Protocol of the Session on March 24, 2017

(Beifall AfD)

Meine Damen und Herren, überraschend ist das Regierungspapier auch – man höre und staune –, wenn darin ein klares Bekenntnis zur Aufnahme der Türkei in die Europäische Union zu finden ist. Das ist grober Unfug und das wissen eigentlich alle, zumal angesichts der derzeitigen Entwicklung in der Türkei, nämlich der Entwicklung hin von einer Demokratie in eine Diktatur, sodass eigentlich auch dem letzten rot-grünen Gutmenschen und auch dem durchschnittlichen Linksextremisten klar sein müsste: Die Türkei hat in der Europäischen Union nichts, aber auch gar nichts verloren.

(Beifall AfD)

Das ist nun schon seit einigen Jahren so, wobei es bemerkenswert ist, dass man noch vor gar nicht allzu langer Zeit als Nazi gescholten wurde, wenn man gegen den Türkeibeitritt in die Europäische Union war. Gerade Sie von Rot-Grün waren doch die, die mit wehenden Fahnen vorangelaufen sind und mit Özdemir und Co. für einen EU-Beitritt der Türkei demonstriert und agitiert haben. Davon hört man jetzt nichts mehr. Also sieht man mal: RotGrün liegt, was die historische Dimension angeht, immer, aber auch immer völlig falsch.

(Beifall AfD)

Das Strategiepapier der Landesregierung, was ich erwähnt hatte, ist in weiten Teilen ein Papier von gestern und damit – Herrn Hoff wird das enttäuschen – alles andere als revolutionär. Wir müssen aus solchen gestrigen Perspektiven, Herr Hoff, wo immer Sie gerade sein mögen, herauskommen. Unser Antrag weist in eine Richtung, die Europa voranbringen wird. Wenn dieser Antrag eine Besinnung auf nationale Interessen und auch im EUKontext einfordert, dann heißt das nicht, dass wir gegen europäische Kooperation wären, so wie das hier fälschlicherweise dargestellt wurde, denn

selbstredend gibt es grenzüberschreitende Probleme, die EU-mäßig reguliert und angegangen werden müssen. Aber es heißt eben nicht, dass man dafür eine EU braucht in der Form, wie sie sich zur Zeit entwickelt hat und wie sie dasteht, nämlich wie eine EU, die völlig in der Sackgasse steht. Unser Antrag, den Sie alle vorliegen haben, nennt exemplarisch einige Felder, die nach unserer Überzeugung eine klare Ausrichtung auf nationale Interessen verlangen. Wir wünschen uns von der abwesenden Landesregierung, dass sie eine entsprechende Politik verfolgt.

(Beifall AfD)

Zunächst zur Forderung unseres Antrags, dass das Euro-Währungsexperiment zu beenden ist: Der Euro wurde gegen den Rat vieler Ökonomen, vieler Währungsexperten und gegen jegliche bürgerliche Vernunft politisch durchgesetzt und die D-Mark wurde genauso auf dem Altar der Euro-Verblendetheit geopfert wie die Unabhängigkeit der Bundesbank. Geschadet hat es uns allen. Die Folgen dieser Entscheidung sind schmerzlich spürbar, wie wir alle merken: Nullzinspolitik, hohe Gebühren und schrumpfende Vermögen.

Meine Damen und Herren, die Verschuldung der EZB steigt, wie Sie alle wissen, ins Unermessliche. Die Rechnung dafür wird uns garantiert nach der Bundestagswahl serviert, da bin ich ziemlich sicher.

Damit die Staaten und die EZB aus dem Schuldenberg rauskommen, gibt es eine Niedrigzinspolitik mit einer ansteigenden Inflation. Darunter leiden vor allem die Deutschen mit ihren Lebensversicherungen, die wenig Grundbesitz in den letzten Jahrzehnten aufgebaut haben. Das geht zulasten der Deutschen und vor allem der deutschen Steuerzahler.

Punkt 2 unserer Forderung ist noch einmal eine Position, die die CDU offenbar unterstützt und die auch vertreten wird, nämlich der Missbrauch von Sozialleistungen durch EU-Ausländer. Wir wollen ganz hohe Anforderungen daran stellen, dass EUAusländer überhaupt in den Genuss von Sozialleistungen in Deutschland kommen. Das können Sie im Antrag nachlesen.

