Protocol of the Session on November 27, 2015

(Beifall AfD)

Wir erkennen an – und das ist auch Inhalt unseres Alternativantrags –, dass eine Ausbildung für aufenthaltsberechtigte Asylbewerber aktive Entwicklungshilfe sein kann. Ja, das kann sie sein. Das begrüßen wir grundsätzlich auch.

(Beifall AfD)

Sie kann es aber nur sein, wenn nach der Ausbildung und nach einer klar zeitlich umrissenen Arbeitsphase die Rückkehr in die Heimat erfolgt, um dort die erlernten Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen zum Aufbau, zur Entwicklung des eigenen Heimatlands einzusetzen.

(Beifall AfD)

Ergo, liebe CDU-Fraktion, Ihr Antrag kuriert wie immer an Symptomen. Er ist ein klassischer Altparteien- oder Altfraktionen-Schlafsand-Antrag. Ja, das ist er leider. Ich ermahne oder ich ermuntere Sie – gerade, Herr Kollege Mohring, Ihnen möchte ich das noch einmal mit auf den Weg geben: Hören Sie auf, an Symptomen herumzukurieren! Gehen Sie endlich an die Ursachen! Die CDU hat doch die Möglichkeit, die Ursachen zu bekämpfen. Beenden Sie endlich den asylpolitischen Amoklauf Ihrer Bundesvorsitzenden Dr. Angela Merkel! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Herr Höcke, ich darf noch einmal darauf hinweisen, Sie sind zwar die kleinste Oppositionspartei, aber dass Sie die einzige im Saal sind, das stimmt nun so nicht.

(Beifall CDU)

Und wir haben jetzt einen weiteren Redebeitrag der Abgeordneten Rothe-Beinlich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Schülerinnen und Schüler, was wir hier eben erleben mussten, war eine Rede des parlamentarischen Arms der NPD, Nazirhetorik inklusive.

(Beifall DIE LINKE)

(Abg. Höcke)

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Ich bin be- troffen!)

(Heiterkeit AfD)

Die AfD will Arbeitsplätze zuerst für Deutsche – wir haben es verstanden, und das während Tausende Lehrstellen in unserem Land unbesetzt sind, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Das in der Anwesenheit von Schulen so ein Mist raus- kommt!)

Ich habe vorhin gehört, dass Schülerinnen und Schüler aus Südafrika hier sind und ich habe mir sagen lassen, dass es im Afrikaans, aus dem Niederländischen kommend, ein schönes Wort gibt, und zwar heißt das „gasvry“. Das heißt so viel wie „gastfrei“. Das bedeutet, es gibt keine Gäste, sondern nur Gleiche unter Gleichen. Wenn wir so weit kommen würden, dass Menschen Menschen sind und wir uns von dieser ganz furchtbaren Rassenideologie, wie Sie von der AfD sie hier eben vorgetragen haben, verabschieden, dann wären wir schon wesentlich weiter, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

(Unruhe AfD)

Der Titel des Antrags der CDU, muss ich allerdings sagen, ist aus meiner Sicht auch eine Zumutung, Herr Wirkner. Das ist auch der Hauptgrund, warum wir diesen ablehnen. Wer zunächst von Belastungen für die Sozialsysteme spricht und dann anerkannte Flüchtlinge mit Bleibeperspektive integrieren möchte, macht eine Problembeschreibung auf, die aus unserer Sicht gefährliche Ressentiments bedient, und genau deshalb werden wir Ihren Antrag nicht mittragen.

Zudem muss ich Ihnen sagen, Herr Wirkner, Sie haben hier Dinge vorgetragen, die in Ihrem Antrag schlicht nicht drinstehen. So heißt es im Punkt 1 unter II., dass sich dafür eingesetzt werden soll, dass anerkannte Flüchtlinge mit Bleibeperspektive für die Dauer ihrer Ausbildung im Land verbleiben dürfen. Hier vorn haben Sie vorgetragen, auch darüber hinaus. Das steht allerdings alles nicht in Ihrem Antrag, Herr Wirkner.

(Beifall DIE LINKE)

Da sollte schon das eine mit dem anderen kompatibel sein. Außerdem haben Sie zum Mindestlohn gesprochen und gesagt, das gelte quasi nur für die Zeit der Einarbeitung. Das steht auch so nicht in Ihrem Antrag. Unter Punkt 4 kann jede und jeder sehr gut nachlesen, dass Sie fordern, sich auf Bundesebene für eine Regelung einzusetzen, dass anerkannte Flüchtlinge mit Bleibeperspektive für mindestens sechs Monate unterhalb des Mindestlohns beschäftigt werden können. So eine Schäbigkeits

spirale werden wir nicht mittragen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das sage ich ganz deutlich. Auch nicht, wenn es als Praktikum bezeichnet wird.

