Protocol of the Session on December 7, 2016

Wahrscheinlich ist allerdings, dass eine rot-rot-grüne Landesregierung alles tun wird, um gerade diese Eingriffsrechte gegen Eltern zu vergrößern, um Kinder zu indoktrinieren und letztlich den Zusammenhalt in der Familie zu zerstören. So erklärte die linke Thüringer Bildungsministerin neulich beispielsweise, ich zitiere: Das Gerede von der Frühsexualisierung sei „Teil des Konzepts, Ängste zu schüren“. Gleichzeitig teilt die Landesregierung mit, dass an Thüringer Grundschulen dieses Buch – das habe ich Ihnen mal mitgebracht – gebraucht werden darf. Mit Ihrer Erlaubnis werde ich jetzt daraus zitieren. Das Bild können Sie hoffentlich alle sehen, bitte schön: „‚Dann küsst der Mann die Frau, denn dazu hat er fast immer Lust, und sie legen sich ins Bett oder auf die Wiese oder wohin sie wollen. Meistens ziehen sich die Menschen dabei aus und umarmen sich wie die Schlingpflanzen im Wald.‘“ Dann folgt dieses wunderbare Bild, ich weiß nicht, wer von Ihnen das grundschulgeeignet findet. „‚Manchmal legt sich der Vater oben auf die Mutter und manchmal die Mutter oben auf den Vater und manche machen es wie wir, wie die Mäuse, vorn ist die Mutter und hinten der Vater.‘ In der letzten Reihe umarmte gerade Tütü Diddi Neumann wie eine Schlingpflanze und küsste ihn schon wieder auf den Mund. ‚Dann steckt der Vater seinen Piller‘ – ‚oh‘, rief Leopold, das tut unser Vater auch –, steckt ihn in Mutters Puschel‘ – ‚das heißt Vagina‘, sagte Lehrer Schröder – ‚und spritzt seinen Samen in die Mutter‘“.

(Unruhe AfD)

Das, meine Damen und Herren, ist für Thüringer Grundschulen laut Landesregierung geeignet.

Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, wer von Ihnen meint, dass das Gegenstand des Thüringer Heimat- und Sachkundeunterrichts sein soll. Ich finde, das ist ein Skandal.

(Zwischenruf Abg. Marx, SPD: Das war zum Thema, ja?)

(Beifall AfD)

Und gleichzeitig zeigt dieses Beispiel auch, was wirklich dahinter steht, wenn eine rot-rot-grüne Landesregierung auf Kinderrechte pocht: grüne Klientelpolitik für pädophile Spinner.

(Beifall AfD)

Im Zweifel meint die Landesregierung die Indoktrination von Kindern gegen den Willen der Eltern, und natürlich will diese rot-rot-grüne Landesregierung ihre Möglichkeiten, gegen Familien vorzugehen, ihre Möglichkeiten, Familien zu gängeln, vergrößern. Wir hingegen schützen unser Grundgesetz, wir schützen das Erziehungsrecht der Eltern und wir schützen unsere Kinder vor Ihren perversen Fantasien. Herzlichen Dank.

(Beifall AfD)

Jetzt haben Sie zu allem Übrigen was gesagt, Frau Muhsal, zum Grundgesetz relativ wenig, aber sei es drum. Frau Engel für Die Linke, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Besucherinnen, liebe Zuhörerinnen am Livestream, liebe Kolleginnen, vor über einem Vierteljahrhundert ist die UNKinderrechtskonvention verabschiedet worden. Trotz dieser langen Zeitspanne wurden die Kinderrechte bisher nicht im deutschen Grundgesetz verankert. Kinder haben Rechte, daran zweifelt heute zwar niemand mehr, aber bei Entscheidungen in Politik, Verwaltung und Rechtsprechung wird das Kindeswohl bis heute nicht ausreichend berücksichtigt. Die Interessen der Kinder und Jugendlichen spielen in Deutschland noch immer eine Nebenrolle, von ihrer aktiven Beteiligung an den politischen Prozessen und Verwaltungsentscheidungen ganz zu schweigen. Die wichtigste Grundannahme der Kinderrechtskonvention besteht darin, Kinder als eigenständige Subjekte mit garantierten, unveräußerlichen Rechten anzusehen. Denn bis dahin wurden Kinder lediglich als Schutzbefohlene der Erwachsenen betrachtet. Und nur die Erwachsenen besaßen definierte und einklagbare Ansprüche und Rechte. Die UN-Kinderrechtskonvention hat damit einen Paradigmenwechsel vollzogen, der leider in der Praxis immer noch auf seine Umsetzung wartet. So steht die Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz noch immer aus. Kinder werden im Grundgesetz zwar in Artikel 6 erwähnt, doch dieser Artikel enthält

