Wir entlasten die Bürger, indem wir es den Gemeinden freistellen, auf Straßenausbaubeiträge zu verzichten, wenn sie finanziell gesund sind und die Straßenausbaumaßnahmen mindestens vier Jahre vorher beendet wurden. Die vier Jahre entsprechen der Festsetzungsfrist im Steuerrecht, also der Frist, in der ein Steuerbescheid erlassen, aufgehoben oder geändert werden darf. Genauso sollte es bei einer Beitragssatzung sein. Das ist wohlbegründete Ansicht der Bürgerallianz Thüringen gegen überhöhte Kommunalabgaben, die wir vollumfänglich teilen
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Jahr 2013 entschieden: Je länger der Ausbau zurückliegt, desto schwieriger wird es mit der Rechtfertigung, die Beiträge zu erheben.
Das sehe ich genauso. Eine Kalkulation der Straßenausbaubeiträge für eine Straße, die vor zehn Jahren entstanden ist, ist erheblich komplexer als die Berechnungen für einen kürzeren Zeitraum, wie zum Beispiel vier Jahre, und damit mit mehr Fehlern behaftet. Es geht auch und vor allem um den Vertrauensschutz. Die Bürger müssen darauf vertrauen können, nicht noch in 25 und nicht nach zehn Jahren für inzwischen längst reparaturbedürftige Straßen ausgenommen zu werden. Zudem sehen wir im Sinne der Entlastung der Bürger eine obligatorische Stundung der Beiträge auf bis zu 20 Jahre vor, wenn diese das 0,4-fache des Verkehrswerts der Grundstücke übersteigt. Das bayerische Kommunalabgabengesetz, welches als Vorbild für Thüringens Kommunalabgabengesetz dient, sieht übrigens eine ähnliche Regelung vor.
wir eine Pflicht für die Gemeinden fest, vor Ausführung einer Straßenausbaumaßnahme eine Infoveranstaltung durchzuführen,
wie es die Bürgerallianz Thüringen gegen überhöhte Kommunalabgaben und der Bund der Steuerzahler vorgeschlagen haben. Schließlich schlagen wir vor, dass die Satzung über die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen dem Gemeinderat vor dem Beschluss vorliegen muss. Es geht hier einfach darum, dass die Kommunen planen und die Bürger einschätzen können, was auf sie zukommt. Hiermit greifen wir übrigens einen Vorschlag des Bunds der Steuerzahler und des Thüringer Rechnungshofs auf. Wer sich wirklich und glaubhaft für die Entlastung der Bürger einsetzt, der für Familien, den Mittelstand, den ländlichen Raum einsteht, der kann gerne der Überweisung unseres Gesetzes an den Innen- und Kommunalausschuss zustimmen.
Es ist ohnehin eine Anhörung zum Änderungsantrag der Regierungsfraktionen zum Gesetzentwurf der Landesregierung für den 27. April angesetzt, so dass unser Gesetzentwurf im Rahmen dieser Anhörung berücksichtigt werden könnte. Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, werte Gäste, wir erleben jetzt wieder ein Beispiel, wie die AfD mit Ängsten spielt,
an einer Lösung überhaupt nicht interessiert ist, weil dann ja die Ängste weg sind, und hier anmaßend für sich in Anspruch nimmt, für alle Menschen in diesem Land zu reden und einen Alleinvertretungsanspruch zu formulieren.
Wir hatten das gestern schon mal. Ich muss mich zu gestern schon mal korrigieren, da habe ich der CDU vorgehalten, dass sie Rechtsnachfolger einer Partei ist, die 1989 zu Recht untergegangen ist. Aber Sie machen nichts anderes. Damals war das auch so, dass eine Partei für sich in Anspruch genommen hat, ausschließlich für das Gute zuständig zu sein. Und das machen Sie jetzt hier wieder.
Meine Damen und Herren, seit über 20 Jahren beschäftigen wir uns hier im Thüringer Landtag mit dieser Problematik der Kommunalabgaben. Es ist ein sehr komplizierter Prozess, der eben nicht nur allein vom Gesetzgeber bestimmt wird, sondern auch von der Rechtsprechung. Wir als Koalition haben uns in den letzten zwei Jahren intensiv mit den unterschiedlichsten Modellen beschäftigt, wie wir die unbestrittenen Probleme, die wir in den Kommunen in diesem Zusammenhang vorfinden, einer Lösung zuführen können. Wir mussten da auch zur Kenntnis nehmen, dass uns natürlich der lange Zeitraum, der vorher da war, zu der diese Abgaben erhoben wurden,
immer mehr Hürden aufbaut, denn diese Praxis der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen seit 1991 können wir natürlich im Jahr 2017 nicht einfach ausblenden. Dazu werde ich noch mal kommen.
