Protocol of the Session on February 24, 2017

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 25

Drogenabhängige Schwangere und Mütter in Thüringen

Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/3413 dazu: Drogenkriminalität bekämpfen – Suchthilfe für Schwangere und Familien in Thüringen ausbauen Alternativantrag der AfD - Drucksache 6/3490

Die CDU-Fraktion hat die Begründung zum Antrag angekündigt. Herr Abgeordneter Zippel, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, vielen Dank. Ich möchte den Hintergrund unseres Antrags kurz erläutern. Es ist mir ein Vergnügen, dazu sprechen zu dürfen, auch wenn es sich um eine ernste Problematik handelt. So ist uns allen bekannt, dass der Stoff Methamphetamin, uns allen unter der Bezeichnung „Crystal Meth“ geläufig, in Thüringen einen rasanten Zuwachs an Konsumenten hat. Das ist nicht zuletzt seit der Großen Anfrage der CDU-Fraktion zu illegalen Drogen bestätigt und uns allen bekannt.

Die Suchtberatungsstellen und Suchtfachkliniken in Thüringen bestätigen vermehrte Abhängigkeiten. Besonders besorgniserregend sind dabei der steigende Konsum durch junge und insbesondere durch schwangere Frauen. Es handelt sich hier um ein Problemknäuel, das es anzufassen gilt. Zum einen stoßen hier die Suchtproblematik und ihre Kernprobleme mit der Komplexität einer Schwangerschaft und der gesamten Thematik der Entbindung zusammen, aber auch Partnerschaftsprobleme und/oder auch Anforderungen der Kinderversorgung spielen hier mit hinein. Die psychische und soziale Entwicklung der Kinder ist hierbei oft gefährdet. Besonderer Hilfebedarf besteht und auch ein fachspezifisches Hilfsangebot ist notwendig. Individuelle Angebote für komplexe Problemlagen sind notwendig. Die systembedingte Trennung zwischen bestehenden Hilfsangeboten soll überwunden werden, das ist Kern des Antrags der CDU, dahin zielt unser Anliegen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Wünscht die Fraktion der AfD das Wort zur Begründung? Frau Abgeordnete Herold.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Besucher auf der Tribüne und Zuschauer im Internet! Neben dem ärztlichen Interesse hat mich bei der Vorbereitung auf diesen Tagesordnungspunkt auch die emotio

(Abg. Mühlbauer)

nale Seite an dieser ganzen Angelegenheit sehr berührt. Im letzten Jahr wurden uns ja bereits im Ausschuss im Rahmen der Beratung einer Großen Anfrage zu Drogen in Thüringen die eher sehr trockenen wissenschaftlichen Zahlen vorgestellt. In der Zwischenzeit, auch in meinem beruflichen Umfeld, bin ich immer wieder auf Fälle und Berichte zum Thema, insbesondere bei Missbrauch oder Gebrauch von Crystal Meth gestoßen. „Ich habe es mir schöngeredet; ich habe mir eingeredet, dass es nicht bis zu meinem Kleinen durchdringt.“ Dieser Satz einer drogenabhängigen Mutter bringt es auf den Punkt, welchen existenziellen Bezug zum Leben dieses Thema hat. Drogen, ob illegal oder legal, haben immer Auswirkungen auf ein ungeborenes Kind. Der Schaden ist groß und das hilflose Kind wird oft mehr als die erwachsene Mutter ein ganzes Leben lang unter den Folgen dieser pränatalen Einwirkung dieser wirklich gefährlichen und hochgiftigen Droge Crystal Meth leiden. Daher haben wir uns entschlossen, diesen Alternativantrag einzubringen, und hoffen auf eine lebhafte und sachliche Debatte. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Die Landesregierung erstattet einen Sofortbericht zu Nummer I des Antrags der Fraktion der CDU. Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Werner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zum Antrag der Fraktion der CDU, Drogenabhängige Schwangere und Mütter in Thüringen, möchte ich folgenden Sofortbericht abgeben:

