Protocol of the Session on February 23, 2017

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Sie müssen schon zum Thema reden!)

Ich war in Stelzen, lieber Stefan Gruhner. Roberto Kobelt war auch in Stelzen. Wir haben uns dort der Diskussion mit den Menschen gestellt und wir waren in dieser Festspielscheune.

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Wir sind rausgefahren!)

Diese Festspielscheune, wo die Festspiele stattfinden, hat nun einmal keinen Ausblick in die Natur. Draußen ist es sehr schön, vor der Festspielscheune hat man einen schönen Ausblick. Aber dieser Ausblick wird nicht zerstört, weil da ein paar Windräder stehen oder glauben Sie, dass an die Ostsee oder an die Nordsee weniger Menschen in den Urlaub fahren, weil dort Windräder stehen? Dort stehen sie nicht nur onshore, dort stehen sie auch offshore. Da sieht man sie vom Strand aus, hinter sich und vor sich, und trotzdem fahren die Menschen hin. Es gibt Studien zur Tourismusentwicklung.

Herr Gruhner, wenn Sie schon die Geräuschbelastung durch tieffrequenten Schall vom Umweltbundesamt erwähnen, weil dort Energieerzeugungsanlagen stehen, dann sollten Sie aber auch sagen, was die Grundlage der Studie ist, die seit 2011 beim Umweltbundesamt läuft. Das sind nämlich folgende Anlagen, folgende Quellen tieffrequenter Geräusche, die diese Sachen verursachen, die Sie genannt haben: Da geht es nicht um Windenergieanlagen. Da geht es um Anlagen der Schwerindustrie, um Hochspannungsleitungen, um Transformatorenstationen, um Pumpen und um Klimaanlagen. Das ist die Grundlage dieser Studie, die Sie vorhin zitiert haben, lieber Stefan Gruhner. Soweit zu Stefans Märchenstunde.

Kommen wir noch einmal zur Bundesebene zurück, zu Ihrer lieben Kanzlerin.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wieso zu unserer Kanzlerin?)

Nein, meine nicht! Auch wenn Sie die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland ist, ist sie nicht meine! Dann müssen wir doch feststellen:

Wenn wir die Bundesziele, auch die reduzierten Ziele der Bundesrepublik, herunterbrechen auf das, was jedes Land selber bringen muss – man kann das machen, das habe nicht ich gemacht, dass stammt vom Fraunhofer-Institut. Wenn wir diese Bundesziele auf Thüringen herunterbrechen, müssten wir jedes Jahr 40 3-MW-Windenergieanlagen bauen. Wir müssten 1,2 Prozent der Landesfläche – wenn es nach dem Willen der Bundesregierung geht – für Windenergieanlagen zur Verfügung stellen. Das ist eine Berechnung des Fraunhofer-Instituts – nicht von mir, nicht von irgendwelchen linksgrün Versifften, sondern von einem Fraunhofer-Institut, komisch! Die Hochschule in Nordhausen hat nachgerechnet und kommt zum gleichen Ergebnis. 0,8 Prozent der Landesfläche müsste mit Photovoltaik belegt werden, nur um die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung 2050 umzusetzen. Daran sehen Sie schon, wenn wir 1 Prozent mit unserem Ziel ausweisen, bis 2040 100 Prozent erneuerbare Energien bilanziell zu erreichen, dass wir nicht nur – und das ist wieder eine Ihrer Lügen – auf Windenergie setzen, sondern dass wir auf einen Mix aus erneuerbaren Energien setzen und dass wir da vieles anderes machen.