(Beifall DIE LINKE)

In dem Antrag der CDU werden darüber hinaus durchaus wichtige Themen und Herausforderungen angesprochen, mit denen wir im Rahmen der Integration der zu uns kommenden Menschen konfrontiert sind. Der Antrag benennt dabei beispielsweise das wichtige Feld der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen, den Spracherwerb und den Zugang zu Bildung. Darauf will ich auch noch einmal etwas genauer eingehen.

Ich wollte eigentlich auch etwas dazu sagen, dass Deutschland viel Erfahrung bei der Aufnahme von neu zu uns kommenden Menschen hat. Herr Wirkner, nach Ihrer Rede bin ich da ein bisschen vorsichtiger, aber ich werde es trotzdem benennen. Es waren mehr als 12 Millionen Vertriebene nach dem Zweiten Weltkrieg. Wir hatten die sogenannten Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen in der alten Bundesrepublik und die Vertragsarbeiterinnen in der ehemaligen DDR, von denen viele auch heute noch hier bei uns leben. Es gab die Wanderungsbewegung nach der Wiedervereinigung. Ich erinnere an die vielen Aussiedlerinnen und Flüchtlinge, die beispielsweise in den 90er-Jahren vor den Balkankriegen Schutz bei uns gesucht haben. Der Migrationsbericht von 2013, er ist aber erst in diesem Jahr veröffentlicht worden, weist für den Zeitraum von 1991 bis 2013 21,3 Millionen registrierte Zuzüge vom Ausland nach Deutschland aus. Aus diesen vielfältigen Erfahrungen müssen und können wir lernen, denn es wurden durchaus auch Fehler gemacht. Fest steht aber zumindest für uns – Diana Lehmann hat das schon ausgeführt und auch meine Kollegin Ina Leukefeld –, dass die zu uns kommenden Menschen unser Land bereichert und gestaltet haben. Dafür gilt ihnen unser Dank. Sie haben unsere Gesellschaft verändert, auch unser Denken und auch uns selbst und sich selbst natürlich auch und das ist auch gut so. Damit die Geflüchteten unser Land aber auch mitgestalten können, brauchen sie tatsächlich eine Politik, die sie willkommen heißt, teilhaben lässt und die auch willens ist, sie zu integrieren. Da wir wollen, dass die Ausländerinnen und Geflüchteten tatsächlich zu Neubürgerinnen werden – Bodo Ramelow hat es hier gestern ausgeführt –, brauchen wir auf allen Ebenen ein gezieltes Handeln im Sinne der Integration. Integration ist also eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Ansprüche an die Bildungspolitik ebenso wie an die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik stellt, aber auch an, ich nenne mal den Bereich der Landesentwicklung und die Wohnungs- und Gesundheitsversorgung, wichtige Themen, über die wir auch schon häufiger gesprochen haben.

Alle Geflüchteten, ich glaube, da sind sich zumindest vier Fraktionen in diesem Haus einig, müssen unabhängig von ihrem Aufenthaltstitel natürlich so schnell wie möglich Zugang zur Sprachförderung erhalten. Über die Hälfte derjenigen, die in Deutschland Schutz suchen, das müssen wir uns klarmachen, sind unter 25 Jahre alt. Gerade für sie ist gute Bildung, Ausbildung ein Anker und Zukunftshoffnung zugleich. Kita, Schule, Betrieb und Hochschule schaffen nicht nur einen neuen Alltag, sondern sichern hoffentlich auch berufliche Perspektiven und sind der erste Schritt in ein selbstbestimmtes Leben. Deswegen brauchen junge Flüchtlinge möglichst schnell uneingeschränkten Zugang zum deutschen Bildungssystem, so wie das im Übrigen auch die UN-Kinderrechtskonvention in Artikel 28 vorsieht. Thüringen macht da seine Hausaufgaben. Inzwischen gibt es an unseren Schulen – ich weiß nicht, ob es die genaue Zahl ist, das kann sicherlich unsere Bildungsministerin bestätigen – etwa 100 Sprachklassen, um die individuelle Sprachförderung in den Schulen zu gewährleisten. Weitere Sprachklassen werden folgen. Klar ist auch da noch viel zu tun. Trotzdem werden wir in den kommenden Monaten ein Augenmerk darauf legen müssen, dass an den Schulen auch das notwendige Personal dafür zur Verfügung steht. Neben der Schaffung von Fortbildungsmöglichkeiten haben wir bereits mit dem Haushalt 2015 50 zusätzliche Deutsch-als-Zweitsprache-Lehrkräfte eingestellt. Mit dem Doppelhaushalt 2016/17 sollen 100 im Jahr 2016 und weitere 50 im Jahr 2017 folgen. Wir werden beim Lehrkräftepersonal auch angesichts der rasanten Entwicklung der Schülerzahlen noch einmal deutlich nachsteuern. So sollen – so ist zumindest der Plan der Regierungsfraktionen – in den kommenden zwei Jahren 1.300 Neueinstellungen – das sind 1.000 plus 300 zusätzliche – vorgenommen und die Vertretungsreserve weiter ausgebaut werden.