(Abg. Muhsal)

nur Aussagen über Kinder und nicht für Kinder. So heißt es dort in Absatz 2: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“ Kinder sind somit im Grundgesetz nur Regelungsgegenstand; spezielle Kinderrechte finden dort keine Erwähnung.

Die Kinderrechtskonvention selbst hat trotz ihrer Ratifizierung durch die Bundesrepublik im Jahr 1992 keinen Verfassungsrang. Aber auch Deutschland hat sich damals als Vertragsstaat verpflichtet – ich zitiere –, „alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Verwirklichung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte“ zu treffen. Und hierzu gehört auch die Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz. Aus diesem Grund hat der Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte des Kindes 2004 bereits zum zweiten Mal erklärt – ich zitiere –, „nach wie vor beunruhigt“ zu sein, „dass das Übereinkommen bislang noch nicht im Grundgesetz verankert ist“.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ebenso hat der Deutsche Bundesrat 2011 die Bundesregierung aufgefordert – ich zitiere wiederum –, „einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes vorzulegen, in dem Grundrechte der Kinder, insbesondere deren besonderer Schutz durch Staat und Gesellschaft vor Gewalt, Vernachlässigung und Ausbeutung, sowie das Recht der Kinder auf altersgemäße Anhörung in allen sie betreffenden Gerichts- und Verwaltungsverfahren ausdrücklich normiert werden.“ Doch dieser Aufforderung ist die Bundesregierung bis heute nicht nachgekommen. Oft wird hier die Frage gestellt, was es denn den Kindern nütze, wenn die Kinderrechte im Grundgesetz verankert würden, und ob es nicht hilfreicher wäre, die Kinder finanziell besserzustellen. Aber dieser Gedanke beruht auf einem Missverständnis. Eigene Grundund Menschenrechte sind die Grundpfeiler einer jeden demokratischen Verfassung. Sie alle, werte Kolleginnen, besitzen diese durch die Verfassung garantierten Grund- und Menschenrechte. Und niemand käme da auf die Idee zu fragen, ob sich denn durch die Garantie dieser Rechte ihre Lage unmittelbar verbessert.

Ganz praktisch gesehen hätte die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz den Effekt, dass bei Verletzung dieser Rechte auch hier eine Verfassungsbeschwerde erhoben werden kann. Die Rechte der Kinder würden endlich einklagbar. Dies wäre eine deutliche Stärkung der Rechtsposition von Kindern in Deutschland. Durch die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz würde der Staat auch stärker in die Pflicht genommen werden, wenn es um die Wahrnehmung seiner Verantwortung für kindgerechte Lebensverhältnisse und um

gleiche Entwicklungschancen für alle Kinder und Jugendlichen geht – angesichts von Kinderarmut und unterschiedlichen Bildungschancen ein längst notwendiger Schritt.

