kleiner ist sie. Es geht also hier um eine Art gefühlte Bedrohung, nicht in der Nachbarschaft, sondern eher da draußen in Deutschland.
Ein nächstes Beispiel: 87 Prozent der befragten Menschen sagen, dass, wenn Flüchtlinge kommen, das dann auch eine Chance ist, nämlich im Hinblick auf die Bevölkerungsentwicklung und die benötigten Arbeitskräfte, die in Zukunft gebraucht werden. Gleichzeitig sagen 68 Prozent, wenn die Fluchtgründe weggefallen sind, dass die Flüchtlinge, wenn also Krieg und Verfolgung ein Ende gefunden haben, wieder rasch zurück in die Herkunftsländer sollen. Einerseits wird anerkannt, wir brauchen ja eigentlich mehr Menschen und mehr Fachkräfte sowieso, aber andererseits sollen sie auch wieder schnell dahin zurück, wo sie hergekommen sind.
Ich könnte jetzt weitere Beispiele aufzählen, bei denen man sehr schnell merkt: Die Befragungsergebnisse sind sehr irritierend, wenn man sie auswertet.
Das zieht sich beim zweiten Komplex des Thüringen-Monitors wie ein roter Faden weiter. Hier wurde nach der Einstellung zur Politik und zur Demokratie, also quasi auch zur Verfasstheit unserer Gesellschaft gefragt. Auch hier gilt: gemischte Gefühle. Das ist die richtige Überschrift, wenn man sich die Werte mal genauer ansieht. 72 Prozent, also fast drei Viertel der Menschen, beklagen eine gewisse einseitige Berichterstattung, die von der Politik gedeckt wird. Sie erinnern sich an meinen Gast in der Bürgersprechstunde, da ist das ähnlich. Wenn die gleichen Menschen aber gefragt werden, ob sie den herkömmlichen Medien, also den konventionellen Printmedien, den Zeitungen, Radio und Fernsehen, vertrauen, sagen wiederum 63 Prozent Ja. In Sachen Facebook und Twitter ist die Skepsis größer. Das ist aus meiner Sicht heraus auch verständlich, wenn man sich mal anschaut, was allein in den letzten zwölf Monaten bei Facebook und Twitter so geschehen ist. Wenn Menschen gefragt werden, ob sie die Demokratie als die beste aller Staatsformen betrachten, dann bejahen das 79 Prozent. Das ist auch wieder ein sehr erfreulicher Wert. Aber seit Bestehen des Thüringen-Monitors – seit dem Jahr 2000 – gibt es eine beachtliche Minderheit, schwankend jeweils zwischen 12 und 20 Prozent – das ist also jeder Fünfte –, die eine Diktatur unter bestimmten Umständen für eine bessere Staatsform hält. Noch beängstigender ist es, wenn 70 Prozent der Menschen sagen: Unsere Anliegen werden nicht mehr wirksam vertreten.
Es gibt weitere beunruhigende Fakten, dass nämlich immer mehr Menschen glauben, ihre Meinung nicht mehr frei äußern zu können, weil man ansonsten Nachteile befürchtet. Der ältere Herr bringt das ganz gut bei mir auf den Punkt, wenn er sagt: „Ich kann mit Ihnen im Bürgerbüro ja noch darüber reden, aber draußen wird man ja gleich in irgendei
ne Ecke gestellt.“ Wenn man also alles gelesen hat, was unter dem Slogan „Gemischte Gefühle“ aufgeschrieben steht, fragt man sich natürlich auch: Was heißt das jetzt für mich oder für uns hier im Parlament oder für die Politik in diesem Land? Diese Frage, da bin ich mir ganz sicher, ist nicht so einfach zu beantworten.