Meine Damen und Herren, sicher ist für uns, dass wir die Europäische Union zu einer neuen Institution entwickeln müssen und zwar im Sinne eines Charles de Gaulle‘schen Europas der Vaterländer im besten Sinne. Und das wird nicht von Brüssel aus gesteuert, sondern von souveränen Nationalstaaten und das heißt, in Deutschland von Berlin aus. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Ich möchte nur noch erwähnen, dass die Landesregierung durchaus anwesend ist, denn sonst könnten wir nicht weiterberaten und müssten sie herbeirufen.

Frau Abgeordnete Henfling, Sie haben für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Präsidentin! Man weiß bei dem Vorredner gar nicht, wo man anfangen soll mit dem roten Stift bei dem Quatsch, der hier teilweise erzählt wurde.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Fangen Sie vorn an!)

Herr Brandner, Sie glauben auch, Chauvinismus ist Rebellion. Ich kann Ihnen versichern, das ist nicht so. Das ist einfach nur Chauvinismus, das ist daneben, es ist verachtend, wie Sie hier teilweise über die Abgeordneten im Haus herziehen. Niemand, wirklich niemand braucht die Beurteilung durch Sie, Herr Brandner, wie er hier redet,

(Unruhe AfD)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wie er hier auftritt. Da schwingen Sie sich zu einer Instanz auf, die Sie niemals sein werden.

Mein Lieblingssatz war der von Herrn Möller: „Demokratie koppelt sich an den Nationalstaat.“ Das war einer der größten blödsinnigsten Sätze, die ich heute hier gehört habe, denn das ist einfach wirklich absoluter Quatsch, was Sie hier erzählen. Ich dachte, Sie haben einen Geschichtslehrer in Ihrer Fraktion. Dann würden Sie das vielleicht auch besser auseinanderkriegen. In der griechischen Antike war die Demokratie vor allen Dingen an das Mannsein gekoppelt, weniger an den Nationalstaat. Die Entstehung von Nationalstaaten war wiederum auch kein besonders demokratischer Prozess. Die Nationalstaaten, die keine Demokratie haben, sind das dann auch keine Nationalstaaten? Das müssen Sie mir noch mal erklären, wie Sie das auseinanderkriegen. Wenn man sich auf „Demos“ beruft, was übrigens im Original griechisch ist und tatsächlich übersetzt „Gemeinde“ und nicht „Volk“ heißt, dann würde man auch zu der Erkenntnis kommen, dass das, was Sie wollen, ein hartes Abstammungsprinzip ist. Sie argumentieren hier absolut völkisch, für Sie gehören nur die dazu, die wahrscheinlich auch gleichen Blutes sind. Das ist das, was Sie hier quasi mehr oder weniger sagen, wenn Sie sagen, es ist unmöglich, jenseits von Nationalstaaten demokratisch zu agieren. So viel dazu.

