Protocol of the Session on March 23, 2017

Wir setzen die Sitzung fort.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 11

Achtes Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes (Bürgerentlas- tungsgesetz) Gesetzentwurf der Fraktion der AfD - Drucksache 6/3596 ERSTE BERATUNG

Gibt es den Wunsch nach Begründung? Herr Abgeordneter Henke, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrte Abgeordnete, werte Gäste, 230.000, 75.000, 71.000, 50.000 Euro – das sind keine Gewinne aus der Ziehung von LOTTO Thüringen, sondern Geld, das der Bürger für Straßenausbaubeiträge blechen muss. Hinter diesen abstrakten Summen stecken konkrete Menschen, junge Familien mit einem kreditfinan

(Abg. Tischner)

zierten Neubau, die Rentnerin, die kaum über die Runden kommt und ein sanierungsbedürftiges Haus besitzt, der Mittelständler, der als einer der wenigen Arbeitsplätze vor Ort sichert. Horrende Straßenausbaubeiträge, die für Straßen erhoben werden, welche vor Jahrzehnten fertiggestellt und inzwischen selbst sanierungsbedürftig sind, sind Gift für den ländlichen Raum. Sie sind sozial ungerecht und sie sind – und das vollkommen zu Recht – ein großes Ärgernis für die Bürger.

(Beifall AfD)

Die AfD als soziale Heimatpartei ist die einzige Kraft, die für eine Entlastung der Familien, Rentner und Mittelständler sorgt. Unsere Vorschläge dazu werden wir gleich ausführlich erläutern. Im Gegensatz zu den Linken reden wir nicht nur – wir handeln. Mehr als zwei Jahre lang hatten diese Landesregierung und die Koalitionsfraktionen Zeit, herausgekommen ist bislang nichts außer leeren Ankündigungen in einem Gesetzentwurf, der rechtlich hochgradig problematisch ist.

(Beifall AfD)

Unser Bürgerentlastungsgesetz trägt sein Ziel schon im Namen. Wir freuen uns auf eine konstruktive und produktive Debatte im Sinne unserer Bürger. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Ich eröffne die Beratung. Als Erster hat Abgeordneter Adams, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen hier im Thüringer Landtag, die AfD hat einen Antrag zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes eingebracht. Sicherlich war der AfD nach langer Debatte hier im Thüringer Landtag aufgefallen, dass es hier Novellierungsbedarf gibt, der seit vielen Jahren auch zwischen der Opposition und der Koalition immer wieder heftig diskutiert wurde und wo wir lange nach guten Lösungen gesucht haben. Beachtlich ist, dass die AfD einen Antrag eingebracht hat, nachdem wir eine Anhörung zum Gesetzentwurf von Rot-Rot-Grün durchgeführt haben und diese Anhörung einige Dinge sehr deutlich gemacht hat, so deutlich gemacht hat, dass wir – das wissen Sie, Herr Henke, auch aus dem Ausschuss – gesagt haben, wir müssen hier über unser Gesetz noch mal drüber gehen, weil das verändert werden muss. Dass Sie jetzt allerdings daherkommen und sagen, wir nehmen nicht nur schon wieder auch einen Stichtag, der als außerordentlich kritisch zu sehen ist, sondern Sie sagen, wir verändern auch noch die Stichtagsregelung in dem Sinne, dass wir sie

verkürzen, dabei bedienen Sie sich einer Analogie aus einem ganz anderen Rechtsbereich und versuchen nicht einmal zu erklären, wie Sie darauf kommen, dass man das Steuerrecht mit dem Recht der Straßenausbaubeiträge in irgendeiner Form vergleichen könne, sondern Sie sagen einfach nur, es wäre besser, wenn man das macht. Sie argumentieren überhaupt nicht und erläutern leider überhaupt nicht, wie Sie darauf kommen. Des Weiteren, denke ich, sollten Sie zur Kenntnis nehmen, was wir in der Anhörung gelernt haben: Stichtage sind ein Problem. Sie lassen sich selten rechtssicher konstruieren.

(Beifall CDU)

Sie schlagen einen Stichtag vor. Das zeigt, dass Sie da aus den Anhörungen wenig mitgenommen haben. Sie haben auch nicht mitgenommen, was uns der Gemeinde- und Städtebund sehr kritisch ins Stammbuch geschrieben hat, nämlich dass es durch eine Regelung, wie Sie sie vorschlagen, wie wir sie einmal diskutiert haben, zu Ungleichbehandlungen kommen wird und warum auch viele Bürgermeister, die wir mit angehört haben, eine solche Regelung ablehnen.

