat, um den Sanierungsstau an den Schulen abzuarbeiten, und dass diese auch neben die bisherigen Schulbaupauschalen gesetzt wurden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich profitieren von diesen Investitionsmitteln auch die freien Schulen.

Verehrte Damen und Herren, das Kita-Gesetz wird in diesen drei Plenartagen in erster Lesung behandelt. Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat sich diese Landesregierung im Kita-Bereich viel vorgenommen und auch bereits angepackt. Die Novelle des Kita-Gesetzes ist eingebunden in ein größeres Paket von Bildungsinvestitionen. Sie steht auch auf der Tagesordnung in dieser Plenarsitzungswoche, weil wir mit dem beitragsfreien Kita-Jahr ein wichtiges bildungspolitisches Ziel aus dem Koalitionsvertrag umsetzen. Ab dem kommenden Jahr werden Familien um durchschnittlich 1.440 Euro entlastet. Allein dafür wird Thüringen

künftig 29 Millionen Euro zusätzlich erbringen. Die Entscheidung der Koalition für das beitragsfreie Kita-Jahr verstehen wir auch als Signal an den Bund, die Weichen für eine komplett kostenfreie Kita-Zeit zu stellen. Bildung muss kostenfrei sein; das gilt auch für die frühkindliche Bildung.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist bedauerlich, dass es dazu keinen gesellschaftlichen Konsens gibt. Wenn die FDP in Nordrhein-Westfalen am Tag vor den ersten Gesprächen über eine Koalitionsvereinbarung ankündigt, das letzte kostenfreie Kita-Jahr in Nordrhein-Westfalen wieder abschaffen zu wollen, und aus der Mottenkiste der Bildungspolitik die Studiengebühren wieder ausgräbt, dann zeigt sich der Unterschied zwischen einer rot-rot-grünen Koalition und einer schwarz-gelben Koalition:

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die einen belasten Familien und machen Bildung wieder kostenintensiv, die anderen entlasten Familien und sorgen für kostenfreie Bildung. Je schneller und je mehr sich der Bund finanziell an der frühkindlichen Bildung in den Ländern beteiligt, umso größer sind auch unsere Spielräume, die Kommunen in diesem Bereich weiter zu entlasten, um den Betreuungsschlüssel zu verbessern. Unser Wille ist da, der Bund ist am Zug und wir hoffen, dass wir im föderalen Bildungssystem auch an dieser Stelle gut vorankommen.

Neben finanziellen Entlastungen der Familien setzen wir aber auch weitere Schritte zur Qualitätsverbesserung in den Kitas um, denn beides gehört zusammen, das muss wie ein Zahnrad ineinandergreifen: Entlastung der Familien und Qualitätsverbesserung, Qualitätsinvestition in die Kitas.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Lehmann, die heute hier ist, ist Leiterin der Kita „Sausewind“ in Bürgel. Das ist die einzige Kita-Einrichtung in der 3.000-Einwohner-Stadt bei Jena. 150 Kinder in zehn Gruppen werden von insgesamt 22 pädagogischen Mitarbeitern betreut. Als eine davon hat Frau Lehmann bisher allein die Verantwortung für die Leitung dieser großen Einrichtung getragen. Sie hat für ihr Engagement in der Vergangenheit unzählige Überstunden in Kauf genommen. Hier wird es konkret, was es bedeutet, dass wir weitere 3 Millionen Euro zusätzlich in das Kita-Leitungspersonal und in die Entlastung des Kita-Leitungspersonals investieren.

Bereits mit der letzten Novelle des Kita-Gesetzes in der vergangenen Legislaturperiode wurde der Betreuungsschlüssel in den Kitas für die kleinen Kin

(Minister Prof. Dr. Hoff)

der bis drei Jahre deutlich verbessert. Die damalige Landesregierung hat so schon angefangen, die Erzieherinnen und Erzieher zu entlasten. Wir bauen darauf auf, wir gehen einen Schritt weiter: Wir verbessern die Situation für die Kita-Leitungen. Rund die Hälfte aller Kinder in Thüringen, die eine Kita besucht, geht in einen Kindergarten mit mehr als 100 Plätzen. Das bedeutet große Herausforderungen für die Gruppenplanung, für die fachliche Beratung der Erzieherinnen und Erzieher, Dokumentationspflichten müssen erfüllt werden und die Umsetzung pädagogischer Konzepte ist ohnehin ein Arbeitsschwerpunkt.

