Deshalb reicht die geschichtliche Auseinandersetzung eben nicht aus. Es braucht eine politische Auseinandersetzung gerade dann, wenn Täter von damals sich selbst ganz bewusst in exponierte Stellungen unseres Staats einbringen. Das sind zum einen herausgehobene Stellen der Exekutive, aber noch viel mehr die Beteiligung an der Gesetzgebung, die Stellung als Volksvertreter. Unsere Gesellschaft, unsere Bürger haben nach wie vor einen Anspruch darauf, zu erfahren, wenn an exponierter Stelle unserer Gesellschaft, wenn als Vertreter der Gesellschaft Täter von damals stehen und was sie sich zuschulden haben kommen lassen. Dass weiterhin hohes Aufklärungsinteresse besteht, zeigen allein schon die immer noch Tausende Anträge auf Akteneinsicht in die Stasiakten. Aber es sind nicht nur Akteneinsichtsanträge, sondern auch Anträge von Opfern des DDR-Regimes auf Rehabilitierung nach dem SED-Unrechtsbereinigungsgesetz. Und es besteht nicht nur dieses Aufklärungsinteresse. Weil noch viele Akten nicht aufgearbeitet sind, wird es auch in Zukunft zu weiteren Erkenntnissen kommen. Es bleibt deshalb über die jetzige Legislaturperiode hinaus notwendige Aufgabe, zu klären, ob und in welcher Weise sich ein Landtagsabgeordneter an den Repressionen des DDR-Regimes beteiligt hat.
Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat zuletzt 2009 in einem Urteil festgestellt, dass das Vertrauen des Volkes in seine Vertretung gefährdet ist, wenn ihr Abgeordnete angehören, die den totalitären Machtapparat der DDR in rechtsstaatswidriger Weise unterstützt haben. Es bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse daran, eine Ver
Und an dieser Aussage hat sich nichts geändert. Deshalb wollen wir als CDU-Fraktion die Fortführung der Überprüfung durch unsere Gesetzesvorlage sicherstellen.
Allerdings besteht unsere Gesetzesvorlage letztlich nur aus der Änderung eines Wortes: „In § 10 Satz 2 des Thüringer Gesetzes zur Überprüfung von Abgeordneten wird das Wort ‚sechsten‘ durch das Wort ‚siebten‘ (Legislaturperiode) ersetzt. Damit wird ausreichend die weitere Überprüfung sichergestellt. Ansonsten ist das Gesetz zur Abgeordnetenüberprüfung mit seinen Regelungen zum Überprüfungsverfahren und vor allem zu den Ergebnissen und den Folgen über mehrere Legislaturperioden unverändert geblieben. Und ausgerechnet Rot-Rot-Grün, die behaupten, selbst ein großes Aufklärungsinteresse zu haben, wollen jetzt das Gesetz durch ihren Änderungsantrag verwässern. Und dabei ist „verwässern“ noch ein zurückhaltender Ausdruck. Rot-Rot-Grün will, dass die ausdrückliche Unwürdigkeitsfeststellung in Bezug auf die Bespitzelung und Denunziantentum nicht mehr ausgesprochen wird.
„Wird in Zukunft noch nicht einmal mehr die Parlamentsunwürdigkeit festgestellt, ist dies nichts anderes als ein bewusster Schritt zur Bagatellisierung und Verharmlosung von ehemaligen Tätern und Verantwortlichen für das Unrecht in der SED-Diktatur.“ So hat dies Rainer Eppelmann in seiner Stellungnahme wörtlich ausgedrückt.
Und da exkulpiert es Rot-Rot-Grün auch nicht, dass in anderen Ländern eine solche Feststellung im Gesetz nicht vorgesehen ist. Bei uns ist die Feststellung der Parlamentsunwürdigkeit aus gutem Grund vorgesehen und es ist außer der Absicht der Verharmlosung kein Grund zu sehen, warum diese Feststellung nicht mehr getroffen werden soll.
