Meine Damen und Herren, ich habe vorhin den ProAsyl-Aufkleber „Rassismus führt zum Verlust Ihres Mitgefühls“ zitiert und kann zu dem Redner der rechtspopulistischen Fraktion das dazugehörige Plakat zitieren, das ein Kleingedrucktes enthält. Dort steht: „Rassismus enthält vergiftende Inhaltsstoffe wie menschenfeindliche Einstellung und soziale Verantwortungslosigkeit. Gegen Abhängigkeit und Gebrauch hilft der Einsatz des Denkvermögens.“
Meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde der CDU-Fraktion ist – das hat Frau Lehmann schon gesagt – zwiespältig. Im Titel habe ich tatsächlich für einen kurzen Moment gedacht, die CDU-Fraktion will über die flüchtlingspolitische Bilanz der rotrot-grünen Koalition nach zwei Jahren reden. Das aber wollen Sie nicht, Herr Herrgott, und das hat auch Ihr Redebeitrag noch mehr als die Begründung der Aktuellen Stunde deutlich gemacht.
Dann hätten Sie wahrscheinlich wie im August 2015 einen entsprechenden Antrag gestellt. Aber Sie wissen ja: Die flüchtlingspolitische Bilanz der rot-rot-grünen Koalition ist sehr positiv. Sie können sie gern mal nachlesen. Auf meiner Homepage ha
be ich im Dezember Bilanz gezogen, und zwar wortwörtlich nach den Festlegungen im Koalitionsvertrag. Das muss man jetzt noch ergänzen um das Modellprojekt zur gesundheitlichen Versorgung von Menschen ohne Papiere, aber ansonsten ist das noch aktuell. Sie haben die Protokollerklärung des Ministerpräsidenten mit dem Prädikat „inhaltlich fragwürdig“ versehen. Ich denke, das gilt zuallererst für Ihre Aktuelle Stunde. Ich bin ein bisschen verwundert, dass der Präsident Ihnen das hat durchgehen lassen.
Ich will aber mal nach dem Text der Aktuellen Stunde bzw. der Begründung vorgehen. Ich darf verwundert sein, da kann auch der Präsident nichts dagegen machen.
Sie schreiben und finden es schlimm, der Ministerpräsident sei der Ministerpräsidentenkonferenz am 9. Februar ferngeblieben. Ich kann mich nicht erinnern, dass es im Oktober 2015 einen Aufschrei gegeben hätte, als Seehofer, der Ministerpräsident Bayerns, angekündigt hatte, der Ministerpräsidentenkonferenz fernzubleiben. Sie erinnern sich alle: Im Oktober 2015, das war gerade die Zeit, in der alle Bundesländer mit den Erstaufnahmekapazitäten zu kämpfen hatten und insbesondere Bayern als „Erstankunftsland“ sozusagen auf die Unterstützung der anderen Bundesländer angewiesen war, die auch alle bei der Erstaufnahme von Geflüchteten, die in Bayern angekommen waren, unterstützt haben.
Sie schreiben, es habe ein Einvernehmen der 15 Länderchefs gegeben. Dem ist natürlich nicht so. Sie haben unterschlagen, welche inhaltlichen Argumente beispielsweise Brandenburg und Berlin, aber auch Baden-Württemberg und natürlich auch Thüringen in ihren Protokollerklärungen angegeben haben. Berlin und Brandenburg haben beispielsweise von der Konnexitätsrelevanz einiger der Maßnahmen gesprochen, die in dem Punkteplan waren. Alle übereinstimmend haben an der einen oder anderen Stelle rechtliche oder verfassungsrechtliche Bedenken bei den vorgeschlagenen Maßnahmen und sie sind alle davon ausgegangen, dass diese Besprechung in der Ministerpräsidentenkonferenz nicht das Abstimmungsverhalten im Bundesrat vorwegnimmt. Sie sprechen von einem breiten Konsens in Politik und Gesellschaft. Den gibt es tatsächlich nicht, zumindest nicht, was diese Abschiebemaßnahmen angeht, die jetzt in einen Gesetzentwurf gemündet sind. Dass dieser Konsens nicht besteht, ist schon allein letzte Woche deutlich geworden, als bekannt wurde, dass das Bundesamt in
die Lage versetzt werden soll, die Handys geflüchteter Menschen auszulesen. Da sind von allen Seiten aus der Gesellschaft Bedenken geäußert worden und Kritik geübt worden, meine Damen und Herren. Ich nenne das postfaktisch, meine Damen und Herren. Der Ministerpräsident sei einer Diskussion über seine Position ausgewichen – das ist nicht so. Er hat die Protokollerklärung abgegeben und die Diskussion konnte laufen.