Für Frau Lehmann, so sagte sie mir, ist wichtig, dass künftig mehr Zeit für ihre umfangreichen Leitungsaufgaben zur Verfügung steht, sie sich mehr um Qualitätsentwicklung kümmern und Kollegen bei der Gruppenarbeit unterstützen kann – sie hat das an dem Beispiel einer Exkursion deutlich gemacht –, dass sie aber auch Prozesse begleiten kann. Sie wird sich selbst ein Bild von den Gruppen machen können, sie wird nach besonderen Bedarfen schauen, Eltern beraten und Familien begleiten können. Genau das soll mit der Kita-Leitungsentlastung ab Januar 2018 einfacher werden.

Wir verpflichten mit dem Kita-Gesetzentwurf aber auch die Träger von Kindertageseinrichtungen, vor einer Erhöhung der Elternbeiträge in den noch beitragspflichtigen Jahren dem Elternbeirat die Beweggründe für eine Beitragserhöhung transparent und nachvollziehbar darzustellen. Frau Lehmann hat mir gegenüber deutlich gemacht, dass die Entwicklung an dem Punkt nicht zu Ende sein darf. Ganz im Gegenteil, sie braucht – das hat sie mir eindringlich geschildert – auch Entlastung für ihre Kolleginnen und Kollegen. Wo wir weitermachen müssen, wo es noch nicht ausreicht, wo es auch Unzufriedenheit gibt, weil das Gute eben nie gut genug ist, was im Bildungsbereich auch nachvollziehbar ist, haben Frau Löbl und viele andere Kolleginnen und Kollegen aus den Kita-Bereichen und aufseiten der Landeselternvertretung Kita – hallo, Frau Kirchner! – deutlich gemacht: Ja, Familienentlastung ist gut, reicht aber nicht aus. Weitere Schritte, insbesondere in der Qualität, sollen mit der von Bund und Ländern gemeinsam getragenen Qualitätsoffensive und der dauerhaften Bereitstellung zusätzlicher Finanzmittel durch den Bund erfolgen, denn gute Ideen für mehr Bildung gibt es viele.

Sehr geehrte Damen und Herren, im vergangenen Jahr haben wir die Entscheidung getroffen, die Schulhorte wieder zum Land zu holen und den Modellversuch der Hortkommunalisierung zu beenden. Es ist seitdem darüber diskutiert worden – auch durch den Ministerpräsidenten –, ob diese Entscheidung richtig war. Ich halte die Diskussion darüber im Sommer 2017 für eine akademische Diskussion.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für Gabi Ohler und mich sind die konkret zu lösenden Aufgaben der Hortqualität und gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten die konkret zu lösenden Fragen.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ramelow hat gesagt, es war falsch!)

Der Mann heißt „Ministerpräsident Ramelow“ und er hat gesagt, er würde diese Entscheidung heute anders treffen. Aber ich sage auch – und er weiß, dass ich das hier sagen würde –, dass diese Diskussion akademischer Natur ist,

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Falsch!)

und ganz im Ernst: Sie hätten die Chance gehabt, Herr Mohring. Sie sind der, der sich immer hierhinstellt und es besser weiß, aber Sie wussten es nicht besser zu der Zeit, als Sie noch Verantwortung hatten.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber heute stellen Sie sich hin und sagen, Sie wüssten es besser. Sie hatten Ihre Zeit; nun müssen Sie warten, wie wir es besser machen.

Die Rückholung der Horte zum Land …

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ihr Minis- terpräsident hat gesagt, es war falsch. Da können Sie noch so brüllen!)

Herr Mohring, jetzt überlassen wir das Podium wieder dem Minister zur Regierungserklärung.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Hat er ja, sonst würde er ja nicht hier vorn stehen!)

Die Rückholung der Horte zum Land war durchaus – und darauf müssen und werden wir reagieren – mit lokalen Verlusterfahrungen verbunden. Ich schaue die Abgeordneten aus Jena beispielsweise an, aber auch die Präsidentin des Landkreistags, die Landrätin aus Greiz, Schweinsburg, Kolleginnen aus Greiz sagen deutlich: Ja, wir haben hier, weil es mit der Änderung des Modellversuchs und dessen Beendigung darum ging, einen über das Land ausgeglichenen Hortbetreuungsschlüssel herzustellen, in Jena und Greiz Verluste hinnehmen müssen, damit sich die Situation im Ilm-Kreis, im Landkreis Weimarer Land, im Landkreis Sömmerda verbessert. Und so notwendig dieser Ausgleich war, um überall in Thüringen für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen, ist der Frust nachvollziehbar

(Minister Prof. Dr. Hoff)

und genau deshalb wissen wir, dass eine Decke, die zu kurz ist, nicht dadurch länger wird, dass man sie diagonal hinlegt, sondern dass eine bessere Personalausstattung im Hortbereich notwendig ist, und deshalb haben wir gehandelt.