Aber vor allem ist die Aufnahme eigener Kinderrechte ins Grundgesetz Ausdruck einer Wertung von Kindern als gleichberechtigte Mitglieder unserer Gesellschaft, als eigenständige Persönlichkeiten, mit eigener Würde und dem Anspruch auf Anerkennung ihrer Individualität. Eine Verfassung, die Kinder als Subjekte benennt und ihnen eigene Grundrechte zuerkennt, macht damit zugleich deutlich, dass sie diese Kinder hoch schätzt und dass ihr bewusst ist, dass die Kinder die künftigen Träger dieser Gesellschaft sind. Und diese Bewusstmachung erscheint 27 Jahre nach der Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention längst überfällig. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Als Nächste hat das Wort Abgeordnete Lehmann für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Muhsal, ich bin zugegebenermaßen überrascht, wie man es bei einer Debatte um die Kinderrechte schafft, einen derart unsachlichen Diskussionsbeitrag zu leisten. Ich danke den anderen Kolleginnen und Kollegen hier im Hause für ihre Beiträge, weil sie erkennen lassen, dass es eine überwiegende Einigkeit darüber gibt, dass Kinder einen besonderen Schutz brauchen, und zwar nicht nur durch ihre Eltern, sondern auch durch die Gesellschaft und auch durch den Staat, und nichts anderes will die Initiative, die Kinderrechte im Grundgesetz verankern will.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das will diese Initiative eben auch, weil uns die Realität nach wie vor zeigt, dass Kinder besonderen Gefährdungen und Bedrohungspotenzialen ausgesetzt sind. Wenn wir uns zum Beispiel Kinderarmut ansehen, wenn wir wissen, dass 16 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die in Thüringen leben, in Bedarfsgemeinschaften leben, also in Situationen, in denen sie in Armut aufwachsen – in einigen Regionen ist es sogar deutlich mehr, in Erfurt oder Gera ist es sogar jedes vierte Kind –, wenn wir sehen, dass laut Statistischem Bundesamt die Kindeswohlgefährdung im Jahr 2015 um 4,2 Prozent zugenommen hat – also wir wissen, dass immer mehr Kinder Vernachlässigung, psychischen oder körperlichen Misshandlungen ausgesetzt sind –,

(Abg. Engel)

dann müssen wir uns auch bewusst sein, dass wir darauf in irgendeiner Art reagieren müssen.

Wenn die Lebensrealität von Kindern und Jugendlichen sich derart verändert, dass sie mehr Leistungsdruck in der Schule ausgesetzt sind, dass ihr Lebensentwurf insgesamt unsicherer wird, wenn sie auf ihre schulische Laufbahn, auf ihre berufliche Laufbahn sehen, wenn wir uns ansehen, welche Rolle soziale Medien heute im Leben spielen, dann macht das auch deutlich, dass wir auf diese Anforderungen reagieren müssen. Die Kinderrechte im Grundgesetz sind eine Maßnahme, um darauf reagieren zu können, weil – und das ist wichtig – sie uns dazu verpflichten, Antworten zu geben, wie wir mit diesen Problemlagen umgehen und sie auch eine Wertschätzung gegenüber Kindern und Jugendlichen ausdrücken, weil diese Rechte nämlich zeigen, dass wir sie als eigenständige Persönlichkeiten ernst nehmen. Deswegen unterstützt die SPDFraktion diese Initiative.

Allerdings reicht das allein nicht aus, sondern wir brauchen auch rechtliche Verbesserungen auf anderen Ebenen. Herr Bühl hat vorhin über die Landesverfassung gesprochen. Es gibt Landesverfassungen, die besser als die Thüringer Landesverfassung aufgestellt sind. Zum Beispiel in Baden-Württemberg, in Niedersachsen, in Berlin oder in Mecklenburg-Vorpommern geht die Formulierung zu den Kinderrechten durchaus weit, weil dort klar formuliert wird, dass wir Kinder als eigene Subjekte, als eigenständige Persönlichkeiten wahrnehmen. Das tut die Thüringer Verfassung so nicht. Diese Verfassungen sagen, dass jedes Kind ein Recht auf Anerkennung seiner Würde oder ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung und einen besonderen Schutz hat. Das tut die Thüringer Verfassung bisher so in der Art nicht.

Wir brauchen aber auch eine Debatte zum Beispiel über die Thüringer Kommunalordnung, weil dort eine Verbesserung der Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen verankert werden muss. Es braucht – das ist dann eben praktische Politik – nicht nur rechtliche Änderungen, sondern es braucht eine entsprechende Ableitung für die Kinder- und Jugendpolitik in Thüringen. Das macht Rot-Rot-Grün. Deswegen haben wir auch in diesem Plenum noch einmal einen Antrag zur eigenständigen Jugendpolitik vorgelegt. Wenn wir uns zum Beispiel die Debatte um Kinderarmut ansehen, dann sehen wir, dass Kinder in diesem Land eben nicht immer die gleichen Rechte haben. Wenn wir uns Hartz-IV-Regelsätze ansehen und wissen, dass Kinder und Jugendliche einen geringeren Anspruch als Erwachsene haben, dann haben Kinder nicht die gleichen Rechte. Das müssen wir ändern.