(Beifall CDU)

Sie negieren auch, dass das OVG, das wir angehört haben und das außerordentlich weitgehend bereit war, mit uns in eine Diskussion einzutreten, gesagt hat, dass diese Frage der dauerhaften Leistungsfähigkeit gut definiert sein muss. Das darf man nicht einfach nur ins Gesetz schreiben, sondern man müsste dafür eine Erläuterung haben, ansonsten wird man den Kommunen dauernde Rechtsstreitigkeiten auferlegen. Das heißt, alles in allem ist der Antrag der AfD erstaunlich, weil er diametral zu dem Erkenntnisprozess, den der Landtag durchlaufen hat, liegt, deshalb werden wir diesem Gesetzentwurf auch nicht zustimmen und denken, dass sich eine Überweisung hier erübrigt. Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Nächster hat Abgeordneter Kellner, CDU-Fraktion, das Wort.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: So, jetzt erst einmal Selbstkritik! Ihr habt einen Sauhaufen hinterlassen!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, werte Gäste auf der Tribüne! Herr Kuschel, hören Sie mich jetzt?

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Herr Kellner, ich verstehe Sie nicht, ich höre Sie!)

(Abg. Henke)

Liebe Kollegen von der AfD, Sie haben heute einen Gesetzentwurf „Achtes Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes“ eingebracht und schreiben „Bürgerentlastungsgesetz“ darunter.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Genau, das steht da!)

Ich habe das zwar gesucht, ich habe nur nichts gefunden. Ich würde mal sagen, es hat mich mehr erinnert an ein Bürgertäuschungsgesetz.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Da haben Sie recht!)

Ich komme gleich mal dazu, warum ich das so sehe. Herr Adams hat schon mehrere Sachen ausgeführt, aber ich will mal ein bisschen mehr ins Detail gehen bei Ihrem Gesetzentwurf, den Sie hier vorgelegt haben, wo Sie weitestgehend das, was Sie eigentlich beabsichtigt haben oder was Sie beabsichtigen, nicht klar benennen. Sie schreiben Ihre Änderungen einfach in das Gesetz hinein. Das ist ein schlechter Stil, muss ich sagen, das habe ich so auch noch nicht erlebt. In § 7 b wird das in das Gesetz hineingeschrieben. Sie schreiben zwar darüber: § 7 b Abs. 2 wird wie folgt geändert – und dann kommt der Gesetzestext. Da ist aber nicht zu erkennen für den, der das liest, was die AfD eigentlich ändern möchte, außer er nimmt das andere Gesetz, das jetzige Gesetz, legt es daneben und vergleicht Zeile für Zeile, wo es eine Änderung gibt. Dann wird er feststellen, dass reingeschrieben wurde: „Wenn die Beiträge das 0,4fache des Verkehrswerts des beitragspflichtigen Grundstücks übersteigen“ usw. Das hat man dann einfach reingeschrieben, aber nicht kenntlich gemacht bzw. im Vorfeld, wie es der gute Stil ist, deutlich gemacht, dass man als Betrachter sofort weiß, was die AfD an der Stelle will.

Ich will mal gleich auf diesen Punkt eingehen. Das 0,4-fache des Verkehrswertes soll die Grundlage dafür bilden, dass zukünftig eine Stundung möglich ist. Also auch das ist lange im Gesetz geregelt, es gibt die Stundungsregelung, unabhängig davon, wie hoch der Verkehrswert des Grundstücks ist. Dabei geht es nämlich darum, ob sich das der Schuldner oder der Beitragspflichtige überhaupt leisten kann oder nicht. Dabei spielt es keine Rolle, welchen Wert das Grundstück hat. Das wäre ja im Prinzip wirklich alles auf den Kopf gestellt. Jetzt kann er natürlich ein Grundstück haben, das nicht so wertvoll oder teuer ist, dann fällt er nicht unter die Stundungsregelung, hat aber gar kein Einkommen, um das zu bedienen. Also an der Stelle muss ich sagen, ist es äußerst ungerecht. Es wird hier etwas vorgegaukelt, was aber in der Realität überhaupt nicht umsetzbar bzw. nicht zielführend ist und nicht die Entlastung bringt, wie Sie geschrieben ha

ben – ein Bürgerentlastungsgesetz. Das ist es mitnichten.

Überdies wird es ja noch zur Folge haben, dass ein Verwaltungsaufwand, ein bürokratischer Aufwand, damit verbunden ist. Ich muss Gutachten zum Wert meines Grundstücks anfertigen lassen. Sie haben aber auch im Gesetz vergessen zu sagen, wer das Gutachten anfertigen lässt. Ist es die Gemeinde, ist es die Stadt oder ist es der Eigentümer des Grundstücks? Das geht daraus nicht hervor. Jetzt kann man sich vorstellen: Der Eigentümer lässt den Verkehrswert ermitteln und damit ist die Gemeinde nicht einverstanden und umgekehrt. In der Folge werden wir eines machen, wir werden Gerichte beschäftigen, es wird zusätzlich Geld kosten, zum Schluss beiden Parteien, aber es wird wenig Erfolg haben. Noch dazu ist diese Regelung, die Sie hier hineingeschrieben haben, völlig überflüssig, da sie schon vorhanden ist. Also ich habe jetzt überhaupt nicht verstanden, was hier die Innovation und was hier die Verbesserung sein soll, außer dass es letztendlich für viele Leute teurer wird und man sich trefflich streiten kann.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Das erklä- ren wir dann gleich!)

