Protocol of the Session on May 5, 2017

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Für die Abschaffung der AfD! Freiwillig!)

Und das – deswegen sage ich das noch mal – das ist die Sozialdemokratisierung der CDU und damit sind Sie eigentlich ganz wieder bei der SPD. Herzlichen Dank.

(Beifall AfD)

Herr Abgeordneter Höcke, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrter Herr Kollege Matschie, Sie haben hier vorn den lebendigen Beweis angetreten, dass das Bildungsministerium im Freistaat Thüringen nicht erst seit dieser Legislaturperiode fehlbesetzt ist.

(Beifall AfD)

Herr Kollege Matschie, ich habe hier vorn – und es ging mich hart an – einen persönlich frustrierten Menschen reden hören –

(Heiterkeit SPD)

persönlich frustriert! Ich weiß, es ist schlimm, als Minister zu scheitern. Aber jetzt haben Sie praktisch nachträglich noch einmal den Beweis angetreten, dass Sie die Arbeit als Minister tatsächlich auch im Nachgang bewerten als ein komplettes Scheitern Ihres Tuns. Danke schön dafür.

(Beifall AfD)

Sie haben Unrecht, Herr Matschie. Sie sind nun kein Lehrer. Ich habe gesehen – ich musste das gerade mal nachschlagen, weil Sie hier vorn sehr

selten zu sehen sind, ich glaube, Frau Muhsal hat recht, einmal oder zweimal waren Sie hier vorn –, Sie sind, glaube ich, studierter Theologe und haben eine Ausbildung als Mechaniker gemacht, sind trotzdem Kultusminister geworden, aber haben anscheinend in der Legislatur als Kultusminister nicht so viel von Schule gelebt und erlernt.

Herr Matschie, natürlich ist ein System, das sich höherentwickelt, immer in einer Tendenz einer weiteren Ausdifferenzierung. Selbstverständlich ist das deutsche Schulsystem das Schulsystem einer hoch ausdifferenzierten Gesellschaft. Deswegen sagen wir Ja zu dieser Hochausdifferenziertheit und deswegen sagen wir Ja zum gegliederten Schulsystem.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Ich sage Nein zur AfD!)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Und ich zu Bernd Hitler!)

Ich habe den Herrn Matschie jetzt hart attackiert, das gebe ich zu, aber er hat natürlich recht.

Sehr geehrter Herr Kollege Tischner, jetzt muss ich mit Ihnen reden. Er hat natürlich recht. Sie haben vollkommen zu Recht – und das unterschreibe ich, Sie sind Lehrer, Sie haben das Wissen darum, dass Schule nur dann funktioniert, wenn Schule in Schulfrieden leben kann, nur dann ist Bildung und Erziehung in unseren Schulen überhaupt möglich. Das unterschreibe ich sofort. Aber Sie haben gerade das Loblied der Kontinuität hier vorn gesungen – auch das zu Recht, aber Herr Matschie hat recht, wenn er Sie darauf hinweist, dass Sie es waren, nämlich 2010 unter der Ministerpräsidentschaft von Christine Lieberknecht, die die Kontinuität der äußeren Schuldifferenzierung durch die Implementierung der TGS hier in Thüringen durchbrochen hat. Das ist die Schuld der CDU als Seniorpartner in der Koalition unter Christine Lieberknecht.

(Beifall AfD)

Herr Tischner, Sie haben hier vorn gestanden und haben gesagt, die AfD hätte ihren Antrag bei der CDU abgeschrieben. Also wenn ich mich recht entsinne, war unser Antrag zuerst da und Ihr Alternativantrag ist auch wesentlich später – ich glaube, erst vor zwei Stunden – hier im Plenum eingebracht worden. Also ich glaube nicht, dass Sie den Antrag schon vorher fertig hatten, dann gewartet hatten, bis die AfD ihren Antrag dann entsprechend auf die Tagesordnung des Plenums setzen lässt, um uns dann hier ein wenig Narretei vorzuführen und diesen Alternativantrag zwei Stunden vorher im Plenum einzuspeisen. Das glaube ich Ihnen nicht, Herr Tischner.

Gucken Sie doch einmal in die Inhalte. Sie haben keine Kritik an den Inhalten unseres Antrags geübt.

