Protocol of the Session on June 23, 2016

Die Federführung soll auch beim Innen- und Kommunalausschuss liegen. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Vielen Dank. Gegenstimmen? Enthaltungen? Das ist mit übergroßer Mehrheit bei 2 Enthaltungen beschlossen. Vielen Dank.

Wir schließen diesen Tagesordnungspunkt und ich rufe auf die Tagesordnungspunkte 9, 10 und 25

Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreform in Thüringen

(Abg. Müller)

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/2000 dazu: Beschlussempfehlung des Innen- und Kommunalausschusses - Drucksache 6/2344

dazu: Änderungsantrag des Abgeordneten Krumpe (frak- tionslos) - Drucksache 6/2134

dazu: Änderungsantrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/2345

dazu: Entschließungsantrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Drucksache 6/2217

dazu: Entschließungsantrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Drucksache 6/2337

dazu: Entschließungsantrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/2341

dazu: Entschließungsantrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/2346

ZWEITE BERATUNG

Sechstes Gesetz zur Änderung der Thüringer Kommunalordnung (Gesetz zur Stärkung der Verwaltungsgemeinschaften) Gesetzentwurf der Fraktion der AfD - Drucksache 6/2123 ZWEITE BERATUNG

Thüringen zukunftsfähig machen – Verwaltungs- und Funktionalreform auf den Weg bringen Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/1992 dazu: Alternativantrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/2179

Das Wort zur Berichterstattung aus dem Innen- und Kommunalausschuss zu TOP 9 hat Herr Abgeordneter Dittes. Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine Damen und Herren, eigentlich hatte ich vor, die Vertreter der

kommunalen Spitzenverbände zu begrüßen – da betreten sie wieder den Plenarsaal. Seien Sie uns herzlich willkommen, Herr Rusch, Herr Budde und auch die Vertreterinnen der AG Selbstverwaltung für Thüringen e. V. Herzlich willkommen!

Ich darf Ihnen den Bericht des Innenausschusses zum Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreform in Thüringen geben, ein Gesetzentwurf der Landesregierung, den diese am 12. April 2016 dem Thüringer Landtag vorlegte.

Das Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreform in Thüringen dient, so die Begründung, der gesetzlichen Verankerung der mit dem Leitbild „Zukunftsfähiges Thüringen“ vorgesehenen Ziele und Vorgaben der Reform. Ziel der Gebietsreform ist demnach die Bildung leistungs- und verwaltungsstarker Gebietskörperschaften in Thüringen, die den an sie gestellten Herausforderungen insbesondere im Bereich der kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben dauerhaft gewachsen sind. Die Landkreise und Gemeinden in Thüringen sollen eine größere Gestaltungskraft in einem größeren Hoheitsgebiet mit einer höheren Einwohnerzahl entwickeln und damit den Bedürfnissen der örtlichen Gemeinschaft in den Gemeinden und den überörtlichen Erfordernissen in den Landkreisen besser gerecht werden können. Sie sollen ihre Selbstverwaltungsaufgaben umfassender, selbstständiger und wirtschaftlicher erfüllen können. Gleichzeitig sollen die Möglichkeiten für bürgerschaftliches Engagement und die ehrenamtliche Wahrnehmung von gemeinwohlorientierten Aufgaben dauerhaft gesichert werden. Zudem sollen zentralörtliche Strukturen gestärkt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Der von der Landesregierung vorgelegte Gesetzentwurf enthält unter anderem folgende Maßgaben: Landkreise sollen mindestens 130.000 und höchstens 250.000 Einwohner haben und eine Fläche von 3.000 Quadratkilometern nicht überschreiten. Kreisfreie Städte sollen mindestens 100.000 Einwohner aufweisen und durch Eingliederung von Umlandgemeinden gestärkt werden, soweit dies der Neubildung der Landkreise nicht entgegensteht. Kreisangehörige Gemeinden sollen mindestens 6.000 Einwohner haben. Die Bildung, Änderung und Erweiterung von Verwaltungsgemeinschaften sowie die Übertragung von Aufgaben der Verwaltungsgemeinschaft sind ausgeschlossen. Oberund Mittelzentren sollen durch Eingliederungen vergrößert werden. Jede neu gegliederte Gemeinde soll so strukturiert sein, dass sie die Funktion eines Zentralen Ortes übernehmen kann. Eine Freiwilligkeitsphase für Gemeindeneugliederungen ist bis zum 31. Oktober 2017 vorgesehen. Im Gesetz sind Strukturbegleithilfen und Zuschüsse im Rahmen freiwilliger Gemeindeneugliederungen für die Gemeinden vorgesehen und die Mindesteinwohner

