Protocol of the Session on September 1, 2016

Die Möglichkeit zur Reduzierung des Umsatzsteueransatzes für Schulspeisung auf 7 Prozent existiert bereits. Je nach Ausgestaltung der Verpflegungsleistung kann unter bestimmten Umständen der ermäßigte Steuersatz oder gar eine Umsatzsteuerbefreiung für Schulspeisung in Betracht kom

men. Schwieriger ist die grundsätzliche Reduzierung des Steuersatzes. Um diese Frage zu klären, hat Thüringen bereits 2010 auf Betreiben des damaligen Sozialministeriums eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht. Das Ergebnis: Eine grundsätzliche Reduzierung würde zu einer Ungleichbehandlung mit vergleichbaren sozialen Einrichtungen wie Kitas, Krankenhäusern und Altenheimen führen. Insofern haben sich die Länder damals für eine generelle Überprüfung des Katalogs der Ermäßigungstatbestände in seiner Gesamtheit ausgesprochen. Sie sehen, die Dinge sind komplex.

Sehr geehrte Abgeordnete, ich erwähnte es bereits: Die Bereitstellung eines warmen Mittagessens ist Aufgabe der Schulträger und der Kommunen. Schulträger und Kommunen wählen in Rücksprache mit der Schulkonferenz aus, woher und wie sie das Essen beziehen. Ein Großteil der Schulen bezieht das Essen über Warmverpflegungssysteme, nämlich 92 Prozent. Frischküchen gibt es vor allem an den Internatsschulen des Landes, also an den Spezialgymnasien. Schulträger und Kommunen handeln verantwortungsbewusst und im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten. Das Land leistet dabei Unterstützung. Wir wollen eine gute Qualität bei der Schulspeisung. Ein wichtiger Ansprechpartner ist die vom Verbraucherschutzministerium geförderte „Vernetzungsstelle Schulverpflegung“. Die „Vernetzungsstelle Schulverpflegung“ unterstützt mit Beratung, Aufklärung und Informationen. Das ist eine Anlaufstelle nicht nur für Kommunen und Schulen, sondern für alle, die Fragen zur gesunden Schulverpflegung haben, also auch für freie Träger, für Eltern und für Essensanbieter.

Mit den jährlichen Tagen der Schulverpflegung, mit Fortbildungsveranstaltungen, Koch- und Schulaktionen und mit Zukunftswerkstätten wirbt die Vernetzungsstelle in den Bildungsbereich hinein. Es gibt Infoveranstaltungen für Essensanbieter und Infoveranstaltungen für Schulträger zum Thema Qualitätssicherung. Bei diesen Veranstaltungen ist ein Schwerpunkt die Vermittlung der DGE-Qualitätsstandards, also der Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Das Ziel ist eine ausgewogene und vollwertige Ernährung von Kindern auf der Grundlage ernährungswissenschaftlicher Erkenntnisse. Optimale Lebensmittelauswahl, ausgewogene Speiseplan- und Nährstoffoptimierung sind dabei wichtige Aspekte.

Ein wichtiges Thema der DGE-Qualitätsstandards ist das Thema „Nachhaltigkeit“. Dazu gehören Saisonalität und Regionalität. Regionalität und Ernährung, das ist eine Arbeitsaufgabe des Infrastrukturministeriums. Ein wichtiger Partner ist die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, in diesem Fall die Sektion Thüringen. Zusammen mit der Thüringer Agrarmarketing hat sie umfangreiche Unterrichtsbegleitmaterialien entwickelt.

(Staatssekretärin Ohler)

Das Infrastrukturministerium setzt sich dafür ein, dass Schulverpflegung mehr mit regionalen Produkten arbeitet. Dazu wurde im Auftrag des TMIL 2015 eine Studie durchgeführt. Ein Ergebnis: Regionale Produkte müssen nicht automatisch höhere Preise nach sich ziehen. Der nächste Schritt ist jetzt eine bessere Vernetzung der Partner, die für das Schulessen zuständig sind. Eine Möglichkeit sind Infoveranstaltungen, die mit guten Beispielen Lust auf mehr regionale Produkte in der Thüringer Schulverpflegung machen wollen.