Da bin ich sehr gespannt. Ich frage mich nur, warum Sie es nicht reingeschrieben haben, Herr Brandner. Das wäre doch viel einfacher gewesen, dann hätten wir vielleicht sagen können: Tolle Idee! Dass wir da nicht draufgekommen sind!

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Sie wollten doch nicht zugeben, dass sie es abgeschrie- ben haben!)

Danke schön, AfD, dass Sie so eine tolle Idee haben, jetzt verstehen wir es auch! Also an der Stelle bin ich sehr gespannt, aber mich wundert, dass es nicht im Gesetz drinsteht.

Dann haben Sie noch die Informationspflicht aufgegriffen. Auch hier muss ich Ihnen sagen: Die Informationspflicht gibt es bereits und sehr umfassend und sehr frühzeitig. Sie haben dahin gehend geändert, indem Sie gesagt haben: Drei Monate vor Baumaßnahmenbeginn ist der Bürger zu informieren. Ich sage mal, das ist zu spät, denn es geht ja im Vorfeld schon viel früher los. Es müssen erst mal eine Planung und Ausschreibungen gemacht werden etc. Also das ist ja viel umfangreicher. Bei uns steht jetzt schon im Gesetz drin – in § 13, Informationspflicht –, dass der Bürger frühzeitig einzubeziehen ist. Das ist klar geregelt und das wird auch seit Jahren gemacht. Also ich habe es überhaupt nicht verstanden, wo man hier noch etwas herausholen könnte. Sie haben mit allen Möglichkeiten versucht, hier etwas Neues reinzubringen, und haben aber dabei aus meiner Sicht völlig übersehen, dass das, was Sie ändern wollen, bereits Bestand des Gesetzes ist und noch weitreichender

ist. Dabei bin ich in der Tat auf die Erklärung gespannt, was die AfD uns hier noch nachträglich nachreichen will, damit wir das eine oder andere wirklich so verstehen, wie Sie das meinen.

Also aus unserer Sicht gibt es hier überhaupt keine Notwendigkeit, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen, weil die Regelungen alle schon vorhanden sind, und vor allem Regelungen, die auch praktikabel sind, und auch Regelungen, die wirklich den Bürger entlasten können – und nicht Ihr Gesetz. Dabei bleibe ich: Das ist hier ein Täuschungsgesetz; hier wird den Bürgern etwas vorgegaukelt, was in der Tat schon lange geregelt ist oder ihre Situation an der Stelle nicht verbessert, sondern eher verschlechtert. Alles in allem wird die CDU-Fraktion diesen Gesetzentwurf ablehnen müssen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Als Nächster hat Abgeordneter Henke, Fraktion der AfD, das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Werte Abgeordnete, werte Gäste! Na ja, dass es nicht so einfach werden würde, konnte ich mir schon vorstellen. Ein gewisser Johann Wolfgang von Goethe hätte sicher gern an der Debatte teilgenommen, war er doch im Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach als Wegebaudirektor zehn Jahre lang für den Straßenbau zuständig. Auch wenn die Straßenausbaubeiträge nicht rückwirkend bis ins 18. Jahrhundert erhoben werden dürfen,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: En- de des 19.!)

so sind sie doch ein konstantes Ärgernis für Thüringer Bürger, für Familien, Rentner, Mittelständler und den gesamten ländlichen Raum. Zwei aktuelle Beispiele: In Probstzella laufen Bürger und Mittelständler Sturm gegen Straßenausbaubeiträge. Der Schuhhersteller ASS allein muss 230.000 Euro zahlen. Die Bürger sind zu Recht empört. Wir zahlen kein Champs-Élysées mit Parkplätzen, die wir gar nicht brauchen. Eine Rentnerin erklärte, ihr fünfstelliger Anliegerbeitrag würde es ihr verwehren, schuldenfrei in die Rente zu gehen. Als „Hammer der Woche“ bezeichnete das ZDF im Februar 2016 die rückwirkende Beitragserhebung in ZellaMehlis. Für Straßen, die teilweise 25 Jahre alt waren, wurden horrende Beiträge erhoben. 75.000 Euro für 10 Meter Straße; 71.000 Euro, 50.000 Euro von einem Mittelständler. Die Bürger sprechen von kalter Enteignung. Existenzen stehen auf dem Spiel. Dabei zahlen die Bürger für kaputte Straßen, die längst wieder erneuert werden müssten. Gerade Familien, Rentner und Mittelständler im

ländlichen Raum sind von horrenden Beiträgen betroffen. Die AfD ist die einzige Bürgerentlastungspartei; nur wir setzen uns für eine umfängliche Entlastung der Bürger bei den Straßenausbaubeiträgen ein.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Oh!)

Wir können nicht immer einer Meinung sein, Wolfgang.

(Unruhe CDU)