Protocol of the Session on February 24, 2016

Herr Abgeordneter Kuschel.

Meine Damen und Herren, diskutieren Sie weiter sachlich mit uns.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Und ihr macht, was ihr wollt!)

Und, Frau Tasch, noch mal, denken Sie an Ihren Blutdruck. Das wird nichts, nein, so wird das nichts. Ruhig, ganz ruhig.

(Heiterkeit DIE LINKE)

(Unruhe CDU)

Herr Abgeordneter Kuschel, Ihre Redezeit ist zu Ende und da ist dann der Blutdruck der Frau Abgeordneten Tasch sicherlich auch wieder in Ordnung.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Ja, alles im grünen Bereich!)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Henke, Fraktion der AfD.

Beruhigen Sie sich wieder. Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, werte Gäste – ein herzliches „Grüß Gott“ nach Niederbayern! Die Bürgerbeteiligung zu sichern und die kommunale Selbstverwaltung zu achten, für nichts anderes setzt sich die AfD-Fraktion bei der Gebietsreform ein, und zwar nicht nur während der Aktuellen Stunden. Und, Herr Kuschel, ich muss wirklich sagen: Sie sind ein wunderbarer Selbstdarsteller, Sie ziehen schon ein Jahr durch das Land und erklären den Gemeinden, was Sie wollen. Was die Gemeinden wollen, da hören Sie gar nicht zu.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Genau, das interessiert die nicht!)

Was unseren Kommunen wirklich weiterhilft, ist gute parlamentarische Arbeit. Wir lehnen diese Reform ab. Wir brauchen keine Veränderung.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, alles klar!)

Wir haben schon im letzten Plenum einen Gesetzentwurf eingebracht, der fordert, dass Landesgesetze zur Neugliederung des Landesgebiets der Bestätigung im Rahmen eines Volksentscheids bedürfen.

(Beifall AfD)

Eine Befragung der Thüringer über die Gebietsreform wurde übrigens schon von Frau Schweinsburg, CDU, der Präsidentin des Landkreistags, ebenso gefordert wie von der Jungen Union, Herrn

(Abg. Kuschel)

Gruhner, Vorsitzender der Jungen Union Thüringen und Mitglied des Hohen Hauses, am 24. September 2015 in der OTZ – und damit zitiere ich –, dass er ein Ja oder Nein der Bürger zur Kreiskarte fordere, die Rot-Rot-Grün entwerfe. So weit, so gut. Wenn das Verhalten im Parlament der Rhetorik entspräche, müsste unser Gesetzentwurf angenommen werden. Dass er im letzten Plenum abgelehnt wurde, ist einfach nur schlecht. Das müssen Sie den Bürgern und den Kommunen da draußen im Lande schon erklären.

(Zwischenruf Abg. Marx, SPD: Der Vergleich hinkt!)

Aber gut, Sie haben ja die Chance, es in diesem Plenum besser zu machen. Dasselbe gilt für RotRot-Grün. Der umfangreiche und transparente öffentliche Diskussionsprozess, die fünf Regionalkonferenzen waren, um es mal mit den Worten von Herrn Debes zu sagen, reine Alibiveranstaltungen.

(Beifall CDU)

Ganze fünf Regionalkonferenzen hat es in Thüringen gegeben, in einem Land mit 17 Landkreisen, 6 kreisfreien Städten und über 2 Millionen Einwohnern. Im rot-rot-grünen Brandenburg gab es 19 Leitbildkonferenzen und einen Kongress. Gerade die Regierungsfraktionen sollten sich vielleicht mal wieder daran erinnern, dass direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung nicht nur Schönwetterphrasen sind. Wenn Sie es mit der Mitwirkung der Bürger und der Kommunen bei einem der wichtigsten Reformprojekte dieser Legislaturperiode wirklich ernst meinen, dann sollten Sie nicht despektierlich davon sprechen, dass die Kreistage und Stadträte aus ihrem Elfenbeinturm heraus die Reform ablehnen, Herr Blechschmidt. Dann sollten Sie sich vielleicht ein bisschen in Demut üben und zuhören, was die Praktiker vor Ort zu sagen haben.

Ja, auch die Kommunalpolitiker von Rot-Rot-Grün haben die oben zitierten Beschlüsse mitgetragen. So hat sich die SPD Weimar in ihrer Mitgliederversammlung einstimmig für den Erhalt der Kreisfreiheit ausgesprochen. Leben nun Ihre eigenen Kommunalpolitiker im Elfenbeinturm oder nicht eher manche Landtagsabgeordnete, die funktionierende Strukturen der kommunalen Selbstverwaltung zerschlagen wollen – ohne Wenn und Aber und ohne auf die Stimme der Bürger und Kommunen zu hören?