Ich war vorhin relativ verblüfft, als der eine oder andere meiner Vorredner so einen ganz klaren Schluss daraus gezogen hat. Martin Debes von der „Thüringer Allgemeinen“ urteilt zu Recht – ich zitiere, Frau Präsidentin –: „Doch noch nie seit dem Jahr 2000, seit also die Universität Jena mit dem ‚Thüringen Monitor‘ die Stimmung im Land misst, bot sich ein derart uneinheitliches, widersprüchliches Bild.“ Deswegen will ich versuchen, das wie folgt zusammenzufassen, was für mich zumindest ein Extrakt aus diesem Thüringen-Monitor sein könnte, auch namens meiner Fraktion. Erstens: Wir sollten uns davor hüten, die Leute in Schubladen zu stecken. Zweitens: Es gibt keine einfachen Antworten und es gibt keine einfachen Wahrheiten.
Ich will sagen, was ich damit meine. Wenn ich sage, dass wir unser Schubladendenken ablegen müssen, dann deshalb, weil einfach nichts mehr in gewöhnliche Schubladen passt. Oder anders ausgedrückt: Die Befunde im Thüringen-Monitor sind so unterschiedlich, dass man die Befragungsergebnisse – also die Meinung der Menschen – ständig in neue Schubladen stecken müsste, also man wäre ständig am Umräumen. Deshalb gilt auch: Es gibt keine einfachen Wahrheiten.
Wenn ich mit Menschen im Gespräch bin, in der Diskussion, manchmal auch im Streit, dann läuft mir immer wieder der Einleitungssatz über den Weg: „Ich bin ja kein Rechter, aber...“ Er wird mittlerweile inflationär gebraucht. Ich bin mir ganz sicher, das ist Ihnen auch schon mal so über den Weg gelaufen. Dieser Satzanfang, meine Damen und Herren, stimmt ja auch zum Teil. Die Leute äußern bestimmte Ängste und Befürchtungen aus ganz unterschiedlichen Gründen. Es ist wirklich nicht immer gleich radikales Gedankengut und es sind nicht immer gleich Extremisten, die das tun. Zumindest versuchen sich viele Gesprächspartner ja auch durch dieses „Ich bin ja kein Rechter, aber...“ abzugrenzen von denen, die sich im Übrigen mittlerweile vollkommen selbstverständlich schon als rechts bezeichnen. Das ist mittlerweile auch richtig en vogue, das ist gesellschaftsfähig geworden. Insoweit gibt es da auch einen hochinteressanten Umfragewert beim Thüringen-Monitor: 92 Prozent der Menschen sagen in Verbindung mit der sogenannten Flüchtlingskrise: Ich habe Angst vor dem Zulauf für Rechtspopulisten und Rechtsextreme.
Der Wert dieser Befragung ist weitaus höher als der Wert der Angst vor Überfremdung. Das merken Sie bestimmt auch, wenn Sie den Thüringen-Monitor mal gelesen haben und versuchen, diese Zahlen irgendwo in Korrelation zu setzen. Wenn ich sage, die Zeit der einfachen Wahrheiten und der einfachen Antworten ist vorbei, dann will ich in diesem Zusammenhang auch mal ein paar Fragen stellen dürfen. Vor allem will ich eines deutlich sagen: Die Menschen draußen, also der ältere Herr bei mir im Bürgerbüro, die vielen anderen drum herum, die ihr Geld nicht in der Politik verdienen und auch nicht gerade bei den Medien – bei den Printmedien, beim Radio oder beim Fernsehen –, die jeden Tag zu ganz unterschiedlichen Arbeitsorten gehen, in Arztpraxen, in Bäckereien, die unsere Busse fahren, unsere Post austragen, wie nehmen die das alles wahr, was sie jeden Tag in der Zeitung lesen, was sie im Radio hören, was sie im Fernsehen verfolgen können? In welchen Zeiten, fragen die sich manchmal, leben wir denn eigentlich heute?
