Protocol of the Session on November 9, 2016

Abgeordnete Holzapfel:

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, verehrte Zuschauer auf der Tribüne, wer hat eben gesprochen und was wurde gesprochen?

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ich war es!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren: Hier stehe ich und kann nicht anders. Auch wenn das Copyright auf diesen Satz historisch nicht einwandfrei belegt ist, so bringt er doch die Standhaftigkeit einer Überzeugung zum Ausdruck. Bereits bei der Einbringung des Änderungsgesetzes am 29. September hatte ich gegenüber der antragstellenden Fraktion unmissverständlich erklärt, dass das von der damaligen Großen Koalition verabschiedete Gesetz mit seinen inhaltlichen Festlegungen ein Meilenstein ist.

(Beifall CDU)

Ein Meilenstein für eine der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit, nämlich die zukunftsfähige Gestaltung der Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf.

(Beifall CDU)

An diesem sozialpolitischen Anspruch, meine Damen und Herren, wird die CDU-Fraktion nicht rütteln. Wer die aktuelle Diskussion über arbeitsfreie

(Abg. Möller)

Samstage und die Ladenöffnungszeiten in der Bundesrepublik verfolgt, wird feststellen können, dass die Thüringer Regelung in den anderen Bundesländern inzwischen als vorbildlich und richtungsweisend betrachtet wird.

Meine Damen und Herren, wir sind überzeugt, dass das jetzige Gesetz ein wichtiger und wesentlicher Beitrag im ständigen Bemühen um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist, und werden hier unsere Standhaftigkeit unter Beweis stellen.

(Beifall CDU)

Um Wiederholungen aus meiner Rede vom 29. September zu vermeiden, gestatten Sie mir zwei Anmerkungen. Die eine richtet sich an den Antragsteller und die andere an den Herrn Ministerpräsidenten. Mit unserem Antrag auf Überweisung an die Ausschüsse wollten wir dem Antragsteller die Möglichkeit einräumen, seine Überzeugung und seine sachlichen Argumente offenzulegen, um sich mit diesen auseinandersetzen zu können. Die Ausschussarbeit lebt davon, sich mit Inhalten und Sachverhalten im Detail auseinanderzusetzen. Unserem Antrag auf Überweisung hat die Koalition nicht zugestimmt. Deshalb muss ich mir selbst ein Bild über die inhaltlichen Ansprüche und Vorstellungen machen. Somit stellt sich mir die Frage: Handelt es sich hier um einen Schaufensterantrag bzw. um Klientelpolitik? Beides würde der Bedeutung des Gesetzes nicht gerecht werden. Es handelt sich nicht um ein Gesetz, mit dem der Umsatz von Unternehmen maximiert werden soll, sondern es geht um den Schutz der Familie.

(Beifall CDU)

Das entspricht den aktuellen wirtschaftlichen Situationen in unserem Land. Die Kennziffern sind gut, Beschäftigung und Umsatz steigen, Arbeitslosigkeit geht zurück. Diese positive Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren auch fortsetzen. Der Wettbewerb um die besten Köpfe und insbesondere um die qualifizierten Fachkräfte hat längst begonnen. Für diesen Wettbewerb ist es unabdingbar, dass neben guten Arbeitsbedingungen und fairen Löhnen die Familienfreundlichkeit nicht zu kurz kommt.

(Beifall CDU)

Der Rahmen hierfür wurde bereits in der letzten Legislatur von der Großen Koalition gesetzt. Alles, was darüber hinausgeht, bleibt der Regelung der sozialen Marktwirtschaft überlassen. Rufe nach Regelungsbedarf sind ebenso kritisch zu hinterfragen wie die unerwünschte Einmischung des Staats in die Prozessabläufe des Markts. Insbesondere sollte es der Staat unterlassen, sich als Schiedsrichter oder Schlichter in dem Kampf um Kunden und Umsätze anzubieten.

An dieser Stelle, meine Damen und Herren, sehe ich mich veranlasst, auch den Herrn Ministerpräsi

denten anzusprechen. Auch wenn er heute nicht anwesend ist, werden Sie mir nachsehen, dass ich aus meinem Herzen keine Mördergrube mache.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Aber die Ohren sind doch da!)