(Abg. Muhsal)

Sie haben in Ihrem Alternativantrag einige Punkte zusätzlich aufgeführt. Das ist richtig, über die hätten wir reden können. Aber das, was Sie von uns übernommen haben, ist deckungsgleich. Ich habe keine Kritik an den Inhalten gehört. Deswegen finde ich es schade, dass wir da nicht zu einer gemeinsamen Lösung gekommen sind. Ich glaube, wir haben relativ viel gemeinsam,

(Beifall AfD)

wenn Sie es denn mal im Bereich der Bildungspolitik

(Unruhe DIE LINKE)

ruhig – ernst meinen würden, sehr verehrte Kollegen Abgeordneten – das noch einmal zum Schluss –, und leider nicht wie in der Bildungspolitik immer und stets in den letzten Jahren und Jahrzehnten hinter dem Zeitgeist herrennen würden, sondern einfach mal zu den bewährten Werten stehen würden. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Wel- che Werte – Nationalsozialismus? Das war eine Frage!)

Ich glaube, berechtigt war die Frage auch nicht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Sie haben je- des Maß verloren, Sie Kasper dahinten!)

Den Ordnungsruf haben Sie sich jetzt selbst verdient.

Zunächst Herr Höcke, bekommen Sie einen Ordnungsruf für den „Kasper“. Und jetzt können wir den Unterricht fortsetzen. Frau Staatssekretärin Ohler.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, als Allererstes möchte ich dem ehemaligen Bildungsminister Christoph Matschie für seinen Rückblick auf die letzten Legislaturen sehr herzlich danken.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube nicht, dass das in einer rot-rot-grünen Koalition unangebracht ist.

Zurück zu den sachlichen Punkten. Ein paar Zahlen zunächst: Zur Entwicklung der Anzahl der staatlichen Schulen seit dem Jahr 2000, verteilt auf die Schularten im allgemeinbildenden Bereich, kann ich Ihnen folgende Zahlen nennen: Im Schuljahr 2000/2001 gab es 516 Grundschulen, derzeit sind es 414. Im Schuljahr 2000/2001 gab es 336 Regel

schulen, derzeit sind es 187. Es gab 76 Gymnasien, derzeit haben wir 85. Förderschulen gab es 106, jetzt haben wir 56. Gemeinschaftsschulen gab es im Jahr 2000/2001 noch nicht, die wurden erst im Jahr 2011/2012 eingeführt; das sind derzeit 44 staatliche. Zu den Zahlen bei den freien Trägern, da habe ich jetzt jedoch nur die aktuellen: Wir haben 30 Grundschulen, 8 Regelschulen, 20 Gemeinschaftsschulen, 11 Gymnasien, 7 Gesamtschulen, 24 Förderschulen, 71 Berufsschulen in freier Trägerschaft. Und zwei Zahlen von den staatlichen Schulen habe ich vergessen. Wir haben noch 6 Gesamtschulen und 41 berufsbildende Schulen in staatlicher Trägerschaft.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Noch!)

Herr Tischner, Sie haben recht, Thüringer Schulen sind gut, sie sind sehr gut, und damit das so bleibt, hat der Ministerpräsident in Absprache mit der Bildungsministerin die Kommission „Zukunft Schulen“ ins Leben gerufen, um einen unvoreingenommenen Blick von außen auf zentrale Herausforderungen des Schulwesens in Thüringen zu richten. Die nicht öffentlichen Sitzungstermine der Kommission reichen bis in den Juni hinein. Ein Zwischenbericht ist nicht vorgesehen. Ursprünglich war Mai vorgesehen. Da wir so viele Gäste einladen, mussten wir zusätzliche Termine aufnehmen. Zu den Sitzungsterminen lädt die Kommission jeweils nach den angesetzten inhaltlichen Schwerpunkten einschlägige Fachleute und Vertreterinnen und Vertreter der wichtigsten beteiligten Gruppen ein. Dazu gehören unter anderem die Landesvertretung der Thüringer Schülerinnen und Schüler und der Eltern, die GEW und der TLV. Eingeladen wurden ferner Vertreterinnen und Vertreter der Schulträger.