Blenden wir die Flüchtlingsfrage doch dabei mal ganz einfach weg, lassen wir doch dieses Thema einfach mal außen vor! In welchen Zeiten – frage ich auch – leben wir denn? Welche Empfindungen hat eine Bürgerin oder ein Bürger, wenn er regelmäßig die Medien verfolgt? Das ist doch eine Zeit der Krisen und der Skandale – anders kann man das doch gar nicht mehr nennen. Ich will noch mal ganz kurz aufzählen: Der Präsident des stolzen FC Bayern München hinterzieht fast 20 Millionen Euro an Steuern. Das hat die Welt ein halbes Jahr lang hier in Deutschland beschäftigt. Ganz Europa steht – auch das war eine Debatte, die aktuell überall in den Gazetten zu lesen war, die uns landauf, landab beschäftigt hat – mehr als ein Jahr vor dem Kollaps, ein Rettungsschirm nach dem anderen muss aufgespannt werden. Denken Sie nur an die engagierte Debatte um die Griechen, das Für und Wider der Euro-Rettungspolitik. Einer der größten Autokonzerne der Welt, meine Damen und Herren, betrügt bei den vorgelegten Abgaswerten. Russlands Präsident Putin besetzt die Krim.
Merken Sie etwas? Ist da eine einzige Nachricht darunter – ich bin noch gar nicht fertig mit der Aufzählung, ich könnte das ellenlang machen –, die nicht Ängste und Befürchtungen weckt? Eine einzige gute Nachricht vielleicht? Dann kommen die Bilder aus Syrien, Afghanistan, Jemen, dem Sudan und Libyen noch dazu und überall herrscht Krieg, Vertreibung und Flucht, Bilder von toten Männern, Frauen und kleinen Kindern, ertrunken im Mittelmeer. Zu all dem dann der Terror: die Toten des damaligen Pariser Magazins „Charlie Hebdo“, die Anschläge in Brüssel, Selbstmordattentäter überall, die Schreckensnacht in München. Ich denke, die Menschen sind mittlerweile auch zutiefst verunsichert. Es ist doch auch wirklich, wenn wir ehrlich sind, wie ein Hamsterrad, in dem wir uns drehen,
jeden Tag, jede Nachrichtensendung, jede Zeitungsseite aufs Neue. Wir stehen, wenn wir ehrlich sind, doch eigentlich auch schon am Rand der Erschöpfung. Ständige Eilnachrichten auf dem Smartphone in der Hosentasche, sofort politische Parolen von der einen wie von der anderen Seite. Diese Welt, meine Damen und Herren, produziert täglich neue Bilder, die Angst oder zumindest Befürchtungen machen. Das verschwimmt schon alles, man kommt gar nicht mehr so schnell hinterher bei dieser Nachrichtenlage. Vorgestern der Brexit, gestern Trump. Was passiert heute? Wissen Sie noch den Namen der jungen englischen Unterhausabgeordneten, die bei der Brexit-Kampagne auf offener Straße erschossen wurde? Das war im Juni. Das ist nicht mal ein halbes Jahr her. Eine Woche ist der Kampf um die Stimmen für oder gegen die EU damals in Großbritannien ausgesetzt worden. Eine Woche ist mittlerweile so ein Vorfall immerhin wert, um innezuhalten, wenn eine zweifache Mutter wegen ihrer Überzeugung getötet wird – eine Woche! Sie hieß übrigens Jo Cox. Wir sollten eigentlich diesen Namen nie vergessen.
Das ist eine Welt, meine Damen und Herren, voller Unsicherheiten. Und direkt vor der Haustür – so ist der Eindruck – geht es doch weiter. Die Menschen fragen: Reicht denn überhaupt meine Rente, wenn ich alt bin? Ist mein Verdienst denn dafür hoch genug? Stimmt es, dass die Riester-Rente ein Riesenbetrug ist? Was wird aus meinem Geld auf der Bank? Kann ich später meine Miete noch bezahlen? Das ist die Nachrichtenlage. Zusätzlich – das muss man auch selbstkritisch eingestehen – werden insbesondere auch von der Politik bei den unterschiedlichen Positionen die immer schrilleren Töne gewählt. Man will ja gehört werden mit seinen Argumenten, es sollen ja möglichst viele Leute glauben, dass man recht hat. Deshalb müssen wir auch ein wenig ehrlich sein. Auch hierzulande droht sich die Politik derzeit an diese ständige Spirale des Übertreibens, des größtmöglichen Geschreis anzupassen. Ich will gar nicht auf die gestrige Debatte abstellen, die hier im Landtag geführt wurde. Da müssen wir uns wohl auch an die eigene Nase fassen in diesem Hohen Haus, wenn es mal wieder nicht dick genug geht und man versucht, sich gegenseitig die Vorwürfe aufs Butterbrot zu schmieren.