Das Europäische Schulobstprogramm ist nicht Teil der Schulverpflegung. Schulverpflegung – ich erwähnte es eingangs – ist eine warme Mahlzeit. Das Europäische Schulobstprogramm ist ein weiterer Baustein der Kampagne für gesundheitsbewusste Ernährung. Das Programm will Kinder animieren, mehr Obst und Gemüse zu essen. Das Schulobstprogramm richtet sich nur an die Klassenstufen 1 bis 4 der Grundschulen und Förderschulen. Aktuell nehmen 342 schulische Einrichtungen in Thüringen an dem Programm teil. Eine erste Evaluation aus dem Jahr 2011 zeigt, dass das Programm die Ernährungsgewohnheiten der teilnehmenden Kinder positiv beeinflusst.

Sehr geehrte Damen und Herren, wie ernähre ich mich richtig? Das ist eine Frage, die selbstverständlich auch in den Lehrplänen der Thüringer Schulen behandelt wird. Die Vermittlung von Wissen über gesunde Ernährung ist eine Querschnittsaufgabe und umfasst Fächer wie Schulgarten, Ethik, Biologie, Natur und Technik und Sport. Ich kann Ihnen ein paar Beispiele nennen. Schulgarten der „Planck Grundschule“: Der Schüler kann die Bedeutung des Anbaus von Pflanzen für die gesunde Ernährung erklären und kann einheimische Kulturpflanzen auswählen. Biologie, Lehrplan für den Erwerb des Haupt- und Realschulabschlusses: Der Schüler kann gesunde Lebensweisen, vitaminreiche Ernährung, ausreichend Schlaf auf der Grundlage bestimmter biologischer Kenntnisse ableiten. Der Schüler kann experimentieren und den Nachweis eines Nährstoffs in Nahrungsmitteln erbringen. Sport – Lehrplan für den Erwerb des Haupt- und Realschulabschlusses: Der Schüler kann fächerübergreifende Zusammenhänge der Gesundheit von Sport, Ernährung, Bewegung und sozialem Wohlbefinden erklären und adäquate Ableitungen für sich treffen.

Sehr geehrte Damen und Herren, auch im Thüringer Bildungsplan für Kinder bis 18 Jahre spielt das Thema „gesunde Ernährung und körperliches Wohlbefinden“ eine wichtige Rolle. Dort – das hat sich vielleicht schon herumgesprochen – geht es nämlich nicht nur um Sexualität. Dort geht es auch um gesunde Ernährung. Gesunde Ernährung wird vor dem Hintergrund der fünf Modi der Weltaneignung beschrieben, also vor dem Hintergrund der basalen, der elementaren, der primaren der hetero

nom-expansiven und der autonom-expansiven Bildung erläutert. Lehrkräfte, Pädagogen, Erzieherinnen und Erzieher finden hier wichtige Anregungen für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Schulessen ist wichtig – für manche Kinder ist das am Tag die einzige warme Mahlzeit im Bauch. In Thüringen gibt es an den Schulen eine flächendeckende Versorgung mit einem warmen und bezahlbaren Mittagessen. Vorsichtig wäre ich, einen Zusammenhang zwischen Schulspeisung und Übergewicht anzunehmen. Schauen wir uns doch die Zahlen mal an – rund 11 Prozent aller Kinder sind bereits bei der Einschulung übergewichtig. Mit zunehmendem Alter steigt der Prozentsatz der Übergewichtigen kontinuierlich an. Gleichzeitig nimmt die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die am Schulessen teilnehmen, mit steigenden Klassenstufen ab. Es wäre schön – schön einfach –, wenn wir einen einfachen Zusammenhang zwischen Schulessen und Gewichtsentwicklung bei den Schülerinnen und Schülern diagnostizieren könnten. So eindeutig sind die Befunde leider nicht, hier braucht es weitere Maßnahmen.

