Freistaats erklärt hatte, heißt es unter anderem: „Die Verwaltungsgemeinschaften stoßen strukturell bei der Bewältigung der Zukunftsaufgaben an ihre Grenzen. Deshalb sollen die Institute der erfüllenden Gemeinde und der Verwaltungsgemeinschaft nach einem Übergangszeitraum nicht fortgeführt werden.“ Aus diesem Grund wurde im Jahr 2008 das Modell der Landgemeinde als Kompensation für die Verwaltungsgemeinschaft eingeführt. – Für die Zuschauerinnen und Zuschauer an dieser Stelle: Die CDU führte damals eine Alleinregierung. – Mit Landtagsbeschluss vom 15. Dezember 2011 wurde dann nochmals festgestellt, dass die Institute der Verwaltungsgemeinschaft und der erfüllenden Gemeinde künftig keinen Vertrauensund Bestandsschutz mehr genießen und ihre Weiterentwicklung zu Landgemeinden angestrebt wird. „Die Bildung und Änderung von Verwaltungsgemeinschaften [...] sollen künftig nicht mehr erfolgen.“ – so der Landtag in seinem Beschluss von 2011, Landtagsdrucksache 5/3798.
Auch an diesem Beschluss war die Fraktion der CDU, der der Abgeordnete Fiedler heute immer noch angehört, beteiligt. Auch wenn das so manchem Beteiligten nicht mehr in Erinnerung zu sein scheint.
Vielen Dank, Herr Minister. Sie wissen, Herr Minister, dass alle Beschlüsse eines Landtags in der Legislatur, in der sie gefasst wurden, automatisch verfallen. Da können Sie das noch so oft wiederholen, damit wird es nicht besser.
Herr Abgeordneter Fiedler ist ein erfahrener Kämpe in der Landtagsdebatte und er weiß, dass ich als ehemaliger stellvertretender Leiter des Wissen
schaftlichen Dienstes auch dieses Hauses die Geschäftsordnung sehr gut kenne. Aber Sie wissen auch, dass Sie dafür gesorgt haben, dass der Beschluss in der letzten Legislaturperiode nicht mehr umgesetzt werden konnte.
(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Das heißt, sie haben ihre eigenen Beschlüsse gar nicht umgesetzt?)
So will ich festhalten: Bisher mangelte es am politischen Willen, die Beschlüsse, die hier im Hohen Haus über Jahre gefasst worden sind, überhaupt umzusetzen. Und mit der Überarbeitung bzw. mit der Überleitung von Verwaltungsgemeinschaften in Einheits- und Landgemeinden setzen wir nunmehr das in die Tat um, was im Grunde bereits die Enquetekommission in der 4. Legislaturperiode gewollt hat und von der Expertenkommission in der 5., also der letzten Legislaturperiode bestätigt wurde. Von daher hatten wir bereits eine mehr als achtjährige Freiwilligkeitsphase. Seitdem hat sich einiges getan. Seit dem Jahr 2009 wurden – Herr Abgeordneter Mohring betont das auch immer – insgesamt 100 Gemeinden aufgelöst, 13 Landgemeinden neu gebildet und dies wird auch durch die Landesregierung natürlich zur Kenntnis genommen und es gehört auch zu unserer Historie und zu unserem Selbstverständnis. Dennoch müssen die Strukturen so gebündelt werden, dass sie dauerhaft leistungsfähig sind und unseren Bürgerinnen und Bürgern den Service bieten können, den sie wünschen und der auch notwendig ist.
Die Konzentration der vergangenen Jahre auf nahezu ausschließliche freiwillige kommunale Neugliederung hat nicht immer und nicht flächendeckend zu dem gewünschten Ergebnis einer nachhaltigen strukturellen Verbesserung geführt. Die Defizite der Verwaltungsgemeinschaften wurden auch vom Landesrechnungshof in seiner aktuellen Stellungnahme bestätigt. Nach seiner Auffassung kann – im Gegenteil – bereits jetzt von einem strukturellen Missstand gesprochen werden. Bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs haben wir die Vor- und Nachteile der Verwaltungsgemeinschaften und mögliche Alternativen wie beispielsweise der Verbandsgemeinde sorgfältig abgewogen. Für die Landesregierung steht auch im Ergebnis der Anhörung nach wie vor fest: Die örtliche Gemeinschaft entfaltet dann die größtmögliche Selbstverwaltungs- und Leistungskraft, wenn sie dem Grundtyp der sich selbst verwaltenden und umfassend leistungsfähigen Gemeinde entspricht.