(Präsident Carius)

zahlen für Landkreise, kreisfreie Städte und kreisangehörige Gemeinden sollen die Gebietskörperschaften dauerhaft, aber mindestens bis zum Jahr 2035 nicht unterschreiten. Darüber hinaus enthält der Gesetzentwurf Änderungsvorschläge für die Thüringer Kommunalordnung, insbesondere zur Stärkung des Ortsteil- und Ortschaftsrechts.

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf wurde vom Landtag in seiner 47. Sitzung am 21. April 2016 federführend an den Innen- und Kommunalausschuss, mitberatend an den Haushalts- und Finanzausschuss sowie an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz überwiesen. Nach Beschlussfassung über die Durchführung einer mündlichen Anhörung gemäß § 79 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags wurden die von den Fraktionen Die Linke, SPD und Grüne sowie teilweise die von der Fraktion der CDU vorgeschlagenen Anzuhörenden, ergänzt um die Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern Ost- und Südthüringen, bei einer Enthaltung bestätigt. Bei einer Enthaltung wurde ein paralleles schriftliches Anhörungsverfahren der im Übrigen vorgeschlagenen Anzuhörenden, ergänzt um die kommunalpolitischen Vereinigungen der im Landtag vertretenen Parteien sowie ergänzt um sämtliche Landräte und Oberbürgermeister der kreisfreien Städte, beschlossen. Die Frist für die Abgabe der Stellungnahme im schriftlichen Anhörungsverfahren wurde am 21. April 2016 auf den 3. Juni 2016 festgesetzt und betrug somit sechs Wochen. Die mündliche Anhörung wurde für den 9. Juni 2016 terminiert. Die Anhörungsfrist betrug somit für die mündlich Angehörten, unter ihnen auch die kommunalen Spitzenverbände, sieben Wochen. Der Ausschuss erörterte Möglichkeiten einer umfangreichen Teilnahme der Öffentlichkeit an dieser öffentlichen Sitzung und traf entsprechende Festlegungen. Gegen den Vorschlag des Ausschussvorsitzenden, im Vorfeld der Anhörung mögliche Änderungsanträge zur Übermittlung an die mündlich Anzuhörenden bis zum 3. Juni 2016 vorzulegen, erhob sich im Ausschuss kein Widerspruch.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Aber es wurde nicht abgestimmt!)

Am 2. Juni 2016 legten die Fraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen einen Änderungsantrag zum Gesetzentwurf der Landesregierung vor, der unmittelbar am selben Tag den kommunalen Spitzenverbänden mit der Bitte um Einbeziehung in die am 9. Juni 2016 vorzutragenden Stellungnahmen zur Kenntnis gegeben wurde. Mit Schreiben vom 6. Juni 2016 bzw. vom 7. Juni 2016 beantragten sowohl der Gemeinde- und Städtebund Thüringen als auch der Thüringische Landkreistag eine Verlängerung der Anhörungsfrist zum Änderungsantrag bis zum 7. Juli 2016 bzw. um vier Wochen. Durch die Landtagsverwaltung wurde auf Wunsch des Ausschussvorsitzenden umgehend

den kommunalen Spitzenverbänden am 7. Juni mitgeteilt, dass eine Fristverlängerung bis zum 20. Juni 2016 beabsichtigt, diese jedoch durch den Innenund Kommunalausschuss noch zu beschließen sei.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Welch große Gnade!)