Für Schülerinnen und Schüler, die zu viele Pfunde mit sich herumschleppen, ist an Thüringer Schulen Sportförderunterricht vorgesehen. Das sind zusätzliche Unterrichtsstunden, die sich an übergewichtige Kinder, aber auch an Kinder und Jugendliche mit Haltungs- und Koordinationsschwächen richten. Mehr als 500 Sportlehrer haben bislang eine spezielle Ausbildung durchlaufen. Nicht jede Schule hat heute schon das Angebot eines zusätzlichen Sportförderunterrichts. Ein Ziel sollte es sein, dass alle Schulen einmal wöchentlich so einen Unterricht anbieten. Klar ist aber auch, die Schule kann nicht alle Fehler der Gesellschaft ausbügeln und Schulspeisung allein kann Fehlentwicklungen nicht verhindern. Dazu braucht es mehr, es braucht Spaß an gesunder Ernährung und Bewegung. Es kann helfen, wenn Kinder und Jugendliche bei der Essensplanung einbezogen werden. Es braucht das Engagement vieler Partner. Schule kann vieles, aber nicht alles bewältigen. Die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen in Thüringen ist eine Aufgabe, die uns alle angeht – Schulen und Bildungseinrichtungen, Essensanbieter, Politiker, aber auch Eltern und Familie. Und es braucht Aufklärung, Information und Fortbildung. Schülerinnen und Schüler in Thüringen erfahren viel über gesunde Ernährung. Ressortübergreifend machen wir uns stark für gesundes und erschwingliches Essen an Schulen. Das Bildungsministerium, das Verbraucherschutzministerium, das Sozialministerium und das Infrastrukturministerium leisten zusammen mit der Vernetzungsstelle „Schulverpflegung“ eine gute Arbeit. Gute Kita- und Schulverpflegung ist für die Landesregierung ein wichtiges Anliegen. Das haben wir

(Staatssekretärin Ohler)

genau so im Koalitionsvertrag festgelegt und das setzen wir um. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Ich frage: Wer wünscht die Beratung zum Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags der CDU-Fraktion? Die CDU-Fraktion, Bündnis 90/Die Grünen, die SPDFraktion, Die Linke und die AfD – na super, alle beisammen, sodass ich die Beratung zum Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags der Fraktion der CDU und gleichzeitig die Aussprache zu den Nummern 2 bis 7 des Antrags der Fraktion der CDU und zum Alternativantrag der Fraktion der AfD eröffne. Als Erste hat Frau Abgeordnete Rosin für die SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mitte April hat das Landesverwaltungsamt eine Statistik zu den Schuleingangsuntersuchungen im vergangenen Jahr veröffentlicht. Demnach sind 2015 mehr als 11 Prozent der Schulanfängerinnen und Schulanfänger übergewichtig gewesen, davon wiederum rund 40 Prozent adipös. Bei den Schülern der Klassenstufe vier hat der Anteil der Übergewichtigen schon bei 18 Prozent gelegen und bei den Schülern der Klassenstufe acht bei fast 21 Prozent, davon ist die Hälfte adipös. Diese Zahlen sind nicht nur erschreckend, sie zeigen auch zweierlei: Falsche Ernährung und Übergewichtigkeit sind ein gesamtgesellschaftliches Problem, das seine Initialzündung nicht erst in den Schulen erfährt, sondern bereits wesentlich früher, nämlich in den Elternhäusern. Denn mehr als ein Zehntel der Kinder kommt bereits mit Übergewicht in die Thüringer Schulen. Schule kann dieses Problem also nicht im Alleingang lösen, aber die Schule kann als zentraler Sozialisations- und Lernort der Kinder und Jugendlichen eine hohe Verantwortung gemeinsam mit den Eltern für diesen Bereich wahrnehmen. Es ist ja nicht nur wichtig, dass für die gesunde und abwechslungsreiche Ernährung der Heranwachsenden zu sorgen ist, sondern auch ganz wichtig ist eine andere Seite der Medaille, und zwar, dass man für genügend Bewegung, Sport und Spiel sorgt.

