An der Stelle kann ich nur eines sagen: Sie hätten das noch mal überdenken können. Aus unserer Sicht ist das so nicht mitzutragen. Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen Abgeordnete, mit der Gebiets- und Funktionalreform sollen zukünftig leistungs- und verwaltungsstarke Einheiten geschaffen werden. Das heißt im Umkehrschluss, dass offensichtlich die untersten Verwaltungsebenen zum aktuellen Zeitpunkt ineffizient arbeiten und schwach aufgestellt sind – das gilt es zu beweisen.
Beispielsweise geht aus einer aktuellen und belastbaren Studie hervor, dass die Behörden die Digitali
sierung mehr fürchten als die Bewältigung der momentanen Flüchtlingssituation. Bei genauerem Hinschauen kann die Ineffizienz der Kommunen und Landkreise tatsächlich am Stand der Digitalisierung und Prozessoptimierung abgeleitet werden. In diesem Bereich herrscht seit Jahren, seit einem Jahrzehnt, seit mehr als einem Jahrzehnt ein völliger Stillstand, sowohl technisch als auch mental. Genau dieser Stillstand führt dazu, dass keine noch so ernsthaft betriebene Aufgabenvollzugskritik eine signifikante Effizienzsteigerung im Sinne der Zweckmäßigkeit und der Wirtschaftlichkeit mit sich bringt, da diejenigen Strategen, die in einer Thüringer Kommunalbehörde sitzen, mehrheitlich noch immer dem antiquierten Weber‘schen Bürokratiemodell anhängig sind.
Die Kommunen haben es verpasst, sich gemäß dem neuen Steuerungsmodell zu reformieren. Mir fällt es persönlich ganz schwer zu glauben, dass die Verwaltungen, so wie sie jetzt sind, in absehbarer Zeit die Kraft besitzen, sich zu einer modernen und leistungsfähigen Verwaltung zu wandeln, um die gesellschaftlichen Anforderungen an eine zeitgemäße und vor allem schlanke Verwaltungsstruktur zu erfüllen.
Mal zum Vergleich: Estland hatte in den 90er-Jahren ähnliche Herausforderungen wie alle ostdeutschen Länder, also auch Thüringen, nämlich eine Verwaltung von Grund auf neu aufzubauen und dabei die kommunale Selbstständigkeit zu berücksichtigen. Der Unterschied besteht heute darin, dass die estnischen Verwaltungen europaweit die Spitzenreiter im Sinne von Effizienz und Bürgernähe sind und die Thüringer Kommunen selbst im Deutschlandvergleich das Schlusslicht bilden. Estland ist beim Thema „Verwaltungsinformatik“ der Maßstab und der gilt ausnahmslos und auch für Thüringen.
Jetzt kommen wir zur Schwäche. Die Schwäche der Kommunen und Landkreise kann man daran messen, dass die überwiegende Mehrheit der untersten Verwaltungsebenen weder willens noch in der Lage sind, im Sinne der Bürger Ordnung in ihre finanziellen Ressourcen zu bringen. Wenn die Kommunalbehörden die Bürger durch Sparen und Abgabenerhöhungen zur Bewältigung ihrer finanziellen prekären Situation stärker belasten wollen, dann sollten sie ihre finanzielle Lage erst einmal transparent machen und nachweisen, dass sie die knappen finanziellen Ressourcen auch tatsächlich effizient einsetzen. So viel zum Stichwort „Schlusslicht Thüringen“ bei der Umsetzung der doppischen Haushaltsführung.
Weil die Kommunen ineffizient und schwach sind, ist es wichtig und richtig, Verwaltungsreformen zeitnah zu stimulieren. Über die Stärke eines solchen Stimulationsreizes kann man diskutieren. In diesem Punkt hätte ich mich persönlich für einen schwä
cheren Reiz ausgesprochen, nämlich die landesweite Einführung der doppischen Haushaltsführung. Eine solche obligatorische Einführung hätte möglicherweise dazu geführt, dass die Gemeinden von innen heraus überzeugt gewesen wären, sich mit Nachbargemeinden zu verheiraten, da ihre Leistungskraft durch einen tatsächlichen Ressourcenverbrauch oder durch interkommunale Vergleichsringe kennzahlengestützt schwarz auf weiß sichtbar gewesen wäre.