Wir brauchen aber auch – das haben wir mit der Fortschreibung des Landesjugendförderplans gemacht – eine Verbesserung der Angebote in der Ju

gendarbeit, in der Jugendverbandsarbeit, und wir müssen uns jetzt darum kümmern, eine entsprechende finanzielle Untersetzung im Haushalt vorzunehmen. Wir brauchen eine Verbesserung bei der Jugendpauschale. Wir haben einen ersten Schritt mit dem aktuellen Haushalt vorgenommen. Das Ministerium ist gerade dabei, die Richtlinie entsprechend zu überarbeiten, sodass dort auch noch mal Qualitätsverbesserungen notwendig sind. All das braucht es auch für eine gute Kinder- und Jugendpolitik in Thüringen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Vonseiten der Abgeordneten habe ich keine weiteren Wortmeldungen, sodass ich jetzt Herrn Justizminister für die Landesregierung das Wort erteile.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Gäste! Kinder haben Rechte. Dieser Satz ist so zwingend wie selbstverständlich. Dennoch werden Kinder bis heute nicht explizit als Grundrechtsträger im Grundgesetz benannt. Kinder werden zwar im Text des Grundgesetzes, und zwar im Zusammenhang mit dem Elternrecht in Artikel 6 Abs. 2 und 3 genannt, doch wird ihnen an dieser Stelle nur eine passive Rolle im Bereich von Fürsorge und Erziehung zugesprochen. Die derzeitige Fassung des Grundgesetzes enthält zudem keine explizite Feststellung des Rechts eines jeden Kindes auf Förderung der Entwicklung seiner Persönlichkeit. Auch fehlt eine ausdrückliche Normierung der staatlichen Schutzpflicht gegenüber Kindern.

Dabei hat das Bundesverfassungsgericht bereits in einer Reihe von Entscheidungen, so etwa in einer Entscheidung vom 1. April 2008, bekräftigt, dass Kinder selbst Träger von Grundrechten und Wesen mit eigener Menschenwürde und einem eigenen Recht auf Entfaltung ihrer Persönlichkeit sind. Auch die meisten Landesverfassungen, so auch der bereits erwähnte Artikel 19 der Verfassung des Freistaats Thüringen, enthalten neben den elterlichen Schutzpflichten in unterschiedlicher Ausgestaltung besondere Schutzrechte für Kinder. Artikel 19 der Verfassung des Freistaats Thüringen regelt in diesem Zusammenhang unter anderem das Recht von Kindern und Jugendlichen auf eine gesunde geistige, körperliche und psychische Entwicklung sowie ihren Schutz vor körperlicher und seelischer Vernachlässigung, Misshandlung, Missbrauch und Gewalt.

(Abg. Lehmann)

Daneben sind die Rechte von Kindern in den zurückliegenden Jahrzehnten bereits in vielen Bereichen gestärkt worden, etwa durch die Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention mit ihren Zusatzprotokollen, durch die EU-Grundrechte-Charta, durch die Einführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes und durch die Neufassung des § 1631 BGB in Form der Verankerung des Rechts auf eine gewaltfreie Erziehung und vieles mehr.