Die Tatsache, dass der Anteil der Übergewichtigen unter den Schülerinnen und Schülern ebenso wie der Anteil der adipösen Kinder und Jugendlichen von Klassenstufe zu Klassenstufe steigt, verdeutlicht jedoch, dass Elternhäuser und Schulen hier – um es vorsichtig zu sagen – noch erheblichen Verbesserungsbedarf haben.

Welche Veränderungen wären also notwendig? Das Bildungsministerium hat in Reaktion auf die Veröffentlichung des Landesverwaltungsamts vorgeschlagen, künftig den Sportförderunterricht an

den Thüringer Schulen zu stärken. Das ist eine Handlungsoption, greift aber meines Erachtens zu kurz. Zum einen hilft der Ausbau des Sportförderunterrichts nicht wirklich gegen falsche Ernährungsgewohnheiten.

Zum anderen macht es meines Erachtens mehr Sinn, die bereits bestehenden Einzelmaßnahmen und Projekte im Bewegungsbereich, zu denen beispielsweise die Konzepte einer bewegungsorientierten Schule, das Modell „Tägliche Sportstunde“, aber natürlich auch der Förderunterricht im Sportbereich zählen, zu einem Gesamtkonzept zu verknüpfen und dieses dann landesweit umzusetzen, als dies lediglich als einen Einzelaspekt in den Fokus zu rücken. Das ist zu kurz gefasst. Diesen Einwand will ich aber nur als eine Art Randbemerkung, als flankierende Anregung als frühere Sportlehrerin verstanden wissen und ihn auch gar nicht im Detail ausführen, da die Bewegungsförderung zwar mit dem heute behandelten Thema eng zusammenhängt, im Mittelpunkt der Oppositionsanträge aber Ernährungsaspekte stehen.

Deshalb zurück zum Hauptthema: Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat im vergangenen Jahr die Resultate einer bundesweiten Studie der Deutschen Gesellschaft für Ernährung – kurz DGE – zur Qualität der Schulverpflegung vorgestellt. Folgende Untersuchungsergebnisse scheinen mir für diese heutige Diskussion von zentraler Bedeutung: Immer mehr Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf Schulverpflegung, denn der Anteil an schulischen Ganztagsangeboten an allgemeinbildenden Schulen steigt seit Jahren bundesweit kontinuierlich an. Nach KMK-Angaben sind im Schuljahr 2013/2014 über 35 Prozent aller bundesdeutschen Schülerinnen und Schüler ganztägig beschult worden. Damit kommt dem Schulessen eine immer größere Bedeutung zu. Darauf müssen wir einfach Einfluss nehmen, weil die Essgewohnheiten der Kinder auch in der Schule geprägt werden.

Ein weiterer Aspekt dieser Untersuchung ist, dass nur rund die Hälfte der bundesweit befragten Schulleitungen überhaupt Kenntnis von den von der DGE entwickelten Qualitätsstandards für Schulessen hat. In den neuen Ländern wird nicht einmal dieser wenig befriedigende Bundesdurchschnitt erreicht. In Thüringen ist der DGE-Qualitätsstandard lediglich bei 34,1 Prozent der Schulleitungen bekannt, wodurch der Freistaat im Bundesvergleich auf dem vorletzten Platz vor Sachsen-Anhalt liegt. SachsenAnhalt liegt bei 31,6 Prozent.