Wir haben ein Dreipunkteprogramm zur Weiterentwicklung der Schulhorte erarbeitet, von dem alle profitieren werden. Es sieht drei Punkte vor, die ich Ihnen darstelle: erstens die Einstellung neuer Erzieherinnen und Erzieher, zweitens die Steigerung der Beschäftigungsumfänge und drittens die Einführung einer Vertretungsreserve. So wollen wir einerseits ein Qualitätsplus sicherstellen und andererseits die Attraktivität des Erzieherberufs erhöhen – ich werde Ihnen das darstellen.

Angesichts des hohen Personalbedarfs in den Thüringer Horten ist beabsichtigt, im kommenden Jahr mehr als 150 Vollzeitstellen zusätzlich zur Verfügung zu stellen. Wir werden einen Teil der zusätzlichen Stellen dafür nutzen, um allen Beschäftigten mit halben Stellen das Angebot zu unterbreiten, auf 60-Prozent-Stellen aufzustocken. Wir treten hier als Arbeitgeber ganz bewusst einen Schritt zurück und gehen auf die Beschäftigten zu. Natürlich ist es einfacher, mit halben Stellen flexiblen Personaleinsatz zu realisieren und Vertretungsregelungen zu ermöglichen, aber halbe Stellen haben eben auch spürbare Nachteile. Und das kann uns als rot-rotgrüne Landesregierung eben nicht egal sein, dass unsere qualifizierten Horterzieherinnen und Horterzieher parallel im Supermarkt an der Kasse sitzen oder anderen Zweitjobs nachgehen müssen, weil das Geld aus der Beschäftigung beim Land für den Lebensunterhalt nicht reicht.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist das Gegenteil von Wertschätzung gegenüber Fachkräften im Bildungssystem und genau deshalb haben wir darauf reagiert, denn unsere Arbeits- und Sozialministerin Heike Werner hat in ihrer Regierungserklärung zur Arbeitsmarktpolitik zutreffend ausgeführt: Teilzeitarbeit und prekäre Beschäftigung haben ein Geschlecht, sind doch gerade Frauen davon betroffen und in der Folge durch niedrigere Rentenpunkte zum Beispiel auch langfristig davon berührt.

Deshalb haben wir als Bildungsministerium gehandelt und wir wissen, dass wir, wenn wir jetzt auf 60 Prozent gehen, in den nächsten Jahren weiter reagieren müssen. Vorausgesetzt, alle betreffenden Beschäftigten würden davon Gebrauch machen, erhöht sich die Zahl der Beschäftigten, die einen Beschäftigungsumfang von 60 bis 75 Prozent haben, auf 1.771 der 2.952 Erzieherinnen und Erzieher im Thüringer Hort. Weitere 1.176 Beschäftigte verfügen aber bereits über einen Stellenumfang von 80 bis 100 Prozent. Ich sage das deshalb, weil in der öffentlichen Diskussion gern der Eindruck erweckt

wird, als ob wir ausschließlich auf 50-Prozent-Stellen arbeiten würden. Das ist eben nicht der Fall, 1.176 Beschäftigte haben einen Beschäftigungsumfang von 80 bis 100 Prozent. Wir finden den Schritt, den wir gehen, natürlich richtig und wichtig, denn zu qualitativer Betreuung gehören nicht nur genügend Erzieherinnen und Erzieher, sondern sie sollen auch ausreichend Zeit mit den Kindern haben.

Dadurch wird sich auch der Arbeitsalltag von Frau Lailach, die ich vorhin genannt habe, verändern. Sie ist bisher jeden Tag von 12.00 bis 16.00 Uhr für die Kinder da. In Zukunft wird sie wenigstens 60 Prozent arbeiten können und sie sieht das für sich durchaus als einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung, aber einen eben, der nicht ausreicht, wo wir weitergehen müssen. Aber sie wird mehr Möglichkeiten haben, sich mehr als bisher sowohl mit Lehrern als auch mit Schulbegleitern abzustimmen, auch mal zeitweise in den Unterricht gehen zu können und die Kommunikation mit Kollegen und den Eltern zu pflegen.

Wir wollen zudem und haben das festgelegt, dass frei werdende Stellen, die einen höheren Beschäftigungsanteil, beispielsweise 80 Prozent, haben, im gleichen Stellenumfang nachbesetzt und nicht, wie bisher oft geschehen, auf 50 Prozent heruntergezoomt werden.

(Beifall DIE LINKE)