Er hat sich gerechtfertigt, ja. Sie haben ja einiges schon zitiert aus der Rechtfertigung und ich finde, da sind einige Sachen sehr plausibel. Dass der Bundestag und Bundesrat als Gesetzgebungsorgane unterlaufen werden sollen, das sehen wir ja. Der Gesetzentwurf ist letzte Woche im Bundeskabinett beraten worden. Dann wurden Anzuhörende eingeladen, innerhalb eines Tages Stellungnahmen abzugeben zu diesem Gesetzentwurf, und heute hat das Kabinett den Referentenentwurf beschlossen. Ich denke, da ist genau das umgesetzt worden, was mit der Ministerpräsidentenkonferenz am 9. Februar beabsichtigt war. Und ich glaube, das ist ein Missbrauch dieses Gremiums, meine Damen und Herren.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, auch mir ging es ein bisschen so wie der Abgeordneten Lehmann. Auch ich dachte, die CDU beabsichtigt mit dem Titel, zunächst eine Zwischenbilanz zu ziehen. Deshalb gestatten Sie mir, dass ich dem ursprünglichen Wunsch, wie er in der Überschrift zum Ausdruck gekommen ist, nachkomme und ein paar Beispiele zu dieser Zwischenbilanz nenne, ohne dass diese den Anspruch auf Vollständigkeit hätten, die mir aber besonders wichtig sind.
Wir haben es in den vergangenen zwei Jahren geschafft, Zehntausenden Menschen, die vor Krieg und aus Not Zuflucht bei uns gesucht haben, aufzunehmen, sie menschenwürdig unterzubringen und auch gut zu versorgen,
zunächst in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes und dann tatsächlich in den Landkreisen und kreisfreien Städten unseres Freistaats. Auch in
einer Zeit wie im Herbst 2015, als wir ohne lange Vorbereitungszeit mehrere Tausend Menschen kurzfristig unterbringen mussten, haben wir es als Land Thüringen geschafft, dass wir den Geflüchteten ein festes Dach über dem Kopf bieten konnten und nicht gezwungen waren, Zeltstädte in Größenordnungen zu errichten, wie das in anderen Bundesländern der Fall gewesen ist.
Auch gegenwärtig sind wir auf einem guten Weg und verfügen in den Erstaufnahmeeinrichtungen in Gera und Suhl über 2.000 Unterbringungsplätze im aktiven Betrieb. Ich betone das an dieser Stelle gern und immer wieder: Allein hätten wir das als Landesregierung nicht schaffen können. Allen voran gilt daher der Dank den Thüringer Landkreisen und kreisfreien Städten, die im Anschluss an die Erstaufnahme eine hervorragende Arbeit geleistet haben, um Geflüchtete anschließend in den Kommunen unterzubringen. Wir haben sie dabei nach Kräften unterstützt und auch mit zusätzlichen notwendigen finanziellen Mitteln ausgestattet, um diese menschenwürdige Unterbringung und Versorgung vor Ort sicherzustellen. Das ist zum einen durch die Investitionspauschale, aber auch durch die neuen Möglichkeiten der dezentralen Unterbringung gelungen. Wir haben den Kommunen in einem Hilfspaket von zweimal 25 Millionen Euro geholfen, die Kosten der Flüchtlinge zu stemmen. Wir haben die Bewachungsverordnung geändert, um auch da Kosten, die entstanden sind, auszugleichen. Der Dank gilt daneben aber auch den zahlreichen Haupt- und Ehrenamtlichen, die an vielen Stellen so Wichtiges geleistet haben, dass ich im Einzelnen an dieser Stelle gar nicht darauf eingehen kann.
Wir haben als Landesregierung einen weiteren Schritt getan, an dem wir als Ministerium sehr lange und intensiv mit allen möglichen an dem Prozess Beteiligten gearbeitet haben. Thüringen bietet nunmehr Geflüchteten einen diskriminierungsfreien Zugang zu ärztlicher Versorgung, indem wir nach langer Arbeit die Gesundheitskarte für Geflüchtete eingeführt haben.
