Protocol of the Session on June 23, 2016

Ich bleibe noch mal dabei: Kollege Walk, ich bin gespannt, wie Sie sich dann bei der Frage Krauthausen verhalten. Ich bin gespannt, wie sich die Kollegen im Verhältnis dann zum Amt Wachsenburg verhalten. Ich könnte jetzt noch viele weitere Beispiele aufzählen. Am Beispiel Suhl bin ich gespannt, wann die Region sich mal aufmacht und sagt, dass Orte, die längst zusammengewachsen sind, auch gemeinsam entwickelt werden. Man erwartet immer, dass der eine den Defizitausgleich des anderen kriegt.

Ich bin vor Kurzem in einer 300-Seelen-Gemeinde gewesen, die haben jetzt Bedarfszuweisungen von 1,2 Millionen beantragt. Da habe ich gesagt, ihr seid doch als Dorf eigentlich so aufgestellt, dass ihr froh seid, wenn es bei euch schön aussieht, wenn der Friedhof in Ordnung ist, wenn die öffentlichen Anlagen gepflegt sind. Da sagen sie, das ist eigentlich unser dörfliches Leben, ist so geprägt. Aber die Bedarfszuweisung von 1,2 Millionen führt dazu, wenn man das mal 900 nimmt, dass wir mal lax eine Milliarde wieder obendrauf legen. Es ist die Frage, woher das Land das nehmen soll. Deswegen habe ich das an dem Beispiel der Kulturausgaben mal thematisiert und ich kann es gern an dem Beispiel Bildungsausgaben noch mal erläutern. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass die CDU überall gerufen hat, dass der Umbau der Berufsschulstruktur dazu führt, dass der ländliche Raum zerstört wird. Die Zahlen, die ich dazu genannt habe und die die Ministerin vor zehn Jahren dazu genannt hat, also zu dem Zeitpunkt, als die Rede geredet worden ist, hatten wir eine Ausgabe im Berufsschulwesen von 1.600 Euro pro Schüler pro Jahr für das Berufsschulsystem. Jetzt liegen wir bei 6.800 Euro pro Jahr pro Berufsschüler, und zwar nicht, weil die Lehrer jetzt extrem viel mehr Geld bekommen hätten oder weil die Schulen extrem teurer geworden sind, sondern weil keine Schüler drin sind. Das ist unser eigentliches Problem, darüber müssen wir reden. Wir haben 11.000 Ausbildungsplätze zurzeit in der Wirtschaft und nur 8.000 besetzt. Da liegt unser Zukunftsthema. Denn wenn wir die 11.000 nicht besetzt bekommen, wenn wir bis 2025 nicht die 200.000 gut ausgebildeten Facharbeiter haben, die allein nur den Altersabgang ausgleichen, dann werden wir den Wohlstand, den

wir derzeit haben, nicht erhalten. Dann wird man mal die Bürger fragen müssen, ob die Bürger es richtig finden, vor einer solchen Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform das Geld immer weiter aus den geringer werdenden Einnahmen des Landes zur Verwaltung der eigenen Bediensteten auszugeben. Da werden die uns irgendwann mal fragen: Was habt ihr denn da gemacht? Was seid ihr denn für Politiker? Deswegen, meine Damen und Herren, würde ich gern auch an dem Maßstab, den die Vorgängerregierung aufgestellt hat, gemessen werden.

(Beifall SPD)

Die Veränderungsprozesse können wir nur gemeinsam gestalten. Ich lade Sie dazu ein, mit besseren Ideen die Lösung der Thematik anzupacken, aber nicht einfach zu sagen: Wir verweigern uns. Und dass Sie jetzt, Herr Mohring – Entschuldigung, das kommt mir tief aus dem Herzen –, dass Sie heute ein glühender Vertreter von mehr direkter Demokratie sind – Entschuldigung, dass ich Ihnen das nicht abnehme.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe zu lange Erfahrungen mit Ihrer Partei zu dem Thema gemacht und ich habe damals die Verhandlungen mit der damaligen Landesregierung geführt und der Finanzvorbehalt war das zentrale Steuerelement, um die Bürger bei jeder Entscheidung außen vor zu halten. Ich würde mir einmal wünschen, wenn denn tatsächlich der Finanzvorbehalt fällt, dass wir dann die Bürger fragen, ob das Geld für die Beschäftigten, für den eigenen Apparat oder für die eigene Verwaltung ausgegeben wird oder ob das Geld für die Bürger ausgegeben wird

(Unruhe CDU)

und ob es für die Zukunft ausgegeben wird.

