Meine Damen und Herren, nochmals ein Gedanke zur Abschaffung des Rundfunkbeitrags. Ich kann mir eigentlich, wie schon geäußert, nicht vorstellen, dass Sie, meine Damen und Herren der AfD, einen steuerfinanzierten Beitrag bevorzugen. Wie der namhafte Medienrechtler Prof. Dieter Dörr in einem Interview feststellt, fehlte erstens die finanzverfassungsrechtliche Ermächtigung für Rundfunksteuern, zum anderen aber – und das scheint mir we
sentlich relevanter – würde damit, wie gesagt, die Finanzierung aus öffentlichen Haushalten der Länder erfolgen, womit wir über den von Ihnen beschworenen Aspekt der Staatsferne eigentlich nicht mehr weiter reden müssen, ganz zu schweigen von der europäischen Problematik.
Noch ein Gedanke zu den von Ihnen immer benannten Zwangsbeiträgen. Der Rundfunkbeitrag ist ein Teil der Solidargemeinschaft ebenso wie öffentliche Verkehrsmittel, der Polizeischutz von Fußballspielen und Demonstrationen, Arbeitslosen-, Renten-, Kranken- und Sozialversicherung. Wollen Sie mir ernsthaft erzählen, dass es sinnvoll wäre, wenn Sie den Schutz Ihrer Demonstration künftig selbst begleichen wollen? Oder vielleicht will ich nicht in die Arbeitslosenversicherung einzahlen, weil ich nicht arbeitslos bin. Das ist die Aufkündigung des Solidarprinzips unserer Gesellschaft! Das findet mit uns nicht statt!
Meine Damen und Herren, nicht berücksichtigt haben Sie wohl auch einen weiteren Aspekt in Ihrem Antrag. Wer den Rundfunkstaatsvertrag kündigt, entzieht nicht nur ARD, ZDF und Deutschlandradio die Rechtsgrundlage, er entzieht diese auch den privaten Sendern. Denn die §§ 20 bis 34 des Rundfunkstaatsvertrags schaffen eben auch die Rechtsgrundlage für die von der AfD so oft beschworenen privaten Anbieter. Die Folge dieser Kündigung steht damit im Gegensatz zur Aussage der AfD, dass es für viele Programminhalte ein breites Angebot privater Sender gebe. Die gäbe es dann eben konkret auch nicht mehr. Interessant ist auch Ihre Wahrnahme, dass die Rundfunkanstalten nach eigenem Gutdünken immer mehr expandieren. Ich kann nur vermuten, dass Sie den aktuellen Rundfunkstaatsvertrag nicht gelesen haben, denn hier sind in § 11 deutliche Grenzen der Angebote des öffentlichrechtlichen Rundfunks zu finden. Im Bereich der Fernsehprogramme sind die Namen der erlaubten Fernsehprogramme sogar festgeschrieben. Mit den Hörfunkprogrammen findet sich zusätzlich zur Nennung der Sender auch eine Deckelung der Anzahl der Hörfunkprogramme auf dem Stand vom 1. April 2004. Folglich wurden vor der Etablierung des von Ihnen monierten jugendorientierten Internetprogramms zwei Fernsehsender eingestellt – darunter ZDFkultur, was ich persönlich bedauerlich finde. Die Darstellung Ihrer Argumentation ist also – um einen gerade oft benutzten Begriff zu verwenden, der heute, glaube ich, sogar als Wort des Jahres 2016 festgelegt worden ist – im wahrsten Sinne des Wortes „postfaktisch“.