Ich will hier auch noch mal mit einer anderen Mär aufräumen: Dass wir aufgrund der Windenergie Trassen durch Thüringen bekommen. SuedLink ist immer so ein Beispiel. Da wird jetzt durch Thüringen gebaut, weil wir den für die Windenergie brauchen – so ein Nonsens. 2004 ist in Moorburg bei Hamburg ein Steinkohlekraftwerk von der damaligen CDU-geführten Hamburger Regierung in Gang gesetzt worden, 2015 mit einem Wirkungsgrad von 45 Prozent

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Re- den Sie mal zum Thema!)

bei einem Verbrauch von 12.000 Tonnen Steinkohle, 8,5 Millionen CO2-Ausstoß pro Jahr mit einer Nennleistung von 1,73 Gigawatt. Jetzt, erstaunlich, bauen wir eine Zwei-Gigawatt-Leitung von Brunsbüttel bei Hamburg nach Großgartach in BadenWürttemberg – ein Schelm, der Böses dabei denkt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben so viel Strom da oben, weil wir 2015 neue Steinkohlekraftwerke errichtet haben.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Genau, genau!)

Auch das gehört zur Wahrheit dazu – dieses auch nur mit 8,5 Millionen CO2 pro Jahr, die die Luft verpesten.

Ich denke, es sind viele Fakten, die hier deutlich machen, wie der Sachstand tatsächlich ist. Wenn Sie immer von Gleichberechtigung reden, die Windenergie ist erwachsen geworden, wir müssen sie

gleichstellen. Da müssten wir aber schon lange – wie viele Hundert Jahre haben wir jetzt die Landwirtschaft? Die müsste doch auch schon erwachsen sein. Dann müssten wir die Landwirtschaft doch auch mal kleinstellen, da müssen wir auch die Privilegierung der Landwirtschaft im Baugesetzbuch endlich streichen. Frau Landwirtschaftsministerin, was würden Sie dazu sagen, wenn wir die Privilegierung der Landwirtschaft streichen, denn die ist erwachsen geworden? Die gibt es ja schon seit Tausenden von Jahren, diese Privilegierung muss doch endlich erledigt sein. Das geht doch nicht mehr. Also Sie sehen, wie an den Haaren herbeigezogen Ihre Argumentation ist, denn wenn ich diese Privilegierung in § 35 BauGB aufhebe, dann werden keine Windenergieanlagen gebaut. Herr Gruhner, ich freue mich auf Ihren Antrag auf dem nächsten CDU-Parteitag, mit dem Sie die Änderung der entsprechenden politischen Ziele Ihrer Bundespartei beantragen.

Bitte schön, Ihre Frage.

Kollege Harzer, herzlichen Dank für die Gelegenheit, eine Nachfrage stellen zu können. Zunächst will ich mich erst mal herzlich für diesen substanziellen Sachvortrag bedanken. Das war ja wirklich ein essenzieller Vortrag zum Kern des vorliegenden Antrags.

(Beifall CDU)

Herzlichen Glückwunsch dazu.

Ich will Sie aber tatsächlich fragen: Sie haben vorhin hier ganz am Anfang ausgeführt, dass das, was wir beantragt haben, den Eindruck erwecken würde, dass man hier dem Rechtspopulismus nachlaufe und Vorteil verschaffe. Ich will Sie nur fragen, ob Sie darüber mit mir übereinstimmen, dass die Forderungen beispielsweise nach gesetzlichen Mindestabständen nichts mit Rechtspopulismus zu tun haben, ob Sie mit mir darüber übereinstimmen, dass die Sorgen von Gesundheitsschäden nichts mit Rechtspopulismus zu tun haben. Ich will Sie auch fragen, ob Sie damit einverstanden sind, dass auch die berechtigte Forderung, dass es keinen Wildwuchs im Land gibt, nichts mit Rechtspopulismus zu tun hat, denn wenn das so wäre, dass das Rechtspopulismus sein sollte, dann würden Sie nämlich

Bitte eine Frage, Herr Gruhner.

ich bin dabei, die Frage zu stellen, Frau Präsidentin – Hunderten von Bürgern, die hier vor dem Landtag demonstriert haben und die sich in Bürger

initiativen engagieren, Rechtspopulismus unterstellen. Ich denke mal, ich habe Sie so verstanden, dass das nicht so ist, denn diesen Eindruck haben Sie hier erweckt. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Herr Harzer, ich gestatte Ihnen noch die Beantwortung, obwohl Ihre Redezeit vorbei ist, aber bitte kurz.

Danke, Frau Präsidentin, es waren eben 2 Minuten Fragezeit.