Schlimmer noch: Sofern der DGE-Standard den Schulleitungen überhaupt bekannt ist, wird er bloß an etwas mehr als der Hälfte der infrage kommenden Schulen überhaupt umgesetzt. Nur etwas mehr als ein Viertel der Schulträger führt nach eigenen Angaben Qualitätskontrollen bei der Schulverpfle

(Staatssekretärin Ohler)

gung durch. Vertragliche, auf einem festen Leistungsverzeichnis beruhende Regelungen zur Qualität des Schulessens gibt es bislang flächendeckend lediglich in den Stadtstaaten wie Berlin, Hamburg und Bremen. Sie haben es natürlich in ihrer Doppelfunktion als Bundesland und kommunaler Schulträger einfach. Ernährungsunterricht bzw. Ernährungsprojekte bieten im Bundesdurchschnitt 76,5 Prozent aller Schulen an, in Thüringen sind es nur 70,7 Prozent. Aber bei fast der Hälfte dieser Schulen finden die entsprechenden Unterrichtseinheiten nur einmal im Schulhalbjahr oder sogar nur einmal im Schuljahr statt. Bei 85 Prozent der Schulen kommt das Essen von Caterern oder externen Lieferanten. Warm angeliefert werden die Mahlzeiten bei 60 Prozent der Schulen. Nur 39 Prozent der Schulen haben eine Mittagspause, die länger als 45 Minuten dauert. Üblich ist eine Mittagspause in Thüringen von circa 30 Minuten. Dabei muss man berechnen, dass die Kinder erst mal zum Essen gehen müssen, sich beim Essen anstellen. Dann kann man berechnen, dass in manchen Schulen am Ende für das Essen vielleicht 10 Minuten verbleiben.

Als Lieblingsgericht der befragten Schülerinnen und Schüler stehen auf den Plätzen 1 bis 4: Nummer 1 sind natürlich Nudeln, gefolgt von Pizza, Pfannkuchen und Pommes frites. Als sogenannte Ätzgerichte haben die Schüler genannt, in absteigender Reihenfolge: Spinat, Suppen, Fisch und Kartoffeln. Diejenigen Schülerinnen und Schüler, die in der Mittagspause nicht an der Schulspeisung teilnehmen, verpflegen sich nach eigenen Angaben primär in Supermärkten, Bäckereien, Imbissen und FastFood-Restaurants.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, warum habe ich Ihnen das so detailliert vorgetragen? Weil die Studie meines Erachtens sehr anschaulich zeigt, dass wir es bei der Schulspeisung mit einer komplexen Thematik zu tun haben, bei der ganz unterschiedliche Aspekte zu berücksichtigen sind und bei der es dementsprechend keine eindimensionalen Verbesserungsansätze geben kann. Wir haben es nach meiner Meinung mit einem Gemisch aus weitverbreiteter Unkenntnis der Schulleitungen und der Schulträger über die Grundprinzipien gesunder Ernährung zu tun, wie sie die DGE vorschlägt, und zum anderen natürlich mit der unzureichenden Einbeziehung von Ernährungsthemen in den Schulalltag und falschen Essgewohnheiten der Schülerinnen und Schüler, aber auch einer noch zu gering ausgeprägten Esskultur an unseren Schulen.

Ganz ähnlich wie an den Schulen sieht es übrigens auch in den deutschen Kindertagesstätten aus. Zum Kitabereich gibt es eine ganz aktuelle Studie der DGE. Sie kommt zu folgenden Ergebnissen: Wie im Schulbereich hat auch an den Kitas die Essensversorgung in den letzten Jahren zunehmend

