Protocol of the Session on December 16, 2015

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kobelt, Sie haben uns gerade vorgeworfen, wir würden hier Arbeitsplätze gegen Umweltschutz ausspielen. Ich glaube, Sie haben gerade deutlich vorgemacht, wie man den Umweltschutz gegen Arbeitsplätze ausspielt und deswegen kann ich das für meine Fraktion nur ganz klar zurückweisen.

(Beifall CDU)

Ich will aber zunächst ganz herzlich Mitglieder des Betriebsrats des Werks Werra hier begrüßen und sage ein herzliches Glück auf! Schön, dass Sie da sind.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich grüße Sie vor allem deshalb, weil – das hat Herr Kollege Kobelt gerade gesagt – wir heute über die Zukunft von viereinhalb Tausend Arbeitsplätzen sprechen. Wir sprechen über die Zukunft von Tausenden Kalikumpeln und wir sprechen über die Zukunft ihrer Familien. Zu Recht machen sich all diese Familien kurz vor Weihnachten enorme Sorgen. Das teilt die gesamt Region. Meine Kollegen Manfred Grob, Markus Malsch, Raymond Walk und Christian Hirte aus dem Deutschen Bundestag haben in wenigen Tagen über 4.000 Unterschriften für den Erhalt dieser Arbeitsplätze gesammelt. Das zeigt: Die ganze Kaliregion steht hinter den Kalikumpeln.

(Abg. Kobelt)

(Beifall CDU)

Eins sagen wir ganz klar: Die massive Verunsicherung, die hier seit Tagen betrieben wird, muss aufhören und muss vor allem schnell beendet werden, denn – auch das sagen wir in aller Klarheit – die Kalikumpel haben die uneingeschränkte Solidarität der Thüringer Politik in dieser Frage verdient. Vor allem haben sie klare Aussagen der politisch Verantwortlichen in Thüringen und Hessen zu einer kurzfristigen Lösung verdient.

(Beifall CDU)

Für meine Fraktion kann ich eins nur klar sagen: Wir stehen zu den Kalikumpeln. Wir wollen eine Übergangslösung erreichen, bis das Regierungspräsidium in Kassel den Antrag auf Versenkerlaubnis abschließend geprüft hat. Dabei ist natürlich klar, dass geltendes Recht eingehalten werden muss, das steht überhaupt nicht infrage.

(Beifall CDU)

Klar ist auch, dass die Versenkung keine Dauerlösung sein kann. Das weiß auch K+S. Aber jetzt geht es darum, dass wir eine kurzfristige Lösung mit Augenmaß finden, um tatsächlich eben nicht Umweltschutz gegen Arbeitsplätze auszuspielen. So klar wie die Position der CDU-Fraktion an dieser Stelle ist, so unklar ist leider die Position der rot-rotgrünen Koalition und der von ihr getragenen Landesregierung.

(Beifall CDU)

Rot-Rot-Grün liefert bei diesem wirklich wichtigen Thema ein Bild der Zerstrittenheit, ein Bild der Zerrissenheit. Sie liefern sich kabinettsintern Grabenkämpfe auf dem Rücken der Beschäftigten

(Zwischenruf Abg. Skibbe, DIE LINKE: Das hätten Sie gern!)

und die zuständigen Minister streiten öffentlich und äußern Positionen, wie sie unterschiedlicher gar nicht sein könnten.

Die Umweltministerin auf der einen Seite lehnt eine weitere Versenkerlaubnis und eine Übergangslösung generell ab und begrüßt – man könnte fast sagen, sie feiert – die Entscheidung des Regierungspräsidiums in Kassel. Der Wirtschaftsminister vom anderen Koalitionspartner hingegen fordert medienwirksam genau das Gegenteil. Er spricht sich für eine Übergangslösung aus; Zitat Wolfgang Tiefensee: „Wir brauchen ganz dringend eine Übergangslösung, damit das Unternehmen K+S als einer der größten Arbeitgeber im Werrarevier nicht dauerhaft beschädigt wird und die Beschäftigen eine sichere und langfristige Perspektive bekommen.“

(Beifall CDU)

Der Minister hat recht, kann man an dieser Stelle nur ganz klar sagen. Aber jetzt fragt man sich na

türlich: Was ist eigentlich die Position dieser Landesregierung? Die Umweltministerin sagt das eine, der Wirtschaftsminister sagt das andere. Sie tragen zur massiven Verunsicherung der Kalikumpel und der gesamten Region bei und ich kann nur sagen: Beenden Sie endlich diese rot-rot-grüne Kakofonie an dieser Stelle.

(Beifall CDU)

Und dann muss man sich fragen: Was sagt eigentlich der Ministerpräsident zu diesem Kompetenzgerangel?

(Zwischenruf Ramelow, Ministerpräsident: Das habe ich mich auch gefragt!)

