Protocol of the Session on August 11, 2016

(Heiterkeit AfD)

Unterzeichnet ist dieser Brief von Stefan Möller und Björn Höcke. Ich finde, das spiegelt sehr gut wider, wie Sie hier mit Menschen umgehen und

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wie Sie sozusagen wissenschaftlich arbeitende Menschen diskreditieren, nur weil sie sich eventuell auch mit Ihnen auseinandersetzen und zu der Erkenntnis kommen, dass auch Ihre Partei wahrscheinlich ein Problem mit Rassismus hat.

(Unruhe AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier ist auch schon sehr viel zum Landesprogramm gesagt worden. Als eine derjenigen in diesem Haus, die sich schon sehr lange mit dem Landesprogramm in unterschiedlicher Position auseinandergesetzt, die auch lange Zeit im Programmbeirat Anträge sowohl

kritisch mit begleitet hat als auch die Verfahrensweise dieses Programmbeirats kennt, möchte ich hier doch noch einmal zu der einen oder anderen Erhellung beitragen. Ja, der Programmbeirat entscheidet über Projektanträge. Das Landesprogramm ist deswegen übrigens so angelegt, dass man dort Anträge stellen kann, weil es eben nicht darum geht, dass die Politik oder die Landesregierung der Zivilgesellschaft diktiert, wie sie denn in diesem Land gegen die Phänomene der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, gegen Rechtsextremismus vorgeht, agiert, argumentiert, sondern weil es darum geht, Zivilgesellschaft zu stärken, und weil es darum geht, der Zivilgesellschaft den Raum zu geben, den sie braucht, um ein Klima zu schaffen, eine Gesellschaft zu schaffen, in der alle Menschen und alle Gruppen nebeneinander und miteinander leben können. Genau deswegen ist es nicht so, dass das Landesprogramm sagt: Passt mal auf, wir haben eine tolle Idee und wir schreiben euch jetzt mal was vor und ihr setzt das um. Sondern das Landesprogramm gibt einen Rahmen vor und innerhalb dieses Rahmens haben Trägerinnen und Träger und unterschiedliche Personengruppen die Möglichkeit, Projekte zu beantragen.

Natürlich werden diese Anträge wissenschaftlich begleitet und diese Leute, die dort Anträge stellen, beraten. Es ist auch schlicht und ergreifend falsch – das ist heute hier auch schon mehrfach gesagt worden –, dass sich das Landesprogramm lediglich auf Rechtsextremismus bezieht. Auch das müsste zumindest die CDU-Fraktion besser wissen, denn das Landesprogramm ist noch in der Fassung gültig, wie es Schwarz-Rot hier verabschiedet hat.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Sie halten sich nicht daran! Das ist das Problem!)

Ich wiederhole noch einmal, was ich davor gesagt habe: Ich glaube, wenn wir ein tief gehendes Problem mit dem sogenannten Linksextremismus in Thüringen hätten …

(Zwischenruf Abg. Muhsal, AfD: Der soge- nannte Linksextremismus – was ist das nun, Frau Henfling?)

Sie müssen mir noch mal die wissenschaftliche Fundiertheit dieses Begriffs erklären, aber das werden Sie nicht schaffen, weil Sie so viele wissenschaftliche Dinge nicht verstehen und das hier alles infrage stellen. Wissenschaft und Forschung scheinen so ein bisschen „bad“ zu sein, das ist zu viel Fortschritt für die AfD.

Wenn es diese Probleme so tief gehend, wie Sie sie hier permanent beschreiben, hier in Thüringen gäbe, dann gäbe es auch Trägerinnen und Projekte, die dazu beantragen können. Sie können es nämlich einfach tun. Sie können nämlich sagen: Wir haben hier in XY ein Riesenproblem mit dem sogenannten Linksextremismus und wir müssen dage

gen etwas tun. Interessanterweise sind die Projekte aber in den meisten Fällen auf die Frage von antidemokratischen Tendenzen, auf die Frage von rechtsextremen Problematiken ausgerichtet, die sich in unterschiedlichen Regionen stellen.

Niemand hat übrigens in den letzten Wochen jemals behauptet, dass sich die Dokumentationsstelle oder das Landesprogramm nicht auch um Radikalisierungstendenzen kümmern und sich damit beschäftigen soll, die beispielsweise im islamistischen Bereich stattfinden.

(Unruhe AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, den Koalitionsfraktionen ist das Problem durchaus bewusst. Wenn Sie tatsächlich den Moscheebau gleichsetzen mit Islamismus,

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Dann gucken Sie sich das doch mal an!)

dann sollten Sie doch einmal überlegen, ob Sie sich noch auf der Grundlage unserer Verfassung bewegen, wenn Sie hier Religionsfreiheit mit religiösem Extremismus gleichsetzen. Aber das ist in erster Linie Ihr Problem.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sowohl die Weiterentwicklung des Landesprogramms als auch die Einrichtung der Dokumentationsstelle ist hier mehrfach schon begründet und auch kritisiert worden – wenn Sie Ihre Ausführungen als ernsthafte Kritik werten wollen, dann sei Ihnen das gern so zugestanden.

Es geht nicht nur um die Frage des NSU-Komplexes, es ist hier mehrfach erwähnt worden, das ist auch richtig. Es ist eine Konsequenz aus dem NSU und es ist vor allen Dingen eine Konsequenz – das hat Kollege Dittes sehr gut ausgeführt – aus der Erfahrung der 90er-Jahre und der Frage: Wie konnten sich drei Menschen – der Kern des NSU, es gibt ja noch deutlich mehr – so massiv radikalisieren? Drei Menschen im Übrigen, die durchaus in der Mitte der Gesellschaft aufgewachsen sind.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Sie haben Fragen und keine Antworten!)

Wie konnten die sich so stark radikalisieren, dass sie am Ende Menschen ermordet, Überfälle begangen und Anschläge verübt haben? Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind der Überzeugung, dass wir zu diesen Fragen auch der Radikalisierung – wie kommt es also vom Wort zur Tat – noch nicht wissenschaftlich genug und fundiert genug Kenntnisse haben, wie diese Prozesse ablaufen und wie wir vor allen Dingen präventiv, aber auch interventionistisch dagegen vorgehen können und dafür sorgen können, dass Menschen sich nicht radikalisieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Notwendigkeit, sich vor allen Dingen mit dem Phänomen „Rechtsextremismus“ auseinanderzusetzen, muss ich Ihnen, glaube ich, nicht weiter erläutern. Wer einigermaßen aktuell Zeitung liest oder sich mit sozialwissenschaftlichen Studien – ich weiß, die AfD mag das mit der Sozialwissenschaft nicht, das finden die so ein bisschen „bäh“ – auseinandersetzt, der wird, glaube ich, nicht in Abrede stellen, dass wir uns mit diesem Phänomen auseinandersetzen müssen.

Auch die Frage der Projektvergabe an die Amadeu Antonio Stiftung ist hier mehrfach thematisiert worden. Ich möchte noch mal darauf verweisen, dass wir hier konkret einen Projektantrag hatten und es eben nicht um eine Vergabe ging, ganz im Gegenteil, zu Leistungen, die das Ministerium beispielsweise bei der wissenschaftlichen Begleitung oder auch bei der Frage der Evaluation einfordert. Die Projektanträge beschreiben ihre Projekte im Übrigen selbst. Das heißt, derjenige, der den Antrag stellt, beschreibt auch, wie er das Projekt umsetzt. Es ist nicht so wie bei einer Vergabe – auch das ist hier schon ausgeführt worden –, dass beispielsweise das Ministerium in dem Fall vorgibt, was es von den jeweiligen Bewerberinnen und Bewerbern an der Stelle erwartet, sondern dass die Projekte von den Trägerinnen und Trägern ganz konkret gestaltet werden.

Noch zwei Sachen zu dem, was Herr Tischner zum Programmbeirat gesagt hat. Der Programmbeirat besteht ja – und das übrigens auch schon seit der schwarz-roten Landesregierung – einmal aus der IMAG, also den Vertreterinnen aus den Ministerien und der Staatskanzlei, also insgesamt neun Vertreterinnen und Vertretern, vier Vertretern der Bürgerbündnisse, aufgeteilt nach den Planungsregionen, dem DGB, dem Verband der Wirtschaft, dem Thüringer Landkreistag, dem Gemeinde- und Städtebund, der katholischen Kirche, der evangelischen Kirche und der Jüdischen Landesgemeinde. Herr Tischner hat sich hier ja hingestellt und gemeint, es würde sich um Auflösungstendenzen dieses Programmbeirats handeln. Herr Tischner, das ist ein Gremium, in dem Menschen ehrenamtlich ihre Zeit verbringen. Ich kann mich an keinen Programmbeirat erinnern – vielleicht ist es auch falsch, dazu muss man ins Protokoll gucken, aber in den meisten Programmbeiratssitzungen hat der eine oder andere an dieser Stelle gefehlt.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Sie sind aber gut informiert!)

Ja, ich saß ja drin. Das haben Sie nicht mitbekommen, dass ich da eine Zeit lang drin saß.

(Beifall DIE LINKE)

Ich habe übrigens, und da komme ich gleich mal zu Ihrem Antrag, mit Aufnahme meiner Abgeordneten

tätigkeit den Sitz im Programmbeirat aufgegeben, und das aus gutem Grund.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Hat aber ins- gesamt nichts genutzt!)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wie dümmlich kann man eigent- lich bei einem Zwischenruf sein?)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Der war ganz unten, aber das wird nicht besser heute, glaube ich.

Es ist also grundsätzlich so, dass nicht immer unbedingt alle da sind. Diese Programmbeiratssitzungen können auch mal länger gehen, weil man nämlich über die Anträge dort auch sehr intensiv diskutiert. Das war immer eine sachliche Diskussion dort – deutlich sachlicher als die Redebeiträge, die ich heute hier gehört habe –, auch mit Menschen, mit denen ich durchaus nicht immer einer Meinung bin.

(Beifall DIE LINKE)

Man konnte immer mit denen reden und es war immer eine fundierte Auseinandersetzung und nicht diese unsachliche unwissenschaftliche Auseinandersetzung, die hier von einigen nach vorne gebracht wird. Das heißt also, es gibt keine Auflösungserscheinungen, sondern es ist ein ganz normales Phänomen, dass in so einem Gremium schlicht und ergreifend nicht immer alle da sein können, besonders wenn sie das ehrenamtlich tun. Die wissenschaftliche Beratung dieses Programmbeirats findet im Übrigen auch statt. Das übernimmt die Universität Jena mit dem KomRex, und auch das ist immer eine sehr hilfreiche Geschichte gewesen.

Jetzt komme ich zu dem Punkt im Alternativantrag der CDU. Sie wollen ja gerne, dass die Abgeordneten mit im Programmbeirat sitzen. Ich sage Ihnen: Genau das ist nicht Sinn und Zweck des Programmbeirats. Der Programmbeirat soll unabhängig arbeiten können und der Programmbeirat soll die Möglichkeit haben, insbesondere die Perspektive der Zivilgesellschaft zu spiegeln und dort auch entsprechend Hilfestellung zu geben. Da ist es, glaube ich, nicht von besonderer Relevanz und vor allem auch nicht hilfreich, wenn dort Abgeordnete mit drin sitzen und wenn dort parteipolitisch diskutiert wird. Das würde dem Programmbeirat nicht gut tun. Ich bin der Meinung, dass wir darauf sehr gut verzichten können. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass man über die Zusammensetzung des Programmbeirats natürlich diskutieren kann, wenn man sagt: Uns fehlt da eine gesellschaftlich relevante Gruppierung, die da mit rein muss. Natürlich kann

man darüber reden, ich habe aber bisher noch keinen konstruktiven Beitrag von Ihnen dazu gehört.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, noch ganz grundsätzlich zum Phänomen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. Ich habe das im Ausschuss schon versucht, ich versuche es auch noch mal. Ich versuche, es ein bisschen kürzer zu machen. Sie unterstellen, dass das Prinzip der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit aus Ihrer Sicht nicht wissenschaftlich ist.

Insbesondere die Universität Jena hat für die Überarbeitung des Landesprogramms empfohlen, sich von der Extremismustheorie abzuwenden, weil sie schlicht und ergreifend wissenschaftlich so nicht haltbar ist und weil sie vor allen Dingen relativ schwarz-weiß ist. Die Extremismustheorie orientiert sich daran, dass es rechts und links und eine gute Mitte gibt. Das ist aber nicht so. Gesellschaft ist nicht so linear. Das werden sie, glaube ich, sagen, sonst müssten wir ja sagen, na ja, das ist rechts, das heißt, sie würden sagen, die AfD und Sie sind quasi in der einen Ecke, das würden Sie vielleicht auch nicht so gut finden.

(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Sie sollten sich einfach mal durchlesen, was Extremis- mustheorie ist!)

Ich weiß, was Extremismustheorie ist, ich habe mich sehr lange damit auseinandergesetzt, Herr Voigt.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Aber nicht verstanden!)

(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Das muss man auch verstehen!)

Jetzt sind wir aber nicht mehr im Zwiegespräch, sondern in der Plenardebatte, und Frau Abgeordnete Henfling hat das Wort.

Vielleicht googeln Sie mal „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“, da finden Sie ziemlich schnell …

(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Ich google nicht, ich lese Bücher!)

Lieber Kollege Voigt, Frau Henfling hat das Wort. Ich bitte Sie, fortzufahren.