(Abg. Brandner)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Europapolitische Strategie wurde, das hat Herr Höcke selbst festgestellt, schon im März des letzten Jahres, also vor mehr als einem Jahr, hier ausführlich debattiert. Ziel war es, die Regierungserklärung zu einer Strategie des Landes zu machen und möglichst viele Menschen mit einzubeziehen. Das heißt also, wir haben uns ein ganzes Jahr vorgenommen, um hier zu diskutieren. Die Strategie, auch das haben die Kolleginnen und Kollegen hier schon gesagt, wurde in alle Ausschüsse überwiesen. Es hat auch eine öffentliche Anhörung dazu stattgefunden. Über die Beteiligung im Online-Forum kann man sich sicherlich trefflich streiten. Das gilt aber auch für andere Dinge, wo wir Beteiligung im Online-Forum gemacht haben. Im Ergebnis konnten wir eine Reihe von Konkretisierungen und Verbesserungen vorschlagen. Diese sind in einer Beschlussempfehlung der Drucksache 6/3370 zusammengetragen. Hier lässt sich genau nachlesen, welcher Ausschuss sich wie lange und wie oft mit der Europapolitischen Strategie befasst hat und welche Änderungsvorschläge diese Ausschüsse eingebracht haben. So wurde im Besonderen festgehalten, dass die Strategie unbedingt um eine kulturelle Dimension erweitert werden muss. Das hat auch die Kollegin Marx hier schon erwähnt. Die Anhörung hat im besonderen Maße gezeigt, dass das Bewusstsein in einer europäischen Kultur ein starker Integrationsmechanismus ist. Die Bedeutung und die vielfältige Verzahnung von Kultur mit einer Vielzahl von Lebens- und Wirkungsbereichen muss weiter ausgebaut und aufgezeigt werden. Der Ausschuss regt auch an, unter Einbeziehung neuer Kulturtechniken bewusst die Zusammenarbeit mit europäischen Partnerinnen und Partnern, wie zum Beispiel der UNESCO, zu fördern und auszubauen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ähnliches trifft auch auf die Dimension der Bildung zu. So stellt der Ausschuss außerdem fest, dass die Bedeutung der Bildung für ein tieferes Verständnis europäischer Prozesse und Geschichte unabdingbar ist. Da empfehle ich der AfD, vielleicht mal an einer Weiterbildung teilzunehmen. Beides ist gleichermaßen Voraussetzung, ein europäisches Bewusstsein herauszubilden. So gehören Bildungsträger stärker in den Fokus dieser Strategie. Sie sind bedeutende Multiplikatoren bei der Vermittlung von Mitwirkungsmöglichkeiten, Austauschprogrammen und europäischen Werten. Dabei stehen vor allem auch die Vernetzung der Bildungsträger im Mittelpunkt sowie eine Ausweitung ihrer Unterstützung. Hier wurde vorgeschlagen, dies durch eine stärkere Förderung der europäischen Austauschmöglichkeiten und einschlägigen Qualifizierungen zu ermöglichen. Als weiterer Punkt wurde die Öffentlichkeitswirkung europäischer Bildungsund Förderprogramme thematisiert. Hier wurde eine massive Verbesserung im Hinblick auf die at

traktiven Auftritte im Internet und eine klare Zielgruppenorientierung gefordert. Bezüglich einer gemeinsamen europäischen Migrations- und Flüchtlingspolitik sehen wir besonders das Dublin-System als schwierig an. Wir fordern hier eine grundlegende Überprüfung und Erneuerung. Die bestehenden Mechanismen können aufgrund mangelnder Sanktionsmöglichkeit nicht ihre völlige Wirkkraft entfalten. Sozialstandards müssen in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen gelten und eingehalten werden. Dafür setzen wir Grüne uns in besonderem Maße ein und wollen dies als Empfehlung für die Strategie mitgeben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um den Datenschutz nachhaltig zu verbessern, muss zum Beispiel auch das Nachfolgemodell des Safe-Harbor-Abkommens, Privacy Shield, ebenso fest in die Strategie verankert werden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, all das will die AfD nicht. Die AfD möchte sozusagen, dass Deutschland maßgeblich profitiert von der Europäischen Union. Sie möchte das Survival of the Fittest in der Europäischen Union. Das ist nicht der Ansatz, den wir hier verfolgen. Der Ansatz heißt Solidarität und der Ansatz heißt, wenn es unserem Nachbarn gut geht, dann geht es auch uns gut. Daran müssen wir arbeiten in der Europäischen Union. Sie wollen eine Neiddebatte zwischen den Ländern. Wozu so etwas führt, wissen wir, meine sehr geehrten Damen und Herren. Da zeigt sich, dass Sie nicht ansatzweise die soziale Fahne, die Sie immer auf nationalstaatlicher Ebene schwingen, tatsächlich auch durchhalten und durchdekliniert haben, sondern dass das alles nur neoliberales Geblubber ist, was Sie hier von sich geben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir sind unterschiedlicher Meinung, auch mit der CDU, was zum Beispiel die Frage der Sozialunion angeht. Auch das kann man relativ transparent der Beschlussempfehlung entnehmen. Es gibt Sachen, dazu haben wir einfach unterschiedliche Positionen, das gehört schlicht und ergreifend in einer Demokratie dazu. Wir haben transparent gemacht, wo wir diese unterschiedlichen Auffassungen haben. Nachweisbar ist allerdings aufgrund dieser Transparenz eben auch, dass die AfD keine Vorschläge in den Arbeitsprozess eingebracht hat. Es heißt sogar wortwörtlich in Ihrem Schreiben an den Ausschuss – ich zitiere: „Eine prinzipielle Neuausrichtung der EU-Politik dürfte die Europapolitische Strategie am Ende kaum fordern. [...] Auf der Grundlage dieser Erwägung enthält sich die AfD-Fraktion konkreter Formulierungsvorschläge für die Europapolitische Strategie“.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Das habe ich gerade erklärt. Bravo!)