Herr Gruhner, Bedenken von Bürgern – ob gesundheitlich, ob Fragen nach Abständen, ob Fragen nach sonstigen Gefährdungen – sind nie irgendwie rechtspopulistisch oder rechtspopulistisch angehaucht. Es ist die Frage, wie ich darauf reagiere und wie ich das aufnehme und wie ich mit falschen Tatsachen, mit schreierischen Parolen, mit Windkraftforen und Sonstigem darauf reagiere und wie ich mich dann hierherstelle und versuche – so wie Sie es gerade versucht haben –, Redner verächtlich zu machen, indem ich eine Wertung ihrer Rede vornehme

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Sie sollten sich mal überlegen, was Sie hier ge- rade erzählen!)

und diese Wertung natürlich nicht ganz astrein vornehme. Ich denke, wir sollten bei den Fakten bleiben und nicht bei diesen verächtlich machenden Positionen. Wie gesagt: Wie ich in den Wald hineinrufe, so schallt es heraus. Und so wie Sie hineinrufen, so fördern Sie das, was ich gesagt habe. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Herzlichen Dank. Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Das Wort hat nun Frau Ministerin Keller für die Landesregierung.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer, zum Antrag der CDU-Fraktion „Windenergieausbau in Thüringen – Landesplanungsrecht konsequent anwenden – neues Bundesrecht initiieren“ möchte ich in der gebotenen Kürze Stellung nehmen und mich nach dieser doch recht windigen Debatte auf die Faktenlage konzentrieren.

(Abg. Harzer)

Sehr geehrte Damen und Herren, der erste Teil dieses Antrags entspricht in der Sache einem Antrag der CDU-Fraktion vom 1. Juli 2015, mit dem diese ein Moratorium forderte. Dieser Antrag ist hier in der 22. Sitzung am 10. Juli 2015 umfassend diskutiert und dann abgelehnt worden.

Aber in der Zwischenzeit ist einiges passiert. Ich habe am 21. Juni 2016 mit dem Windenergieerlass den Regionalen Planungsgemeinschaften Hinweise zum planerischen Umgang mit der Abgrenzung der harten und weichen Tabuzonen gegeben. Sie erinnern sich: Nach den Klageverfahren sind wir genau dazu von den Gerichten beauftragt worden. Der Windenergieerlass stellt außerdem klar, dass wir als Landesregierung unsere energiepolitischen Zielstellungen ernst nehmen. Diese werden durch das in der Erarbeitung befindliche Klimagesetz noch fester verankert. Die Regionalen Planungsgemeinschaften Mittelthüringen und Ostthüringen haben Planentwürfe zur Steuerung der Windenergienutzung beschlossen, Mittelthüringen am 14. Januar 2016, Ostthüringen am 4. März 2016. Die Regionalen Planungsgemeinschaften haben damit von ihren planerischen Möglichkeiten Gebrauch gemacht und ihren planerischen Handlungsspielraum genutzt. Damit haben wir seit Januar bzw. März 2016 eine geordnete planerische Situation.

Im vorliegenden Antrag ist immer noch vom Wildwuchs von Windenergieanlagen die Rede. Getoppt wird es heute sogar noch mit der Aussage des Abgeordneten Gruhner vom grenzenlosen Windenergieausbau. Diese Gefahr besteht eben gerade nicht.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dafür bedurfte es aber eben nicht drastischer gesetzgeberischer Maßnahmen, sondern einzig und allein des ordnungsgemäßen planerischen Abwägens der Regionalen Planungsgemeinschaften. Seitdem sind vom Landesverwaltungsamt in Mittelthüringen 13 Untersagungen und in Ostthüringen fünf Untersagungen nach § 14 Abs. 2 Raumordnungsgesetz ausgesprochen worden. § 14 regelt eine erforderliche Einzelfallprüfung und Ermessensabwägung. Es lässt eben gerade nicht zu, pauschale Untersagungen vorzunehmen. Im Übrigen sind insbesondere die Untersagungen zu den Anlagen erfolgt, die außerhalb der vorgesehenen Vorranggebiete beantragt wurden.

