Protocol of the Session on March 22, 2017

auf die Verfassungsgerichtsbarkeit bzw. deren Rechtsprechung. Denn nur noch bis zum 31. Oktober dieses Jahres haben die Kommunen Zeit, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Das Vorschaltgesetz trat aber erst am 2. Juli 2016 in Kraft. Das sind gerade einmal anderthalb Jahre, sehr verehrte Kollegen.

Zu Ihrer Erinnerung: Im Rahmen der ersten Gebietsreform hier in Thüringen, 1994, hat sich deutlich gezeigt, dass es nicht anderthalb Jahre, son

(Abg. Fiedler)

dern durchaus drei Jahre dauern kann, bis der gesamte rechtlich notwendige Weg, von der Einreichung des entsprechenden Antrags beim Innenministerium bis zur Bestätigung durch den Gesetzgeber, durchschritten ist. Diese Freiwilligkeitsphase ist lebensfremd angelegt,

(Beifall AfD)

aber das kennt man ja von den Politikvorhaben von Rot, von Grün und von Dunkelrot, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete. Dass Die Linke mit dem Titel und der Begründung ihrer Aktuellen Stunde den Schwarzen Peter mal wieder unseren Kommunen zuzuschieben versucht, ist für sie bezeichnend. Die Linken halten eben nichts von den zentralen Prinzipien der Subsidiarität und der kommunalen Selbstverwaltung. Sie träumen eher von der Wiederauferstehung von sozialistisch zentralistischen Bezirken anno dazumal. Diesen Traum träumen wir mit Sicherheit nicht. Herzlichen Dank!

(Beifall AfD)

Danke schön, Herr Abgeordneter Höcke. Weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir nicht vor, sodass ich Herrn Staatssekretär Götze für die Landesregierung das Wort erteile. Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Gebietsreform, wir alle erleben das jeden Tag, wird landesweit intensiv diskutiert und auch vorbereitet. Noch bis zum 31. Oktober 2017 haben die Gemeinden die Möglichkeit, sich eigenverantwortlich für eine Weiterentwicklung ihrer kommunalen Strukturen zu entscheiden und diese zu beantragen. Seit dem Inkrafttreten des Vorschaltgesetzes am 13. Juli 2016 bietet das Ministerium für Inneres und Kommunales Beratungen zu den Neugliederungsoptionen der Gemeinden an. Das Interesse der Städte und Gemeinden an diesem Angebot war von Anfang an sehr groß – Sie mögen es nicht glauben, aber es ist so. Und bisher haben – und das hat der Abgeordnete Kuschel richtig dargestellt – immerhin circa 70 Prozent der Städte, Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften ihre Neugliederungsvorstellungen mit der Fachebene meines Hauses erörtert. Darunter waren immerhin 57 Vertreter von insgesamt 69 Verwaltungsgemeinschaften. Ich gehe also im Ergebnis dieser Gespräche davon aus, dass der weitaus überwiegende Teil der Gemeinden Thüringens innerhalb der Freiwilligkeitsphase entsprechende Beschlüsse fassen wird und auch Neugliederungsanträge stellen wird.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, gern nutze ich an dieser Stelle aber auch die Gele

genheit, das engagierte Vorgehen sehr vieler Bürgermeister und Gemeinderäte sowie zahlreicher Gemeinschaftsvorsitzender und kommunaler Bediensteter zu würdigen. Ich möchte an dieser Stelle allen Beteiligten, von denen ein großer Teil im Ehrenamt tätig ist, danken. Ich bin mir nur allzu bewusst, wie viel Zeit und Kraft die Umsetzung des Reformpakets auch und gerade von den kommunalpolitisch Verantwortlichen und von den Kommunalbediensteten abverlangt.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, wir haben in dieser 6. Legislaturperiode schon sehr viel erreicht, wenn man das auch mit anderen vorangegangenen Legislaturperioden vergleicht. Die Landesregierung hat das Leitbild für ein zukunftsfähiges Thüringen erarbeitet und beschlossen. Der Landtag hat die Grundzüge dieses Leitbilds im Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreform in Thüringen verankert. Auch wenn die Gebietsreform, wie in allen anderen Ländern, teilweise kontrovers diskutiert wird, so hat sich doch bereits ein Großteil der Städte und Gemeinden des Landes der Herausforderung gestellt, zukunftsfähige kommunale Strukturen mitzugestalten. Vielerorts werden Neugliederungsoptionen abgewogen, Fusionsgespräche geführt, Einwohnerversammlungen organisiert, Verträge vorbereitet und Beschlüsse gefasst. Das Innenministerium unterstützt diesen Prozess maßgeblich gemeinsam mit dem Thüringer Landesverwaltungsamt und den zuständigen Kommunalaufsichtsbehörden.