Das müssen sich auch die Grünen ins Stammbuch schreiben lassen: Dass gerade sie daran mitwirken wollen, die Feststellung der Parlamentsunwürdigkeit zu streichen, ist eine nicht zu verstehende Ergebenheitsadresse an die Linken und das hat nicht das Geringste mit Menschenwürde zu tun. Es ist ein untauglicher Versuch, sich damit herauswinden
zu wollen. Auch schwere Straftäter sind beispielsweise wahlunwürdig. Ihnen kann sowohl das passive als auch das aktive Wahlrecht aberkannt werden und damit wird auch die Menschenwürde nicht beeinträchtigt. Und schließlich haben der Thüringer Verfassungsgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der Tätigkeit für das MfS in der Bezeichnung „als parlamentsunwürdig“ keine rechtlichen Bedenken gesehen.
Obwohl noch am Freitag keine Einsicht zu erkennen war – siehe den vorhin referierten Änderungsbeschluss –, habe ich jedenfalls gehört – vielleicht täusche ich mich auch –, dass der Antrag auf Streichung der Parlamentsunwürdigkeit möglicherweise zurückgezogen wird.
Diese späte Erkenntnis kommt sicher nicht von ungefähr. Erst nachdem – wenn sie überhaupt gekommen ist – für Rot-Rot-Grün erkennbar war, dass nicht nur die Opferverbände bereits in der Anhörung gegen die Streichung waren
natürlich waren sie es –, was keine Wirkung hatte, sondern jetzt auch in der Öffentlichkeit eine Debatte hierzu droht, kommt möglicherweise das heutige Einlenken. Das zeigt, dass unsere Gesellschaft offenbar noch in der Lage ist, das Durchregieren zu verhindern.
Es gibt übrigens noch weitere Themen, bei denen es sich lohnen würde, das Durchregieren nach Scheinanhörungen zu verhindern. Spontan fallen mir da zwei Themen ein: die Gebietsreform und die Schulpolitik.
Also denken Sie vor Ihrer Stimmabgabe noch mal darüber nach, welches Signal Sie nach außen senden, wenn Sie zum Ausdruck bringen, dass jemand, dessen Spitzel- und Denunziantentätigkeit für das SED-Regime ganz erhebliche schädliche Auswirkungen auf andere Menschen hatte, nicht parlamentsunwürdig sein soll.
Auch die übrigen von Rot-Rot-Grün bis heute vorgeschlagenen Änderungen des Gesetzes sind nicht notwendig. Die Einschränkung der Einzelfallprüfung auf neue Erkenntnisse ist schon deshalb abzulehnen, weil Feststellungen aus vorhergehenden Legislaturperioden nach unserem Verständnis auch für diese neue Legislaturperiode erneut getroffen
werden müssen. Die Parlamentsunwürdigkeit muss für jede Legislatur festgestellt werden. Ich will dazu aber auch noch mal Rainer Eppelmann zitieren, der gesagt hat: Eine Einschränkung der Überprüfungsmöglichkeit, egal welcher Art, lässt Zweifel an einer umfassenden Aufarbeitung und Wahrheitsfindung aufkommen. Neue oder auch wiederholte Überprüfungen sollten, auch wenn bereits mehrfach überprüft wurde, daher uneingeschränkt möglich sein.
Dies dient einem offenen und transparenten Umgang mit der eigenen Vergangenheit gegenüber der Bevölkerung. – Schließlich besteht auch für die Änderung in § 7 keine Notwendigkeit. Wenn das vom Parlament berufene Gremium die Stasi-Tätigkeit festgestellt hat, ist es das gute Recht, dass der Betroffene eine Stellungnahme abgibt. Über die Feststellung des berufenen Gremiums ohne die Einzelheiten in allen Teilen offenzulegen dann im Landtag zu diskutieren, halte ich dem Gremium gegenüber nicht für angemessen.