Die CDU hat vor zwölf Jahren versucht, das Problem Wasser und Abwasser zu lösen. Es ist aus Sicht der Bürger eine Lösung eingetreten, aber natürlich zu einem hohen Preis, was den Landeshaushalt betrifft. Wir mussten auch berücksichtigen, dass wir gesagt haben, das wollen wir nicht wiederholen. Es ist aus unserer Sicht ein verantwortungsloses Handeln, ein Problem dahin gehend zu lösen, dass ich einfach eine andere föderale Ebene mit den Kosten, die dadurch entstehen, belaste.
Die Linke hat es sich in Oppositionszeiten nicht ganz so einfach gemacht. Sie hat Lösungen aufgezeigt, die dazu führen, dass ein Interessenausgleich zwischen den Beitragspflichtigen, den Kommunen und dem Land auf den Weg gebracht wird mit diesem Modell der Infrastrukturabgabe. Wir konnten uns politisch nicht durchsetzen, weil auch dort wieder verfassungsrechtliche Probleme benannt wurden, zum Beispiel die Frage, ob diese Infrastrukturabgabe eine steuerrechtähnliche Abgabe ist, denn dann wäre der Bund zuständig. Ist sie eine verbrauchsabhängige Abgabe, dann wären wir als Land zuständig. Dieser Streit konnte nicht aufgeklärt werden, auch heute noch nicht. Da streiten sich die Juristen. Es konnte deshalb keine Einigung realisiert oder umgesetzt werden.
Inzwischen haben wir zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu diesen Fragen, eine von 2013 zu Bayern, die hier im Landtag 2014 in einer Art und Weise umgesetzt wurde, die ich persönlich immer noch für sehr problematisch erachte. Ich darf daran erinnern, das Bundesverfassungsgericht hat zu einem Fall in Bayern gesagt, eine zwölfjährige Rückwirkung ist verfassungsrechtlich problematisch. Wir haben hier deshalb – die damalige Große Koalition – eine Begrenzung auf zwölf Jahre
vorgesehen, allerdings erst ab dem Jahr 2021. Das ist eine sehr freie Interpretation eines Urteils eines Bundesverfassungsgerichts. Wir haben kein Verfahren anhängig. Ich weiß nicht, ob ein Verfahren in Thüringen, das gegen diese Regelung gerichtet ist, vor dem Verfassungsgericht Bestand hätte, denn – wie gesagt – zum Schluss haben wir bis 2021 eine dreißigjährige sogenannte Rückwirkung und dann erst wieder würde diese zwölfjährige Begrenzung/ die Rückwirkung greifen.
Und wir haben eine Entscheidung zu Brandenburg aus dem Jahr 2015, die ganz interessante Ansätze beinhaltet, was die Begründung betrifft. Zum ersten Mal hat das Bundesverfassungsgericht gesagt, dass die sehr abstrakte Debatte, ob es sich hier um eine echte oder unechte Rückwirkung handelt, immer aus der Sicht des Bürgers zu beantworten ist. Nach der technischen Fertigstellung einer Einrichtung ist aus Sicht des Bürgers immer eine Rückwirkung gegeben, unabhängig davon, ob sie juristisch betrachtet unecht oder echt ist. Wir haben hier in Thüringen die meisten Fälle der sogenannten unechten Rückwirkung. Für die Zuschauer: Unechte Rückwirkung – die Maßnahme ist zwar technisch abgeschlossen, aber weil noch keine Satzung vorlag, ist die Beitragspflicht formal-rechtlich noch gar nicht entstanden. Deshalb sprechen die Juristen hier von einer unechten und nicht von einer echten Rückwirkung. Da hat das Bundesverfassungsgericht gesagt, dass diese Debatte abstrakt ist und immer aus Sicht des Bürgers zu beantworten sein muss. Das spricht natürlich auch alles dafür, in Thüringen über diese Begrenzung der Rückwirkung nachzudenken. Die Landesregierung hat im Auftrag der Koalition dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt. Warum es dazu jetzt zu einem Änderungsantrag kommt, darauf werde ich noch mal eingehen.