Mehr als ein halbes Jahr vor dem Ende der Freiwilligkeitsphase liegen erste Neugliederungsanträge vor. Die antragsstellenden Gemeinden streben eine Neugliederung

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wie viel?)

zum nächstmöglichen Zeitpunkt an. Diese Anträge werden derzeit geprüft und sollen, soweit möglich, in einen Gesetzentwurf der Landesregierung zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2017 aufgenommen und dem Landtag zur Entscheidung vorgelegt werden. Voraussetzung dabei ist, dass andere Gemeinden dadurch in ihren Entwicklungsmöglichkeiten nicht eingeschränkt werden. Denn letztlich geht es darum, am Ende des Reformprozesses flächendeckend in ganz Thüringen zukunftsfähige gemeindliche Strukturen geschaffen zu haben. Eine Reihe von Gemeinden hat gegenüber dem Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales eine Antragstellung bis zum Sommer bzw. bis Ende der Freiwilligkeitsphase, also bis zum 31.10.2017, angekündigt. Sie bereiten die erforderlichen Beschlussfassungen und Verträge bereits vor. Aus Sicht der Landesregierung ist damit schon jetzt absehbar, dass der ganz überwiegende Teil der notwendigen gemeindlichen Neugliederungen nach dem Ende der Freiwilligkeitsphase im Rahmen des zweiten und ab

(Abg. Höcke)

schließenden Gemeindeneugliederungsgesetzes des Jahres 2018 geregelt werden wird. In diesem zweiten Gesetzentwurf wird die Landesregierung alle bis dahin vorliegenden genehmigungsfähigen freiwilligen Anträge von Gemeinden einbeziehen sowie Neugliederungen für die Gemeinden vorschlagen, die keinen freiwilligen Antrag eingereicht haben. Dieses Thüringer Gesetz zur Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2018 wird voraussichtlich am 31. Dezember 2018 in Kraft treten. Damit kann die Reform der Gemeindestrukturen des Landes Thüringen rechtzeitig vor den allgemeinen Kommunalwahlen im Jahr 2019 wirksam werden.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, denjenigen wenigen Gemeinden, die bisher noch keinen Handlungsbedarf sehen, zu raten, sich zumindest einen Plan B zurechtzulegen.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Da brauchen wir aber Sie nicht dazu!)

Nach meiner Überzeugung sind sie das den Einwohnerinnen und Einwohnern ihrer Gemeinden schuldig, die zu Recht erwarten können,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe CDU)

dass die Zukunftsfähigkeit der Gemeinden sichergestellt wird.

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Da brau- chen wir keinen Minister oder Staatssekretär dazu!)

Warten Sie – da wende ich mich noch einmal an die Kommunalpolitiker vor Ort und mir ist selbstverständlich bewusst, dass wir auch von der kommunalen Selbstverwaltung sprechen, Herr Abgeordneter Fiedler – bitte nicht ab, ob bzw. wie die Gerichte vor Ort entscheiden werden. Der 31. Oktober 2017 und damit das Ende der Freiwilligkeitsphase kommen schneller, als man denkt. Den Zeit-, Abstimmungs- und Arbeitsaufwand, den die Vorbereitung und Beschlussfassung einer freiwilligen Gemeindefusion erfordern, sollte man nicht unterschätzen. Wer zu spät kommt, den bestraft auch hier das Leben.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wer zu früh kommt, wird abgewählt!)

Ein wichtiges zusätzliches Argument, Herr Abgeordneter Fiedler, ist: Verschenken Sie kein Geld – das tun Sie auch nicht –,

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wieso? Ihr könnt ja noch Geld sparen!)

das der Gemeinde nützen kann, denn für die Förderung freiwilliger Gemeindeneugliederung nach § 8 des Vorschaltgesetzes und für die Finanzierung von Strukturbegleithilfen nach § 7 des Vorschaltgesetzes stellt das Land mindestens 155 Millionen Euro zur Verfügung. Dies ist in § 8 a des Vorschaltgesetzes festgeschrieben. Ich hoffe natürlich, dass möglichst viele Gemeinden diese Finanzmittel erhalten können, und ich bin mir sicher, das ist auch gut investiertes Geld.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Das ist ein vergiftetes Geschenk!)