Eine Alternative zu den Einheits- und Landgemeinden sieht die Landesregierung mit Blick auf die Ziele der Gebietsreform nicht.
Weiter wurde im Rahmen der Anhörung die Reihenfolge von geplanten Reformschritten von verschiedenen Seiten moniert. Es wurde argumentiert, dass zumindest eine Aufgabenkritik nötig sei, der im zweiten Schritt eine Funktionalreform folgen müsse. Erst auf dieser Basis könnten in einer Gebietsreform die künftigen Kommunalstrukturen festgelegt werden. Wir haben uns dafür entschieden, die drei Reformteile parallel umzusetzen. Dieser Weg ist auch notwendig, weil wir in den vergangenen Legislaturperioden – ich habe es bereits ausgeführt – viel Zeit verloren haben, Zeit, die uns jetzt fehlt. Nun stehen die lange absehbaren finanziellen Einschnitte, die Thüringen mit Wegfall des Solidarpakts II und mit den Einschränkungen bei den EUFördermitteln im nächsten Jahrzehnt drohen, unmittelbar bevor.
Die Auswirkungen auf die Finanzausstattung der Kommunen ist absehbar. Das kann niemand bestreiten. Vor allem aber dient die Gebietsreform in erster Linie der Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Gemeinden und Landkreise im Bereich der Selbstverwaltung. Sie ist keine bloße Folgeerscheinung der Aufgabenübertragung im Rahmen einer Verwaltungs- und Funktionalreform und deshalb auch aus sich heraus tragfähig. Das ändert nichts an der Notwendigkeit einer gleichzeitig durchzuführenden Funktional- und Verwaltungsreform. Wir arbeiten hier in der Landesregierung Hand in Hand.
Auch auf fehlende Regelungen im Gesetzentwurf zu Rechtsverhältnissen der betroffenen Bediensteten wurde in der Anhörung hingewiesen. Hierzu halte ich fest, dass die grundlegenden Fragen für Beamte und Angestellte gesetzlich geregelt sind, sei es im Rahmen des Thüringer Beamtengesetzes oder auf der Basis einer Gesamtrechtsnachfolge bzw. eines Betriebsübergangs. Soweit darüber hinaus noch Regelungsbedarf besteht, kann diesem im Rahmen der kommenden Neugliederungsgesetze Rechnung getragen werden. Hierbei werden die gewerkschaftlichen Spitzenorganisationen selbstverständlich eingebunden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, Bürgernähe und die Möglichkeit der bürgerschaftlichen Teilhabe hat die Landesregierung mit besonderer Gewichtung bei der Erarbeitung der Leitvorstellungen des Gesetzentwurfs für das Vorschaltgesetz und der Auswertung des Anhörungsverfahrens in den Blick genommen. Die vorgesehenen Strukturvorgaben, insbesondere die Größenmaßstäbe, wurden auf der Basis einer Abwägung zwischen den Zielen der Gebietsreform und den Vor- und Nachteilen der verschiedenen Regelungsoptionen für die bürgerschaftliche Teilhabe gewählt. Dabei wurde berücksichtigt, dass einerseits ein
Spannungsverhältnis zwischen Verwaltungseffizienz und Bürgernähe besteht und andererseits die wirksame Teilnahme der Bürger an den kommunalen Angelegenheiten aber eine hinreichend leistungsund verantwortungsfähige Selbstverwaltungssubstanz voraussetzt. Im Hinblick auf die Ebene der Landkreise wurden die Größenvorgaben im Vergleich zu den anderen Bundesländern eher im unteren Bereich bzw. im Mittelfeld angesiedelt. Insbesondere die maximale Flächengröße von 3.000 Quadratkilometern ist geeignet, die ehrenamtliche Tätigkeit auch zukünftig zu gewährleisten.