Ich will aber noch mal sagen, dass es dabei bleibt: Die Straßenausbaubeiträge sind nach meiner persönlichen Überzeugung im 21. Jahrhundert kein geeignetes Instrument mehr. Diese wurden im Übrigen nicht im 18., sondern Ende des 19. Jahrhunderts in Preußen eingeführt – das macht es nicht besser, damit kann ich die Probleme des 21. Jahrhunderts nicht klären. Wir haben in der Bundesrepublik eine sehr differenzierte Rechtslage – das ist ja Landesrecht. Wir haben einige Bundesländer, die haben diese Straßenausbaubeiträge gesetzlich abgeschafft, Baden-Württemberg schon 1997, in Berlin 2012 – übrigens unter Beteiligung der CDU –, dort wurden sie erst 2006 eingeführt. Inzwischen hat sie auch Hamburg abgeschafft, in Bremen gab es sie noch nicht. Niedersachsen hat es jetzt ins Ermessen der Gemeinden gestellt. Im Saarland und in Sachsen ist es schon seit längerer Zeit im Ermessen der Gemeinde. Und in Thüringen, aber auch in Bayern, gibt es die schärfsten Regelungen zur Erhebung der Kommunalabgaben. In Bayern gibt es zumindest noch ein Ermessen, was die Hö
he betrifft, in Thüringen nicht mal, was die Höhe betrifft. Dort müssen die Gemeinden das für alle Ausbaumaßnahmen rückwirkend bis in das Jahr 1991 erheben, und das auch noch in einer gewissen Höhe.
Also insofern ist es richtig, dass wir uns damit beschäftigen, und das hat die Koalition gemacht. Das, was die AfD hier vorgelegt hat, ist wie gesagt reiner – man muss es so sagen – Populismus, weil dieser Gesetzentwurf weder den Bürgern etwas nützt, weil aus Sicht des Bürgers zum Teil sogar Regelungen zur jetzigen Gesetzeslage verschlechtert werden, noch nützt er den Kommunen und dem Land schon gar nicht, weil auch das Land möglicherweise hier mit im Boot ist, wenn es um die Finanzierung von Straßenmaßnahmen geht. Der Gesetzentwurf missachtet verfassungsrechtliche Vorgaben, Entscheidungen der Verwaltungsgerichte und bietet auch für das Problem der möglichen sozialen Ungerechtigkeit, dass ihn nämlich der eine Teil der Bürger bezahlt, der andere nicht, keine entsprechende Lösung an.
Ich will das an einem Beispiel machen: Sie wollen eine Stundungsoption einführen, als Kannvorschrift, während wir jetzt im Gesetz einen Rechtsanspruch auf Stundung haben, und zwar unabhängig von der Billigkeit, also unabhängig von der tatsächlichen eigenen Einkommens- und Vermögenssituation. In § 7 b Abs. 1 ist der Rechtsanspruch auf Stundung definiert. Dazu gibt es sogar seit 2004 Zinsbeihilfe, dass war damals auch eine sehr kluge Entscheidung der CDU, das muss man sagen, weil sie sehr viele soziale Ängste bei den Bürgern genommen hat,
das gestehe ich zu. Also eine sehr wirksame Maßnahme und, wie gesagt, hinter dem sollten wir niemals zurückbleiben. Das will aber die AfD, sie will dahinter zurückbleiben. Man kann es verbessern, aber zurückbleiben, bitte schön, nicht.
Im Übrigen ist die Kopplung der Beitragserhebung an den Verkehrswert nach ständiger Rechtsprechung – nicht nur der Verwaltungs-, sondern auch der Verfassungsgerichte – unzulässig. Es geht bei der Beitragserhebung eben tatsächlich nicht um den Verkehrswert, also um den Wert, sondern es geht um den Gebrauchswert. Und da kann ich nur mal empfehlen, sich mit Marx zu beschäftigen. Der hat sich umfassend mit dieser Auseinandersetzung und dem Unterschied zwischen Gebrauchswert und Wert beschäftigt. Das ist wirklich empfehlenswert. Nächstes Jahr wird der Marx 200 Jahre, das können Sie also machen.