an Bedeutung gewonnen. Bundesweit bekommen zwei Millionen Kinder, das sind zwei Drittel aller Kitakinder, ihr Mittagessen in ihrer Kindereinrichtung. Damit hat sich die Inanspruchnahme von Verpflegungsleistungen der Kitas binnen 15 Jahren verdoppelt. Mit der quantitativen Entwicklung der Kitaverpflegung hat deren Qualität allerdings nicht Schritt gehalten. Nicht einmal jede dritte deutsche Kindertagesstätte, das sind 29,6 Prozent, beachtet die DGE-Standards für gesunde und abwechslungsreiche Ernährung der Essensanbieter in den Kitas. 55,4 Prozent der Kitas werden von Caterern mit vorgewärmtem Essen versorgt. Durch lange Transportwege und Warmhaltezeiten kommt es bei angelieferten Mahlzeiten oftmals zu Nährstoff- und Qualitätsverlusten. Nur an rund 40 Prozent der Kitas gibt es Mitarbeiter, die überhaupt ausdrücklich über die Einhaltung von Hygienevorschriften bei der Essenversorgung verantwortlich und auch ausgebildet sind. 21,4 Prozent der Kitas schulen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überhaupt im Bereich der Lebensmittelhygiene.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, an den Ergebnissen der beiden Studien sehen Sie, dass wir es mit einem komplexen Problem bei der Essensversorgung in den deutschen Einrichtungen der frühkindlichen und der schulischen Bildung zu tun haben. Einfache Antworten helfen uns also an dieser Stelle nicht weiter.

(Beifall SPD)

Eine dieser einfachen Antworten lautet, man müsse seitens des jeweiligen Bundeslands die Schulträger und die Eltern einfach mit mehr Geld ausstatten, um entsprechende Investitionen zu leisten. Dies geht in die Richtung Punkt 3 und 4 des AfD-Antrags. Das klingt zunächst einmal logisch. Allerdings kommen die Experten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung auf eine völlig andere Bewertung. Ich zitiere aus einer Pressemitteilung der DGE vom 23. Oktober 2012: „Teures Schulessen ist nicht automatisch besser. Eine qualitativ hochwertige Verpflegung ist nicht nur eine Frage des Preises. Sie hängt auch von der Lebensmittelauswahl, der Speisenplanung und -herstellung, den Rahmenbedingungen in Schulen sowie von Hygieneaspekten und von der Qualifikation des Personals ab. Zu lange Warmhaltezeiten der Gerichte führen nicht nur zu Vitaminverlusten und sensorischen Einbußen, es steigt auch das Risiko für die Vermehrung von Mikroorganismen.“ Wenn sich einige erinnern, gab es vor geraumer Zeit auch Probleme mit Erdbeeren von einem Caterer, der bundesweit agiert. Sie können sich erinnern. Sie wissen, was es bedeutet, wenn klassenweise die Kinder krank werden, weil damit Magen-Darm-Probleme einhergehen. Oft ist es so, das ist meine Erfahrung, dass man eher denkt, es ist ein Virus, dabei liegt es am Ende am Essen, weil nämlich diese

ganzen Punkte, die ich aufgeführt habe, oft nicht eingehalten werden.

Daher sind Warmhaltezeiten von über drei Stunden einfach nicht akzeptabel. Dazu gehören natürlich auch die Anfahrtswege, die man da mit in den Blick nehmen muss. „Richtwerte für Lager-, Transportund Ausgabetemperatur betragen maximal 7°C für kalte und mindestens 65°C für warme Speisen.“ – Da ist meistens das Problem, diese Temperatur zu halten. – „Die Einhaltung der Hygienevorschriften muss selbstverständlich sein [...], die Speisen müssen die vorgeschriebenen Temperaturen haben und zügig ausgegeben werden. Um Qualitätsverluste bei beispielsweise Zubereitung und Ausgabe zu verhindern, ist geschultes Personal von zentraler Bedeutung. Neben den rechtlich vorgeschriebenen Schulungen sind auch Fort- und Weiterbildung für alle in der Küche Tätigen zu ernährungsphysiologischen Themen sinnvoll“ – so die Pressemitteilung der DGE von 2012.