Umso wichtiger ist, dass sich in Thüringen aus der AG Selbstverwaltung der Verein „Selbstverwaltung für Thüringen“ gegründet hat, der ein Volksbegehren zur Gebietsreform einleiten möchte. Wir unterstützen das ausdrücklich und freuen uns über eine Zusammenarbeit. Wer gegen die Thüringer Kleinstaaterei wettert, muss eines wissen: Sie war es, die uns eine wunderbare Kulturlandschaft beschert hat. Sie dagegen wollen absolutistisch eine Ge

bietsreform durchsetzen, die in den Zentralismus führt. Ich sage Ihnen, Sie werden Ihr blaues Wunder noch erleben und das wird nicht das blaue Wunder sein, an das Sie jetzt vielleicht denken. Die Reform, die Sie vorhaben, wird ein Rohrkrepierer. Vielen Dank.

(Beifall CDU, AfD)

Das Wort hat Abgeordnete Marx, Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, also zunächst mal: Bei den Fürstentümern mit dem kulturellen Reichtum gab es keine kreisfreien Städte.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Fürsten hatten immer ein Umland. So war es auch schon zu Goethes Zeiten so, dass Christiane Vulpius, die er zum Schluss auch noch geheiratet hat, auch immer über das Land reiste, um für ihren Wolfgang die Köstlichkeiten von draußen zu holen. Aber da gab es nicht nur Kartoffeln, da gab es auch Kultur. Sie haben jetzt gerade die Kreisfreiheit Weimars angesprochen. Man kann ja vieles nachvollziehen, aber was ganz wichtig ist: Die regionale Identität und ein Verwaltungssitz sind doch nicht das Gleiche, sind doch nicht dasselbe.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin da persönlich auch ein bisschen enttäuscht von Weimar, denn in Weimar weht der Weltgeist.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Aber der reicht nicht bis Buttstädt und der reicht nicht bis Apolda. Das finde ich ein bisschen komisch. Das sind nicht nur Kartoffelorte, sondern auch Orte mit großem kulturellen Erbe und Strukturen, die auch damit verbunden sind. Natürlich ist es nicht einfach, eine Verwaltungs- und Gebietsreform und Gemeindezusammenschlüsse zu initiieren, aber Sie tun gerade so, als bricht jetzt dieses Projekt wie ein Unwetter über die Thüringer Bevölkerung und über die Thüringer Kommunalpolitiker herein. Wir beschäftigen uns seit Jahrzehnten damit.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Beschäftigen und Machen sind zweierlei!)

Auch bei der alten Landesregierung, bei der Sie, Frau Tasch, und wir noch zusammen in der Koalition gesessen haben, haben wir zum Beispiel schon mal eine Zielvereinbarung hier im Landtag beschlossen, zu der Sie auch die Hand gehoben haben, die zum Beispiel die Abschaffung von Verwaltungsgemeinden vorgesehen hat. Ich hatte ge

(Abg. Henke)

hofft, Sie machen sich andere Gedanken. Die mache ich mir jetzt. Ich will Sie mal darauf hinweisen, dass es im Vorschaltgesetz zum Beispiel etliche Elemente gibt, mit denen die kommunale Selbstverwaltung gestärkt werden soll, das heißt, mit denen die Rechte für eine regionale Mitbestimmung ausgeweitet werden sollen. Aber es gibt zwei verschiedene Felder. Wenn Sie behaupten, es wird gar nicht ausreichend diskutiert über das, was hier passiert – das tun wir alle seit Jahren. Es war Bestandteil sämtlicher Wahlprogramme der hier im Landtag vertretenen Parteien. Es ist ausführlich im Koalitionsvertrag beschrieben, der seit über einem Jahr veröffentlicht ist und vorgibt, was hier passieren wird. Da muss doch jetzt keiner überrascht sein. Natürlich reden wir miteinander und natürlich reden wir auch mit unseren Kommunalen und natürlich reden wir auch mit unseren Bürgerinnen und Bürgern. Aber eins ist mir aufgefallen in den letzten Monaten: Bei Versammlungen, bei denen sozusagen Hauptamtliche waren, war die Stimmung anders als bei Versammlungen, bei denen wirklich Bürgerinnen und Bürger da waren.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Ja, kommen Sie doch mal zu mir!)

