Protocol of the Session on August 11, 2016

Der zweite nicht ganz unwesentliche Punkt aus dem NSU-Abschlussbericht – zwar nicht aus dem, den alle getragen haben, aber trotz alledem hat er es in den Koalitionsvertrag geschafft – ist die Einrichtung einer Dokumentationsstelle für Demokratie und Menschenrechte, die neonazistische und andere gegen die Grundsätze der Verfassung gerichtete Aktivitäten dokumentieren soll, die wissenschaftliche Forschung zu Inhalt, Wirkungsweise und Verbreitung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit umsetzen, aber eben auch Gegenkonzepte entwickeln soll. Das hat gar nicht so viel mit Intervention oder Repression zu tun, was die Polizei macht, sondern es hat vor allem etwas damit zu tun: Wie kann man eben mit genau solchen Einstellungen umgehen, was kann ich machen, um Zivilgesellschaft in ihrer Arbeit für Demokratie und unsere Gesellschaft zu unterstützen.

Das setzt die Landesregierung beides schon um. Die Anträge der AfD ignorieren das, im Gegenteil, sie diskreditieren renommierte Träger, sie verwechseln Vergabe- und Förderrecht und stellen gesellschaftliche Zusammenhänge her, die mit der Grundmeinung in unserer Gesellschaft wenig gemein haben.

Wenn wir uns das Antragsverfahren zur Dokumentationsstelle ansehen, stellen wir Folgendes fest: Es gibt für das Landesprogramm – und das gibt es nicht erst seit der Einsetzung dieser Regierung, sondern seitdem es das Landesprogramm gibt – eine Richtlinie, die noch unter Schwarz-Rot verabschiedet worden ist. Diese sieht vor, dass Projekte zu zwei Stichtagen im Jahr beantragt werden können. Es gibt keine Ausschreibungen für diese Projekte, das ist richtig, weil die Richtlinie veröffentlicht wurde und das die Grundlage dafür ist, dass Träger Projekte hier beantragen können.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Eine Dienstleistung!)

Die Richtlinie formuliert dann: Zuwendungsempfänger können Vereine und Verbände, anerkannte Religionsgemeinschaften, kommunale Gebietskörperschaften und gemeinnützige juristische Personen des Privatrechts sein. „Können“ heißt nicht „müssen“. „Können“ heißt, dass sie es sein können, aber dass es natürlich Ausnahmen zulässt.

(Heiterkeit CDU)

Darüber hinaus darf man ein Vergabeverfahren nicht mit einer Förderung von Projekten verwechseln. Bei einer Vergabe geht es um die Vergabe öffentlicher Aufträge. Das ist sicherlich auch bei einer

Evaluation des Landesprogramms so, wenn eine Regierung eine Leistung für ihr eigenes Ministerium einkauft. Das, was das Landesprogramm macht, ist aber nicht, Leistungen für das Ministerium einzukaufen, sondern es ist die Unterstützung von Zivilgesellschaft, von zivilgesellschaftlichen Akteuren und von Menschen, die sich vor Ort gegen Rechtsextremismus, für Demokratie einsetzen wollen. Das hat mit einer öffentlichen Vergabe einfach nichts zu tun.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt mag es Ihnen gefallen oder nicht: Die Amadeu Antonio Stiftung ist ein renommierter Träger in der Arbeit für Demokratie und gegen Fremdenfeindlichkeit. Wir können mal darüber reden, mit welchen Partnerinnen und Partnern sie zusammenarbeitet: unter anderem mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – und zwar auch in der Zeit, als es noch CDU-geführt war – mit den regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie, mit dem Zentrum für demokratische Kultur, mit der Bundeszentrale für politische Bildung oder mit dem Netzwerk für Demokratie und Courage. Sie haben in den vergangenen Jahren mehr als 1.000 Projekte gefördert, zum Beispiel zur Unterstützung kleiner Opferberatungsstellen oder Demokratieprojekte junger Menschen. Und sie machen natürlich darüber hinaus auch eine Reihe von Öffentlichkeitsarbeit, von Publikationen, um über Phänomene aufzuklären, die wir zum Beispiel auch aus dem Thüringen-Monitor kennen, zum Beispiel über Antisemitismus, über Rassismus, Fremdenfeindlichkeit oder die Abwertung aufgrund von Geschlecht oder sexueller Orientierung.

Die AfD hat jetzt eines gemacht: Sie hat sich eine Broschüre rausgesucht, nämlich die Broschüre „Hetze gegen Flüchtlinge in Sozialen Medien“, wo eben beschrieben wird, wie Abwertung an der Stelle funktioniert, und zeigt dort auf ein Problem hin, nämlich zum Beispiel, dass das Gegenüberstellen von „Wir“ und „Die“, die Verallgemeinerung von „Alle Flüchtlinge sind so und so“, Lügen über Geflüchtete, zum Beispiel über angebliche Kriminalität, über Gewalt, über Vergewaltigung, über Kulturrassismus wie „Die passen zum Beispiel nicht richtig zu uns“ oder „Die passen einfach nicht zu uns“ – dass das eine problematische Sache ist, weil es eben eine Spaltung in dieser Gesellschaft zeigt und immer auch Abwertung bedeutet. Es bedeutet immer, dass es Gruppen gibt, die unterschiedlich viel wert sind, und dass es diese Abgrenzung braucht.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Das ist Ihre falsche Schlussfolgerung!)