Ich will Ihnen das hier zeigen: Dieser Kuli hat einen Gebrauchswert, damit kann ich schreiben. Welchen Wert der Kuli hat, ist unter anderem davon abhängig, wer ihn in der Hand hatte. So ähnlich ist es natürlich mit dem Gebrauchswert einer Immobilie und dem Wert. Der Wert ist vom Markt abhängig, während der Gebrauchswert die bauliche Nutzung oder die wirtschaftliche Nutzung ist, entweder Erhalt oder eben, dass die Nutzung überhaupt zustande kommt. Und das ist eben entschieden und Sie stellen jetzt wieder auf den Wert ab und reden den Leuten immer ein, als würde es um die Wertfrage gehen. Ich wäre ja auf Ihrer Seite, wenn es so wäre, aber wir können doch die Rechtsprechung nicht ausblenden und das jetzt sozusagen entsprechend völlig auf den Kopf stellen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, aber im Gegenteil zu Ihnen hat die Koalition jetzt eine Lösung gefunden, die tatsächlich zu einer Entlastung von der Beitragspflicht führt und vor allen Dingen einen Interessenausgleich zwischen Kommunen und Land auch berücksichtigt und entsprechend herstellt. Ursprünglich hat die Landesregierung eine Stichtagsregelung vorgeschlagen, 2006, ein Ermessen zu schaffen, also alles, was vor 2006 ist, da hätten Gemeinden entweder auf die Erhebung verzichten können oder sogar vereinnahmte Beiträge zurückerstatten können. Die Gemeinden hätten dabei leistungsfähig sein müssen und hätten niemals Bedarfszuweisungen empfangen dürfen. Nach unserer Berechnung hätten etwa zwei Drittel der Gemeinden diese Regelung überhaupt in Anspruch nehmen können. Es wären aber nur Fälle betroffen vor 2006. Das heißt, für Maßnahmen ab 2007 wäre die jetzige Rechtslage fortgeschrieben worden. Das heißt, für alle Maßnahmen ab 2007 hätten alle Gemeinden erheben müssen und auch noch in einer vorgegebenen Höhe. Die im Gesetz enthaltenen Ausnahmetatbestände, was die Reduzierung der Höhe betrifft oder den Verzicht, die ja 2011 ins Gesetz aufgenommen wurden durch CDU und SPD, haben sich in der kommunalen Praxis als völlig wirkungslos erwiesen. Es gibt nicht einen Fall, wo eine Gemeinde das in Anspruch nehmen konnte,
(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ihre Vor- schläge zur vollkommenen Abschaffung ha- ben sich als wirkungslos erwiesen! Das ist die Wahrheit!)
unter anderem weil beim Verzicht immer die Kopplung an den Einnahmegrundsätzen der Kommunalordnung vorhanden war – daran ist es gescheitert – und bei der Absenkung, weil Sie dort eine Hürde eingebaut haben, eine formale Verschuldungsgrenze von 150 Euro pro Einwohner, wo Sie genau wissen, dass die Verschuldung einer Gemeinde kein
Ausdruck von Leistungsfähigkeit ist. Deshalb kam das nicht zur Anwendung. Das hätten wir alles nicht geändert, sondern wir hätten nur vor 2006 ein Ermessen eröffnet für zwei Drittel der Gemeinden. Ab 2007 wäre alles geblieben. Jetzt hatten wir die Anhörung dazu und mussten zur Kenntnis nehmen, dass natürlich jede Stichtagsregelung sowohl verfassungsrechtlich als auch aus dem Grundsatz der Gerechtigkeit umstritten ist, denn es wird möglicherweise zweierlei Recht in einer Gemeinde geschaffen und ich behandle Beitragspflichtige unterschiedlich. Denn es liegt nicht im Ermessen der Beitragspflichtigen, ob die Maßnahme bis zum 01.01.2006 abgeschlossen war oder eben erst danach beispielsweise im Jahr 2007 oder 2008 oder noch später. Deswegen haben wir uns in der Koalition, weil wir nicht dogmatisch rangehen, sondern lösungsorientiert, verständigt, dass wir uns damit beschäftigen, eine Lösung für die Gegenwart und die Zukunft zu schaffen, von der alle etwas haben und nicht nur ein Teil. Deswegen haben wir jetzt eine Regelung gefunden, dass Kommunen sofort, wenn das Gesetz in Kraft tritt – das könnte im Mai sein –, die Beiträge absenken können auf bis zu 10 Prozent bei Hauptverkehrsstraßen, 15 Prozent bei Haupterschließungsstraßen, bei Anliegerstraßen bis auf 20 Prozent. Jetzt können es 75 Prozent sein. Das heißt, eine deutliche Entlastungsoption ist möglich.