Denn Bürgerinnen und Bürger haben da möglicherweise auch einen anderen Ansatz. Aber ich will mir jetzt mal Gedanken machen über das, was ich dachte, was sich hinter Ihrem Thema Ihrer Aktuellen Stunde eigentlich verbirgt, nämlich wie Sorge um demokratische Strukturen, wenn man größere Gebietskörperschaften schafft, und da möchte ich Sie einfach einmal darauf hinweisen, dass es in dem Vorschaltgesetz, welches jetzt das Parlament demnächst erreichen wird, ganz viele Posten gibt, ganz viele Punkte, wo die regionale Mitbestimmung vor Ort ausgeweitet werden soll. Da, wo wir größere Gemeindeverbände haben, sollen die Rechte der Ortschaftsräte deutlich verstärkt werden. Ich weiß nicht, ob Sie da schon mal reingeschaut haben, außer dass Sie immer dagegen sind. Es sollen die Ortschaftsräte wesentlich mehr Rechte bekommen zum Beispiel zur Wahl oder zum Vorschlag von ehrenamtlich tätigen Personen, soweit sich dieses Ehrenamt auf die Ortschaft beschränkt und der Landgemeinde diese Rechte zustehen. Sie sollen bei Freizeiteinrichtungen mitwirken können, nicht nur über eine Mitnutzungsverordnung, sondern über Unterhaltung und Ausstattung. Sie bekommen ein Vorschlagsrecht zum Aus- und Umbau von Straßen, Wegen und Plätzen in der Ortschaft, bei der Planung und Durchführung von Investitionsvorhaben, der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens zu Bauvorhaben im Gebiet der Ortschaft, der Planung, Errichtung, Übernahme wesentlicher Änderungen und Schließungen von öffentlichen Einrichtungen in der Ortschaft, der Veräußerung, Vermietung und Verpachtung von Grundvermögen der Landgemeinde und auch bei ehrenamtlich Tätigen

oder bei der Besetzung ihrer Schiedsstellen. Das sind alles ganz konkrete Vorschläge, mit denen wir Mitwirkung und Mitbestimmung und direkte Mitwirkung

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Wunder- schön, erst die Gemeinden beschneiden und dann ihnen ein paar Almosen hinschmeißen!)

der Bürgerinnen und Bürger vor Ort beibehalten wollen. Wenn Sie sich in dieses Gesetz dann genauer vertiefen werden, wenn es hier in den Landtag kommt, dann führen wir mit Ihnen gerne eine sachliche Debatte darüber. Dass es nicht so bleiben kann, wie es ist, das ist nicht nur Gegenstand unserer Koalitionserkenntnis, das haben Ihnen in Ihrer Partei auch der Präsident des Landesrechnungshofs sowie auch Ihr ehemaliger Finanzminister Voß oft genug zugerufen, allein Sie wollten es nicht wahrhaben!

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das Wort erhält Abgeordneter Krumpe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, was mich an dem Thema der Aktuellen Stunde stört, ist die einseitige Argumentation gegen die Gebiets-, Funktional- und Verwaltungsreform. Wenn man für Bürgerbeteiligung wirbt, dann muss man ehrlicherweise wie folgt formulieren: Für die Reform oder für die Auflösung des Freistaats Thüringen im Jahr 2035. Dass die im Landtag vertretenen konservativen Kräfte, die für den Erhalt der regionalen Identität kämpfen, bereits heute schon an der weißen Fahne nähen, die Thüringen dann im Jahr 2035 aus dem Fenster hängt, macht mich ein Stück weit sprachlos

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sicherlich nicht nur mich, sondern viele Thüringer. Ich stelle mir gerade einen Meininger vor, der zukünftig als Wohnortbeschreibung „im Südwesten Mitteldeutschlands“ angibt. Genau da kommen wir hin, wenn wir jetzt nicht beginnen, leistungsfähige Strukturen in den Verwaltungen durch deutliche Reformprozesse aufzubauen. Die Phase der Freiwilligkeit ist meines Erachtens schon lange vorbei. Unter diese Phase zähle ich unter anderem die Umsetzung des neuen Steuerungsmodells Ende der 90er-Jahre. Die ist in Thüringen völlig gescheitert. Zu welchem Grad wurde denn die Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung in Thüringen umgesetzt? Zu welchem Grad wurden denn ein Controlling und ein Berichtswesen zur Beurteilung von Verwaltungsdienstleistungen umgesetzt? Wie sieht

(Abg. Marx)