Auch. Wir sind in diesem Bereich am unteren – natürlich sind die Landkreise in Mecklenburg, Sachsen-Anhalt deutlich größer, in Sachsen übrigens auch.
Auch bezüglich der Gemeindeebene haben wir die Größenvorgaben im Vergleich zu anderen Bundesländern eher zurückhaltend gewählt. Sie stellen aus unserer Sicht ein sachgerechtes Abwägungsergebnis und Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel der Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Gemeinden und der Erhaltung der ehrenamtlichen Tätigkeit und der Bürgernähe dar. Ich möchte auch nochmals darauf hinweisen: Weder steigen die Wegstrecken für Behördengänge durch die Gebietsreform ins Unermessliche, noch gehen Ortsnamen verloren. Gerade auch im Interesse von guten Erreichbarkeiten soll beispielsweise jede neu gegliederte Gemeinde so strukturiert sein, dass sie die Funktion eines Zentralen Orts übernehmen kann. Auch deshalb haben wir die Flächen der neuen Landkreise – Herr Abgeordneter Voigt – beschränkt. Selbstverständlich wird weiterhin jeder Ort seinen Namen nach wie vor auf dem Ortsschild vorfinden, gegebenenfalls jedoch ergänzt durch den Namen der neuen Gemeinde, zu der er dann gehört.
Zur Stärkung der Voraussetzung der bürgerschaftlichen Teilhabe wurden zudem mit Artikel 2 des Entwurfs des Vorschaltgesetzes das Ortsteilrecht und das Ortschaftsrecht gestärkt. Hierdurch werden insbesondere die Identität der einzelnen Ortsteile und Ortschaften sowie die Möglichkeit der ehrenamtlichen Betätigung gestärkt. Um unsere Bürgerinnen und Bürger intensiv an dem Reformprozess zu beteiligen, planen wir, wie bereits auch vom Abgeordneten Adams vorhin beschrieben, ein sogenanntes Bürgergutachten und voraussichtlich noch in diesem Herbst werden wir aus repräsentativ ausgewählten Bürgern vier Planungsgruppen bilden, die eigene Empfehlungen für die künftige Gestalt des Freistaats erarbeiten sollen. Das Bürgergutachten wollen wir Anfang kommenden Jahres der Öffentlichkeit vorstellen. Um ein größtmögliches Einvernehmen aller Betroffenen zu erreichen, haben die
Gemeinden zunächst die Möglichkeit, in einer Freiwilligkeitsphase kommunale Neugliederungen selbst auf den Weg zu bringen, und zwar bis zum 31. Oktober 2017. Ich appelliere an dieser Stelle an alle Verantwortungsträger, hiervon regen Gebrauch zu machen. Die Landesregierung wird diesen Prozess beratend begleiten und finanziell fördern. Erst nach Abschluss der Freiwilligkeitsphase wird sich der Gesetzgeber der möglicherweise dann noch verbliebenen Gebietskörperschaften annehmen und selbst leitbildgerechte Fusionen herbeiführen.
Herr Innenminister, ist Ihnen bewusst, dass von allen Landkreisen, die es in ganz Deutschland gibt – und ich habe jetzt nur mal die 40 flächenmäßig größten rausgesucht –, es gerade mal sechs Landkreise gibt, die mehr als 3.000 Quadratkilometer groß sind, und der Rest deutlich kleiner ist? Ist das eine Grundlage der Beweisführung, die Sie hier gerade an den Tag legen?
Diese Überprüfung kann ich jetzt wiederum nicht überprüfen, die Sie gerade gemacht haben. Wahrscheinlich googeln Sie währenddessen,
Wir haben Obergrenzen geschaffen sowohl bei den Einwohnern und alle diese Grenzen, die wir diskutiert haben, bewegen sich doch am unteren Maß dessen, was die Wissenschaft, aber auch die Politik bisher diskutiert haben und was die Nachbarn dort gerade machen.