(Beifall DIE LINKE)

Entschuldigung, dass ich Ihnen dann einfach einmal sage: Es hilft uns nicht, wenn Sie immer wieder rufen, dass Berufsschulen, in denen nur noch 500 Schüler drin sind, nicht angefasst werden dürfen, obwohl Sie genau wissen, bei 1.000 oder 1.200 wäre die Größenordnung, wie man eine solche Berufsschule führen kann. Dasselbe gilt auch für unser gesamtes Schulnetz. Wir werden darüber reden müssen, weil uns die Westbundesländer das Monat für Monat aufs Butterbrot schmieren – Monat für Monat! Jeder, der hier vor mir Landesregierung war, weiß ganz genau, beim Länderfinanzausgleich ist das das Thema und bei der Frage Soli ist das das Thema: Was macht ihr mit dem Geld? In Nordrhein-Westfalen hat man Wahlkämpfe gemacht, dass im Osten die goldenen Wasserhähne wären. Da hat die 55-Prozent-Steuerquote keine Rolle gespielt. Da hat man die Armut der Westländer, der

(Ministerpräsident Ramelow)

Weststädte – gerade in Nordrhein-Westfalen – gegen den scheinbaren Reichtum im Osten gestellt. Wie wir aber zwischendrin unsere Aufgaben …

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Sie sagen al- so, Sie wollen Schulen schließen, habe ich das richtig verstanden?)

Herr Emde, NRW hat eine viel höhere Bevölkerungsdichte, das heißt – wissen Sie, Herr Emde, Sie wollen jetzt einfach nur ein Thema herausziehen, um zu sagen: Seht her, das haben die vor.

(Unruhe CDU)

Nein, Sie haben gesagt – Herr Emde, Sie …

Meine Damen und Herren!

Entschuldigung, Herr Emde, ich lasse mir auch von Ihnen auf eine perfide Art nicht das Wort im Mund herumdrehen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben bei der Rede von Christine Lieberknecht damals applaudiert und heute tun Sie so, als hätten Sie es nie gehört. Das finde ich janusköpfig und ich sage, es ist auch doppelbödig, was Sie machen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe CDU)

Zu den Berufsschulen gibt es dem Hohen Haus vorliegende Informationen. Sie haben doch gestern hier das Chaos beschrieben, Ihr Redner hat doch gestern das Chaos beschrieben.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das ist so!)

Ach, das ist so. Also, das heißt, Sie wollen für Berufsschulen weiterhin 6.800 Euro pro Schüler, pro Schule ausgeben. Wollen Sie das weiter? Wollen Sie das Geld weiter aus dem Fenster werfen, weil Sie sich jeder Reform verweigern? Sie setzen sich entspannt zurück und rufen immer: Keine Schulden machen. Sie sind doch derjenige, der immer ruft: Die Schuldenbremse muss in die Thüringer Verfassung. Heute muss direkte Demokratie in die Verfassung und die Schuldenbremse muss in die Verfassung. Merken Sie gar nicht, wie lächerlich Sie sind?

(Unruhe CDU)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um Ihren bitteren Zynismus – also ich kann es einmal so sagen, meine Damen und Herren: Ich habe am letzten Sonntag richtig Fröhlichkeit gehabt, als

ich die Kritik der CDU gehört habe, dass das Bildungsfreistellungsgesetz noch nicht umgesetzt ist. Da habe ich sogar Lachanfälle bekommen.

