Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frau Abgeordnete Holbe, ich würde im Hinblick auf Mecklenburg-Vorpommern folgendes Angebot machen: Wir warten mal, bis die dort mit ihrer Evaluation fertig sind. Das Kabinett wird beraten, ich denke, in absehbarer Zeit. Und dann schauen wir uns das genau an. Ich bin auch gern bereit, das zusammen mit Ihnen zu tun. Aber Sie sollten nicht schon vorher die Ergebnisse vorwegnehmen, die es noch gar nicht gibt. Und ich will Sie auch daran erinnern, meine Damen und Herren von der CDUFraktion, dass dieser Landtag den vielbeklagten Vorschlag der Landesregierung zur Umwandlung der Verwaltungsgemeinschaften in Einheits- und Landgemeinden im Jahr 2011 mit breiter Mehrheit beschlossen hat.
Und dieser Landtag würde sich doch wohl freuen, wenn es mal eine Landesregierung gibt, die auf den Rat ihres Landtags hört.
Der öffentliche Diskurs, das will ich noch mal deutlich hier an diesem Pult sagen, Frau Abgeordnete Tasch, hat nicht erst mit den Regionalkonferenzen begonnen. Der öffentliche Diskurs läuft seit zehn Jahren.
Und die Regionalkonferenzen, auch das will ich sagen, haben sich bewährt, weil sie landkreisübergreifend stattgefunden haben. Es wurde landkreis
übergreifend diskutiert und nicht nur innerhalb eines ortsbezogenen Bereichs, wie einige das gern tun würden, sondern es konnten die regionalen Interessen und die regionalen Besonderheiten herausgearbeitet werden. Daneben wurden zahlreiche Gespräche geführt. Zur künftigen Struktur nennen möchte ich die Gespräche mit Bürgermeistern, mit Oberbürgermeistern, mit Landräten, aber auch mit den kommunalen Spitzenverbänden.
Nach der Beschlussfassung des Kabinetts zum Entwurf des Vorschaltgesetzes gestern – das will ich Ihnen gern ankündigen – wird es auch noch intensiver mit den Gesprächen weitergehen. So werden natürlich bis zum zweiten Kabinettsdurchgang des Gesetzentwurfs die kommunalen Spitzenverbände und weitere Interessenvertretungen gehört. Gespräche mit Mandatsträgern und Verantwortlichen, Interessierten, aber auch den Medien werden fortgesetzt. Am kommenden Freitag werde ich zum Beispiel mit den Lesern der Zeitung „Freies Wort“ über ihre Vorstellungen, die sie dort dokumentiert haben, und über das künftige Aussehen ihrer Region diskutieren. Die SüdThüringer-Fränkische Bürgerinitiative e.V., die mir geschrieben hat, und die fränkische Initiative Henneberg-Itzgrund-Franken e.V. habe ich bereits zu mir ins Ministerium eingeladen, um auch mit ihnen über die Reform zu reden. Die haben da auch sehr weitgehende Vorstellungen, wie Sie wissen. Weiter werde ich an einer Regionalkonferenz der Partei der Linken in Südthüringen teilnehmen,
die dort auch eine öffentliche Diskussion zum Reformvorhaben plant. Im Altenburger Land steht ein Treffen mit dem Oberbürgermeister der Stadt an. Ich werde mir vor Ort ein Meinungsbild über die Diskussionen auch im Landkreis verschaffen. Dann werden Sie sehen, die Menschen vor Ort sind alle viel weiter als Sie, Frau Tasch, viel, viel weiter.
In der Rhönregion ist es so, dass ich dort Gemeindevertreter und die Bürgermeister von Kaltennordheim und Umgebung besuche, die sich Gedanken um die Zukunft der oberen und der hohen Rhön machen und dort wiederum die Landkreisgrenze verändern wollen, weil sie die Zusammenarbeit mit Schmalkalden-Meiningen suchen. Dort haben neun Bürgermeister unterschrieben und mich gebeten, das zu veranlassen. Ich werde mich natürlich mit ihnen ins Benehmen setzen und auch darüber reden. Die Liste ließe sich beliebig weit fortsetzen. Glauben Sie mir, ich habe hier nicht – wie Sie eben sag
ten – die Liste meiner Termine veröffentlicht, die ist viel, viel länger. Die Liste der Bürgermeister, die bei mir schon allein dieses Jahr vorgesprochen haben, ist auch länger. Und es war nicht ein einziger darunter, der nicht genaue Ideen hatte, wie seine Gemeinde, seine Region in Zukunft aussehen soll.
Wir wollen Akzeptanz und Verständnis natürlich auch vor Ort. Wir wollen, dass unser Konzept für zukunftsfähige und auch für leistungsstarke Strukturen auf eine möglichst breite Basis gestellt wird.