(Beifall AfD)

Es geht ja noch weiter.

Hier ist also erkennbar: Vonseiten der AfD war keine Beteiligung am demokratischen Willenbildungsprozess gewollt. Darauf basiert nämlich übrigens alles, was wir hier machen – wir diskutieren, wir handeln Sachen aus. Sie beteiligen sich einfach nicht daran, weil Sie sagen, dass am Ende eh nicht das rauskommt, was Sie sich vorstellen. Deswegen machen Sie einfach nicht mit.

(Unruhe AfD)

Das ist so ein bisschen Kindergartenmentalität, die Sie da an den Tag legen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Zum Wahl- gesetz kommen wir nachher noch mal!)

Herr Brandner wünschte sogar in der öffentlichen Sitzung am 20.01.2017, die Stellungnahme, dass die AfD keine Vorschläge einreichen will, bitte dem Landtagspräsidenten zuzuleiten, da sonst der Eindruck entstünde, die AfD würde nicht arbeiten. Ich finde, dieser Satz steht eigentlich für alles, was die AfD hier tut.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sagen noch mal Bescheid, dass wir nichts machen wollen, damit auch niemand denkt, dass wir nicht arbeiten. Das ist Ihre Logik.

(Beifall SPD)

Doch genau das hat die AfD eben nicht getan, sie hat nicht gearbeitet. Ihr Antrag soll darüber hinwegtäuschen und damit stellen Sie sich sogar noch schlechter als vorher. Hätten Sie am demokratischen Prozess mitgewirkt, könnten wir jetzt auch Ihre Anmerkungen in den Empfehlungen lesen; Sie haben sich aber verweigert. Jetzt lehnen wir Ihren extra eingereichten Antrag ab, damit erscheinen Ihre Anmerkungen nirgendwo – ein klassischer Fall von „Dumm gelaufen, merkste selber“. Dies zeigt sich auch am überschaubaren Inhalt. Da darf natürlich die obligatorische Forderung zum Austritt aus dem Euro nicht fehlen – volkswirtschaftlich grober Unsinn. Die Stärkung der Regionen, Kommunen und Länder steht übrigens bereits in unserem Antrag – also schlecht abgeschrieben. Der Knaller ist Ihr letzter Punkt, das hat auch die Abgeordnete Marx schon angesprochen: Hier fordern Sie, mit EU-Recht den Transfer von Fachwissen zu unterbinden. Hätten Sie am Mittwoch zum parlamentarischen Abend nicht nur dagesessen und getrunken und gegessen, sondern zugehört, als die FriedrichSchiller-Universität hier zu Gast war und uns nicht nur verköstigt, sondern auch mit guten Informatio

nen versorgt hat, dann würden Sie sich erinnern, dass Wissenschaft ohne Transfer nicht denkbar ist. Hier zeigt die AfD wieder einmal, welche Zukunftsvision ihr tatsächlich vorschwebt, nämlich dumpf, isoliert und abgehangen – das ist das, was Sie sich vorstellen. Wir empfehlen der AfD, einen Grundkurs in Demokratie zu belegen und sich bis dahin in Demut zu üben, und lehnen den Antrag natürlich ab. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bevor ich der Staatssekretärin Winter das Wort erteile, erteile ich Herrn Brandner nach Rücksprache mit meinen Kollegen einen Ordnungsruf für die Bemerkung: „Was quatschen Sie mir pausenlos dazwischen?“.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist eine absolute Beschimpfung des Präsidiums. Für das Weiterreden erteile ich Ihnen einen zweiten Ordnungsruf, weil es eine Missachtung der Anweisungen des Präsidiums darstellt. Ich belehre Sie, dass Sie bei dem dritten Ordnungsruf die Tagung heute verlassen müssen.