Wie wir alle wissen, ist trotz vielfältiger Maßnahmen in der Suchtkrankenhilfe und in der Suchtprävention die Droge Crystal Meth in Deutschland weiter auf dem Vormarsch. Dies gilt nach wie vor insbesondere für die Grenzregion zu Tschechien. Ebenso ansteigend sind die Behandlungszahlen der Notfallmedizin, der Psychiatrie und der Suchtberatung. Die wachsende Beliebtheit von Crystal Meth wird unter anderem mit seinem Ruf erklärt, die eigene Leistungsfähigkeit zu steigern, ein Effekt, der in einer Leistungsgesellschaft für viele Menschen verlockend wirkt. Die Wirkung dieser Substanz passt demzufolge leider zum aktuellen Zeitgeist. Epidemiologische Informationen über Crystal Meth sind in Deutschland leider spärlich. Das liegt vor allem daran, dass Daten zu Amphetaminen und Methamphetaminen – zu letzterem zählt Crystal Meth – bisher nicht getrennt erhoben wurden. Die Suchthilfestatistik des Instituts für Therapieforschung München weist für das Jahr 2014 1.126 Menschen mit

der Hauptdiagnose Stimulanzien im Beratungsnetz der Thüringer Suchthilfe aus. Im Vergleich dazu suchten 4.144 Menschen mit der Hauptdiagnose Alkohol und 503 mit der Hauptdiagnose Cannabis entsprechende Hilfe. Im Jahr 2013 waren es 1.074 Menschen mit der Hauptdiagnose Stimulanzien, 4.485 Menschen mit der Diagnose Alkohol und 486 mit der Diagnose Cannabis. Ergebnisse des Epidemiologischen Suchtsurveys 2015, einer Repräsentativerhebung zum Gebrauch und Missbrauch psychoaktiver Substanzen sowie die Beteiligung Thüringens an einer bundeslandspezifischen Zusatzerhebung für die Thüringer Bevölkerung, liefern uns aktuelle und konkretere Daten zum Substanzkonsum der deutschen Allgemeinbevölkerung.

Eine im Jahr 2015 erstmalig durchgeführte Sonderbefragung zum Konsumverhalten der Droge Crystal Meth gibt diesbezüglich detailliertere Informationen. Bundesweit berichten 0,6 Prozent der Befragten im Jahr 2015, schon einmal Methamphetamin konsumiert zu haben. Bei Männern in Sachsen mit 3,2 Prozent und bei Frauen in Thüringen mit 2,1 Prozent lag diese sogenannte Lebenszeitprävalenz – also der Anteil an Personen, die während ihres gesamten Lebens mindestens ein Mal konsumiert haben – signifikant darüber. Im Vergleich dazu lag die Zwölf-Monats-Prävalenz des Methamphetaminkonsums – das ist der Anteil an Personen, die während der letzten zwölf Monate mindestens ein Mal konsumiert haben – bundesweit deutlich geringer. Bundesweit betrug sie für beide Geschlechter 0,2 Prozent. Am höchsten fiel die Prävalenz in Thüringen aus, hier lag sie bei 0,8 Prozent und auch damit über dem Bundesdurchschnitt.

Die Auswertung der 30-Tage-Prävalenz – also der Anteil der Personen, die während der letzten 30 Tage mindestens ein Mal konsumiert haben – ergab in den meisten Bundesländern, dass in diesem Zeitraum kein Methamphetamin konsumiert wurde. Ausnahmen hiervon waren Hamburg mit 0,3 Prozent und Thüringen mit 0,2 Prozent. Diese Zahlen verdeutlichen, dass dem wachsenden Konsum von Crystal Meth noch mehr als bisher entgegengetreten werden muss. Dem stellt sich die Landesregierung. Die Präventionsarbeit ist verstärkt auf Drogen mit besonders hohem Sucht- und Abhängigkeitspotenzial, wie eben Crystal Meth, auszurichten.

Im Koalitionsvertrag ist zudem verankert, die Anstrengungen zur Suchtprävention und die Intensivierung der Suchttherapie besonders für Familien und werdende Mütter zu verstärken, da diese durch lang andauernde Suchtproblematiken besonders belastet und betroffen sind. Wir wollen die Kräfte noch wirksamer bündeln und passende Maßnahmen und Methoden noch gezielter miteinander verknüpfen, sodass das gesamte Hilfenetz dichter und effizienter wird.