Ich will zum Abschluss noch einmal ein Zitat aus meiner Einbringungsrede wiederholen, weil es die Wichtigkeit des Gesetzes in seiner unveränderten Fassung unterstreicht. Der Verfassungsgerichtshof von Thüringen hat ausgeführt: Wer das eigene Volk bespitzelt und unterdrückt, wer es hintergangen, verraten und betrogen hat und wer all dies zu verantworten gehabt hat, gehört nicht ins Parlament, auch wenn ihm das Mandat nicht entzogen werden kann. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Jetzt ist auch die zusätzliche Lesebeleuchtung in den hinteren Reihen der CDU-Fraktion gelöscht. Ich denke, es ist ausreichend Licht im Saal, sodass wir das nicht nötig haben.
Meine Damen und Herren, Herr Abgeordneter Scherer hat seiner Fraktion gedankt für das nonverbale Zeichen. Meine Damen und Herren der CDUFraktion, ich kann Ihnen noch mal sagen, Sie konterkarieren es selbst, wenn Sie es begleiten mit Zwischenrufen an unsere Fraktion mit dem Inhalt „Drecksack“. Denn da wird nämlich Ihre Ernsthaftigkeit einer tatsächlichen Einzelfallprüfung auch im Sachverhalt mit der Auseinandersetzung von konkreten Personen ad absurdum geführt. Und ich
muss Ihnen ehrlich sagen, auch als jemand, der etwas später geboren worden ist und das Glück oder das Pech hat, in der DDR nicht so massiv involviert gewesen zu sein wie viele andere von Ihnen, ich finde, Ihr Zeichen wirkt auch etwas instrumentalisierend, wenn ich daran denke, dass es Ihre Partei ist, die erst im letzten Jahr begonnen hat, ihre eigene Vergangenheit und ihre eigene Verantwortung in Thüringen im Unrechtsstaat DDR systematisch aufzuarbeiten.
Vielleicht wäre etwas mehr Zurückhaltung Ihrerseits angemessen gewesen, anstatt zu versuchen, sich hier als Moralinstanz zu generieren.
Entschuldigung, Sie können nachher gern hier noch die Gelegenheit nutzen, dazu Stellung zu nehmen. Ich wollte Ihnen meinen Eindruck widerspiegeln, und den müssen Sie erst mal zur Kenntnis nehmen, dass er genauso entstanden ist, Herr Mohring.
(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Sie set- zen ja Herrn Kuschel unter die ersten zehn Listenplätze!)
Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, haben sich im Koalitionsvertrag die Parteien Bündnis 90/Die Grünen, SPD und Die Linke darauf verständigt, die Aufarbeitung der Geschichte und des Unrechts in der DDR intensiv fortzuführen und auch auf eine neue qualitative Ebene zu heben. Ich denke, ich muss nicht daran erinnern, welcher Diskussionsprozess zu einzelnen Formulierungen der gesondert neben dem Koalitionsvertrag bestehenden Erklärung zum DDR-Unrecht in den Parteien geführt worden ist und zu welchen Erkenntnisprozessen dies geführt hat. Ich möchte hier insbesondere wiederholen, was wir gemeinsam verankert haben; gerade auch in Kenntnis und der Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der Geschichte, dem Unrecht und gerade der Verantwortung der SED, in deren rechtlicher, aber natürlich auch politischer Nachfolge wir stehen, haben wir uns dazu verständigt, diese Aufarbeitung fortzuführen, weil sie weder überflüssig noch rückwärtsgewandt ist. Herr Scherer, alles andere hier als Vorwurf entsprechend des Änderungsantrags zu formulieren, ist einfach absurd und verkennt die tatsächliche Ernsthaftigkeit, wie man sich im letzten Jahr diesem Thema angenommen hat, und auch den Versuch, sehr intensiv miteinander darüber zu diskutieren, welche neue Qualität nach 25 Jahren Geschichtsdebatte wir viel