Liebe Kollegen, Reformen anzugehen und erfolgreich umzusetzen ist bei einer intrinsischen Motivation stets erfolgreicher, als wenn äußere Umstände einen zu Reformbemühungen zwingen. Ich halte aber nichts davon, ein solches großes und nachhaltiges Projekt über zwei Legislaturen zu schleppen. Deshalb werde ich heute dem Gesetz definitiv meine Unterstützung geben.
Die betroffenen Gebietskörperschaften sollten dieses Gesetz zum Anlass nehmen, um den Karrierewettbewerb zwischen ihren Beschäftigten neu zu beleben, Wege für flexible und lebensphasenorientierte Arbeitszeitmodelle zu ebnen, eine Trennung zwischen Fach- und Führungskarrieren einzuführen, aber auch über Employer Branding nachzudenken. Wenn das Personalmarketing in der Verwaltung nicht grundlegend neu überdacht wird, dann halten sich der Veränderungswille und die Veränderungsbereitschaft der Verwaltungsmitarbeiter in Grenzen und das hat das Potenzial, jegliche Reformbemühungen in einem Desaster enden zu lassen. Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Krumpe. Weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir nicht vor, sodass ich Herrn Innenminister Poppenhäger für die Landesregierung das Wort erteile.
Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, sehr verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich danke für die engagierte Debatte, ich danke auch noch mal für den Redebeitrag von Ihnen, Herr Abgeordneter Krumpe. Ich habe das Wort „intrinsisch“ verstanden oder „intrensisch“? Wir gehen dem noch mal nach. Ich habe verstanden, dass es auf die eigene Motivation ankommt, nicht auf eine externe, so würde ich sagen. Ich habe auch vom Abgeordneten Fiedler etwas Wichtiges heute wieder gehört. Es ist immer hilfreich, auch der Opposition zuzuhören. Herr Abgeordneter Fiedler hat in einer ausgesprochenen Deutlichkeit klargemacht,
wohin es am Beispiel Eisenach führen kann, wenn man ausschließlich auf die Freiwilligkeit orientiert, nämlich, dass man dann im Einzelfall Entscheidungen nachher rückgängig machen muss.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der 4. Wahlperiode arbeitete vom 9. November 2005 bis zum April 2009 die Enquete-Kommission. In einer bereits seit der 4. Legislaturperiode geführten Diskussion zur Verbesserung der kommunalen Struktur im Lande stehen wir jetzt vor einer wichtigen Weichenstellung. Es liegt nunmehr in den Händen des Parlaments, den Weg zu bestimmen, wie wir unseren Freistaat zukunftssicher aufstellen können. Es ist ja die letzten Monate vor allem diskutiert worden, es ist viel diskutiert worden und ich erinnere auch an den Beschluss des Landtags hier im Haus bereits vom Februar 2015 über die Zukunft des Freistaats – in all den Debatten wurde eines deutlich: Niemand bezweifelt ernsthaft die Notwendigkeit von Veränderungen. Die regierende Koalition aus Linke, SPD und Grünen steht in der Pflicht, diesen von vielen längst als bedrückend empfundenen Reformstau endlich aufzulösen. Es ist unsere Verantwortung, Thüringen den Weg in die Zukunft zu ebnen. Wir haben nie einen Zweifel daran gelassen, dass wir diese Verantwortung auch wahrnehmen wollen.
Das Vorschaltgesetz schafft die Grundlage dafür, dass die kommunalen Verwaltungsstrukturen den veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden. Es ist das Fundament für dauerhaft leistungsund verwaltungsstarke Gebietskörperschaften.