Lassen Sie mich noch ein weiteres Beispiel nennen. Die Beteiligung wird auch mit der zweiten Kabinettsbefassung nicht enden. Beispielsweise planen wir nach der Verabschiedung des Vorschaltgesetzes im Kabinett in der Freiwilligkeitsphase für Gemeindezusammenschlüsse eine weitere Form der Bürgerbeteiligung, nämlich das sogenannte Bürgergutachten. Das Bürgergutachten ist ein Beratungs- und Partizipationsverfahren, das die demokratische Teilhabe des einzelnen Bürgers an verschiedenen Planungs- und Entscheidungsprozessen ermöglicht. Es geht uns auch darum, das sogenannte Alltagswissen mit dem Wissen von Fachleuten zu verbinden. Die Erfahrungen, die uns dazu aus Rheinland-Pfalz bekannt sind, zeigen, dass die Bürgerinnen und Bürger erheblich reformfreudiger sind, als es ihnen von Ihnen zum Teil zugeschrieben wird.
Den Bürgern ist der Reformbedarf angesichts der demografischen Entwicklung nämlich in der Regel sehr wohl bewusst. Nach meinem Dafürhalten ist den Bürgern vor Ort überhaupt nicht egal, ob ihre Strukturen zukunftsfest sind oder nicht. Es ist auch nicht ihr Anliegen, dass immer alles so bleiben muss, wie es gerade ist. Aber sie möchten das Bewahrenswerte erhalten und richten ihre Einschätzung, was dazu gehört, auch an den Anforderungen der Zukunft aus. Insofern vertraue ich unseren Bürgern.
Wir werden mannigfaltige Möglichkeiten nutzen, die Bürger an vielen Stellen zu beteiligen. Ich werde das Gespräch suchen. Sie können sich darauf verlassen. Wir wollen nicht nur, dass unser Tun transparent ist, sondern wir wollen die Bürger in die Entscheidungsprozesse einbeziehen. Da kann ich mich meinen Vorrednern und Vorrednerinnen von den Koalitionsfraktionen immer anschließen. Vielen Dank.
Fünftes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen (Gesetz zur Mitwir- kung der Bevölkerung bei Ge- biets- und Bestandsänderun- gen) Gesetzentwurf der Fraktion der AfD - Drucksache 6/1633 ZWEITE und DRITTE BERATUNG
Ich will noch mal darauf hinweisen, dass der Landtag bei der Feststellung der Tagesordnung übereingekommen ist, zu diesem Gesetz, wenn keine Ausschussüberweisung beschlossen wird, die zweite und dritte Beratung durchzuführen.
Wir beginnen mit der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Abgeordneter Kießling, Fraktion der AfD.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Abgeordnete, liebe Zuschauer auf der Tribüne, liebe Zuschauer an den Bildschirmen, eine Reform, die auf den Lebensmittelpunkt der Menschen derart Einfluss nimmt wie die Gebietsreform, muss sich dem Votum der Betroffenen stellen. Solch eine Reform bezieht ihre Legitimation eigentlich dadurch, dass sie sich der Abstimmung stellt. Die Fürsprecher einer solchen Idee sind viele. Der Landesjugendring fordert diese Abstimmung ebenso wie die Präsidentin des Thüringischen Landkreistags, Frau Martina Schweinsburg. Der Verein „Selbstverwaltung für Thüringen e. V.“ fordert dies wie viele andere Kommunalpolitiker auch. Auch Herr Gruhnert aus diesem Hohen Hause
hat sich dafür ausgesprochen. Die Junge Union befürwortet ihn. Der Verein „Mehr Demokratie e. V.“ hat ihn nicht abgelehnt und sogleich darauf verwiesen, dass die rechtlichen Grundlagen hierfür bisher fehlen. Diese rechtliche Grundlage soll mit der Verfassungsänderung, die die AfD hier beantragt hat, nun endlich geschaffen werden. Aber vielleicht wurde unserem Gesetzentwurf die Zustimmung verweigert, weil sich CDU und SPD in dieser Frage bereits geeinigt haben – muss man sich fragen. Die
ser Eindruck muss entstehen, wenn man den Artikel „Geheimtreffen zur Gebietsreform“ liest. Dort heißt es – ich zitiere –: „Die schwarz-rote Runde führte dem Vernehmen nach ein ‚gutes Gespräch‘“. Trotzdem hat uns mit Blick auf die gerade genannten Befürworter die Ablehnung auf Oppositionsseite auch im letzten Plenum sehr überrascht. Noch überraschender war jedoch die Ablehnung durch die rot-rot-grünen Fraktionen und auch die entsprechende Landesregierung, denn Die Linke zog ein Vierteljahrhundert durch das Land und forderte mehr direkte Demokratie. Jetzt, wo die Chance da ist, die direkte Demokratie umzusetzen, wird der Rückwärtsgang eingelegt, stellen wir fest.
