Protocol of the Session on September 29, 2016

im Islam und auch darüber sollten wir diskutieren, denn die finde ich auch überkommen, genauso wie Bekleidungsvorschriften für Frauen. Aber das ist eine andere Diskussion und diese Diskussion will ich doch gern führen und die will ich doch auch mit den Frauen, die zu uns kommen und muslimischen Glaubens sind, führen. Nur glaube ich, dass die AfD dafür kein Diskussionspartner ist, sondern Diskussionspartner genau für die Auseinandersetzung um die Rechte der Frauen sind doch in erster Linie die muslimischen Frauen, die eben den Niqab, die Burka und andere Kleidungsvorschriften nicht zu ihrer eigenen individuellen Entscheidung gemacht haben, sondern von sich selbst ein anderes Frauenbild entwickelt haben. Denn das sind die Frauen, die in erster Linie mit den Frauen kommunizieren und interagieren, die entweder per Zwang, religiöser Verbundenheit oder eben auch freiwillig auf derartige Bekleidungsvorschriften zurückgreifen. Da findet doch eine längst viel intensivere Debatte um die Rolle der Frau statt in den muslimischen Communities unter Frauen, als das, was Sie uns hier vormachen wollen.

Dass Sie sich auch mit der Frage der Vollverschleierung bei muslimischen Frauen überhaupt nicht auseinandersetzen wollen, wird hier auch daran deutlich, dass Sie auch in Ihrem Redebeitrag wieder negiert haben, dass der größte Teil der in Deutschland eine Burka oder einen Niqab tragenden Frauen deutsche Konvertitinnen sind, die das freiwillig tun. Nun mag man das möglicherweise nicht gutheißen – ich tue das nicht –, aber die Ant

wort, darauf mit Zwang und mit einem neuerlichen Verbot zu agieren, ist wohl die falsche Antwort. Da brauchen wir tatsächlich die Diskussion um die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Da leistet Schule unter anderem einen sehr großen Anteil, nämlich dort, wo muslimische Kinder in die Schule integriert werden, wo es Auseinandersetzungen, wo es Diskussionen, Debatten gibt, wo es Lernprozesse gibt, die im Übrigen wechselseitig sind. Aber genau solchen wechselseitigen Lernprozessen verweigert sich die AfD. Ihr geht es um Botschaften des Unfriedens und derartiger Symbole.

Natürlich soll jede Frau selbst entscheiden können, was sie als Kleidungsstil für sich tatsächlich wählt. Das setzt aber natürlich auch innerhalb einer Religionsgemeinschaft voraus, dass sie sich im Rahmen dieser Religionsgemeinschaft frei entscheidet und dort – und das habe ich bereits in der ersten Lesung gesagt –, wo Zwang die Freiheit von Menschen einschränkt, ob nun religiös begründet, ideologisch begründet, wie das die AfD machen will – ich habe es, glaube ich, in der Lesung gesagt, wenn nicht, hole ich es hier noch mal nach: Ich glaube ja, dass Bernd Höcke und Pierre Vogel eher Brüder im Geiste in der Gleichstellungspolitik sind als mögliche Kontrahenten –,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

aber dort, wo Zwang tatsächlich zur Beschränkung von Rechten führt, da muss gesellschaftliche Intervention sein. Aber gegen wen sollte sich denn die gesellschaftliche Intervention richten? Gegen die Frauen, die dem Zwang schon unterworfen sind, oder möglicherweise gegen diejenigen, die den Zwang ausüben? Deswegen ist der Gesetzentwurf völlig in die falsche Richtung gedacht, weil er die Opfer, nämlich die Frauen, eines Zwangs, neuerlich zum Opfer stilisiert, und das ist eine Diskriminierung, Diskreditierung, die wir keinesfalls mittragen können und die auch alles andere als gleichstellungspolitisch fortschrittlich ist.

Ich will – ich habe das angekündigt – noch einmal auf die Parallelen bei der AfD zum Rechtsextremismus, zum Neonazismus und auch zum religiösen Fanatismus und Fundamentalismus eingehen. Der Abgeordnete Höcke hat sich in der ersten Lesung nicht entblödet, das Tragen einer Burka mit der Straftat eines Mordes gleichzusetzen.