Der vorliegende Gesetzentwurf basiert auf einer Vielzahl von umfassenden und tiefgehenden Prüfungen. Dazu hat die Landesregierung die einschlägigen Erfahrungen in Thüringen ausgewertet und dabei auch die Erkenntnisse im Zusammenhang mit den kommunalen Neugliederungen der letzten Jahre berücksichtigt. Die Grundlage unserer Arbeit waren insbesondere auch statistische Erhebungen, wie zum Beispiel die erste regionalisierte Bevölkerungsvorausberechnung des Thüringer Landesamts für Statistik. Auch die in diesem Zusammenhang bedeutsamen Berichte, wie der Demografiebericht 2011, der Bericht der Expertenkommission Funktional- und Gebietsreform aus dem Jahr 2013 und die Prüfberichte des Thüringer Rechnungshofs haben wir der Erarbeitung des Vorschaltgesetzes zugrunde gelegt. Die Landesregierung hat darüber hinaus auch gutachterliche Beratung in Anspruch genommen. Beteiligt wurden vor allem die kommunalen Spitzenverbände, für deren konstruktive Mitwirkung ich mich nochmals ausdrücklich bedanken möchte. Wir sind in einen gesellschaftlichen Diskussionsprozess eingetreten mit zahlreichen kommunalen Verantwortungsträgern, mit Interessenvertretern sowie
Bürgerinnen und Bürgern. Natürlich haben wir auch die Entwicklung in anderen Bundesländern intensiv verfolgt und die Ergebnisse ihrer Reform in unsere Überlegungen einbezogen. Die von der Landesregierung vorgeschlagenen Grundzüge der Gebietsreform sind bekannt. Sie liegen Ihnen zum Gesetzentwurf für das Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreform in Thüringen vor und wurden heute auch schon mehrfach beschrieben. Auch am Ende des Diskussionsprozesses um das Vorschaltgesetz halten wir an den von der Landesregierung vorgeschlagenen und umfassend abgewogenen Eckpunkten der Gebietsreform fest. Selbstverständlich wurden die bei jedweden Reformvorhaben unvermeidlichen kritischen Stimmen ernst genommen und die vorgetragenen Bedenken sorgfältig geprüft.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, neben den kommunalen Spitzenverbänden kamen zahlreiche Experten und Interessenvertreter im Rahmen der mündlichen und schriftlichen Anhörung zu Wort, so unter anderem der Verein Selbstverwaltung für Thüringen, die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern, der Thüringer Rechnungshof, der Bund der Steuerzahler sowie der Thüringer Beamtenbund. Die rege Beteiligung zeigt das große Engagement der Verantwortungsträger. Gemeinsam ringen um die Zukunft des Landes! Auch hierfür bedanke ich mich ausdrücklich.
Die Landesregierung hat alle in diesem Rahmen eingegangenen Stellungnahmen geprüft, vorgetragene, vorgeschlagene Alternativen nochmals abgewogen und bewertet. Hinterfragt wurden zunächst die Geschwindigkeit der Gebietsreform und die generelle Notwendigkeit einer Landesneugliederung. Ich sage es hier noch einmal in aller Deutlichkeit: Mit der Gebietsreform reagieren die Landesregierung und der Landtag auf Herausforderungen, vor denen Thüringen bereits seit Jahren steht und die sich in Zukunft noch verstärken werden, teils dramatisch. Der Abgeordnete Dittes hat das bereits ausgeführt. Von den jungen Frauen, um ein Beispiel zu nennen, die aus unserem Freistaat weggegangen sind, um etwa in den neuen Bundesländern, in alten Bundesländern ein neues Leben zu beginnen, können wir keine Kinder bekommen. Es fehlt uns damit nahezu eine Generation im Land. Zwischen 1990 und 2014 hat Thüringen 455.000 Einwohner verloren. Die Bevölkerung Thüringens wird bis 2035 um weitere rund 300.000 Personen zurückgehen und zugleich altert die Bevölkerung. Im Jahr 2035 werden circa 35 Prozent älter als 65 Jahre sein und die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wird um 400.000 Personen zurückgehen. Damit sinkt auch das Steueraufkommen. Die Finanzmittel, die dem Land nicht mehr zur Verfügung gestellt werden, können natürlich auch nicht
an die Kommunen weitergereicht werden. Ihnen allen sind ja diese geänderten Rahmenbedingungen auch bekannt. Das Vorschaltgesetz, das wir heute beraten, ist die Reaktion darauf. Es dient als Basis dafür, dass die Landkreise und Gemeinden dauerhaft in der Lage sind, die ihnen obliegenden Aufgaben in geordneter Haushaltswirtschaft sachgerecht, bürgernah, rechtssicher und eigenverantwortlich wahrzunehmen. Gesichtspunkte der Verwaltungseffektivität und -effizienz sind dabei ebenso zu beachten wie die Sicherstellung der bürgerschaftlich demokratischen Teilhabe.