Das zeigt: Die planerischen Instrumente funktionieren. Deren Anwendung in der erfolgten Art und Weise wurde mittlerweile auch in zweiter Instanz am 18. Januar 2017 durch das Thüringer Oberverwaltungsgericht bestätigt. Das, was seit Juli 2015 passiert ist, macht deutlich: Für den Antrag der CDU-Fraktion besteht auch heute noch weniger Anlass als im Juli 2015. Insofern kann ich nur sagen: Wenn der Antrag der CDU-Fraktion verlangt – so

wie in seiner Überschrift suggeriert –, dass Landesplanungsrecht konsequent angewandt wird, dann rennen Sie damit offene Türen ein.

(Zwischenruf Abg. Gruhner, CDU: Ja dann stimmen Sie doch zu!)

Eine konsequente Anwendung von Landesplanungsrecht erfolgt und wird weiter erfolgen. Dabei liegt die Konsequenz auch gerade darin, dass es keiner Änderung dieses Landesplanungsrechts oder der Einführung von Moratorien bedarf. Wenn der Antrag der CDU-Fraktion allerdings weitergehend verlangt – insoweit ist der Antrag in sich teilweise auch unklar und widersprüchlich –, sämtliche Genehmigungen zu versagen oder Genehmigungsverfahren auszusetzen, so ist das gerade keine konsequente Anwendung von Landesplanungsrecht. Es wäre vielmehr eine Handlungsweise, die nicht auf dem Boden geltenden Rechts stünde und daher selbstverständlich nicht in Betracht kommt. Die Abwägung der im Antrag angesprochenen Vielzahl der eingegangenen Stellungnahmen – ja, Herr Gruhner, da haben Sie recht – wird und ist eine Herausforderung, aber eine Herausforderung, bei der ich die Regionalen Planungsgemeinschaften gern weiter unterstützen werde und die noch zu bewältigen ist. Der Prozess ist noch gar nicht abgeschlossen. Ich bin überzeugt, dass innerhalb der Geltungsdauer der befristeten Untersagungen von zwei Jahren Regionalpläne vorgelegt und eben auch genehmigt werden. Die Regionale Planungsgemeinschaft Mittelthüringen hat in ihrer Planungsversammlung am 12. Dezember 2016 einen Zeitplan für die weitere Vorgehensweise vorgelegt, der genau diesen Anforderungen entspricht.

Sehr geehrte Damen und Herren, der zweite Teil des Antrags zum Baugesetzbuch ist zwar neu, aber ebenfalls abzulehnen. Richtig ist, dass die Windenergienutzung seit der Änderung des § 35 Baugesetzbuch im Jahr 1996 eine Entwicklung durchgemacht hat. Dies ist erfreulich, allerdings gelten die Überlegungen von 1996 in gleichem Maße auch heute noch. Die Windenergienutzung gehört nicht in den bebauten Innenbereich. Da dürften sich alle einig sein.

(Beifall DIE LINKE)

Es bleibt daher nur die Zuweisung zum Außenbereich, wenn wir unsere energiepolitischen Zielstellungen erreichen wollen. Nicht mehr und nicht weniger als die Zuweisung zum Außenbereich ist die Privilegierung in § 35 Baugesetzbuch. Es hat nichts damit zu tun, dass erneuerbare Energien den Kinderschuhen entwachsen sind, sondern es geht einfach darum, es überhaupt im Außenbereich zu ermöglichen. Dafür war die Privilegierung nötig und sie ist es eben noch immer. Gleichzeitig hat der Bundesgesetzgeber bereits 1996 die Möglichkeit der regionalplanerischen Steuerung im § 35 Bauge

(Ministerin Keller)

setzbuch ausdrücklich klargestellt. Davon machen wir Gebrauch – wie soeben auch dargelegt.

Auf die immer wieder geschürten irrrationalen Ängste, dass ohne Weiteres überall im Außenbereich Windenergieanlangen errichtet werden könnten, möchte ich jetzt nicht noch mal eingehen. Sie sind unbegründet und verkennen insbesondere das Erfordernis eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens.