Protocol of the Session on June 23, 2016

Ich finde den Stolz eines Dorfes unglaublich wichtig, ein zentrales Element, weil die Menschen, ob 320, 170 oder 1.000, leben in diesem Dorf und identifizieren sich mit diesem Dorf. Ob sie dafür aber einen eigenständigen Haushalt brauchen, ob sie dafür eine Person als Bürgermeisterin brauchen, die dann sagt, ich bin die Bürgermeisterin, oder ob sie jemanden brauchen, der in der Gemeindesiedlung die Verantwortung trägt, dass man miteinander die Aufgaben erfüllt, darüber würde ich gern inhaltlich debattieren. Das würde ich gern am Beispiel der privilegierten Landgemeinde dann auch im inhaltlichen Diskurs sehen, weil ich überzeugt davon bin: Das dörfliche Leben macht sich vielmehr an der Frage fest, ob man eine Feuerwehr hat, ob der Kirmesverein funktioniert, wie der Friedhof angelegt ist und wie der Friedhof gepflegt wird. All das sind Dinge, die ein Dorf viel mehr interessieren als die Frage, ob wir eine große Gebietsreform machen und wie die Strukturen sind.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Aber das kostet alles Geld!)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wollte Sie nur ermuntern, noch mal bei Christine Lieberknecht nachzulesen. An dem Befund von vor sechs Jahren hat sich nichts geändert. Ich sage aus persönlicher Erfahrung: Das erste Mal habe ich 2004 bei einem Wahlkampf über Gebiets- und Verwaltungsreform geredet. Damals hat mich meine eigene Partei gebeten, das doch sein zu lassen, weil es kein Gewinnerthema wäre. 2009 haben wir – Kollege Kuschel und ich – sogar ein Papier vorgelegt, das hieß „Struk-Mod-09“, Strukturmodel 09. Da hat mir damals Dieter Hausold gesagt: Wenn du das vorliest, wenn du damit in die Pressekonferenz gehst, werden dir alle sagen: Die wollen die SEDBezirke wiederhaben.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Genau so!)

Und genau das stand am nächsten Tag in der Zeitung, genau das.

(Unruhe CDU)

In dem Moment, wo man anfängt zu sagen, es geht so nicht weiter, wird nur noch mit Totschlagargumenten gearbeitet.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber heute zu sagen „Schweinsgalopp“, nachdem zehn Jahre lang alle Tatbestände vorliegen, an denen sich nichts geändert hat – wir kriegen keine höhere Einnahmenquote außer der selbst erhöhten Steuerquote, die wir …

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Sie geben doch mehr aus! 1 Milliarde Euro Mehrausga- ben!)

Meine Damen und Herren, der Ministerpräsident hat jetzt das Wort. Herr Mohring, Sie können sich später melden, bitte.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das ma- che ich auch!)

(Beifall CDU)

Sehr geehrter Herr Mohring, es freut mich, wie viel Beweglichkeit Sie heute schon gezeigt haben. Ich bin froh, dass Sie durch unser vorgelegtes Gesetz endlich ermuntert worden sind, sich mit den Realitäten auseinanderzusetzen. Einen Punkt will ich nur mal klarstellen: Zu keinem Zeitpunkt hat die Landesregierung behauptet, dass die Funktional-, Verwaltungsund Gebietsreform am Beginn Geld spart.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Doch!)

Nein! Sie behaupten das immer. Wir haben zu keinem...

(Unruhe CDU)

Ja, das mit dem Nachdenken klappt ja noch nicht.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: 10 Prozent Rendite!)

Das stimmt, 10 Prozent Rendite können irgendwann rauskommen, wenn wir jetzt die Weichen stellen. Denn wenn man sich aufmacht, etwas zu verändern, kostet das Geld. Wir werden Geld in die Hand nehmen, um den Umbauprozess jetzt zu organisieren, weil wir am Ende des Tages – und das ist das, was Herr Dette in seinem Rechnungshofbericht klar beschrieben hat. Da können Sie sagen, na ja, Sie nehmen sich immer nur das, was Ihnen passt. Herr Dette hat gesagt: Wenn Sie die 9.000 Stellen abbauen wollen, dann müssen Sie jetzt die Weichen stellen und sagen, wo Sie neues Personal einstellen. Das heißt, dass bei der Frage

(Ministerpräsident Ramelow)

des altersbedingten Abgangs, weil kein einziger Bediensteter in Thüringen von der Kündigung bedroht wäre, die Frage, wen wir einstellen, voraussetzt, dass wir sagen, wo wir ihn einstellen und wofür wir ihn brauchen. Deswegen, lieber Herr Emde, ist die Frage nicht, ob wir Schulen schließen. Die Frage ist, ob wir das Bildungssystem mit den Standortstrukturen so verändern, dass eine Filialschule mit einer großen Schule gemeinsam verwaltet werden kann. Die Verwaltung endlich zu verändern und die Verwaltung auch elektronisch zu verbessern und damit Ressourcen langfristig einzusparen, das war das Ziel. Wir haben nicht behauptet …

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Henke, AfD: Haben Sie mal den Bürger gefragt?)

Ja, ja. Na ja, ich kann es Ihnen noch mal sagen, Herr Emde, Sie haben es offenkundig immer noch nicht verstanden, Thüringen ist das Bundesland mit der höchsten Anzahl an Bediensteten im öffentlichen Dienst in ganz Deutschland. Genau das möchten uns die wirtschaftsstarken westdeutschen Länder abziehen, weil sie sagen, wenn ihr eure Hausaufgaben nicht macht – und ihr habt sie 25 Jahre nicht gemacht.

(Unruhe CDU)

Ihr habt sie 25 Jahre lang nicht gemacht.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihr stellt euch jetzt hin und schmeißt mit Steinen und sagt, diejenigen, die sich jetzt bewegen, das sind diejenigen, die es falsch machen. Deswegen habe ich die Rede vom Juni 2010 einfach erwähnt, damit man sich nicht vergisst, damit man nicht diese Amnesie bekommt, die sich bei der CDU offenkundig breit gemacht hat, dass die Realitäten einfach Realität bleiben.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Auf keinen Fall!)

Ich bleibe bei der letzten Bemerkung, das will ich einfach sagen: Die Regionalisierungsmittel, die darüber entscheiden, ob wir noch Schienenverkehre haben oder nicht, Sie haben mir mehrfach öffentlich vorgeworfen, ich hätte falsch verhandelt.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: 200 Millio- nen kommen vom Bund. Das wurde von der Kanzlerin zugesagt. Wir haben das Geld be- sorgt!)

Sie sind einfach aberwitzig. Es ist einfach …

(Unruhe CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt macht es einfach keinen Sinn, weil der kleine Scheinriese Gernegroß Mike Mohring jetzt derjenige ist, der die Verhandlungen geführt hat. Es tut mir

leid, auf dem Niveau habe ich keine Lust, diese Debatte zu führen, weil Sie gar nichts gemacht haben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Außer zu twittern haben Sie nichts gemacht. Ich habe die Kollegen der neuen Länder dazu gebracht, dass wir gemein…

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Sie haben sich über den Tisch ziehen lassen!)

(Unruhe CDU)

Meine Damen und Herren, der Ministerpräsident hat das Wort. Ich bitte einfach darum, dass es jetzt kein Zwiegespräch wird. Wir sind in einer Debatte. Herr Mohring, ich bitte Sie herzlich.

(Unruhe CDU)

Lieber Prof. Hoff, ich hätte zur Kulturreform noch einen Beitrag zu liefern: Das größte Theater sitzt hier vorn. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Vertreter der Regierung, ich kann Ihnen nicht vorschreiben, was Sie sagen, aber für die Bemerkungen „perfide“, „gemein“, „hinterhältig“ hätte ich Ihnen als Abgeordneter einen Ordnungsruf erteilt.

(Beifall CDU)

Ich bitte einfach darum, dass die Regierung die Würde des Hohen Hauses genauso wahrt, wie ich das von allen anderen Abgeordneten erwarte, vor allen Dingen heute in dieser doch sehr bewegten Debatte.

Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Fiedler von der CDU-Fraktion das Wort.

(Unruhe im Hause)

(Beifall CDU; Abg. Henke, AfD)