Ausweislich einer mir vorliegenden Korrespondenz vom 12. Oktober zwischen Herrn Ministerpräsidenten Ramelow und einem Wirtschaftsführer bekräftigt Herr Ministerpräsident seine Auffassung, dass er die Anpassung des Ladenöffnungsgesetzes für sinnvoll hält. Dabei verweist er unter anderem auch auf die zusätzlichen Probleme hinsichtlich vorliegender Gerichtsurteile. Diese betreffen die zwei arbeitsfreien Samstage, die für verfassungskonform erklärt wurden. Um seinen Korrespondenzpartnern die Kompliziertheit der Situation darzustellen, wenn vonseiten der Branchen der Ball in Richtung Parlament gegeben würde, fügte Herr Ministerpräsident seinem Schreiben meine Rede vom 29. September bei. In jeder anderen Situation, meine Damen und Herren, hätte ich mich für die besondere Beachtung meines Redebeitrags sicherlich sehr geehrt gefühlt. Doch in diesem Fall wird das Parlament unter Hervorhebung einer Fraktion, nämlich der CDU, benutzt.

(Beifall CDU)

So hat man bei mangelnder politischer Durchsetzungsmöglichkeit einen Buhmann für in Gesprächen mit Kammern, Verbänden und Unternehmen geweckte Erwartungshaltungen. Mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin, zitiere ich aus der „Ostthüringer Zeitung“: „finke-Geschäftsführer Christa nahm von dem Termin eines mit:“ – das war ein Termin, an dem Herr Ramelow bei finke eine Begegnung oder eine Veranstaltung hatte – ‚Die Politik hat uns in Aussicht gestellt, dass eine Novellierung, eine Überprüfung dieses Gesetzes stattfinden wird.‘“ Eine solche Vorgehensweise ist für mich befremdlich. Deshalb weise ich dies für mich und die CDU-Fraktion ausdrücklich zurück.

(Beifall CDU)

So ein Schwarzer-Peter-Spiel ist und war überhaupt nicht erforderlich. Der Rahmen, den dieses Parlament dem Thüringer Ladenöffnungsgesetz mit auf den Weg gegeben hat, lässt einen ausreichenden Spielraum für Sondersituationen zu. An Ihrer Stelle hätte ich mir dann vielleicht mal den § 12 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes vorgenommen. In diesem Gesetz wird der Landesregierung die Ermächtigung erteilt, im Wege von Verordnungen genau diese Probleme zu regeln.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Aber das macht er doch jetzt!)

Allerdings – das vermute ich – würde es bei der Umsetzung der Rechtsverordnung große Probleme

(Abg. Holzapfel)

auf der Regierungsbank und in den Parteigremien geben. Mit Ihrer freundlichen Genehmigung, Frau Präsidentin, zitiere ich zum Schluss. Der Wirtschaftsminister hat bereits am 9. März 2016 in der „Ostthüringer Zeitung“ – die [wird] jetzt hier öfter genannt – erklärt: „Unter Rot-Rot-Grün wird es keine Abschaffung der zwei arbeitsfreien Sonntage geben.“ Die Arbeitsministerin hat am 23. September in der „Thüringer Allgemeine“ erklärt, Zitat: „Eine einseitige Berücksichtigung der Interessen von Arbeitgebern zulasten von Anliegen der Beschäftigten könne das Arbeitsministerium nicht begrüßen.“ Meine Kollegin Frau Leukefeld – es tut mir leid, manche werden hier öfter genannt, das ist aber auch nicht negativ – als arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke hat am 29. September in diesem Haus erklärt, Zitat: „Finger weg vom Ladenöffnungsgesetz! Daran halten wir uns. Da kann man uns auch ernst nehmen. Dabei soll es bleiben. Das, was in einer schwarz-roten Koalition auf den Weg gebracht wurde und gut ist, das wird R2G nicht wieder abschaffen.“ Diesen Aussagen, die ich eben zitiert habe, ist eigentlich nichts hinzuzufügen, außer: Wer Verantwortung trägt, muss ihr auch gerecht werden und sich nicht hinter der Opposition verstecken.