Kurz zur Frage der Schulwege: In einer gemeinsamen Empfehlung von kommunalen Spitzenverbänden und dem Bildungsministerium sind Richtwerte für die Entfernung zwischen Wohnort und Schulstandort gestaffelt nach Schularten festgelegt. Gemäß der Empfehlung sollten Grundschüler pro Strecke nicht mehr als 8 Kilometer oder 30 Minuten aufwenden müssen, Regelschüler sollten pro Strecke nicht mehr als 16 Kilometer oder 45 Minuten aufwenden müssen und Gymnasiasten und Förderschüler nicht mehr als 25 Kilometer oder 60 Minuten.

Nun einige Argumente zur Inklusion – vieles hat Herr Matschie ja schon gesagt –: Mit Augenmaß gestalten heißt, dass unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit vernünftig und der Situation angemessen gehandelt wird. Der Vorrang des lernzieldifferenten gemeinsamen Unterrichts ist in Thüringen bereits seit 2003 durch den Gesetzgeber festgeschrieben und wir erinnern uns: Damals gab es eine Regierung unter der CDU. Seitdem wird gleichzeitig den regional unterschiedlichen Entwicklungen in Thüringen Rechnung getragen. Der Thüringer

(Abg. Höcke)

Entwicklungsplan Inklusion beschreibt neben Zielen und Aufgaben für die Landesregierung aus genau diesem Grund regionale Entwicklungspläne. An deren Erarbeitung waren die Gebietskörperschaften in einem offenen Diskussionsprozess beteiligt und jede Thüringer Schule hat die Möglichkeit, sich einzubringen. Darüber hinaus enthält der Entwicklungsplan Empfehlungen externer Expertinnen und Experten. Inklusion kann nur mit Akzeptanz gelingen. Der Entwicklungsplan Inklusion soll daher bis zum Jahr 2025 fortgeschrieben und die nächsten Schritte zwischen Ministerium, Schulämtern und Schulträgern festgelegt werden. Dabei geht es weiterhin darum, die Schulen in einzelnen Regionen, die für sich differenziert zu behandeln sind, auf ihren Entwicklungsstand hin zu inklusiven Schulen und Barrierefreiheit zu betrachten und zu überlegen, welche Schule in welchem Tempo und mit welchen konkreten baulichen Schritten weiterentwickelt werden kann. Begleitet und unterstützt wurde und wird die Gestaltung der Inklusion insbesondere mit bedarfsgerechten Maßnahmen des Unterstützungssystems. Dazu gehören beispielsweise Fachberater, didaktische Trainer und Schulentwicklungsberater sowie Fortbildungen auf allen Ebenen. Seit dem Schuljahr 2008/2009 sind in jedem staatlichen Schulamt professionsund ämterübergreifende Steuergruppen zur Weiterentwicklung der Förderzentren und des gemeinsamen Unterrichts, die WFGs, tätig. Regelungen zu den speziellen Erfordernissen der Schulen finden sich in den Verwaltungsvorschriften zur Organisation der Schuljahre. Und Augenmaß heißt auch: keine übereilte Abschaffung der Förderschulen, Berücksichtigung des Elternwillens und das Angebot an die freien Träger der Schule, bei der Diagnostik für alle Kinder einbezogen zu werden.

Nun zum zweiten Teil des AfD-Antrags: Hier möchte ich den Mitgliedern der AfD-Fraktion etwas mitgeben. Der Spruch ist zwar alt, aber der Antrag erweckt den Eindruck, bei Ihnen noch nicht angekommen zu sein: „Lesen bildet.“ Nehmen Sie sich mal den Koalitionsvertrag zur Hand, da steht auf Seite 46 im Kapitel Schule schwarz auf weiß: „Alle bestehenden Schularten erhalten eine sichere Entwicklungsperspektive.“

(Zwischenruf Abg. Muhsal, AfD: Bei Ihnen ist die sichere Entwicklungsperspektive die Ab- schaffung!)

Wir halten uns an den Koalitionsvertrag. Wir erhalten das gegliederte Schulsystem. Die Vielfalt der Schularten in Thüringen ist ein Reichtum unserer Bildungslandschaft. Jedes Kind ist anders und für jedes Kind brauchen wir das richtige Angebot und glauben Sie mir, wer auch immer so einen Unsinn in die Welt setzt, dass wir Einheitsmenschen und Einheitsschulen wollten, der verbreitet Ideologie, aber keine Fakten.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Der Ein- heitslehrer!)

Und die Einheitslehrer, genau. Das ist alles …

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Die Eltern von den Kindern sagen etwas anderes!)

Was sagen die anderes?