Auch die Stellung und das Bild von Kindern in unserer Gesellschaft haben sich in den letzten Jahren verändert und die Notwendigkeit insbesondere des Schutzes von Kindern ist stärker in das Bewusstsein gerückt. Das Grundgesetz hingegen trägt all diesen Entwicklungen in seiner jetzigen Verfassung nach meiner Auffassung nicht hinreichend Rechnung und wird etwa den Standards der UN-Kinderrechtskonvention insbesondere mit Blick auf die Subjektstellung von Kindern, deren Partizipation und die vorrangige Berücksichtigung ihrer Interessen bei allen sie betreffenden Entscheidungen nicht mehr gerecht. Daher freut es mich umso mehr, dass ich mich mit meinen Amtskolleginnen und Amtskollegen auf der Herbstkonferenz der Justizminister vom 17. November 2016 in Berlin darauf verständigen konnte, dass Kinderrechte in das Grundgesetz aufgenommen werden sollten, um genau das zu erreichen, was ich eben beschrieben habe, nämlich die Rechtsstellung und das besondere Schutzbedürfnis von Kindern gegenüber Erwachsenen deutlich zum Ausdruck zu bringen. Hierzu wird es in Kürze eine gemeinsame Bund-Länder-Arbeitsgruppe der Jugend- und Familienministerinnen und -minister und der Justizminister aller Länder geben, um zu prüfen, unter welchen Gesichtspunkten diese Kinderrechte in das Grundgesetz aufgenommen werden sollen.

Nach Vorstellungen der Justizminister und Justizministerinnen soll die Prüfung dieser Arbeitsgruppe sehr schnell beginnen und noch im nächsten Jahr eine gemeinsame Empfehlung für das weitere konkrete Vorgehen formulieren. Die Thüringer Landesregierung und ich als Justizminister werden diese Bemühungen dabei aktiv unterstützen. Die Bedingungen für das Aufwachsen von Kindern sind komplexer geworden und bergen vielfältige Chancen und Risiken. Kinder brauchen als eigene Persönlichkeiten viel mehr noch als Erwachsene Begleitung und Förderung, aber auch Schutz. Dabei muss ein differenziertes, wohl austariertes System der wechselseitigen Pflichten und Rechte im Dreiecksverhältnis von Eltern, Kind und Staat gefunden werden, ohne, um das auch klar zu sagen, das Primat der Elternverantwortung zu unterlaufen. Eltern sind die natürlichen Sachwalter der Rechte ihrer Kinder. Daher soll die Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung auch die Eltern in ihrer Aufgabe, sich für die Rechte ihrer Kinder einzusetzen, stärken. Das den Eltern zustehende Recht auf Pflege und

Erziehung der Kinder sowie die damit einhergehende Pflicht, diese stets am Kindeswohl auszurichten, sollten durch die Änderung des Grundgesetzes ebenso wenig beeinträchtigt werden wie die Schutzpflicht des Staates, zur Sicherung des Kindeswohls bei dessen Gefährdung auch einzugreifen. Dafür werden wir uns auf dem Weg zur Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz einsetzen. Entsprechend wird die Landesregierung auch prüfen, ob Kinderrechte in der Thüringer Verfassung ausreichend verankert sind. Dabei sind eine Ergänzung des Grundgesetzes um Kinderrechte und die Überprüfung der Thüringer Verfassung hinsichtlich der darin verankerten Kinderrechte alles andere als bloße Symbolpolitik. Diese Maßnahmen stellen klar, was längst überfällig ist, nämlich dass die Belange der Kinder stets berücksichtigt werden müssen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön, Herr Minister. Ich schließe den ersten Teil der Aktuellen Stunde.

Ich rufe auf den zweiten Teil

b) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Neuer Krankenhausplan für Thüringen – Verpasste Chance für den Freistaat?!“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/3116

Abgeordneter Zippel für die CDU-Fraktion hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben diese Aktuelle Stunde beantragt, weil Sie sich unserer Ansicht nach mit Ihrer Krankenhausplanung auf einem Irrweg befinden. Die vorliegende Verordnung über Qualitätsund Strukturanforderungen nach dem Krankenhausgesetz ist symptomatisch für diese Verirrung. Sie ist uninspiriert, inkonsequent und innovationsfeindlich. Mit dieser Verordnung sind Sie den Weg des geringsten Widerstands gegangen. Sie geben den Kliniken Rahmenbedingungen wie personelle Mindestbesetzung, apparative Ausstattung oder bauliche Anforderungen vor. Das ist alles gut und schön, aber eine moderne Krankenhausplanung kann sich nicht hierin erschöpfen. Facharztquoten und Personalschlüssel können höchstens Teil einer Planung sein, aber allein genommen ist es schlicht zu wenig.