(Beifall CDU)

Es gibt nichts, was so gut ist, dass es nicht noch verbessert werden kann. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion Die Linke hat Abgeordnete Leukefeld das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Holzapfel, ich finde, das, was Sie zitiert haben – zumindest das, was ich gesagt habe, dazu stehe ich auch, das steht im Protokoll –, ist ein Ausdruck dessen, wie wir in der Lage sind, hier auch zwischen Koalitionsfraktionen und Oppositionsfraktionen miteinander umzugehen. Das will ich festhalten. Der Ministerpräsident – da bin ich ziemlich sicher – weiß, dass über Gesetze und über Gesetzesänderungen das Hohe Haus, das Parlament, der Thüringer Landtag zu entscheiden hat.

(Zwischenruf Abg. Holzapfel, CDU: Gott sei Dank!)

Da braucht er keine Nachhilfe. Ich glaube, man muss auch schauen, was hier gesagt wurde und nicht, was in irgendwelchen Zeitungen geschrieben ist.

(Unruhe CDU)

Ich kenne das nicht.

(Zwischenruf Abg. Holzapfel, CDU: Nicht ein- fache Gesetze!)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Rechtsver- ordnungen machen Sie selbst!)

Wir wollen in dieser Frage keine Änderungen haben. Da hat sich seit der ersten Lesung auch in unseren Positionen nichts geändert. Auch die Ministerin für Arbeit und Soziales hat hier gesprochen und für die Landesregierung erklärt, dass wir keinen Änderungsbedarf sehen – in dieser Frage nicht. Ich gebe Ihnen recht, wenn Sie sagen, bei anderen Gesetzen, wenn es andere Situationen gibt, das ist nicht vollkommen, sodass es noch verbessert werden könnte. Das ist aber keine Verbesserung, sondern es ist hier eine Aushebelung dessen, was wir hier vereinbart und als Gesetz beschlossen haben, nämlich beispielsweise von den zwei freien Samstagen, die unter Ihrer Regierung eingeführt wurden, die Finger zu lassen. Deswegen bleibt es bei dem Ladenöffnungsgesetz in der Fassung vom 21.12.2011. Wir, und ich darf hier für die Koalitionsfraktionen sprechen, stehen klar an der Seite der Beschäftigten im Handel, der Gewerkschaft und auch ihrer Betriebsräte. Diese haben sich ganz klar dazu ausgesprochen. Sie, meine Damen und Herren von der AfD, stehen nicht an der Seite der Beschäftigten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das wollen wir hier noch einmal ganz klar festhalten.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Das ist falsch!)

Das sagen Sie. Hier geht es um Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Hören Sie doch mal hin und interpretieren Sie nicht falsch. Herr Möller, Sie fordern hier eine faire Debatte ein? Was Sie hier gemacht haben, wahrscheinlich gelernt von Ihrem Fraktionsvorsitzenden, ist, Zensuren zu verteilen und zu interpretieren, was hier wer gesagt hat. Ich zumindest verbitte mir das. Da müssen Sie auch richtig hinhören. Ich habe von mehr als fünf Stunden gesprochen.

(Unruhe AfD)

Da bleiben wir gleich mal bei dieser Regelung für den Verkauf von Back- und Konditoreiwaren, Blumen und Zeitschriften – vielleicht habe ich jetzt auch noch eins vergessen, die landwirtschaftlichen Produkte –, der derzeit bis zu fünf Stunden möglich ist. Das halten wir für total ausreichend, mehr muss nicht sein. Wir wollen keine Ausweitung der Sonnund Feiertagsarbeit. Im Gegenteil, wir wollen sie einschränken und uns auch hier an das Gesetz halten.

(Abg. Holzapfel)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Was muss man noch sagen? Die Evaluation und die Gerichtsentscheide, die vorliegen, haben gezeigt, dass das Thüringer Ladenöffnungsgesetz rechtssicher ist. Dass es in erster Linie ein Arbeitsschutzgesetz ist und kein Gesetz zur Umsatzsteigerung, hatten wir auch schon gesagt. Mehr muss man im Grunde genommen hier nicht noch einmal betonen. Es bleibt dabei: Die Koalitionsfraktionen lehnen Ihren Gesetzentwurf ab. Vielleicht noch eine letzte Anmerkung an Arbeitgeber im Bereich des Handels: Zahlen Sie tarifgerecht, dann haben auch Arbeitnehmer mehr davon. Mehr muss man dazu nicht sagen. Herzlichen Dank.