In seiner 26. Sitzung am 9. Juni 2016 entschied der Innen- und Kommunalausschuss dann mehrheitlich, den Anträgen der kommunalen Spitzenverbände insofern zu entsprechen, als dass die Frist zur ergänzenden Anhörung zum Änderungsantrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen sowie zu gegebenenfalls weiteren Änderungsanträgen auf den 20. Juni 2016 neu festgesetzt wird. Gegen die daraufhin erfolgte Ankündigung einer außerplanmäßigen Sitzung des Innenund Kommunalausschusses für den 21. Juni 2016 mit dem Ziel der Beschlussfassung über die Beschlussempfehlung erhob sich ebenfalls kein Widerspruch. Der Ausschuss hat zudem in seiner 24. Sitzung beschlossen, den Gesetzentwurf am 25. April 2016 bis zum 2. Juni 2016 in das OnlineDiskussionsforum des Thüringer Landtags einzustellen und somit einer Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zu eröffnen, ihre Auffassung in das Gesetzgebungsverfahren einfließen zu lassen. 48 Beiträge im Online-Forum des Thüringer Landtags sind eingegangen, die sehr differenzierte Bewertungen zum Gesetzentwurf enthielten.

Meine Damen und Herren, im Rahmen des schriftlichen Anhörungsverfahrens wurden insgesamt 29 Stellungnahmen abgegeben und im mündlichen Verfahren erreichten den Ausschuss 20 schriftlich verfasste Stellungnahmen. Leider machten von den insgesamt 25 eingeladenen Sachverständigen nur acht von der Möglichkeit Gebrauch, dem Ausschuss ihre Stellungnahme mündlich vorzutragen und mit den Abgeordneten zu diskutieren. Dabei handelte es sich um den Gemeinde- und Städtebund Thüringen, den Thüringischen Landkreistag, den Thüringer Landesrechnungshof, den Verein Selbstverwaltung für Thüringen e. V., die IHK Ostthüringen, die IHK Südthüringen, den tbb beamtenbund und tarifunion thüringen e. V. sowie die Rechtsanwaltskanzlei Halm & Preßer, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Richard Dewes.

Die über zehn Stunden dauernde öffentliche Anhörung des Innen- und Kommunalausschusses am 9. Juni 2016 verfolgten teilweise mehr als 400 Gäste.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, für die Geduld und die, Herr Fiedler, letztlich überwiegende Disziplin möchte ich mich hiermit bei allen

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Bei dem Vorsitzenden fällt das schwer!)

beteiligten Abgeordneten, der Landesregierung, allen Gästen und – ich denke, auch im Namen des Ausschusses dabei sprechen zu dürfen – insbesondere auch bei der Landtagsverwaltung für die gute organisatorische Vorbereitung und Durchführung recht herzlich bedanken.

(Beifall DIE LINKE)

In seiner mündlich vorgetragenen wie auch in der umfangreichen schriftlichen Stellungnahme begrüßte der Gemeinde- und Städtebund Thüringen, dass sich die Landesregierung zum Ziel gesetzt habe, in der laufenden Legislaturperiode ein Konzept zu erarbeiten, das eine Grundlage für die zumindest mittelfristige Weiterentwicklung kommunaler Gebietsstrukturen darstellen soll. In den vergangenen Jahren habe eine solche Planungs- und Handlungsgrundlage gefehlt. Kritisiert wird hingegen, dass die aus Sicht des Spitzenverbands notwendige Verfahrenstrias von erstens Aufgabenkritik, zweitens Funktionalreform und drittens Struktur- und Gebietsreform nicht eingehalten wird. Unbeantwortet sei auch die Frage, ob die Landesverwaltung im Rahmen der beabsichtigten Kommunalisierung zwei- oder dreistufig organisiert werde. Hinsichtlich der Begründetheit der Zulässigkeit der auf der Grundlage des Vorschaltgesetzes vorzunehmenden Bestandsänderung bringt der Gemeinde- und Städtebund den Zweifel eines Großteils der Thüringer Kommunen zum Ausdruck. Der Gemeinde- und Städtebund bezeichnete es als wenig überzeugend, dass die gelebte und gewachsene Praxis der 69 Verwaltungsgemeinschaften und 39 erfüllenden Gemeinden in Thüringen infrage gestellt werden muss. So sei der Nachweis, dass das Modell der Verwaltungsgemeinschaften ineffizient sei und sich nicht hinreichend bewährt habe, noch nicht erbracht.