(Abg. Herold)

Auf die Fragen zu Ziffer 1 des Antrags der Fraktion der CDU möchte ich nun konkret eingehen. Zur ersten Frage, wie viele Kinder jährlich in Thüringen mit Gesundheitsschäden, durch den Drogenkonsum der Mutter verursacht, zur Welt kommen und auf welche Drogen diese Gesundheitsschäden zurückzuführen sind, muss ich sagen, dass dazu keine Erhebungen vorliegen, sodass wir nicht sagen können, wie viele schwangere Frauen Drogen konsumieren und wie viele Kinder es gibt, die durch den Drogenkonsum geschädigt auf die Welt kommen.

Die Fragen 2 und 3, also wie tritt die Landesregierung dem wachsenden Konsum gerade bei jungen Frauen entgegen und welche präventiven Informations- und Betreuungsangebote für diese Personengruppen in Thüringen existieren, sowie die Frage 4, welche Therapie- und Hilfsangebote in Thüringen für Betroffene vorhanden sind, möchte ich aufgrund des Sinnzusammenhangs gern gemeinsam beantworten. Die Verhinderung von Sucht als gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist primäres Ziel der Suchtprävention und richtet sich als universelle Prävention an die gesamte Thüringer Bevölkerung. Selektive und indizierte Suchtprävention zielt hingegen auf Risikogruppen, zum Beispiel Kindersucht, kranke Eltern oder drogenabhängige Schwangere und Mütter. Der Fokus ist hierbei nicht auf eine einzige Droge gerichtet, sondern berücksichtigt die Lebensumstände und Persönlichkeitsstrukturen der konsumierenden Personen. Mit diesem sogenannten Setting-Ansatz geht Suchtprävention genau in das Lebensumfeld von betroffenen oder gefährdeten Menschen, nämlich in die Familie, die Schulen, in Ausbildungsbetriebe, in die Berufsfelder und Freizeiteinrichtungen. Die Vermittlung von Lebenskompetenzen wie Konfliktfähigkeit, sozialverantwortliches Handeln oder Bewältigung von Stresssituationen sind drogenübergreifend. Die suchtpräventive Arbeit ist damit mehrdimensional, kontinuierlich und langfristig angelegt.

Dennoch widmet sich die Landesregierung, wie schon eingangs dargestellt, bestimmten Zielgruppen, sofern ein auffälliges Konsumverhalten erkennbar oder aber dieses zu vermuten ist. Hierzu gehört die Zielgruppe der drogenabhängigen Schwangeren und Mütter. Aus diesem Grund entwickelt derzeit das Präventionszentrum der Suchthilfe in Thüringen gGmbH ein stoffübergreifendes präventives Angebot zum Thema „Konsumfreie Schwangerschaft“. Dieses richtet sich vorrangig an die Gesamtbevölkerung, aber auch an werdende Eltern, die unter einer Suchtproblematik leiden. Das Ziel besteht darin, sowohl die Zielgruppe als auch Multiplikatorinnen und Einrichtungen für eine konsumfreie Schwangerschaft zu sensibilisieren und Betroffenen entsprechende Hilfsmöglichkeiten weiterzuvermitteln. Man kann den folgenschweren Konsequenzen aufgrund von Suchtmittelkonsum innerhalb der Schwangerschaft vorbeugen und diese