(Beifall DIE LINKE)

Das zeigt doch eines – und das, glaube ich, sollte man auch öffentlich deutlich dokumentieren –, dass es nicht nur darum geht, Astrid Rothe-Beinlich, dass möglicherweise mit dem Gesetzentwurf formale verfassungsrechtliche Grenzen überschritten werden und der Gesetzentwurf deshalb verfassungswidrig ist, das zeigt doch, dass die AfD-Fraktion es einfach nicht wahrhaben will, dass seit 1945

in diesem Land ein anderer Wertegeist weht, der dann in den Grundrechten der Artikel 1 bis 12 des Grundgesetzes, das 1949 in Kraft getreten ist, Ausdruck gefunden hat.

(Unruhe AfD)

Sie negieren gerade den freien Charakter dieser Gesellschaft. Ich will Ihnen das auch deutlich sagen, denn ein Grundsatz der Freiheit einer Gesellschaft ist die persönliche Handlungsfreiheit: Die Grenze der persönlichen Handlungsfreiheit ist dort zu ziehen, wo die Handlungsfreiheit anderer beschränkt und beschnitten wird.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Meine Damen und Herren, Mord – und ich denke, das ist jedem klar – beschränkt die Handlungsfreiheit des Opfers final und fundamental. Aber das Tragen einer Verschleierung setzt doch mich in meiner Handlungsfreiheit nicht unter Druck, es begrenzt doch meine Handlungsfreiheit nicht, sondern …

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Doch, diese ist eingeschränkt worden!)

Das mag ja bei Ihnen der Fall sein, bei mir ist es nicht der Fall. Das zeigt doch, dass Sie gar nicht auf dem Weg sind,

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Selbstver- ständlich, Sie haben nichts verstanden!)

möglicherweise die Freiheit anderer zu verteidigen, sondern Sie bewegen sich mit Ihrem Gesetzentwurf auf einem weiten Schritt hin zu einem totalitären System, das Vorschriften machen will,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe AfD)

um Menschen in ihrer individuellen Handlungsfreiheit zu beschränken, ohne dass es dafür einen Grund gibt, der in der Beschränkung der Freiheit anderer oder möglicherweise dem Entstehen von konkreten Gefahren liegt.

Ich glaube, diesen Zusammenhang einmal herzustellen, dafür bin ich dem Vergleich durchaus dankbar. Aber Sie haben in dieser Woche noch ein weiteres widerliches Beispiel für Ihre Ideologie geliefert – ich will das hier durchaus erwähnen –: Am Montag kam es in Dresden zu einem verurteilungswerten Anschlag oder zu zwei verurteilungswerten Anschlägen und die AfD hat sich hierzu geäußert.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Wann denn?)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, hat sie!)

Ziele des Anschlags waren ein Kongresszentrum in Dresden sowie eine Moschee. Es handelte sich um

einen Sprengstoffanschlag, der herbeigeführt worden ist. Die Polizei sprach von einem professionell gebauten Sprengsatz. Nun haben wir immer an dieser Stelle deutlich gemacht, dass derartige Straftaten, die bewusst die Gesundheit und das Leben von Menschen in diesem Land gefährden, auch eine Folge dieser rassistischen, antimuslimischen Ideologie und Demonstrationen und Aufrufe der AfD sind.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das war doch Ihre!)

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Haben Sie ein Alibi?)

Aber anstatt dass sich die AfD mit ihrer politischen Verantwortung für derartige Anschläge auseinandersetzt,

(Unruhe AfD)

sorgt sich, meine Damen und Herren, der Abgeordnete Höcke im Ergebnis dieser Anschläge um den Ruf seiner AfD. Wenn Sie die Presseerklärung der AfD zur Hand nehmen,

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist so perfide!)

dann ist dies die große Sorge. Kein Wort der Solidarität gegenüber den Opfern, kein Wort zur eigenen politischen Verantwortung, kein Wort zum Klima, das in diesem Land durch die AfD geschürt wird. Er bemängelt und kritisiert, dass solche Taten das Meinungsklima verengen und reflexartig Ressentiments gegen die Opposition zu den Altparteien schüren – wer damit gemeint ist, das hören wir ja hier bei jedem Redebeitrag. Ich glaube, wer angesichts eines solchen Anschlags zu dem Ergebnis kommt, dass dieser deswegen zu verurteilen ist, weil das Ansehen der AfD dadurch gefährdet wird, der hat, glaube ich, nicht verstanden oder nimmt es einfach in Kauf, dass dieses Klima der Angst, dieses Klima der Drohung im Prinzip weiter geschürt wird und dass Menschen auch darauf folgend, darauf aufbauend diese Einstellungen, die da vermittelt werden, irgendwann in Taten umsetzen. Aber Sie dokumentieren damit auch noch was anderes, nämlich, dass es Ihnen durchaus bewusst ist, dass es einen Zusammenhang zwischen Ihrer Politik und diesen schändlichen Taten gibt.