Es gibt nicht nur den Thüringen-Monitor, es gibt weitere sehr belastbare Umfragen, die eines beweisen: Die Menschen sind zutiefst verunsichert. Dieser Zustand ist auf Dauer nicht gut und ich glaube, er ist auch eine Belastung für unsere Gesellschaft. Da ist es überhaupt kein Wunder, dass mittlerweile die bescheuertsten Verschwörungstheorien immer mehr Anhänger finden. Seit Wochen beschäftigen wir uns bei diesem Thema mit Leuten, die ernsthaft
daran glauben, dass es die Bundesrepublik gar nicht gibt und dass deswegen die Gesetze, die in diesem Land gelten, für sie überhaupt nicht zutreffen würden. Soweit ich das verfolgen konnte, ist am Montag das Königreich Sondershausen ausgerufen worden. Ich finde, das kann man alles noch ganz witzig finden, das klingt auch vielleicht ein bisschen possierlich, aber dann geschieht eben so etwas: Ein sogenannter Reichsbürger erschießt in seinem Wahn einen Polizisten. Wieder fragt man sich: Was ist hier eigentlich los?
Auf diese Frage in diesen schwierigen, sehr komplizierten Zeiten mit sehr komplexen Vorgängen helfen eben keine einfachen Antworten. Ich glaube auch, dass es oft gefährlich ist, immer nur mit einfachen Antworten agieren zu wollen. Ich denke, das muss man ganz besonders denen deutlich machen, die sich derzeit aufschwingen, den Menschen wieder einen neuen Floh ins Ohr zu setzen, dass nur sie die politische Wahrheit mit Löffeln gefressen haben. Alles andere sind ja die sogenannten Altparteien, das Parteienkartell – alle sind unfähig, außer sie. Jetzt kommen sie und rollen das Feld von hinten auf. Die Wahrheiten, die den Leuten dabei präsentiert werden, sind immer ganz einfach: Raus aus dem Euro, raus aus der EU, Mauern wieder hoch. Dieser ganze Quatsch mit Soße wird den Leuten dann so aufgetischt, als wäre es ein FünfGänge-Menü. Wenn dieser Thüringen-Monitor eine Handlungsempfehlung für uns Politiker gibt, dann kann es doch eigentlich nur die sein: Wir sollten uns hüten, nur immer die ganz einfachen Antworten geben zu wollen, und wir müssen anerkennen, dass die Dinge in unserer Gesellschaft teilweise so komplex sind, dass man sich die Zeit nehmen muss, den Leuten klarzumachen, warum das so ist und warum die Dinge sind, wie sie sind.
Na klar, meine Damen und Herren, lese ich die Fakten im Thüringen-Monitor über die steigende Skepsis gegenüber der Demokratie. Deshalb sage ich: Wir müssen den Menschen klarmachen, dass Demokratie eben kein Sofa ist, auf dem man sitzt und sich die Fernbedienung und das Bier kommen lässt, und dass Demokratie manchmal schwierig ist und mit Sicherheit auch nie ganz perfekt. Das ist oftmals mühselig und sicher auch zeitaufwendig. Aber wenn in der Bürgersprechstunde nicht nur einer, sondern hintereinander drei solche älteren Herren kommen wie der, von dem ich Ihnen berichtet habe, und mir das alles erzählen, was ich Ihnen geschildert habe, dann muss ich mir auch die Zeit nehmen und eben mit drei Menschen reden und wenn es Not tut, auch mit fünf oder auch mit zehn. Dann muss man auch die Geduld aufbringen und ihnen sagen: Leute, Parlamente, die man frei wählen kann, Zeitungen, die ohne Zensur erscheinen, all das sind Dinge, die eine Demokratie ausma
chen. Das ist das Beste, was uns passieren kann. Was wäre denn die Alternative zu alldem? Das ist doch die Frage. Wer soll denn mit ihnen darüber sprechen, wenn nicht wir als gewählte Abgeordnete, wenn nicht ich als Politiker? Wer soll ihnen das denn sonst sagen – Facebook vielleicht oder Twitter?