verhindern. Eine frühzeitige Intervention unter anderem in Form von Aufklärungs- und Motivationsarbeit kann die gesunde kindliche Entwicklung fördern. Durch das Gruppenangebot „Jonathan“ des Präventionszentrums der Suchthilfe in Thüringen gGmbH wird in Erfurt ein Angebot der selektiven Prävention zur Verfügung gestellt, welche sich flexibel und vielfältig Kindern und Jugendlichen aus suchtbelasteten Familien widmet. Neben der unmittelbaren Betreuung der Kinder finden regelmäßig Beratungs- und Behandlungsangebote für die Eltern gemeinsam mit ihren Kindern statt, sodass auch unmittelbar auf die Eltern mit ihren Abhängigkeitsproblemen eingegangen werden kann. Die diesjährige Jahrestagung der Thüringer Fachstelle für Suchtprävention am 25. Oktober 2017 wird unter dem Motto „Drogen im Wandel der Zeit“ die aktuellen Entwicklungen im Umgang mit illegalen Drogen aus Sicht der Konsumenten und der Hilfs- und Präventionskräfte beleuchten. Mit einer Briefaktion der Thüringer Fachstelle Suchtprävention in Kooperation mit der Landesärztekammer Thüringen wurden im Jahr 2013 348 Informationsbriefe an die Thüringer Praxen der Gynäkologen sowie an anerkannte Schwangerschafts- und Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen in Thüringen versendet. Der Informationsbrief sensibilisierte für das Thema „Alkohol, Tabak und illegale Drogen in der Schwangerschaft“ und die einhergehenden Konsumfolgen. Jährlich findet jeweils im Februar eine bundesweit initiierte Woche für Kinder aus Suchtfamilien statt. 2016 und 2017 fanden/finden gleich mehrere Aktionen zum Thema „Drogenkonsum in der Schwangerschaft“ statt. Am 17.02. fand in der Rotunde des TMASGFF eine Fachveranstaltung zum Thema „FAS und FASD“ – das sind die vorgeburtlich entstandenen alkoholbedingten Störungen und Schädigungen eines Kindes durch von der schwangeren Mutter aufgenommenen Alkohol – statt. Gezeigt wurde weiterhin eine Wanderausstellung von Kindern aus suchtbelasteten Familien. Hier wurden die Bilder, die im Rahmen der Ausstellung „Vergessenen Kindern eine Stimme geben“ angefertigt wurden, auf entsprechende Banner gedruckt. Die Ausstellung dient der Sensibilisierung zum Thema, dient zur Motivation für ein drogenfreies Leben, vor allem in der Schwangerschaft, und soll auf den Runden Tisch „Kinder aus suchtbelasteten Familien“ hinweisen. Es gab ein Benefiz-Eislaufen für Kinder aus suchtbelasteten Familien; dies fand am 15.02.2017 hier in der Gunda-Niemann-Stirnemann-Halle statt und der Erlös ging an Kinder aus suchtbelasteten Familien bzw. an deren Vereine, und zwar ein Erlös von 3.550 Euro, der direkt an diese Angebote geht. Darüber hinaus fanden und finden in der Thüringer Fachstelle Suchtprävention mehrere Fortbildungen zum evaluierten Programm „Mehr Mut“ statt, bei welchem es sich um ein Erziehungskompetenztraining für substanzkonsumieren

(Ministerin Werner)

de Schwangere und Mütter mit kleinen Kindern handelt.

Die Suchtberatungsstelle der Caritas in Erfurt bietet bezogen auf das Schulungsprogramm „Mehr Mut“ eine Beratungsgruppe für Schwangere und Mütter an. Der Leitfaden „Crystal Meth“ wurde entsprechend der aktuellen Entwicklung und Erfordernisse weiterentwickelt und die Benennung bisheriger Präventions- und Hilfeangebote unter Berücksichtigung zielgruppenspezifischer Unterstützungsmaßnahmen überarbeitet und ergänzt.

Die Mutter-Kind-Einrichtung in Wolfersdorf des Wendepunkt e. V. bietet einen drogenfreien Raum für suchtmittelgefährdete und suchtmittelabhängige Schwangere und Mütter mit ihren Kindern an. Seit 2011 finden dort in einer vertrauensvollen, klar strukturierten und harmonischen Familiengemeinschaft schwangere Frauen und Mütter die Stabilität, die sie zur Weiterentwicklung ihrer Persönlichkeit benötigen. Ziel ist es, die Schwangeren und Mütter auf ein drogenfreies, selbstständiges und im Alltag bestehendes Leben mit dem Kind vorzubereiten und zu befähigen, dem Kind Sicherheit und Vertrauen zu geben. In professionell betreuten Wohnsettings erhalten mittlerweile acht suchtgefährdete und suchtkranke Schwangere und Mütter mit ihren Kindern Unterstützung zur Bewältigung des Alltags mit Kindern. Ich war vor einem guten Jahr dort, habe lange mit den Müttern gesprochen und es ist sehr beeindruckend, was in dieser Einrichtung geleistet wird.

Weitere vergleichbare Einrichtungen existieren derzeit keine in Thüringen, ebenso wenig in den umliegenden Bundesländern, was dazu führt, dass die Belegung sowohl aus Zuweisungen der angrenzenden Länder als auch aus allen Regionen Thüringens resultiert.

Weitere Einrichtungen sind die AHG Klinik Römhild und die Fachklinik Klosterwald gGmbH. Hier können Kinder als Begleitpersonen in der Regel bis zur Vollendung ihres 13. Lebensjahrs mit aufgenommen werden. Im Mutter-Vater-und-Kind-Bereich der Klinik Bad Blankenburg werden erwachsene alkohol- oder drogenabhängige Frauen und Männer mit ein oder zwei Kindern im Alter von zwei bis zwölf Jahren zur medizinischen Rehabilitation aufgenommen.