hang mit dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum sogenannten ZDF-Urteil hat sich das Gericht auch zur Frage des Begriffs „Rundfunkfreiheit“ artikuliert. Anknüpfend an seine bisherige Rechtsprechung betont das Gericht erneut deren dienende Funktion gegenüber der individuellen und öffentlichen Meinungsbildung. Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes enthält nach dieser Vorstellung einen Auftrag zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit durch eine Ordnung, die sicherstellen muss, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk möglichst breit und vollständig zum Ausdruck kommt. Die Ausgestaltung dieser Ordnung ist Aufgabe des Gesetzgebers. Schon an dieser Stelle steht die Vielfaltsicherung im Mittelpunkt, die für die ganze Entscheidung eine Schlüsselrolle spielt. Im dualen Rundfunksystem hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk nach Auffassung der Karlsruher Richter bei Sicherung der Meinungsvielfalt weiterhin, ich betone, eine herausragende Bedeutung. Ihm obliegt die Aufgabe, als Gegengewicht zu den privaten Rundfunkanbietern ein Leistungsangebot hervorzubringen, das einer anderen Entscheidungsrationalität als der der marktwirtschaftlichen Anreize folgt und damit eigene Möglichkeiten der Programmgestaltung eröffnet. Prof. Dörr sagt – Kollege Wucherpfennig hat daraus zitiert, auch ich möchte das tun –: „Er“ – der öffentlich-rechtliche Rundfunk – „hat so zu inhaltlicher Vielfalt beizutragen, wie sie allein über den freien Markt nicht gewährleistet werden kann. [...] Wegen [seiner] besonderen Bedeutung […] für die Meinungsbildung und damit auch für die Funktionsfähigkeit der Demokratie beschränkt sich“, so das Bundesverfassungsgericht, „sein Auftrag nicht auf eine Mindestversorgung oder auf ein Ausfüllen von Lücken und Nischen, die von privaten Anbietern nicht abgedeckt werden, sondern erfasst die volle Breite des klassischen Rundfunkauftrags […]. Sein Programmangebot muss dabei auch für neue Publikumsinteressen oder neue Inhalte und Formen offenbleiben […].“ Dem muss nichts hinzugefügt werden.
Meine Damen und Herren, dieser Antrag der AfD ist unkonkret und falsch. Und ich bleibe dabei, er ist nicht ernst gemeint. Sie wollen eine Ablehnung. Sie provozieren eine Ablehnung, weil Ihnen eine Ablehnung am besten in Ihre politische Strategie passt.
Es geht Ihnen nicht um eine Reformierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Ihnen geht es um die Abschaffung der öffentlichen Meinungsbildung, zumindest das Kleinhalten. Dieser Antrag, wie gesagt, schreit regelrecht nach Ablehnung und er bekommt die Ablehnung auch.
Meine Damen und Herren, damit dieser Tagesordnungspunkt auch noch einen inhaltlichen Sinn bekommt, möchte ich hier und jetzt die Gelegenheit nutzen, der am Montag wiedergewählten Intendantin des MDR, Karola Wille, zu dieser Wahl zu gratulieren.
Sie hat in den letzten Jahren deutlich gemacht, welche wichtige Rolle öffentlich-rechtlicher Rundfunk im Rahmen der Medienlandschaft spielt und dass sich auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk den Entwicklungen in der Medienlandschaft durch Veränderung stellen muss. Ich wünsche der wiedergewählten Intendantin für diese Aufgabe, für den Übergang des MDR und der ARD und des ZDF in eine trimediale Medienlandschaft in Deutschland, alles Gute. Wir als Politiker werden diesen Prozess jederzeit kritisch begleiten. Danke.
Als nächster Redner hat sich Abgeordneter Pidde, Fraktion der SPD, zu Wort gemeldet. Während Sie zum Rednerpult gehen, möchte ich schon mal bekannt geben, dass sich 10 Minuten nach Beginn der Mittagspause der Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz im Raum F 101 trifft, der Innen- und Kommunalausschuss 5 Minuten nach Beginn der Mittagspause im Raum F 202, der Freundeskreis Kaliningrad im Raum A 140 des Fraktions- und Abgeordnetengebäudes und der Untersuchungsausschuss 6/3 einen Fototermin auf der Treppe vor dem Sitzungssaal F 101 hat.
Frau Präsidentin, Ihrer Aufforderung folgend bin ich extra langsam ans Rednerpult getreten, damit Sie auch all diese Verkündungen hier erledigen können.
Meine Damen und Herren, ich gebe zu, dass ich den vorliegenden AfD-Antrag mit einer gewissen Spannung in die Hand genommen habe, verspricht doch der Titel nicht nur eine Forderung nach Abschaffung des Rundfunkbeitrags, sondern auch Ausführungen zur Neugestaltung des öffentlichrechtlichen Rundfunks. Gerade dieser letztgenannte Punkt erschien mir besonders interessant, da von der AfD ja bisher nur bekannt gewesen ist, dass sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk grundsätzlich ablehnt. Das kann man der AfD-Programmatik ebenso entnehmen wie einschlägigen Me
dien, politischen Veröffentlichungen und Äußerungen von AfD-Funktionsträgern oder dem Agieren des Abgeordneten Brandner im zuständigen Fachausschuss unseres Landtags.