Sofern ein freiwilliger Beschluss zur Gemeindeneugliederung nicht in der Freiwilligkeitsphase gefasst und die Neugliederung nicht rechtzeitig beantragt wird, riskieren sie überdies, dass eine Entscheidung über die Zukunft der Gemeinden ohne das Zutun der kommunalpolitisch Verantwortlichen getroffen wird. Damit wird den Gemeinden auch die Möglichkeit genommen, viele Interessen ihres Orts in Eingliederungs- oder Zusammenschlussverträgen vertraglich abzusichern. Dies betrifft zum Beispiel nicht nur Vereinbarungen zum Ortsrecht und zu den örtlichen kommunalen Einrichtungen, sondern unter anderem auch die Art und Weise der künftigen Unterstützung der ortsansässigen Vereine, die Verwendung vorhandener Rücklagen, die für den Ort geplanten Investitionen.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Was ist denn so eine Vereinbarung wert?)

Das wissen Sie, weil Sie in der Vergangenheit im Rahmen von Gemeindeneugliederungsgesetzen über derartige Verträge schon mitbeschlossen haben.

Derartige Verträge können, und das ist ein Fakt, jedenfalls nicht mehr abgeschlossen werden, wenn der Gesetzgeber über die Neugliederung entschieden hat. Aufgelöste Gemeinden können keine Verträge mehr abschließen.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Und können auch keine Verträge einklagen!)

Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die Stadt- und Gemeinderäte sind gewählt worden, um das Beste für ihre Gemeinden zu erreichen. Das sollten sie auch tun. Es wird ihnen ansonsten möglicherweise schwerfallen, ihren Wählern zu erklären, warum sie an der Gestaltung der Zukunft ihres Orts nicht teilgenommen haben.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Das ist ja lä- cherlich!)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich bitte auch diejenigen Abgeordneten, die diesem

(Staatssekretär Götze)

Reformvorhaben kritisch gegenüberstehen, verantwortungsvoll und konstruktiv zu handeln.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ein Agieren nur aus kurzfristigen, politisch-taktischen Motiven ist mit Blick auf die Ziele, die mit dieser Reform erreicht werden sollen, nicht angezeigt. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als die Zukunft unserer Städte und Gemeinden und damit auch um die Zukunft unseres Landes.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich denke hier insbesondere an die bereits erwähnte Briefkampagne, mit denen Bürgermeister aufgefordert werden, keine Neugliederungsanträge zu stellen. Tenor des Briefs ist: Alles soll so bleiben, wie es ist. Dabei spricht der Satz „Reform passt nicht zum ländlichen Raum“ für sich selbst. Hier hilft ein Blick in die Geschichtsbücher. Reformen haben ständig stattgefunden, über Jahrhunderte hinweg.

Gestatten Sie mir zu der Briefkampagne noch eine kurze Anmerkung: Zum Vertrauensschutz weise ich darauf hin, dass selbstverständlich niemand vorhat, die in diesem Jahr zu beschließenden Neugliederungen mit dem zweiten Neugliederungsgesetz im Jahr 2018 wieder rückgängig zu machen. Das wäre bereits aus rechtlichen Gründen zum Scheitern verurteilt. Allerdings lässt sich in Einzelfällen nicht immer ausschließen, dass im Neugliederungsprozess noch weitere Gemeinden hinzugeordnet werden müssen, um flächendeckende und den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Gemeindestrukturen zu erreichen. – So eindeutig steht es in dem angegriffenen Rundschreiben des Thüringer Innenministeriums vom 13.01.2017, welches hier wohl bewusst missverstanden wird. Im Übrigen: Das Land schnürt gerade das größte kommunale Finanzpaket in der Geschichte Thüringens – 345 Millionen Euro für die Gebietsreform und die Unterstützung der Kommunen.

Abschließend noch ein Anmerkung zu Ihrem Rotstift, Herr Fiedler, und damit zu der am 20. März 2017 begonnenen Unterschriftensammlung, die den Initiatoren des Volksbegehrens zufolge ein Meinungsbild der Bevölkerung einholen soll.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Bürgerauf- ruf! Bürgeraufruf heißt das!)

Ende des vergangenen Jahres hat das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales im Rahmen der Informationskampagne zur Gebietsreform unter anderem von den Thüringern wissen wollen, welchen Informationsstand bzw. welche Informationsdefizite in der Bevölkerung vorhanden sind. Ein wesentliches Ergebnis dieser Befragung war, dass mit zunehmender Kenntnis über die Gründe