Lassen Sie mich zu Frage 5 kommen: Wie will die Landesregierung diese Problematik im nächsten Landeshaushalt berücksichtigen? Das Thema wird natürlich auch in den Jahren 2018 und 2019 einen Schwerpunkt in der Sucht- und Drogenpolitik des Landes bilden, bewährte Projekte werden weitergeführt und neu implementierte Angebote werden natürlich weiterentwickelt und entsprechend der konzeptionellen Vorgaben umgesetzt.

Lassen Sie mich zum Antrag der Fraktion der CDU insgesamt und insbesondere zu den Ziffern unter Punkt II noch folgende Anmerkungen geben:

Zu 1.: Die entsprechend eingeforderten Studien werden seitens der Landesregierung regelmäßig bereits seit Jahren in Auftrag gegeben und begleitet.

Zu 2.: Ebenso wird – wie hier bereits in der Antwort auf die Kleine Anfrage 1279 in der Drucksache 6/ 2624 dargelegt –, ein umfassendes Konzept erarbeitet, das natürlich ständig weiterentwickelt werden muss.

Zu 3.: Das Suchthilfezentrum Wolfersdorf wird bereits seit Jahren unterstützt und ist längst über das Stadium eines Modellprojekts hinausgewachsen. Es steht auf der gesetzlichen Grundlage der Sozialgesetzbücher XII und VIII.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer wünscht die Fortberatung zum Sofortbericht? Das sind alle Fraktionen. Damit eröffne ich die Beratung zum Sofortbericht zu Nummer I des Antrags der Fraktion der CDU. Gleichzeitig eröffne ich die Aussprache zu Nummer II des Antrags der Fraktion der CDU und zu dem Alternativantrag der AfD. Als erste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Pelke, Fraktion der SPD, zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Frau Ministerin, herzlichen Dank für den Sofortbericht, der offenkundig deutlich macht, dass es nicht so ist – und das noch mal in Richtung der Kolleginnen und Kollegen der CDU –, dass im Bereich Prävention und Vorsorge, was drogenabhängige Mütter und überhaupt Personen, die von Drogen Gebrauch machen, betrifft, bislang nichts passiert sei. Es ist ganz deutlich gemacht worden, dass es Konzepte gibt, die weiterentwickelt werden, insbesondere auch, was in Ihrem Antrag erwähnt ist, dass Wolfersdorf unterstützt wird und eine ganz besondere Rolle auch in der Frage der Drogenprävention spielt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will es aufgrund dieses umfassenden Berichts relativ kurz machen. Sicherlich wissen wir alle, dass es Dinge gibt, die wir uns, die wir mit Drogen im Sinne von Crystal Meth oder Heroin oder Ähnlichem nichts zu tun haben, kaum vorstellen können – dass eine Frau, die schwanger ist, zu Drogen – in welcher Form auch immer – greift, weil wir eigentlich davon ausgehen, dass man gerade in einer solchen Situation zunächst an sich selbst, aber auch

(Ministerin Werner)

insbesondere an das Kind denkt. Aber tatsächlich ist das Leben anders und es gibt Situationen, in denen Menschen zu Drogen greifen. Teilweise kann das auch Tablettenabhängigkeit oder etwas anderes sein, wo wir wissen, dass Hilfe geleistet werden muss. Insbesondere während der Schwangerschaft muss Hilfe geleistet werden, aber auch insbesondere in der Zeit danach geht es um das Kind. Genau das ist von der Ministerin angesprochen worden und geht auch aus Ihrem Antrag hervor, den Sie sicherlich, Frau Meißner, weiter untersetzen wollen und werden.