Das zeigt damit im Prinzip auf die Probleme, mit denen wir gerade konfrontiert sind, nämlich: Natürlich bringt die Zahl der Geflüchteten, mit denen wir gerade konfrontiert sind, Probleme, weil es bestimmte Einstellungen dazu in unserer Gesellschaft

gibt. Oder zum Beispiel demokratieskeptische oder demokratiefeindliche Einstellungen, die wir in unserer Gesellschaft haben. All das zeigt das auf. Die Antwort darauf kann doch aber nicht sein, dass wir eine weitere Spaltung wollen, sondern die Antwort muss doch sein, dass wir Solidarität und Zusammenhalt haben, weil das nämlich die Basis ist, auf der unsere Gesellschaft funktioniert.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Die zerstö- ren Sie doch gerade!)

Wenn wir eine Verbesserung für die Menschen haben wollen, die in diesem Land leben, kann es nicht darum gehen, diese Spaltung noch weiter zu forcieren, kann es nicht darum gehen, diese Gruppen gegeneinander auszuspielen, sondern im Gegenteil müssen wir sagen: Wenn wir die Gesellschaft hier verändern wollen, dann müssen wir das auch alle gemeinsam für die Menschen tun, die in diesem Land leben.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Verbieten und verfolgen!)

Die beiden Anträge der AfD zeigen Ihnen, dass es ihnen weder darum geht, dass es mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt gibt, noch darum, tatsächlich diese Probleme zu lösen. Die Gesellschaft, die Sie wollen – und das ist noch der beste Fall –, ist eine, in der jeder für sich alleine kämpft. Deshalb schüren Sie die Angst vor anderen und die Abgrenzung von all denen, die nicht ganz in Ihr Weltbild passen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Antrag zum Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit, den die AfD eingebracht hat, schließt genau da an. Er diskreditiert all diejenigen, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen – das hat auch Ihr Redebeitrag noch mal deutlich gemacht –, wenn Sie nicht nur die fachliche Qualifikation, sondern auch die Arbeit und den Einsatz der Menschen, die viel leisten für unsere Demokratie und dafür, dass wir einen stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhalt haben, in der Art und Weise abwerten und unterstellen, die Beteiligten an dieser Arbeit wären politisch gesteuert, oder ihnen noch absprechen, dass sie sich auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen, das ist nicht nur absurd, sondern es ist eine Unverschämtheit. Und ich denke, das ist eine Diskussion, die sie oder die katholische Kirche, die evangelische Kirche, die jüdische Landesgemeinde, der Verband der Wirtschaft Thüringens, der DGB oder die Bürgerbündnisse und andere Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft sicherlich auch noch mal mit Ihnen führen werden, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass die diese Unterstellung, sie werden gesteuert von Rot-Rot-Grün, oder auch von Schwarz-Rot – der Programmbeirat ist in der ver

gangenen Legislatur eingesetzt worden –, das kann ich mir nicht vorstellen, dass die sich diesen Vorwurf gefallen lassen werden.

Ich persönlich kann mir einen Beirat, der politisch breiter aufgestellt ist als der, den wir momentan haben, nicht vorstellen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das zeigt Ih- ren Horizont!)

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Sie hat wenigstens einen!)

Zu den Forderungen, die Sie darüber hinaus noch aufgemacht haben: Wir brauchen – und ich habe es ja schon gesagt – kein Programm gegen Extremismus, sondern wir brauchen ein Programm gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit,

(Beifall DIE LINKE)

weil das Problem, mit dem wir vor allem zu tun haben – und das sehen wir über das gesamte politische Spektrum hinweg – Abgrenzung und Diskriminierung ist. Die anderen Anspielungen auf die Einhaltung der Richtlinie einer Dokustelle – darauf bin ich gerade schon mal eingegangen –, das ist absurd. Bei der Frage zur politischen Einflussnahme im Programmbeirat – da ist man sich offensichtlich einig: Auf der einen Seite sagen Sie, es gibt zu viel politische Einflussnahme, auf der anderen Seite sagen Sie, es gibt offensichtlich zu wenig. Anders kann ich mir nicht erklären, warum die CDU möchte, dass Vertreterinnen dieses Hauses im Programmbeirat vertreten sind. Das ist einfach nicht sachgemäß, das ist ein Programmbeirat und das ist ein Programm der Zivilgesellschaft und keines von Politik. Genau da fängt nämlich politische Steuerung an.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Hören Sie doch mal mit Ihren Phrasen auf! „Zivilgesell- schaft“, was ist denn das?)