Meine Spannung ist also zunächst groß gewesen, meine Ernüchterung nach dem Lesen des Antrags allerdings noch größer. Wer sich den Text zu Gemüte führt, erfährt wieder einmal, was die AfD alles nicht will. Was diese Partei allerdings positiv unter Neugestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks versteht, bleibt genauso undeutlich und widersprüchlich wie zuvor.
Meine Damen und Herren, ich will Ihnen das an einigen Beispielen erläutern. In Punkt 1 wird etwa die Landesregierung aufgefordert, bis zum Jahresende eine ganze Reihe von medienrechtlich relevanten Staatsverträgen einseitig aufzukündigen. In Punkt 2 geht es dann um den Kündigungszeitraum, der nebulös bleibt, das haben auch schon meine Vorredner kritisiert, und selbst wenn es sich um den Mindestkündigungszeitraum von einem Jahr handeln sollte, der ja von der AfD auch schon genannt worden ist, wäre auch das völlig illusorisch. Innerhalb eines dermaßen knapp bemessenen Zeitrahmens eine grundlegende Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit 15 weiteren Bundesländern auszuverhandeln, zu beschließen und umzusetzen: Hier hat die AfD nicht bedacht, ob ihre Forderungen überhaupt realisiert werden können, oder aber sie hat schlecht abgeschrieben, denn in ähnlich gelagerten Anträgen, die die AfD-Fraktionen in Sachsen und in Brandenburg vor Kurzem in die Landtage eingebracht haben, ist zumindest von einem Kündigungszeitraum bis Ende 2018 die Rede.
Meine Damen und Herren, damit komme ich zu einem weiteren Widerspruch, und Widersprüchlichkeiten prägen ja diesen vorliegenden Antrag. In Punkt 2 wird wieder einmal die Zusammenlegung und Verkleinerung bisheriger Sendeanstalten gefordert, nur einen Satz später aber die regionale und heimatbezogene Information als einer der künftig wesentlichen Programmaufträge des öffentlichrechtlichen Rundfunks definiert. Wie soll das denn beides bitte schön zusammen funktionieren? Die regionale Verankerung auch in Form von Sendeanstalten und Landesfunkhäusern ist doch eine der großen Stärken der ARD. Ohne sie ist ein regionalisiertes Programmangebot gar nicht denkbar, Herr Wucherpfennig hat vorhin darauf hingewiesen. Nur indem man vor Ort tatsächlich präsent ist, kann man auch regionale Ereignisse authentisch bewerten und Sendungen mit echtem Regionalbezug produzieren. Die AfD hingegen will die Quadratur des Kreises, möglichst viele Sender abwickeln, fusionieren und eindampfen, aber gleichzeitig einen Fokus auf Regionalität und Heimatnähe legen. Wie soll das funktionieren?!
Meine Damen und Herren, ebenfalls einer kritischen Reflexion wert sind die kryptischen Äußerungen im AfD-Antrag zur zukünftigen Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Dort steht nämlich, es sei – ich zitiere, Frau Präsidentin – „das bisherige System der Finanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks mittels einer Zwangsabgabe (Rundfunkbeitrag) abzuschaffen und durch ein alternatives System zu ersetzen, das nutzungsbezogen oder steuerfinanziert sein könnte.“ Nutzungsbezogen oder steuerfinanziert? Das klingt auch wieder schön – aber was heißt das konkret? Nahezu sämtliche Medienendgeräte sind inzwischen internetfähig und damit potenzielle Rundfunkempfänger. Empfangbar und somit nach AfD-Definition nutzbar ist Rundfunk daher heutzutage allerorten mit den klassischen Endgeräten wie Radios und Fernseher genauso wie mit Smartphones, Tablets, iPods, Smartwatches etc. Eine nutzungsbezogene Rundfunkgebühr würde also mit einiger Sicherheit genauso flächendeckend und ausnahmslos erhoben werden müssen wie der jetzige Rundfunkbeitrag.