Der Landesrechnungshof hat im Rahmen seiner Finanzstatusprüfung für die Jahre 2011 bis 2015 zu Recht darauf hingewiesen, dass die Haushaltssituation der meisten Thüringer Landkreise in dem betrachteten Zeitraum solide und die dauernde Leistungsfähigkeit nur bei wenigen Landkreisen gefährdet bzw. nicht mehr gegeben war. Aber auch unter Berücksichtigung dieser Ergebnisse des IstZustands durch den Thüringer Rechnungshof bleiben wir dabei, dass mit Blick auf die zukünftigen Herausforderungen eine Gebietsreform auch und gerade für die Landkreise und kreisfreien Städte unverzichtbar ist. Die derzeitige Situation der Landkreise, die auch nach Ansicht des Rechnungshofs durch niedrige Zinsen und steigende Steuereinnahmen begünstigt wurde, hat nur eine begrenzte Aussagekraft, denn der Finanzstatusbericht trifft keine Aussage darüber, ob im Hinblick auf die Zukunft aufgrund der Konsolidierungsbedarfe und der demografischen Entwicklung eine Gebietsreform auf Landkreisebene geboten ist. Im Gegenteil: Der Rechnungshof weist selbst in seiner aktuellen Stellungnahme darauf hin, dass er eine Gebietsreform bei den Landkreisen für geboten hält. Im Übrigen hat die Landesregierung in der Begründung zum Vorschaltgesetz darauf hingewiesen, dass derzeit die Ausgangsbedingungen für die Anpassung der Kommunalverwaltung noch verhältnismäßig günstig sind. Sowohl das Land als auch die Kommunen verfügen momentan über eine vergleichsweise gute finanzielle Ausgangssituation. Auch die personelle Ausstattung der Kommunalverwaltung ermöglicht gegenwärtig eine erfolgreiche Vorbereitung und Durchführung der Gebietsreform.
Das gegenwärtige Reformtempo ist dabei erforderlich, weil die Zeit für eine Reaktion sehr begrenzt ist. Zum einen wird bereits ab dem Jahr 2019 mit dem Auslaufen der Regelung zum Solidarpakt II eine Verschlechterung der Einnahmesituation des Landes eintreten, die übrigens dann auch Auswirkungen – ich sagte es bereits – auf die finanzielle Ausstattung der Kommunen haben wird. Auf diese Entwicklung hat die Mehrheit der übrigen neuen Bundesländer bereits mit einer entsprechenden Gebietsreform reagiert und neben uns ist Brandenburg auch gerade dabei, eine solche Gebietsreform vor
Zum anderen ist bereits in den nächsten Jahren mit einer deutlichen Verringerung des kommunalen Personalbestands durch Verrentung oder durch Pensionierung zu rechnen. Laut dem aktuellen Finanzstatusbericht des Landesrechnungshofs wird rund ein Fünftel bis ein Viertel der Beschäftigten in den Landkreisverwaltungen innerhalb der nächsten zehn Jahre aus dem Dienst ausscheiden. Somit haben wir nur noch einen begrenzten Zeitraum, in dem die personelle Ausstattung der öffentlichen Verwaltung eine erfolgreiche Vorbereitung und Durchführung der Reform zulässt.