(Minister Lauinger)

Was ist denn aus Patientensicht das entscheidende Kriterium für die Krankenhausauswahl? Die Qualität der erbrachten Leistung. Was spricht also dagegen, die Entwicklung der Krankenhauslandschaft über Qualitätsziele zu steuern? Was spricht dagegen, Krankenhäuser zu belohnen, wenn sie Patienten qualitativ hochwertig behandeln? Warum sollen die Krankenhäuser nicht selbst entscheiden – das ist der entscheidende Punkt –, wie sie die gesetzten Qualitätsziele erreichen wollen? Nun werden Sie einwenden, dass sich Prozessqualität, also die Frage, wie die medizinische Leistung erbracht wird, schwerer messen lässt als die Strukturqualität. Das ist natürlich wahr. Es ist anspruchsvoller als das willkürliche Festlegen starrer Quoten. Aber es ist auch kein Hexenwerk. Dank des deutschen DRGFallpauschalensystems lässt sich weitreichende Qualitätsinformation aus den Abrechnungsdaten der Kliniken ableiten. Jede Leistung im Krankenhaus wird im Zuge der Abrechnung individuell erfasst. Die Rohdaten sind also schon vorhanden. Sie können die Basis für Qualitätsmessung sein. Der Gemeinsame Bundesausschuss, also das höchste Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen, erarbeitet gerade solche Kriterien für die Qualitätsmessung.

Oder ein anderer Gedanke: Wenn Sie sich schon auf die Strukturqualität versteift haben, warum dann nicht die Wohnortnähe der medizinischen Versorgung als eine Strukturanforderung? Das wäre zumindest kreativ gewesen. Sie haben sich aber dafür entschieden, eine verbindliche Quote für die Zahl der Ärztinnen und Ärzte je Fachabteilung zum zentralen Element Ihrer Krankenhausplanung zu machen. Mit anderen Worten: Sie zementieren den Status quo, Sie setzen keine neuen Impulse, Sie würgen Innovationen in den Krankenhäusern ab, alles bleibt beim Alten. Man könnte es positiv sehen und dankbar sein, dass Sie zumindest keinen größeren Schaden in der Krankenhauslandschaft anrichten. Aber ich denke, Ihr eigener Anspruch sollte höher sein. Die Bereitschaft, über die Legislaturperiode hinauszuschauen, ist nicht zu erkennen. Eine nachhaltige Zukunftsplanung ist nicht zu erkennen. Der Wille, Neues zu wagen, ist nicht zu erkennen. Fakt ist: Eine starre Facharztquote garantiert für sich allein noch keine Qualität. Und eine starre Facharztquote würde vor allem die kleineren Krankenhäuser im ländlichen Raum über Gebühr belasten. Aber das kennen wir auch schon von Ihnen: Die Verordnung steht in einer langen Reihe von Angriffen auf das ländliche Thüringen. Aber Sie haben schon selbst erkannt, dass Sie mit der Facharztquote über das Ziel hinausgeschossen sind. Anders kann ich mir nicht erklären, dass die Facharztquote, die in § 2 Abs. 2 Ihrer Verordnung festgelegt wird, einen Absatz weiter unten schon wieder ausgehebelt wird. Das Ergebnis nun: Konfusion.

Die eingeräumten Ausnahmen sind zu undefiniert, die Ausnahmetatbestände zu diffus, um den Krankenhäusern tatsächlich als verlässlicher Maßstab zu dienen. Verlässlichkeit ist in der Krankenhausplanung das A und O. Ich vermute, der politische Druck gegen die Facharztquote ist schlicht zu stark geworden, aber Sie haben nicht den Mut gehabt, einen konsequenten Schritt zu machen und etwas Neues zu wagen. Deshalb haben wir nun diese in sich widersprüchliche Verordnung als Ergebnis Ihres Herumdokterns am System und an den Symptomen dieses Systems. Wir haben eine Krankenhausplanung, die uninspiriert, inkonsequent und innovationsfeindlich ist. Uns überrascht es auch nicht, dass es dem Gesundheitsministerium nicht gelungen ist, im Planungsausschuss ein Einvernehmen herzustellen.