Meine Damen und Herren, abschließend schließe ich mich den Vorrednern von Rot-Rot-Grün gern an: Wir werden den Gesetzentwurf ablehnen – nicht deshalb, weil er von der AfD kommt,

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Unfair!)

sondern weil er dem Grundgedanken einer freien Gesellschaft widerspricht, weil er Menschen ausgrenzt, diskriminiert, diskreditiert und unter Generalverdacht stellt und – ich habe es gesagt – weil er eben einen Schritt hin zu einer totalitären Gesell

schaft darstellt. Möglicherweise besteht darin tatsächlich ein Zusammenhang, dass er von der AfD kommt. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Dittes, ich möchte Sie noch einmal ermahnen, dass wir uns hier im Haus darauf verständigt haben, dass die Abgeordneten mit dem richtigen Namen angesprochen werden und der Abgeordnete Höcke heißt mit Vornamen nicht Bernd, sondern Björn.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Echt?)

Aus den Reihen der Abgeordneten liegt mir jetzt eine weitere Wortmeldung vor. Herr Abgeordneter Brandner, Sie haben 1 Minute.

Meine Damen und Herren, ich wollte mich hier noch einmal kurz mit der einzig ernst zu nehmenden Rede auseinandersetzen und die kam von Herrn Herrgott. Auf dieses Multikultigewäsch von Uwe Dittes, nein, Uwe – Uwe Böhnhardt – ähm, Steffen Dittes, von Steffen Dittes,

Herr Abgeordneter!

will ich jetzt nicht eingehen. Wobei die Frage offen ist, ob Sie ein Alibi für Montagabend haben, als das in Dresden passierte. Die Frage haben Sie bisher nicht beantwortet, Herr Dittes.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Das ist eine Frechheit!)

Also, was Herrn Herrgott angeht: Herr Herrgott, ich hoffe, Sie haben Ihre Rede – Sie sitzen jetzt leider hinter mir – innerfraktionell abgestimmt, weil, wenn Sie uns hier als Verbots- und Vorschriftspartei bezeichnen, ist das in diesem konkreten Punkt richtig. Wenn Sie uns als Retter des Abendlandes bezeichnen, das, sage ich einmal, würde ich auch nicht rundweg ablehnen. Aber dass Sie sich hier hinstellen und sagen, deshalb lehnt die CDU-Fraktion unseren Antrag ab, lässt das tief blicken, denn die CDU-Fraktion besteht ja wohl aus allen Mitgliedern. Wenn ich die „Thüringische Landeszeitung“ vom 02.09.2016 richtig verstanden habe und die Presse da richtig berichtet hat – warum sollte sie dass nicht tun –, dann wird Herr Gruhner zitiert mit – Herr Gruhner ist in Ihrer Fraktion –, ich zitiere wörtlich: „Ich bin für ein generelles Burka-Verbot. Dieses Unterdrückungssymbol der Frau hat in Deutschland nichts zu suchen.“ Herr Gruhner – wo ist er, oder

hat er sich schon verdrückt, weil er Angst hat vor der namentlichen Abstimmung gleich? Ich sage mal, mit dieser Aussage unserem Antrag zu widersprechen, da bin ich aber gespannt, wie das funktioniert. Danke schön.

(Beifall AfD)

Herr Abgeordneter Brandner, für die Unterstellung einer Straftat erteile ich Ihnen eine Rüge. Frau Abgeordnete Marx, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist leider wieder so gekommen, wie es meistens kommt. Die angeblichen Bewahrer der Werte des christlichen Abendlandes vergreifen sich hier offensiv an der Verfassung und weigern sich noch, das überhaupt zu merken. Hier ist Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zitiert worden, dass es absolut unverhältnismäßig und unzulässig ist, irgendwelche Kleidervorschriften zu erlassen, wenn damit nicht die Einschränkung von erheblichen Gefahren für andere Menschen verbunden ist. Das sind keine formalen Dinge, das sind Freiheitsrechte. Das kapieren Sie nicht und Sie wollen hier Ihr rassistisches und

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)