Neben der Gewährleistung professioneller, effizienter und effektiver Behandlungen im Krankheitsfall sorgt die Gesundheitskarte aber vor allem dafür, dass auch Bürokratie in den Verwaltungen der Landkreise und kreisfreien Städte abgebaut werden kann. Sprechen Sie an dieser Stelle mal mit Landräten und Sie werden hören, wie dankbar diese sind, dass sie von diesem bürokratischen Aufwand entlastet worden sind.
gerkrieg in Syrien, der mittlerweile vielen Hunderttausend Menschen das Leben gekostet hat. Und die Lage ist weiterhin dramatisch. Die Landesregierung hat daher – auch darauf bin ich sehr stolz – das humanitäre Landesprogramm zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge durch ihre in Thüringen lebenden Verwandten fortgesetzt. Wir haben dafür die Aufnahmeanordnung für syrische Familienangehörige nach erneuter Erteilung des Einvernehmens durch den Bundesinnenminister zum wiederholten Mal bis 2018 verlängert. Bereits im Zeitraum von September 2013 – also noch unter der schwarz-roten Vorgängerregierung – bis Dezember 2016 konnten in Thüringen auf diese Weise immerhin 514 Visa zur Einreise auf Grundlage dieser Verordnung erteilt werden. Und bei den Menschen, meine sehr geehrten Damen und Herren, bei denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bestandskräftig festgestellt hat, dass sie nicht als Schutzsuchende in Deutschland anerkannt werden können, setzen wir als Landesregierung weiterhin ganz konsequent auf den Weg der freiwilligen Ausreise, bevor wir zu dem Mittel der Abschiebung greifen. Wenn Sie sich die Zahlen der einzelnen Bundesländer anschauen, dann ist es tatsächlich so, dass Thüringen nicht weniger Menschen verlassen haben als andere Bundesländer, die nach Prüfung ihres Asylrechts keinen Anspruch hatten hierzubleiben. Bloß: Die Quote zwischen freiwilligen Ausreisen und Abschiebungen ist in Thüringen eine ganz andere. Während bei uns dreimal so viele Menschen das Bundesland auf dem Wege der freiwilligen Ausreise verlassen haben, ist es in anderen Bundesländern teilweise deutlich anders. Aber genau darauf, meine sehr geehrten Damen und Herren, bin ich stolz. Und ich bin weiterhin der Auffassung, dass wir diesen Weg gehen müssen.
Freiwillige Ausreise ist nicht nur humaner, sondern auch – wenn Sie sich die in den letzten Tagen und Wochen veröffentlichten Zahlen zu den Kosten und den Durchschnittskosten anschauen – um die Hälfte billiger als Abschiebungen. Der Zuzug von Geflüchteten nach Deutschland und damit auch nach Thüringen hat sich im Jahr 2015 deutlich reduziert, hat deutlich nachgelassen. Niemand weiß allerdings, ob dies dauerhaft so bleiben wird. Diese Situation ermöglicht es der Landesregierung, den Fokus nun vor allem auf die Integration und Bildung der zu uns Geflüchteten zu legen. Eine wichtige und nach meiner Einschätzung elementare Grundlage dafür ist das Erlernen der Sprache. Weil nicht wenigen Geflüchteten der Zugang zu Integrationskursen des Bundes jedoch verwehrt ist, haben wir als Landesregierung das Landesprogramm „Start Deutsch“ auf den Weg gebracht, das nach seiner außerordentlich erfolgreichen Einführung im letzten Jahr nun auch in der Fläche ausgeweitet wird.
Sie sehen also, meine Damen und Herren, die von der Fraktion der CDU geforderte Zwischenbilanz kann sich, wie an diesen wenigen Beispielen ausgeführt, mehr als sehen lassen. Natürlich liegen auch noch große Herausforderungen vor uns und diese betreffen gerade das Gebiet der Integration. Wir werden auch in dem nächsten Doppelhaushalt entsprechende Mittel bereitstellen, um genau diese große Aufgabe anzugehen und sie zu bewältigen.
Gestatten Sie mir zum Schluss – das hat sich dann im Laufe der Rede herausgestellt – noch einige Bemerkungen zu der Ministerpräsidentenkonferenz. Thüringen hat auf der letzten Ministerpräsidentenkonferenz eine Protokollerklärung abgegeben, in der sich das Land mit dem Verfahren und den Beschlüssen, die dort gefasst worden sind, auseinandersetzt. Vorredner haben es bereits zitiert. Mir ist es auch noch mal wichtig, zu erwähnen, dass Kernpunkt dieser Protokollerklärung ist, dass das Land Thüringen aus grundsätzlichen Erwägungen dabei ein Verfahren kritisiert, dass Beschlussempfehlungen der Bundesregierung kurzfristig dieser Ministerpräsidentenkonferenz vorgelegt werden und damit das Beteiligungsverfahren der Länder, das eigentlich im Bundesrat geregelt ist, zumindest schwieriger macht, in Teilen vielleicht aushöhlt. Ich glaube, da sollten wir als Landesregierung genauso wie jede andere Regierung in den anderen Ländern deutlich machen, dass es wichtig ist, dass für die Beteiligung des Verfassungsorgans Bundesrat tatsächlich die Regeln, die dafür festgeschrieben sind, auch eingehalten werden.