(Unruhe CDU)

Offenkundig will die CDU-Fraktion für Ihre Mitarbeiter ein Bildungsfreistellungsseminar einführen und wird daran gerade gehindert.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Monatelang haben wir gehört: Die Wirtschaft geht daran zugrunde. Jetzt haben wir es umgesetzt, jetzt ist es da, die ersten Seminare sind freigeschaltet

(Unruhe CDU)

und der CDU-Vertreter schreit: Es ist ja nicht da. Deswegen, meine Damen und Herren, ja, wir werden einen langen Diskussionsprozess, der zehn Jahre lang in Thüringen stattgefunden hat, heute abschließen. Wir werden ihn so abschließen, dass die nächste Etappe der Funktionalreform mit dem Maßstäbegesetz heute auf den Weg gebracht wird.

(Unruhe AfD)

Sie werden es nicht verhindern, nicht mal durch Taschenspielertricks. Sie werden es nicht verhindern. Sie werden nicht im Weg stehen, die Zukunftsfestigkeit dieses Landes sicherzustellen.

(Unruhe CDU)

Sie werden es nicht schaffen, weiterhin die Realitäten in diesem Lande zu verweigern. Meine Damen und Herren, Sie blenden völlig aus, was die Bevölkerung erwartet, wie in Zukunft die Serviceleistung unserer Verwaltung so bürgerfreundlich geschaffen wird, dass sie an jeder Stelle in diesem Land ihre Anfragen erledigen kann.

(Unruhe CDU)

Die Frage von E-Government ist etwas, das bei Ihnen die ganze Zeit nicht stattgefunden hat. Man kann über Gebietsreform nicht reden, wenn man nicht über Bürgerservicebüros redet.

(Beifall DIE LINKE)

Man kann über Gebietsreform nicht reden, wenn am Ende das Sich-selbst-Verwalten zu einem Sichselbst-in-Schach-Halten führt und Aufgaben nicht erledigt werden. Deswegen sage ich: Ja, wir werden beides tun, die Verwaltungsreform und die Gebietsreform miteinander verbinden. Einen Schritt gehen wir heute, die Architektur des zweiten Schrittes wird jetzt erkennbar und einen dritten kündige ich an, der liegt in beiden veranlagt, deswegen habe ich Herrn Walk angesprochen: die Frage der Stadt-Umland-Beziehung. Da bin ich gespannt, wie Sie sich dann verhalten werden. Da bin ich gespannt, ob Sie den Weg mitgehen, dass die Städte, die Oberzentren, die Mittelzentren gestärkt werden. Ich bin gespannt, ob Sie dann dem Verhältnis zwi

(Ministerpräsident Ramelow)

schen Gemeinden, Freiwilligkeit und der Entwicklung am Rande einer Stadt den Weg so ebnen, dass die Stadt und die Gemeinde gestärkt werden.

Eine letzte Bemerkung will ich machen, es liegt mir viel daran und da höre ich Frau Tasch immer sehr aufmerksam zu: Das Dorf muss Dorf bleiben. Und das Dorf wird Dorf bleiben,

(Beifall DIE LINKE)

weil die Regeln des Dorfes sich danach festmachen, dass man sagt: Wie leben wir in unserem Dorf?

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Da gehört das Geld dazu!)

Ich finde den Stolz eines Dorfes unglaublich wichtig, ein zentrales Element, weil die Menschen, ob 320, 170 oder 1.000, leben in diesem Dorf und identifizieren sich mit diesem Dorf. Ob sie dafür aber einen eigenständigen Haushalt brauchen, ob sie dafür eine Person als Bürgermeisterin brauchen, die dann sagt, ich bin die Bürgermeisterin, oder ob sie jemanden brauchen, der in der Gemeindesiedlung die Verantwortung trägt, dass man miteinander die Aufgaben erfüllt, darüber würde ich gern inhaltlich debattieren. Das würde ich gern am Beispiel der privilegierten Landgemeinde dann auch im inhaltlichen Diskurs sehen, weil ich überzeugt davon bin: Das dörfliche Leben macht sich vielmehr an der Frage fest, ob man eine Feuerwehr hat, ob der Kirmesverein funktioniert, wie der Friedhof angelegt ist und wie der Friedhof gepflegt wird. All das sind Dinge, die ein Dorf viel mehr interessieren als die Frage, ob wir eine große Gebietsreform machen und wie die Strukturen sind.