Ganz ähnlich sieht es mit der Einführung einer allgemeinen Rundfunksteuer aus. Der Rundfunkbeitrag, den die AfD als flächendeckende Zwangsabgabe sieht, würde durch eine ebenso flächendeckende allgemeine Steuer ersetzt. Aus dem jetzigen Beitragszahler würde künftig lediglich ein Steuerzahler – mehr nicht. Wo also liegt für den Thüringer Bürger der große Unterschied? Sie werden mir keinen nennen können.
Meine Damen und Herren, mehr noch: Die AfD diffamiert den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gern als Staatsfunk und verlangt dessen größtmögliche Staatsferne und Pluralität. Wenn Sie die öffentlichrechtlichen Sender künftig aber steuerfinanziert aufstellen wollen, dann werden Sie tatsächlich einen Staatsfunk haben, weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk dann in unmittelbarer Abhängigkeit zu den Haushaltsgesetzgebern der Länder geraten wird. Darauf hat Kollege Blechschmidt schon hingewiesen.
Nicht umsonst haben die Bundesländer ja eine staatsferne Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten eingerichtet. Nicht umsonst erfüllt diese KEF ihre Aufgaben in Unabhängigkeit von Landesregierungen und Länderparlamenten. Genau dieses bewährte System der staatsfernen Feststellung des Finanzierungsbedarfs will die AfD nun über Bord kippen, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus seiner angeblich zu engen Bindung an den Staat zu befreien. Was für ein Witz!
Meine Damen und Herren, Sie sehen, der Antragstext bringt uns substanziell bei der Weiterentwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks keinen einzigen Schritt weiter. Er strotzt geradezu vor Widersprüchlichkeiten und Logikfehlern. Mit der ellenlangen Begründung sieht es nicht viel besser aus. Sie ist lediglich ein Sammelsurium der üblichen AfD-Unterstellungen gegenüber den etablierten deutschen Medien, ihren Mitarbeitern und Journalisten im Allgemeinen.
Ich will das hier nicht alles wiederholen, sondern der AfD abschließend eine ganz einfache Frage stellen: Wenn es tatsächlich den von Ihnen behaupteten Bevormundungsjournalismus gibt, der bewusst manipuliert, Pluralismus nicht zugibt und damit in staatlichem Auftrag die Meinungsfreiheit untergräbt, wie kann es dann sein, dass ich die Meinungsäußerungen der AfD zu jedem beliebigen Thema tagtäglich in den Medien in epischer Breite zu sehen und zu lesen bekomme? Aber auch diesen Widerspruch wird die AfD nicht aufklären.
Schließlich ist es einfacher, populistisch irgendwelche Dinge zu behaupten und einzufordern, als sich konstruktiv an der Gestaltung unseres Gemeinwesens zu beteiligen. Den vorliegenden Antrag wird meine Fraktion daher ablehnen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren! Herr Ramelow, schön, dass Sie auch einmal vorbeischauen. Die Ehre wird uns ja nicht allzu oft zuteil. Herr Hoff ist auch schon weg. Ja, so ist das.
Herr Dr. Pidde, ich kann Ihre Frage gleich beantworten. Wie kann es sein, dass Sie über die AfD so viel finden? Das liegt daran, dass der Staatsfunk immer sehr viel Wert darauf legt, uns verzerrt darzustellen, uns verfälscht darzustellen und uns zu diffamieren. Genau deshalb hören Sie so viel von der AfD.
Sie hören ganz wenig im Staatsfunk, was wirklich neutral und objektiv ist. Damit dürfte die Frage beantwortet sein.
Herr Blechschmidt, zu Ihnen komme ich auch noch. Ich dachte immer, Sie wären ein zwar etwas rückwärtsgewandter, aber immerhin aufgeklärter internationaler Sozialist.
Jetzt stellen Sie sich hierhin und hetzen nationalistisch über die Polen, über die Ungarn, über die Türken. Haben Sie Ihre Staatsbürgerkunde nicht mehr im Kopf? Wieso ziehen Sie über andere Länder her, wenn Sie am Rednerpult stehen?