Von mehreren Seiten wurde in der Debatte auch die Sorge geäußert, dass erhebliche Kosten durch die Gebietsreform zu erwarten seien und dass die reformbedingten Leistungssteigerungen und Synergieeffekte nicht eintreten könnten. In diesem Zusammenhang weise ich nochmals darauf hin, dass bei der Gebietsreform nicht eine Kostenreduzierung und das Streben nach Effizienzrenditen im Vordergrund stehen. Vielmehr haben wir die dauerhafte Erhaltung der Leistungs- und Verwaltungskraft der Kommunen im Blick und dafür machen wir diese Reform. Wir wollen erreichen, dass unsere Bürgerinnen und Bürger nicht nur heute eine gute Verwaltung vorfinden, sondern genauso im Jahre 2035.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, werte Abgeordnete, der Veränderungsbedarf wird deutlich, wenn wir über unser schönes Land schauen. Wer über das Land fährt, dem bietet sich ein ganz unterschiedliches Bild. Da liegen top sanierte Orte mit ausgelasteten Kindergärten, florierenden Gewerbegebieten neben Dörfern mit jetzt schon sehr deutlichem Leerstand. Dort ist sehr deutlich zu spüren, was passiert, wenn vor Ort kaum noch jemand wohnt. Die vorhandene Infrastruktur in den bisherigen Größenordnungen wird zum Problem. Deshalb müssen wir neu ansetzen, um einheitliche Lebensbedingungen in unserem Land auch für die Zukunft zu wahren. Darüber haben sich auch Landesregierungen und Parlamente der vergangenen Legislaturperioden Gedanken gemacht. Wir haben aber heute das Problem, dass sie dabei auf der Hälfte des Weges stehen geblieben sind und keine konkreten Lösungen vorgeschlagen haben. Deswegen ist es jetzt unsere Aufgabe, leistungsfähige Gebietskörperschaften zu schaffen und nicht erst darauf zu schauen, was in Euro und Cent in den nächsten Jahren eingespart werden kann.
Die älter werdende Bevölkerung wird die Verwaltung vor ganz andere Aufgaben stellen. Darauf müssen wir uns vorbereiten, und zwar jetzt. Wir wollen unsere Heimat zukunftsfest machen. Durch die im Vorschaltgesetz vorgesehenen Strukturbe
gleithilfen und die Förderung freiwilliger Gemeindeneugliederungen entsteht für den Landeshaushalt ein Finanzmittelbedarf in Höhe von circa 155 Millionen Euro. Ein großer Teil dieser Gelder dient dabei der Schuldentilgung. Die übrigen Kosten der Gebietsreform, insbesondere die einmaligen Umstellungs- und Anpassungskosten, sind derzeit im Einzelnen nicht zu beziffern. Das war in anderen Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen ähnlich, wie man in den Gesetzesbegründungen dort selbst sehen kann. Einerseits hängen die Umsetzungskosten von einer Vielzahl individueller Parameter und Einzelfallentscheidungen auf der Ebene der betroffenen Landkreise und Gemeinden ab. Andererseits stehen den Umsetzungskosten, die mittel- und langfristig zu erwarten sind, Synergieeffekte gegenüber. Durch ihre Nutzung wird es auch möglich sein, die fusionsbedingten Kosten auszugleichen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe mir erlaubt, auch die bisherigen Neugliederungsgesetze Thüringens noch mal anzuschauen, die die CDU ja mit zu verantworten hat. Eine Kostenfolgenabschätzung habe ich dabei nicht gefunden, auch nicht deklaratorisch. Zur Frage einer finanziellen Förderung auf der Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte lassen Sie mich ausführen: Ja, im Rahmen von Kreisgebietsreformen in anderen Bundesländern wurden unter anderem sogenannte Anschubfinanzierungen gewährt. Ob und inwieweit bei der aktuellen Reform der Landkreise und kreisfreien Städte finanzielle Unterstützung durch das Land gewährt werden kann, wird im Rahmen des konkreten Neugliederungsgesetzes in der künftigen Haushaltsaufstellung zu prüfen sein.