Zu diesem Thema – ich habe vorhin meinem Kollegen Mohring sehr genau zugehört – kann man sicherlich auch sehr differenzierter Meinung sein. Er hat gesagt, er stellt noch einmal zusätzlich flankierend zur parlamentarischen Demokratie, die wir in diesem Land Gott sei Dank auch haben, ein weiteres Instrument zur Verfügung und er wirbt wieder für sein fakultatives Referendum. Ich weiß nicht, ob die Befragungsergebnisse, die Umfragewerte in diesem Thüringen-Monitor tatsächlich anders wären, wenn wir ein fakultatives Referendum hätten. Ich kann es in Zweifel ziehen. Ich finde trotzdem, dass man eine Debatte führen muss, wie politische Prozesse generell auch in diesem Land letzten Endes durchschaubarer, komplexer werden. Da gebe ich ihm in vollem Umfang recht. Wenn er aber gleichzeitig hier vorn am Mikrofon steht und sagt, dass die Verfassung – aus meiner Sicht heraus höchstes und schützenswertes Gut – selbstverständlich hin und wieder einer Überarbeitung bedarf, auch in der Richtung, inwieweit mit parlamentarischen Initiativen, mit Gesetzentwürfen und Gesetzen, die letzten Endes beschlossen werden, um sie draußen dem Volk zu präsentieren, kritisch umgegangen werden kann, und er dann gleichzeitig sagt, das Ganze müsse dann aber doch noch ein bisschen schneller gehen als die Gebietsreform, damit man mit diesem fakultativen Referendum dieses zentrale Reformprojekt des Freistaats Thüringen letzten Endes aufhalten könnte, da sage ich: Leute, Vorsicht an der Bahnsteigkante!
Denn im Schweinsgalopp eine Verfassung nur wegen dieses einen Grundes ändern zu wollen, das ist aus meiner Sicht heraus wirklich fahrlässig. Das will ich an dieser Stelle deutlich sagen.
Dieser Thüringen-Monitor jedenfalls zeigt an vielen Stellen sehr genau, wo wir ansetzen müssen. Die Debatte um die Umfrageergebnisse mag zwar in ein paar Minuten hier im Plenum abgeschlossen sein, aber im Grunde hat sie gerade erst begonnen. Deshalb ganz am Ende ein Dankeschön an Dr. Best und sein Team für die Diskussion, die wir hier ihretwegen führen. Sie sind im Übrigen sogar gestern – ich habe das mal während meiner persönlichen Presseschau gesehen – in einem sehr ausführlichen Artikel in der FAZ erwähnt worden. Eine meiner Fraktionskolleginnen, Diana Lehmann, hat mich auch darauf hingewiesen. Da sind sie als ein sehr wertvolles Kompendium gelobt worden. Ich
will mich dem anschließen. Ich denke, auch namens meiner Fraktion, dass dieser Thüringen-Monitor insbesondere in diesem Jahr nicht nur lesens-, sondern auch besonders nachdenkenswert ist. Im Grunde ist dieser Thüringen-Monitor nicht nur guter Lesestoff, er ist auch eine Handlungsempfehlung für uns als Politiker. Denn eines steht fest: Wir müssen mit den Leuten, die verunsichert sind und viele Fragen haben, die zweifeln, immer im Gespräch bleiben, so wie mit dem älteren Herrn, der in die Bürgersprechstunde kommt. Das ist wichtig. Das ist vor allen Dingen deswegen wichtig, damit sie nicht anderen Leuten auf den Leim gehen, die ihnen immer nur die ganz einfachen Antworten geben und die wirklich noch in ganz einfachen und zum Teil auch sehr alten und muffigen Schubladen denken. Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, sehr geehrte Besucher auf der Tribüne! Herr Hey, ich will mit Ihnen anfangen. Sie haben einiges gesagt, was richtig ist, was ich unterschreiben kann. Das möchte ich betonen. Sie haben vollkommen zu Recht auf unsägliche und unersprießliche Beschleunigungstendenzen hingewiesen, sowohl in den Medien als auch im politischen Betrieb. Da schließe ich mich vollumfänglich Ihrer Analyse an. Sie haben ebenso richtig auf die im Augenblick zu beobachtenden Polarisierungstendenzen in unserem Land, in unserer Gesellschaft hingewiesen. Auch das sehe ich so. Ich glaube, das sehen die meisten Kollegen Abgeordneten genauso, wie Sie das hier beschrieben haben. Allerdings muss ich natürlich den Grund dieser Tendenzen oder der von mir letztgenannten Tendenz anders anlegen oder anders ableiten. Ich glaube, dass der Thüringen-Monitor, den ich gleich auch noch grundsätzlich kritisieren werde – das haben alle anderen Vorredner nicht getan, ich werde es tun –, auch inhaltlich, methodisch kritisieren muss – da muss ich einfach Wasser in den Wein gießen, aber das kommt, wie gesagt, später –, ich glaube trotzdem, dass der Thüringen-Monitor eine ganz, ganz wichtige zentrale Zahl liefert. Das ist nämlich das, was Sie auch angesprochen haben, Herr Kollege Hey, die Sorge der Menschen oder das Ungemach der Menschen daran, dass sie das Gefühl haben, dass man in diesem Land gewisse Dinge nicht mehr sagen kann – dass die Meinungsfreiheit das zentrale Grundrecht in einer Demokratie ist, das ist, glaube ich, Konsensmeinung hier im Hohen Haus, denn
wir wissen alle, dass ohne Meinungsfreiheit Demokratie gar nicht gedacht werden kann –, dass diese Meinungsfreiheit in diesem Land von vielen Menschen nicht mehr vollumfänglich gelebt wird oder zumindest das Gefühl besteht, dass diese Meinungsfreiheit nicht mehr vollumfänglich gelebt werden kann.
Meine Partei oder meine Fraktion hat heute direkt oder indirekt schon einige Prügel von den Vertretern der alten Parteien oder alten Fraktionen bekommen und die AfD wird dann immer so als Ursache benannt für diese Meinungspolarisierung, die sich darstellt. Die AfD ist nicht die Ursache dieser Polarisierung, denn die AfD hat nirgendwo Regierungsverantwortung, die AfD gibt es erst seit drei Jahren. Nein, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete gerade von den alten Parteien, Sie und Ihre seit Jahrzehnten falsch angelegte Politik ist ursächlich dafür, dass die Menschen sich in diesem Land nicht mehr wohlfühlen.
Die Menschen wollen doch einfach nur etwas Selbstverständliches: Sie wollen eine offene und sachliche Diskussion über alle Probleme, die wir in unserem Land haben. Das ist gelebte Demokratie. Ich höre in diesem Hohen Haus immer so oft etwas von gelebter Demokratie, davon, dass wir die Menschen auf den Straßen, in den Städten, in den Dörfern mitnehmen müssten. Ja, das wollen wir sicherlich alle, aber ich habe das Gefühl, dass das nicht mehr erfolgt, dass das nicht mehr Realität ist. Ihr Anspruch ist da und Ihr Anspruch ist richtig, aber die Menschen fühlen sich nicht mehr mitgenommen und deswegen gibt es die AfD, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, deswegen sind wir da und es ist gut, dass wir da sind.