Nicht überraschend war hingegen die Ablehnung der Landesregierung, denn wer gute politische Arbeit leistet, der würde seine Arbeit auch den Bürgern direkt zur Wahl stellen. Wer hingegen selbst die Meinung vertritt, dass diese Gebietsreform zum Beispiel unzureichend gestaltet ist, der muss sich diesem Votum notwendigerweise entziehen, um nicht sofort abgestraft zu werden. Der wird dann bereits im Voraus verkünden, dass eine Gebietsreform nicht mit Freiwilligkeit funktioniert. Das hat Minister Poppenhäger ja schon Mitte letzten Jahres getan. Deswegen war die Ablehnung der Landesregierung in der letzten Sitzung auch folgerichtig aus ihrer Sicht. Folgerichtig ist es dann auch, dass der Minister bei der Reformdebatte Ende des Monats kneifen wird. Den Eindruck, dass die Politiker der aktuellen Landesregierung in dieser sogenannten Reform gegen das Volk arbeiten, muss jeder bekommen, der die Debatte im letzten Plenum verfolgt hat. Zahlreiche Wortbeiträge offenbarten die direktdemokratiefeindliche Haltung der rot-rot-grünen Koalition. Auch die Regierung stand dem in nichts nach. Man kann sagen, diese Wortbeiträge waren sehr entlarvend. Wenn Sie, Herr Minister, davon sprechen, eine Volksabstimmung könne das öffentliche Wohl gefährden, dann ist das für die Entwicklung der Demokratie in diesem Land sehr beängstigend.
Ihre steten Bekenntnisse zur Mitwirkung der Bürger an den politischen Entscheidungen sind dann leider nur Lippenbekenntnisse, mehr aber auch nicht.
Ein Fundament der Demokratie ist die Erkenntnis, dass sich die verantwortlichen Entscheidungsträger dem Volk gegenüber zu rechtfertigen haben. Wenn die Bürger mit einer Maßgabe der Politik nicht einverstanden sind, dann liegt es an der Politik, diesen Mangel abzustellen. Gemäß dieser Logik wäre es eine Selbstverständlichkeit, die Gebiets- und Funktionalreform zur Abstimmung zu stellen. Wenn ich Sie noch daran erinnern darf: Wir alle sind Abge
ordnete, also vom Volk für eine bestimmte Zeit hierher abgeordnet, um im Sinne des Volkes die beste Lösung für unser Land zu finden. Wir sind nicht hier, um bewusst gegen den mehrheitlichen Willen der Bürger Entscheidungen zu treffen, denn dann spricht man von Machtmissbrauch. Bei einer solchen Handlungsweise brauchen Sie sich auch nicht über die geringe Wahlbeteiligung zu wundern – 52 Prozent bei der letzten Landtagswahl. Mit der Abstimmung durch das Volk würde sich die Landesregierung zugleich selbst den Anforderungen der Bürger stellen und so im Sinne der Bürger handeln. Wenn Herr Kuschel und Herr Minister Poppenhäger hier im Plenum aber ausführen, die Bürger könnten ja selbst einen Gesetzentwurf über ein Volksbegehren einbringen, dann zeigt sich, dass Sie ein anderes Politikverständnis haben. Die Politik hat Bringschuld, nicht der Bürger.
Die Politik muss das Volk überzeugen, denn Volksvertreter sollen und dürfen das Volk nicht bevormunden. Doch bevor man darüber nachdenkt, hier eine Gebietsreform über das Knie zu brechen, sollten erst einmal die Prozesse optimiert werden. Denn zum Beispiel Axel Schneider, inzwischen Vorsitzender der Verwaltungsgemeinschaft Nordkreis Weimar, sagt – ich zitiere –: „Der berechtigte Ruf nach einer Gemeinde- und Gebietsreform sei das eine, angemessene Rahmenbedingungen zu schaffen, das andere.“ Für Herrn Schneider gehört auch die Einführung einer vereinfachten kommunalen Doppik dazu, so wie wir es von der AfD-Fraktion ja auch fordern. Zunächst müssen aber effiziente kommunale Verwaltungseinheiten ohne Entmündigung der Gemeinden und ohne Entmündigung der Kleinstädte geschaffen werden. Und die doppelte Buchführung sollte eingeführt werden, um danach schließlich noch die Missachtung der Landeshaushaltsordnung zu beenden. Das Land muss noch verpflichtet werden, im geeigneten Bereich die Kosten- und Leistungsrechnung einzuführen. Sie sollten also erst einen Schritt nach dem anderen tun, denn wer zu schnell hoch hinaus will, stürzt gar tief.
25 Jahre lang hat die Linke für mehr direkte Demokratie geworben und jetzt versteckt sie sich hinter den hohen Mauern der parlamentarischen Demokratie und flieht vor dem Bürger.
25 Jahre lang warb die Linke für direkte Demokratie und jetzt bezeichnet sie die Volksabstimmung der Gebietsreform als Klamauk. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken sagte in einer Diskussionsrunde zur Außenwirkung des Landtags Mitte November, dass es guttäte, wenn die Opposition die Regierungsfraktionen an die eigenen Worte erinnern würde. Das wollen wir hiermit gern tun.