Er sagt nichts, er schweigt. Derjenige – hören Sie genau zu –, der bei jeder Gelegenheit sein Bischofferode-Engagement der 1990er-Jahre immer wieder inszeniert, schweigt zu den aktuellen Herausforderungen. Herr Ministerpräsident, Herr Ramelow, Sie haben heute die Chance, uns, dem Parlament, aber auch den Kalikumpeln in der Region ganz klar zu sagen: Was ist Ihre Position? Teilen Sie die Ansicht der Umweltministerin oder teilen Sie die Ansicht des Wirtschaftsministers? Sagen Sie uns, was Ihre Meinung ist und brechen Sie endlich Ihr Schweigen. Das haben die Kalikumpel in dieser Region verdient.

(Beifall CDU)

Deswegen kann ich als Fazit nur eines klar sagen: Wir hoffen, dass wir tatsächlich zu einer guten Lösung im Interesse der Arbeitnehmer kommen. Es geht hier nämlich nicht um die Aktionäre von K+S, es geht tatsächlich um die Interessen der Arbeitnehmer. Ich kann nur eines sagen: Wir hoffen, dass sich die umweltpolitischen Hardliner in dieser Landesregierung nicht durchsetzen, sondern dass der Pragmatismus des sozialdemokratischen Wirtschaftsministers in dieser Regierung auch noch etwas gilt. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Ramelow, Ministerpräsident: Wir sind solidarisch mit den Menschen und der Natur!)

Vielen Dank, Herr Gruhner. Als Nächster hat Abgeordneter Kummer für die Fraktion Die Linke das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Gruhner, die einst gute Sitte hier im Thüringer Landtag, fraktionsübergreifend für die Arbeitsplätze der Kaliindustrie und für bessere Umweltstandards zu kämpfen,

(Abg. Gruhner)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

die haben Sie mit Ihrem Antrag, der zu dieser Plenarsitzung vorliegt, leider verlassen.

(Unruhe CDU)

Meine Damen und Herren, über welche Inhalte reden wir? Im Jahr 2000 wurde die Europäische Wasserrahmenrichtlinie verabschiedet, ein Gesetzeswerk, das ich als Berufsfischer einfach nur bejubelt habe. Ein Gesetzeswerk, das sagt, dass alle Gewässer innerhalb der Europäischen Union und alle Grundwasserkörper bis zum Jahr 2015, und zwar Dezember 2015, den guten Zustand erreichen sollen. Das ist jetzt. Es gibt in Thüringen, Herr Kobelt hat es gesagt, sieben Grundwasserkörper – wir können auch mal über Flächen reden –, über 700 Quadratkilometer Grundwasserkörper, die versalzen sind und wo sich der Salzgehalt in den letzten Jahren erhöht hat. Im Gegensatz zum europäischen Recht, das uns verpflichtet, dass wir für eine Besserung sorgen sollen, haben wir zu verzeichnen, dass Salzgehalte in Brunnen, die der Trinkwasserversorgung dienen, ansteigen.

Ich habe neulich mit dem Agrarbetriebsleiter von Dankmarshausen gesprochen. In den letzten fünf Jahren sind aus 6 Hektar versalzener Wiesen in der Werra-Aue, die sein Betrieb bewirtschaftet, 12 Hektar geworden. Ursache: aus dem Untergrund quellendes Salzwasser. Ich war selber mal auf einer Wiese dort – 13 Gramm Salz pro Liter in einer Pfütze, das ist eklig. Das sind die Gründe, warum Bündnis 90/Die Grünen heute eine Aktuelle Stunde zu diesem Punkt angesprochen haben.

Die Wasserrahmenrichtlinie verpflichtet uns, diese Zustände abzustellen und es gibt ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland, weil das bisher nicht in ausreichendem Maße passiert ist. Die EU guckt mit Argusaugen auf den neuen Bewirtschaftungsplan, der gegenwärtig ausgehandelt wird, ob denn die Zielerreichung endlich auf den Weg gebracht wird, nämlich bis zur letzten Endfrist 2027. Frau Ministerin Siegesmund hat in der Hinsicht gut verhandelt. Sie hat im Moment in den Bewirtschaftungsplan eingebracht, dass die Versenkung beendet werden muss. Ich glaube, das ist auch unser Hauptproblem in der Region: die Versenkung von Kaliabwässern, die dazu führt, dass wir die Grundwasserprobleme haben.