Vor dem Hintergrund, dass 85 Prozent der deutschen Schulen ihr Essen von Caterern oder externen Lieferanten bekommen und bei 60 Prozent der Schulen das Essen bereits warm angeliefert wird, kann oftmals das Essen nur durch stundenlanges Warmhalten ausgegeben werden. Wenn man sich dann anschaut, wie die Preisdiskussion läuft, ist es nicht so, dass der Caterer, der am günstigsten ist, auch der wertvollste für die Schulspeisung der Kinder ist. Die entscheidende Frage ist vielmehr, ob wir die selbst benannten Parameter, die die DGE setzt, wie die Schulen es auch selbst tun können, um Nährstoff- und Qualitätsverluste beim Schulessen zu vermeiden, auch einhalten. Teures Schulessen ist also kein Wert an sich. Das gilt genauso für die von der AfD gewünschte regionalorientierte Schulspeisung.

Was nutzt mir der örtliche Metzger als Zulieferer des Schulessens, wenn ihm unter regionaltypischem Essen vor allem Thüringer Fleischspezialitäten wie Rostbratwurst, Brätel, Mutzbraten oder natürlich auch Klöße einfallen, er aber die DGE-Vorgaben für eine gesunde Schulverpflegung gar nicht kennt, nämlich täglich Gemüse, in 20 Verpflegungstagen mindestens achtmal Salat oder Rohkost, aber nur maximal achtmal Fleisch oder Wurst sowie mindestens viermal Seefisch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren. Für genauso wenig sinnvoll halte ich es, aus der unzureichenden Bekanntheit der DGE-Qualitätsstandards den Schluss zu ziehen, dann müsse Thüringen eben einen eigenen Standard entwickeln und ihn umsetzen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was soll das denn bringen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der AfD? Es ist nicht zielführend neue Standards zu kreieren, wenn die be

reits bekannten Standards nicht eingehalten werden. Das ist nicht sinnvoll und nicht zielführend.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meinen Sie, dass diese Aspekte, die wir gerade besprochen haben, dann andere Einwirkung finden? Wir müssen doch an diesen Eckpunkten arbeiten, die ich vorhin vorgetragen habe. Die Ergebnisse der Bundesstudie zeigen deutlich, wo angesetzt werden muss, um die Schulverpflegung zu verbessern und damit die Ernährung und Essgewohnheiten der Kinder und Jugendlichen positiv zu beeinflussen. Wir müssen dafür sorgen, dass der bereits bestehende DGE-Qualitätsstandard deutlich stärker in das Bewusstsein der Schulleitungen und der Schulträger rückt, dass die Schulträger die Einhaltung des DGE-Qualitätsstandards als zentralen Bestandteil ihrer Verträge mit Caterern und Zulieferern verstehen, dass die Schulen Ernährungsthemen weit mehr und vor allem auch regelmäßiger in ihren Schulalltag integrieren und nicht zuletzt, dass die Dauer der Mittagspausen an den Schulen so gestaltet wird, dass dort eine vernünftige Esskultur überhaupt erst einmal entstehen kann.

Die Institutionen, deren Aufgabe es ist, die genannten Schritte einzuschlagen, haben wir bereits genannt. Da wäre innerhalb des Kabinetts das federführende Ressort des Verbraucherschutzministeriums zu nennen, das sich laut seiner Website engagiert für eine gesunde, schmackhafte, zielgruppengerechte, von Kindern und Jugendlichen akzeptierte und wirtschaftliche Kita- und Schulverpflegung einsetzt. Darüber hinaus gibt es noch die vom Bund und vom Haus Lauinger geforderte Vernetzungsstelle zur Schulverpflegung, die bei der Verbraucherzentrale Thüringen angesiedelt ist. Dass die Vernetzungsstelle mit vergleichsweise geringen Personalmitteln gute Arbeit bei der qualitativen Verbesserung der Schulspeisung leistet, weiß ich. Beim Verbraucherschutzministerium gehe ich natürlich auch davon aus. Wir Sozialdemokraten vertrauen daher darauf, dass mit den bundesweiten Einrichtungen der Vernetzungsstelle der richtige Weg eingeschlagen wurde, um die Gesamtproblematik „gesunde und abwechslungsreiche Schulverpflegung“ in all ihren Aspekten anzubieten, um schrittweise zu ebenso umfassenden wie länderspezifischen Lösungsansätzen zu kommen. Wir brauchen das Rad also nicht neu erfinden, aber wir werden sicherlich auch noch ein wenig Geduld haben müssen, bevor die Notwendigkeit einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Essensversorgung im Kita- und Schulbereich von allen beteiligten Akteuren, den Einrichtungsträgern und -leitungen, den Kindern und Jugendlichen, aber auch ihren Eltern verinnerlicht ist. Mentalitätswandel brauchen seine Zeit.