Zu den beabsichtigten Leistungsverbesserungen und Synergieeffekten hat die Landesregierung bereits in der Begründung des Vorschaltgesetzes ausführlich ausgeführt. Auch der Landesrechnungshof geht in seiner Stellungnahme davon aus, dass Einspareffekte in einer Höhe erzielt werden können, die die Umsetzungskosten übersteigen. Er bezieht sich dabei auf Gutachten und Analysen, welche die Skaleneffekte von Strukturvergrößerungen belegen. Er stützt dabei die Einschätzung der Landesregierung, dass eine Gebietsreform unverzichtbar ist, um Thüringen zukünftig effektiv und effizient verwalten zu können. Der Landesrechnungshof bejaht in seiner Stellungnahme ausdrücklich die Vorteile größerer Verwaltungseinheiten. Insbesondere fehlt es demnach den Verwaltungsgemeinschaften in kleinen Gemeinden vielfach an Verwaltungskraft, um rechtskonform zu handeln und die notwendigen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen. Größere Gemeinden sind hingegen deutlich besser in der Lage, ausreichend qualifiziertes Personal mit höherer Spezialisierung vorzuhalten.
Landkreise keine Freiwilligkeitsphase vorgesehen ist. Diese Ungleichbehandlung im Vergleich zu den Gemeinden könne einen Verfassungsverstoß nahelegen. Aus Sicht der Landesregierung gibt es mehrere sachliche Gründe für den Verzicht auf eine Freiwilligkeitsphase zugunsten der Landkreise:
1. Es bestehen auf der Kreisebene nur begrenzte Fusionsmöglichkeiten. Es ist deshalb geboten, den Anforderungen einer landesweit ausgewogenen und sinnvollen Entwicklung Rechnung zu tragen.
2. Die Gliederung der Landkreise ist nicht allein für diese selbst von Bedeutung, der Kreiszuschnitt berührt auch die Interessen der Gemeinden und deren Neugliederungsoptionen. Dies alles spricht dafür, nicht ausschließlich den Landkreisen die Neugliederungsentscheidung zu überantworten.
3. Das Ziel einer Landkreisgebietsrefom ist zugleich der Ausgleich bestehender regionaler Unterschiede durch Fusion von Landkreisen unterschiedlicher Wirtschafts-, Finanz- und Leistungskraft. Im Falle einer Freiwilligkeitsphase bestünde die Gefahr der Verstärkung bestehender Unterschiede durch den Zusammenschluss von jeweils finanziell starken und finanziell schwachen Landkreisen, ohne Korrekturmöglichkeit durch Regierung und Parlament in der gesamtstaatlichen Verantwortung.
Zu beachten ist auch, dass fast alle Landkreise bereits Beschlüsse gefasst haben, in denen eine Landkreisneugliederung abgelehnt wird. Eine Freiwilligkeitsphase wäre daher in diesem Fall kaum sinnvoll. Denn die Mehrzahl der Landkreise kann aufgrund eigener Beschlüsse gar keine freiwilligen Fusionen mehr in Erwägung ziehen. Ich werde im Rahmen von Kreisbereisungen im Vorfeld der Erarbeitung von Neugliederungsvorschlägen das Meinungsbild in den Landkreisen aufnehmen und vor Ort diskutieren. Darüber hinaus werden die Landkreise selbstverständlich auch die Möglichkeit erhalten, zu den für Herbst 2016 angekündigten ersten Vorstellungen aus meinem Haus zur Neugliederung der Landkreise und kreisfreien Städte Stellung zu nehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wiederholt wurde auch Kritik an der geplanten Abschaffung der Verwaltungsgemeinschaften geübt. Es wurde darauf verwiesen, dass viele der Verwaltungsgemeinschaften gut arbeiten. Das Alternativmodell der Verbandsgemeinde sei nicht hinreichend geprüft. Erinnern wir uns: Der Thüringer Landtag hat bereits in einem Beschluss von 2008 festgestellt, dass die Verwaltungsgemeinschaften strukturelle Defizite aufweisen. In dem Leitbild für starke und bürgernahe Gemeinden in Thüringen, das der Landtag im Jahr 2008 zur Grundlage für die Entwicklung der künftigen Gemeindestruktur des