Meine Damen und Herren, ich will mal zum früheren Handeln Thüringer Landespolitik kommen – wir sind nämlich den Kalimitarbeitern immer sehr weit entgegengekommen. Es gibt einen Landtagsbeschluss vom 11.10.2007: „Der Landtag bekennt sich zu einer Politik, die wirtschaftliches Handeln und einen nachhaltigen Umgang mit der Natur in Einklang bringt. Dazu gehört auch die schrittweise Reduzierung von Ressourcenverbrauch und Um

weltbelastung. Trotz der bisherigen Erfolge zur Verringerung der Salzbelastung hält der Landtag weitere Anstrengungen des Unternehmens Kali und Salz für erforderlich, um die Salzfracht der Werra weiter zu verringern. Dies beinhaltet die rechtlich vorgeschriebene Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie bis zum Jahr 2015 sowie die Zielvorgabe, die Werra darüber hinaus ab dem Jahr 2020 wieder zu einem naturnahen Gewässer werden zu lassen. Der Landtag lehnt daher eine Fortschreibung des am Pegel Gerstungen noch bis zum Jahr 2012 geltenden Grenzwertes für Chlorid von 2.500 mg/l bzw. des bis zum Jahr 2009 geltenden Grenzwertes für die Gesamthärte von 90 Grad dH ab.“ Klare Worte. Mit CDU-Mehrheit und Übereinstimmung des ganzen Hauses damals mit wenigen Ausnahmen verabschiedet. Das 360-Millionen-Euro-Maßnahmenpaket, was daraufhin verabschiedet wurde, ist von Kali + Salz umgesetzt worden mit der Maßgabe – wir haben damals einen öffentlich-rechtlichen Vertrag geschlossen –, dass eine Versenkung ab 2011 wegen der Probleme im Untergrund nicht mehr zu erwarten ist. Wir haben da eine rechtliche Vereinbarung. Und jetzt hat das Regierungspräsidium Kassel den bereits abgesenkten Grenzwert für die Werra wieder erhöht mit der Maßgabe,

(Zwischenruf Siegesmund, Ministerin für Um- welt, Energie und Naturschutz: Hört! Hört!)

die Arbeitsplätze für die Kalikumpel erhalten zu wollen, auf die ursprünglichen Kriegswerte von 2.500 Milligramm pro Liter mit der Begründung, dass das Magnesium bei den halbierten Abwassermengen trotzdem noch zu viel wäre, als dass man es wegkriegen würde. Das Magnesium komischerweise, wo uns gesagt wurde, dass die Eindampfanlage in Unterbreizbach der einzige Baustein des 360-Millionen-Euro-Maßnahmenpakets wäre, der nicht umzusetzen ist, weil sich die Salzlagerstätte so verändert hat, dass gar kein Magnesium mehr da wäre.

Meine Damen und Herren, es ist schwer, noch Dinge zu glauben. Was ich mir wünsche, ist, dass wir wieder anfangen, gemeinsam Druck zu machen, dass endlich die rohstoffliche Aufbereitung des Abwassers auf den Weg gebracht wird, um Arbeitsplätze in Thüringen zu sichern. Wir könnten in Merkers ein neues Kaliwerk haben mit dem K-UTECVerfahren.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Die Landesregierung, die Bundesregierung und Niedersachsen haben gesagt, sie helfen bei der Finanzierung dieses Verfahrens. Für Übergangslösungen – ohne Versenkung, sage ich ganz klar – für die nächsten sieben Jahre, um das Verfahren auf den Weg zu bringen, würden wir gern mithelfen, aber da muss man sich an den Tisch setzen und endlich mal konkrete Schritte vereinbaren und aufhören, uns an der Nase herumzuführen. Danke.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kummer. Als Nächste hat das Wort Abgeordnete Becker für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Trinkwasser ist das wichtigste Lebensmittel, es kann durch nichts ersetzt werden. Ich glaube, da sind wir uns hier im Hohen Haus alle einig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kumpel aus Unterbreizbach! Wer stellt denn Ihre Arbeitsplätze infrage? Ist es die SPD? Ist es die grüne Umweltministerin? Ist es etwa diese rot-grüne Landesregierung? Ich glaube nicht. Ich wohne selber in einem Ort, in Sollstedt, wo ich mit einer sehr schnell wachsenden Kalihalde vor den Augen groß geworden bin. Mein Vater hat im Kaliwerk in Sollstedt gearbeitet. Seit 1992/1993 wissen wir, was es bedeutet, wenn Kaliarbeitsplätze in Bleicherode, in Sollstedt wegrationalisiert werden, einfach verschwinden. Wir wissen, wie schlimm das ist und wie sich das auf die Familien auswirkt.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben Sie sich schon einmal gefragt, wieso es ein Weltunternehmen gibt, was auf Grenzwerte von vor dem Krieg und dem Krieg zurückgreifen kann und seine Abwässer entsorgen kann, als ob es Umwelt und Gesetze überhaupt nicht gibt, was das 2015 bedeutet, was das auch für Ihre Kinder bedeutet, was es für die Umwelt, für die Region bedeutet?

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das müssen wir uns doch fragen! Das geht eben nicht mehr. Und, Herr Gruhner, wir wollen nur, dass nach Bundes- und europäischen Gesetzen gehandelt wird – nichts anderes. Und Sie stellen sich hierher und verbreiten einen Populismus vom Feinsten.