Der vorliegende Antrag der CDU geht in dieser Hinsicht nicht weit genug, dennoch lohnt es sich, das

Thema weiter intensiv in den Fachausschüssen zu diskutieren. Wir werden daher für eine Überweisung an den Bildungs- und den Verbraucherausschuss stimmen und bitten, den Verbraucherausschuss als federführenden Ausschuss zu wählen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön, Frau Rosin. Als Nächster hat Abgeordneter Kowalleck für die CDU-Fraktion, das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben am Sofortbericht und an den Ausführungen meiner Vorrednerin gehört und gesehen, dass es ein sehr umfangreiches Thema ist, das uns alle angeht, das uns sicher auch allen am Herzen liegt. Deswegen, denke ich, ist es gut, dass Sie auch die Diskussion im Ausschuss unterstützen, so wie das Frau Rosin eben gesagt hat. Sie hat in ihrer Rede viele Zahlen genannt. Deswegen möchte ich Sie jetzt an dieser Stelle nicht mit den vielen einzelnen Details quälen, möchte nur insoweit auch noch mal auf die aktuelle Diskussion eingehen und natürlich auf die einzelnen Punkte unseres Antrags.

Frau Rosin ist ja intensiv auf die Studien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung eingegangen. Ich habe vor einigen Wochen in der „Bild“-Zeitung gelesen: „So schlecht ist unser Kita-Essen!“, hat die „Bild“-Zeitung mit den großen Buchstaben getitelt und auch diese Studie erwähnt, in der Essen in 1.400 Kindergärten untersucht wurden. Allerdings ist dieses Thema nicht erst durch diese Studie auf der Tagesordnung – das haben wir auch in der bisherigen Diskussion gehört – und auch nicht erst durch bestimmte Zeitungsmeldungen, sondern wir hatten auchden einen oder anderen Vorfall in der öffentlichen Diskussion. Die Vorrednerin hatte dieses Beispiel mit den Erdbeeren aus China angesprochen, wo gerade dadurch die öffentliche Meinung entwickelt wurde. Es war für viele unverständlich, dass man über den ganzen Erdball Erdbeeren holt. Das ist auch ein Anliegen von uns, gerade die regionalen Produkte einzusetzen. Wir sollten uns gerade bei den Themen „Schulessen“ und „Kindertagesstättenessen“ nicht von Pauschalurteilen leiten lassen, denn es gibt durchaus viele gute und engagierte Essensanbieter. Ich kenne das aus meiner Region. Ich war vor der Sommerpause bei der Lebenshilfe, die in Saalfeld eine Mittagessenküche hat. Da kann man auch sehen, dass gut und modern ausgestattete Küchen auch ein frisches und ausgewogenes Mittagessen für Kindergärten, Schulen und auch ältere Bürger herstellen. Gerade in dieser Küche wird großer Wert darauf gelegt,

dass ein hoher Anteil von ökologisch produzierten Lebensmitteln verwendet wird, vorzugsweise aus der Region. Ich war auch beeindruckt zu sehen, dass bei der Essenlieferung nicht dieser Plastiktrend mitgemacht wird, sondern die Lebenshilfe setzt da auf Porzellangeschirr, was in der heutigen Zeit nicht selbstverständlich ist.