(Beifall CDU)

Nach den Erfahrungen des Spitzenverbands habe es sich stattdessen bewährt, den kommunalen Körperschaften in Abhängigkeit der jeweiligen Gegebenheiten vor Ort und gegebenenfalls im Einklang mit einem Gesamtkonzept die Wahl ihrer Verwaltungsstruktur zu überlassen. Ferner forderte der Gemeinde- und Städtebund die Landesregierung auf, mit Inkrafttreten des Vorschaltgesetzes eine Karte mit künftig geltenden Kreisgrenzen zur Voraussetzung der Gewährung der Freiwilligkeitsphase für kooperationsbereite Gemeinden vorzulegen. In der mündlichen Anhörung betonte der Präsident des Gemeinde- und Städtebunds, Herr Bürgermeister Brychcy, die bereits in der schriftlichen Stellungnahme zum Ausdruck gebrachte Forderung nach Vorlage einer transparenten, nachvollziehbaren und belastbaren Gesetzesfolgenabschätzung der Landesregierung zur beabsichtigten kommunalen Gebietsreform und betonte aber gleichzeitig, dass man

eine Gebietsreform nicht grundsätzlich blockieren wolle.

Der Thüringische Landkreistag verweist in seiner schriftlichen wie auch mündlich vorgetragenen Stellungnahme darauf, dass es im Landkreistag auch Befürworter von grundsätzlichen Reformen gibt, nicht aber in dieser Form. Die große Mehrheit lehne eine Veränderung der Kreisgrenzen auf Basis des Regierungsentwurfs ab. Die Ablehnung betrifft insbesondere die vorgesehenen Einwohner- und Flächengrößen, aber auch die Regelung, dass neue Landkreise durch Zusammenschluss bestehender Landkreise entstehen sollen. Begründet wird die im Landkreistag mehrheitlich bestehende Ablehnung des Gesetzentwurfs damit, dass es keine Freiwilligkeitsphase geben soll, und mit dem Umstand, dass keine Strukturbeihilfen für Landkreise vorgesehen sind. Ferner wurde vorgetragen, dass es nach Ansicht des Spitzenverbands keine Aufgabenkritik mit einer anschließenden Funktionalreform gebe und dass die Auflösung und Neugliederung der Landkreise nicht zu Einsparungen, sondern zu hohen Kosten führen wird. Die Ablehnung wird auch mit der aus Sicht der Landkreise viel zu kurz bemessenen Zeitschiene begründet.

(Beifall CDU, AfD)

Der Thüringer Rechnungshof machte darauf aufmerksam, dass er sich wegen der demografischen Entwicklung und finanziellen Gegebenheiten bereits mehrfach für eine umfassende Aufgabenkritik und Verwaltungsreform, die auch eine Gebiets- und Funktionalreform einschließt, ausgesprochen hat.

(Beifall DIE LINKE)

Er hält an seiner Auffassung fest, dass eine Verwaltungs- und Gebietsreform unverzichtbar ist, um Thüringen zukünftig effektiv und effizient verwalten und regieren zu können.

(Zwischenruf Abg. Kräuter, DIE LINKE: So ist das!)

Das Vorschaltgesetz soll den Gemeinden verbindliche Orientierung für freiwillige Zusammenschlüsse geben. Letztlich müsse, soweit es das öffentliche Wohl erfordere, die Strukturänderung später auch zwangsweise durchgesetzt werden. Die kommunale Selbstverwaltung sei nach Ansicht des Rechnungshofs nicht schrankenlos, sondern nur in einer leistungsfähigen Struktur geschützt. Diese Leistungsfähigkeit bestehe bei kleinen Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften nach Prüfung des Rechnungshofs derzeit nicht. Diese seien demnach nicht in der Lage, die ihnen obliegenden Aufgaben rechtskonform wahrzunehmen. Erheblich größere Einheiten seien verwaltungsökonomisch durchaus geboten. Der Gesetzentwurf sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, es bleibe aber mit Blick auf Struktur- und Funktionalreform weiterer Handlungs- und Regelungsbedarf.

Weitere Anzuhörende wie der Gemeindeund Städtebund kritisierten die aus ihrer Sicht fehlende Trias von Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform.

(Beifall CDU, AfD)

Der Verein Selbstverwaltung für Thüringen e. V. verwies darauf, dass die bürgerschaftliche Selbstverwaltung und Teilhabe übermäßig beschränkt würde, und lehnte insbesondere die vorgesehene Weiterentwicklung von Verwaltungsgemeinschaften zu Einheits- und Landgemeinden ab.

(Beifall CDU, AfD)