Denn es ist doch so, dass wir diese demografische Krisenentwicklung in unserem Land – die ich immer natürlich deutlich pointiert als Katastrophenentwicklung bezeichne, weil unsere sämtlichen sozialen Systeme doch umlagefinanziert sind – schon seit Jahrzehnten haben, ohne dass die alten Parteien dagegen wirklich wirksam vorgegangen wären. Das ist doch ein Punkt, den man ansprechen muss, und natürlich kommt man dann irgendwann auf die Idee zu sagen: Wir brauchen eine aktive Familienpolitik. Aber wer in diesem Lande eine aktive Familienpolitik fordert, der wird von den alten Kräften sofort wieder in Richtung der Nazi-Diktatur verortet, der wird sofort wieder in entsprechender Art und Weise stigmatisiert. Das kann so nicht weitergehen.
Wer in Anbetracht einer millionenfachen illegalen und unkontrollierten Einwanderung, die unsere Sozialsysteme auf das Stärkste strapaziert, die uns Milliarden kosten wird, die dieses Land nicht mehr
hat, darauf pocht, dass wir zu einer kontrollierten, zu einer in gesunde Bahnen gelenkten Einwanderung kommen müssen, der wird automatisch und immer wieder im politischen Diskurs als Ausländerfeind beschimpft. Nichts ist falscher als diese Feststellung, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete.
Wer die Euro-Rettungspolitik kritisiert, weil sie über die Niedrigzinspolitik unsere Sparer, unsere deutschen Sparer, die versuchen, die wegbrechenden Renteneinnahmen, die sie im Alter haben werden, irgendwie zu kompensieren, indem sie ihr sauer erspartes Geld entsprechend investieren, dafür aber mittlerweile gar keine Zinsen mehr kriegen, sodass sie durch die entsprechende Inflationierung der Währung, die Niedrigzinspolitik, sogar noch Milliardenverluste haben – wir wissen, dass es mittlerweile 200/300 Milliarden Zinsverluste sind, die der deutsche Sparer zu realisieren hat durch die Niedrigzinspolitik der EZB, die angeblich diese Währung retten soll –, wer in Anbetracht dieser Lage und dieser unsäglichen Entwicklung, die nicht zu perpetuieren ist, darüber nachdenkt, dass der Euro vielleicht doch eine Fehlentwicklung und eine Fehlentscheidung war, der ist doch kein Anti-Europäer, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete.
Der versucht doch einfach nur, ökonomischen Verstand in die Diskussion einzuspeisen. Verstehen Sie, ich könnte jetzt noch andere Politikfelder nennen, andere Politikfelder, wo die Menschen im Land einfach das Gefühl haben, wir diskutieren nicht mehr offen, wir reden nicht mehr offen miteinander, sondern es gibt Meinungen, die werden zugelassen, und andere Meinungen, die werden per se aus der politischen Diskussion ausgedrängt und ausgeklammert.
Ich musste das in dieser Deutlichkeit sagen. Ich glaube, es war notwendig. Der Ministerpräsident hat auch weniger zum Thüringen-Monitor geredet, sondern er hat eine Grundlagenrede gehalten, er hat sein ideologisches Konzept hier vorgestellt.
Ich möchte auch zu Ihnen was sagen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident: Sie haben heute hier nicht als Privatmann Bodo Ramelow geredet, sondern Sie haben als Ministerpräsident des Freistaats Thüringen hier vorn am Rednerpult gestanden. Sie haben etwas getan, das ich nicht gut finde: Sie haben hier in Ihrer Rede von einer demokratischen Oppositionsfraktion geredet. Sie haben also indirekt
behauptet, dass es in diesem Hohen Hause eine undemokratische Oppositionsfraktion gäbe. Welche das jetzt ist, sehr verehrte Kollegen von der CDU, weiß ich nicht genau, Sie können sich das vorstellen, dass sich das meinen Überlegungen entzieht, aber jedenfalls hat das der Ministerpräsident getan.
Herr Ministerpräsident, ich glaube, Sie haben mit dieser Stellungnahme tatsächlich Ihre Pflicht zur neutralen Amtsführung verletzt