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Definieren Sie doch mal „Zivilgesellschaft“!)

Herr Möller, es ist einigermaßen erstaunlich, wie viel Unwissen Sie zum Landesprogramm haben angesichts der Tatsache, wie viele Kleine Anfragen Sie gestellt haben.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ich kenne Ih- re Definition nicht!)

Vielleicht tun Sie sich einen Gefallen und schauen Sie mal auf die Homepage, da können Sie nämlich noch eine Wissenslücke schließen. Wenn Sie wissen wollen, wie Anträge gestellt werden und wer über das Landesprogramm Projekte bewilligt bekommen hat, dann können Sie einfach auf die Seite www.denkbunt-thueringen.de gehen,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dann werden Sie die alle sehen – transparent und öffentlich. Genau so, wie es die Richtlinie macht, genau so wird es auf der Homepage kommuniziert, sodass es jederzeit für jeden nachvollziehbar ist. Aus diesen Gründen werden wir die Anträge sowohl der AfD als auch den Alternativantrag der CDU ablehnen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön, Frau Lehmann. Als Nächste hat Abgeordnete Henfling für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Zuschauerinnen und Zuschauer sowohl hier auf der Tribüne als auch am Livestream! Dankenswerterweise haben meine Kollegen Dittes und Lehmann hier schon sehr ausführlich und fundiert zum Landesprogramm ausgeführt. Wir hatten bereits am 30.06.2016 im Bildungsausschuss einen sehr ausführlichen Bericht der Ministerin zu diesem Komplex, unterstützt auch von den Mitarbeiterinnen des Ministeriums, die hier schon jahrelang eine sehr gute und fundierte Arbeit leisten, die immer ein sehr guter Ansprechpartner für sämtliche Probleme sind, die Trägerinnen und Träger mit ihrer Antragstellung oder auch mit der Durchführung ihrer Projekte haben. Darum möchte ich meinen Dank, den Frau Lehmann hier schon an alle zivilgesellschaftlich engagierten Menschen in diesem Land getätigt hat, erweitern und auch den Menschen danken, die im Ministerium diese Zivilgesellschaft seit Jahren unterstützen, übrigens unabhängig davon, welche Landesregierung hier gerade an der Reihe war.

(Beifall DIE LINKE)

Die AfD-Fraktion, ihr Antrag und auch der Redebeitrag, den Herr Höcke hier gehalten hat, agieren frei nach dem Motto: „Was ich selber sag’ und tu’, das trau ich auch den anderen zu!“ Herr Höcke, Sie haben hier heute eine Rede gehalten, die vor Denunziation gegenüber anderen Menschen, die sich in diesem Land engagieren, nur so strotzt. Auch Ihr Antrag, den ich an vielen Punkten wirklich hanebüchen finde, spricht genau diese Sprache. Sie sind diejenigen, die hier Menschen denunzieren

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) )

und die Sie aufgrund Ihres Engagements in eine Ecke stellen, wo Sie sie gern hätten, weil es nämlich nicht Ihre Meinung ist, die diese Menschen ver

(Abg. Lehmann)

treten. Sie stellen sich hier hin, gerieren sich hier ernsthaft als eine liberale Partei und unterstellen allen anderen

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Liberale Grundsätze, aber patriotisch! So viel Zeit muss sein!)

eine antiliberale Haltung. Es ist genau das Gleiche, was Sie tun, wenn Sie davon sprechen, dass Journalistinnen und Journalisten hier die Lügenpresse sind. Genau das Gleiche machen Sie gerade hier mit den Engagierten. Das Gleiche machen Sie hier mit wissenschaftlich arbeitenden Menschen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Alle diejenigen, die nicht bereit sind, Ihre Meinung einfach hinzunehmen und ihr nicht zu widersprechen, sind für Sie antiliberal und nicht wissenschaftlich.

(Unruhe AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das werden wir hier garantiert nicht unwidersprochen lassen. Die Krönung Ihrer Anträge und auch Ihrer Redebeiträge hier ist eigentlich nur noch der offene Brief, den Sie an Dr. Matthias Quent gerichtet haben. Ich interpretiere im Übrigen auch durchaus einen Ihrer letzten Sätze, gelinde gesagt, als Drohung. Ich zitiere aus diesem Brief, um das Niveau der Debatte hier aufzuzeigen: „Also nochmals herzlichen Glückwunsch, aber fangen Sie bitte bloß nicht an, zu langfristig zu planen. Sie wissen ja – noch gibt es Wahlen und außerdem eine Alternative. Die wird Ihnen frei nach dem alten DDR-Spruch hoffentlich spätestens 2019 ermöglichen, interessante Erfahrungen in der Produktion zu machen.“

(Zwischenruf Abg. Henke, AfD: Aus Ihrem Mund! Das wundert mich wirklich!)

(Heiterkeit AfD)