Wir haben uns oft darüber unterhalten, dass in vielen Fällen Mütter, Väter, die Eltern, die Familie nicht in der Lage sind, sich um das Kind zu kümmern. Ich selbst habe in vielen Situationen erleben müssen, dass dann Kinder in einer Einrichtung betreut werden mussten. Es ist eine schwierige Situation, Kinder unter diesen Rahmenbedingungen aufwachsen zu sehen. Deswegen glaube ich, dass es uns allen wichtig ist. Wir haben auch schon mit eigenen Anträgen der Koalitionsfraktionen zum Thema „Drogen“ und zum Missbrauch und Gebrauch von Crystal Meth hier politische Schwerpunkte gesetzt. Wir wollen das auch in den kommenden Doppelhaushalt insbesondere mit einbeziehen, indem für Präventions- und Begleitungsmaßnahmen die entsprechenden finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Aber ich glaube, dass es sinnvoll ist und dass wir uns als demokratische Parteien hier im Haus auch einig sind, dass wir uns dieses Themas weiter annehmen müssen. Deswegen will ich auch an dieser Stelle schon vorwegnehmen, dass wir sehr gern den Antrag der CDU-Fraktion an den Sozialausschuss überweisen wollen, um ihn dezidiert weiter besprechen zu können. Ich bin mir nicht sicher, aber ganz persönlich würde ich auch sagen, dass ich es für wichtig hielte, wenn der Sozialausschuss möglicherweise eine Anhörung durchführen würde oder dass wir mit bestimmten Einrichtungen, die sich genau diesem Thema widmen, Gespräche führen. Das alles sollte man begleitend dazu tun. Die Situation „Missbrauch Crystal Meth“ wird an bestimmten Punkten immer noch ein Stückchen unterschätzt. Oftmals geht man auf tradierte Drogen ein, das Alkoholthema wird dann auch immer noch mit eingebunden. Es ist wichtig, Menschen und Familien zu helfen, aus diesem Teufelskreis wieder herauszukommen. Ich sage es deutlich, weil ich das vielfach selbst erlebt habe, indem ich die Einrichtungen besucht habe: Das ganz Wichtige ist, Kindern eine Grundlage zu geben, sodass sie vernünftig und im positiven Rahmen aufwachsen können. Ich glaube, das sollte unser aller Anliegen sein, deswegen bitte ich sehr darum, dass wir den Bericht weiter im Ausschuss diskutieren, den CDU-Antrag überweisen. Den AfD-Antrag, den es an dieser Stelle dann nicht braucht, werden wir ablehnen. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Rednerin erteile ich der Abgeordneten Meißner für die Fraktion der CDU das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnetenkollegen, liebe junge Erwachsene, die eben noch auf der Tribüne waren oder noch sitzen, liebe Zuschauer! Ich möchte mit einem Zitat beginnen. Und zwar stammt dieses Zitat aus einem Artikel im „Freien Wort“ vom 23. August letzten Jahres: „Freya gibt ihr Kind weg, als es sieben Monate alt ist. Das Baby fordert viel von ihr. Freya konsumiert viel und schläft wenig. Der Haushalt wächst ihr über den Kopf. Sie liebt ihre Tochter und fühlt sich der Verantwortung nicht gewachsen. Die Stimmen in ihrem Kopf machen sie fertig. Also füttert sie Katharina den letzten Brei, setzt sie in ihren Maxi Cosi und gibt sie ab beim Jugendamt. Freya versinkt weiter. Irgendwann schluckt sie Tabletten, trinkt Alkohol, will sterben und wacht wieder auf. Irgendetwas in ihr will, dass es weitergeht. Nach mehreren Anläufen schafft sie eine Entgiftung, beginnt eine Therapie. Katharina lebt bei der Großmutter. Über einen Anwalt erkämpft sich Freya, dass ihr Kind schon während der Therapie wieder zu ihr darf. Danach ziehen sie gemeinsam nach Dresden. Bei den Radebeuler Sozialprojekten lernen sie, eine Familie zu sein.“ Dieser Artikel war für uns als Fraktion der Anfang, sich diesem Thema zu widmen und dieses sensible Thema als Anlass zu nehmen, diesen Frauen endlich Gehör auch in der Politik zu verschaffen. Der neue Ansatz, den wir an dieser Stelle weiter verfolgen, ist – Frau Pelke ist schon darauf eingegangen –, dass wir Frauen, die ein Kind erwarten oder ein Kind bekommen haben und mit einer Suchtproblematik zu kämpfen haben, nicht allein lassen wollen, wenn sie Gefahr laufen, dass sie von ihren Kindern getrennt werden. Die Schwangerschaft und die Geburt eines Kindes, das Mutterdasein kann vielmehr eine Chance sein, aus dieser Drogensucht – beispielsweise von Crystal Meth, was im Kommen ist – herauszukommen und das eben nicht in Einrichtungen, die Kinder trennen bzw. die eine Beratung getrennt durchführen, sondern gemeinsam und vor allen Dingen stationär. In diesem Sinne kann die Situation einer drogenabhängigen Schwangeren und Mutter auch eine Chance sein. Denn gerade werdende Mütter sind gut ansprechbar, weil sie diese besondere Situation auch vor einen neuen Lebensabschnitt stellt. Schwangerschaft kann für Crystal-Konsumentinnen ein großer Motivationsschub zum Ausstieg sein, weil es jetzt eben nicht mehr nur um das eigene Leben, das eigene Wohlfühlen, das In-den-Tag-hinein-Leben geht, sondern wirklich um die Gesund