(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Welche Wissenschaft? Sagt das Ihr Herr Professor? Ihr Professor, der 1.500 Euro am Tag kos- tet?)
Also warten Sie doch mal ab. Ich glaube, dass wir ein vernünftiges Maß für Thüringen gefunden haben. Ich will noch mal erinnern – Herr Abgeordneter Mohring, Sie brauchen sich nicht aufregen –,
die Expertenkommission der letzten Legislaturperiode, in der wir beide in Verantwortung gestanden haben, hat Größenordnungen für die Gemeinden von 10.000 vorgeschlagen und das haben wir deutlich reduziert mit unserer Größenordnung, die wir jetzt haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich danke ganz besonders den regierungstragenden Fraktionen für ihre sachdienlichen Änderungsvorschläge. Die Änderungsvorschläge der Regierungskoalition entsprechen der Intention des Gesetzentwurfs der Landesregierung und ergänzen diesen vor allem im Interesse der Kommunen des Landes. So kann beispielsweise mit der vorgesehenen Erweiterung der Ortschaftsrechte für einen befristeten Zeitraum das Zusammenwachsen von Landgemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern in einem größeren Zeitraum ermöglicht und damit erleichtert werden. Die Landesregierung unterstützt diesen Vorschlag ausdrücklich.
Nicht folgen kann ich dem Änderungsantrag der CDU-Fraktion. Die vorgeschlagenen reduzierten Größenvorgaben für Landkreise und Gemeinden sowie die noch zusätzlich geplanten Ausnahmekriterien scheinen willkürlich. Die Bezugnahme auf die Einwohnerzahlen des Jahres 2015 lassen im Übrigen daran zweifeln, dass die notwendigen Effekte in der Zukunft überhaupt erreicht werden können. Die Anträge der CDU bewegen sich insoweit in der Vergangenheit.
Zu folgen ist ebenso wenig dem Entschließungsantrag der CDU-Fraktion in Drucksache 6/2341, denn diesem Antrag wird bereits mit dem Entschließungsantrag der Koalition in Drucksache 6/2337 entsprochen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu dem seitens der Fraktion der AfD vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Verwaltungsgemeinschaften hatte die Landesregierung bereits im Rahmen der Plenarsitzung am 19. Mai 2016 in erster Lesung ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen der hier in Rede stehende Gesetzentwurf abzulehnen ist. Nicht nur, dass der Gesetzentwurf nur eine bruchstückhafte Erweiterung der Regelungen der Aufgabenübertragung auf die Verwaltungsgemeinschaften vorsieht, er greift auch kommunalverfassungsrechtlich und kommunalpolitisch zu kurz.
Das trifft im Wesentlichen auch für den Antrag der AfD-Fraktion „Thüringen zukunftssicher machen“ zu. Er geht inhaltlich an der Sache vorbei.
Wie ich bereits deutlich gemacht habe, geht die Gebietsreform nicht aus dem Vorhaben einer Verwaltungs- und Funktionalreform hervor, sondern stellt vielmehr ein eigenes, ein selbstständiges Vorhaben
dar, das unseren Kommunen die benötigte Leistungsfähigkeit für das Jahr 2035 bringen soll. Sie sollen auch in Zukunft ihre Selbstverwaltungsaufgaben bestmöglich wahrnehmen können. Aus diesen Gründen kann dem Antrag der AfD aus Sicht der Landesregierung nicht entsprochen werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Ergebnis all dessen, nach sorgfältiger Abwägung aller Argumente und unter Würdigung der eingegangenen bzw. vorgetragenen Stellungnahmen zu dem Entwurf des Vorschaltgesetzes für die Durchführung der Gebietsreform ist nach Überzeugung der Landesregierung eine umfassende Gebietsreform in Thüringen dringend geboten. Das heute in zweiter Lesung zu beratende Vorschaltgesetz und die Änderungsanträge der Koalition weisen hier den richtigen Weg.