Ausdrücklich begrüßt hat Thüringen in dieser Protokollerklärung diejenigen Beschlüsse, die einer menschlicheren Flüchtlingspolitik entsprechen. Hierzu zählen unter anderem Maßnahmen, die auf eine stärkere freiwillige Rückkehr abzielen. Gleiches gilt für eine bessere Abstimmung zwischen Bund und Ländern einschließlich einer optimierten IT-Vernetzung sowie die Vereinfachung von Prozessen, soweit dadurch die Prüfung von Asylanträgen und Schutzrechten der Antragsteller nicht eingeschränkt werden.
Schließlich unterstützt Thüringen – das muss man auch erwähnen – ausdrücklich den Ansatz, dass die Sicherheit in Deutschland durch eine bessere Abstimmung von Bund und Ländern zu gewährleisten ist. Andere Vorschläge, die bei dieser Präsidentenkonferenz getroffen worden sind, werden wir prüfen müssen. Ich sage an dieser Stelle als zuständiger Migrationsminister ganz deutlich, dass Beschlüsse, die nach meiner Einschätzung eindeutig auf Repression, auf eine Verschärfung des Asylrechts und Leistungskürzungen gerichtet sind, von mir sehr kritisch gesehen werden.
Wie viele andere teile auch ich die Einschätzung, dass beabsichtigte Änderungen des Aufenthaltsgesetzes verfassungsrechtlich zumindest genau zu prüfen sind, praktisch oft an vielen Stellen nur schwer umsetzbar sind und nach meiner Einschätzung nicht unbedingt eine Lösung für die vor uns liegenden Herausforderungen sind. Wichtig ist, glaube ich, zu betonen, dass Thüringen in der Protokollerklärung erneut betont hat und deutlich gemacht hat, dass es europäische und internationale Anstrengungen sein müssen, die eine Lösung dieses Problems der immer stärkeren Flüchtlingsbewegungen auf der Welt notwendig machen. Ohne diese Rahmenbedingungen, die nur in Zusammenarbeit mit anderen Ländern und internationalen Akteuren zu schaffen sind, bleiben nationale Alleingänge erfolglos. Zudem – auch das möchte ich noch einmal betonen – teile ich die Auffassung wie übrigens viele andere Bundesländer auch – das geht zum Teil bis nach Bayern –, dass eine Altfallregelung für jene Menschen, die bereits seit Jahren in Deutschland leben und integriert sind in der hiesigen Gesellschaft, dringend notwendig ist. Was für einen Sinn macht es denn, dass wir als Landesregierungen mit großem finanziellem Aufwand den Menschen Sprache beibringen,
sie integrieren, sie über viele Jahre hier leben, einen Arbeitsplatz gefunden haben, hier in der Gesellschaft angekommen sind, um dann nach vielen, vielen Jahren zu sagen: Na, jetzt droht dann doch die Abschiebung. Eine Auffassung, die meiner Meinung nach komplett kontraproduktiv ist.
Integrierte Menschen in ihre Herkunftsländer zurückzuführen, ist in großem Maße inhuman, birgt das Risiko sozialer Spannungen und nimmt insbesondere den Migranten und Migrantinnen, von denen ernsthafte Integrationsbemühungen in sprachlicher und kultureller Hinsicht erwartet werden, jedweden Integrationsanreiz. Anstatt auf Zwang und Ausgrenzung zu setzen, ist es ganz wichtig, in vielen Fällen eine differenzierte und grundlegende Lösung der anstehenden Probleme zu suchen. Die Thüringer Landesregierung wird daher weiterhin den Weg einer sachorientierten und an den Maßstäben unserer Verfassung ausgerichteten Flüchtlings- und Asylpolitik beschreiten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
jetzt alle Fraktionen noch mal 2 Minuten Redezeit. Wünscht noch jemand das Wort? Das kann ich nicht erkennen. Dann schließe ich den Tagesordnungspunkt und wir fahren fort.
Die Tagesordnungspunkte 1 a, b und c sind abgesetzt von der Tagesordnung. Der Tagesordnungspunkt 2 wurde auch abgesetzt von der Tagesordnung und ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 3
Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes zur Regelung des Mehrbelastungsausgleichs für den Vollzug des Betreuungsgeldgesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/3039 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Arbeit und Gesundheit - Drucksache 6/3449 ZWEITE BERATUNG