(Abg. Pelke)

heit, das körperliche und seelische Wohl des Babys, für das man jetzt verantwortlich ist. Gleiches gilt dann eben auch für junge Mütter, denn bei ihnen geht es auch nicht nur um das eigene Leben, sondern um die Verantwortung für ein Kind, das jetzt von ihnen abhängig ist. Deswegen kann diese Situation ein Wendepunkt sein. Wendepunkt, wie sich der Träger in Wolfersdorf nennt, der eine einzigartige Einrichtung in Mitteldeutschland betreibt, wo Familien, sprich Frauen mit ihren Kindern, in einer solchen Situation stationär betreut werden. Die Einrichtung des Trägers Wendepunkt in Wolfersdorf haben wir als Fraktion Anfang November besucht und waren tief beeindruckt von der Arbeit, die dort geleistet wird. Wir versprechen uns von dieser Art Betreuung wirklich eine nachhaltige Verbesserung für die Mütter, aber auch für die Kinder. Deswegen haben wir heute hier diesen Antrag eingebracht, um sich diesem Thema zu widmen, diesem neuen Ansatz, aber vor allen Dingen auch der Bitte, sich eines Konzepts anzunehmen, das ganzheitlich die verschiedenen Beratungs- und Betreuungsangebote in den Blick nimmt und auch die – leider manchmal vorhandene – Trennung verschiedener Hilfesysteme überwindet, um im Ergebnis diesen Betroffenen zu helfen.

Mein Kollege Christoph Zippel sagte es schon: Die Zahlen sind eindeutig. Auch deswegen hat die CDU-Fraktion im letzten Jahr eine Große Anfrage zum Thema „Drogen“ an die Landesregierung gestellt, aus der leider deutlich wurde, dass es keine belastbare Datenbasis für diese konkrete Zielgruppe gibt. Erst gestern war in der Nordhäuser „Thüringer Allgemeinen“ ein Artikel des Leiters des Suchthilfezentrums der Diakonie in Nordhausen zu lesen. Der konstatierte, dass es eine zunehmende Sorge bezüglich der Zunahme von drogenkonsumierenden jungen Müttern und Schwangeren gibt und dass dies im Jahr 2016 mindestens doppelt so viele sind wie im Jahr 2015.

Ja, es gibt viele Angebote, aber die Zahlen steigen und deswegen lohnt es, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Ich danke Frau Pelke und der SPDFraktion, dass Sie uns signalisieren, diesen Antrag auch im Ausschuss weiterzubehandeln, denn es ist wichtig, dass man auch eine Anhörung durchführt, die Betroffene zu Wort kommen lässt, und dann für Thüringen Konsequenzen zieht und vielleicht auch bundesweit neue Wege geht, um dieses Problem in den Griff zu bekommen. Denn auch Ärzte haben inzwischen täglich mit Frauen zu tun, die Crystal Meth nehmen, aber ein Baby erwarten. Bei Ungeborenen wirkt sich Crystal nach dem derzeitigen Erkenntnisstand auf Wachstum und Hirnentwicklung aus. Oft zeigen sich Folgen des mütterlichen Crystal-Konsums nach der Geburt durch verzögerte Entwicklung der Kinder oder Konzentrationsprobleme. Auch wenn es keine eindeutigen Symptome gibt, so sagen Mediziner, dass die Kinder schon im Mutter

leib zu wenig Sauerstoff bekommen und dadurch wahrscheinlich erste leichte Schlaganfälle erleiden. Manche zittern, manche schreien, manche können nicht trinken oder manche trinken, als würden sie verdursten. Viele Kinder sind zu leicht und sie haben einen kleineren Kopfumfang als der Durchschnitt.