An den Berufsschulen wurden bereits verstärkt Bildungsgänge des BVJ „Sprache“ eingerichtet – etwa 40 sind es. Ziel ist es hier, möglichst vielen jugendlichen Geflüchteten einen Schulabschluss zu ermöglichen. Unser Ziel ist die Schaffung von flächendeckenden Berufsvorbereitungsangeboten, speziell für junge Flüchtlinge. Auch die unbegleiteten Minderjährigen spielen hier eine wichtige Rolle. Da sind wir seit dem 1. November auch Aufnahmeland und haben jetzt etwa 850 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Thüringen aufgenommen.

Die auf Bundesebene beschlossene Öffnung der Integrationskurse für Asylsuchende war richtig. Bislang hatten nämlich nur Asylsuchende, deren Antrag positiv entschieden wurde, oder Migranten mit Aufenthaltserlaubnis Zugang zu den Integrationskursen. Wenn jetzt allerdings, und das gehört auch zur Wahrheit dazu, die CDU ein sogenanntes Asylpaket II auf Bundesebene plant, das die Asylsu

chenden an den Kosten der Integrationskurse beteiligen will, dann ist das nichts anderes – so meine ich jedenfalls – als eine versteckte Kürzung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Das ist mehr als kontraproduktiv, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Zudem wissen wir alle, dass die Kapazitäten für die Integrationskurse bei Weitem nicht ausreichen. Die Wartelisten sind lang. Auch hier muss der Bund deutlich mehr Ressourcen zur Verfügung stellen. Das gilt im Übrigen auch für die berufsbezogenen Sprachkurse. Die Forderung der CDU-Fraktion, Referendarinnen und Referendaren, die Deutsch als Fremdsprache studiert haben, Lehrtätigkeiten in den Flüchtlingserstaufnahmestellen zu ermöglichen, sehen wir durchaus positiv. Ebenfalls werden die Hochschulen eigene Angebote zur Sprachvermittlung schaffen, um studierfähigen Geflüchteten den Zugang zur Hochschule zu ermöglichen. Dazu bedarf es allerdings keines Antrags der CDU. Das ist längst auf der Agenda der Hochschulen. Auch die Landesregierung hat bereits zahlreiche Maßnahmen für einen erleichterten Zugang zu Hochschulen beschlossen.

Zu den Möglichkeiten der Arbeitsmarktförderung für Geflüchtete in Thüringen haben meine Kollegin Ina Leukefeld und auch Diana Lehmann schon einiges ausgeführt. Es gab das Treffen der Arbeitsminister. Darauf muss ich hier nicht noch einmal genauer eingehen. In Thüringen – das ist auch schon Thema gewesen – werden jetzt – und das ist sehr gut – in den Erstaufnahmeeinrichtungen berufliche und sprachliche Qualifikationen erfasst. Es gibt feste Beratungstage und direkte Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner. Auch werden mit der Richtlinie zum Landesprogramm „Arbeit für Thüringen“ verstärkt Konzepte der Beschäftigungsförderung für Geflüchtete gefördert. In Werkstätten sollen beispielsweise praktische Tätigkeiten erprobt und gefördert werden. Es soll verstärkt in Basis- und in berufsfachliche Deutschkurse vermittelt und Praktika, Ausbildungsstellen und Weiterbildungen sollen ebenfalls vermittelt werden. Wichtig ist uns, dass jungen Flüchtlingen während und nach einer Berufsausbildung oder eines Studiums eine sichere Bleibeperspektive ermöglicht wird. Allerdings sollte dies auch für alle anderen Geflüchteten gelten.

Was wir nicht machen werden, ist diese Unterscheidung in vermeintlich gute Flüchtlinge mit sicherer Bleibeperspektive und vermeintlich schlechte Flüchtlinge mit unsicherer Bleibeperspektive, so wie sie der CDU-Antrag vornimmt. Das ist übrigens ein weiterer Grund, warum wir diesen ablehnen. Allerdings bleibt zu fragen – das hat hier am Pult auch schon jemand ausgeführt –, warum dies nicht längst auf Bundesebene umgesetzt worden ist. Da

ist die CDU an der Bundesregierung auch nicht unmaßgeblich beteiligt.

Erfreulich ist, dass die Thüringer Wirtschaft den zu uns kommenden Asylsuchenden sehr offen gegenübersteht. Es sind nach einer IHK-Umfrage drei von vier Betrieben aus Industrie, Handel, Dienstleistungsbereich und Handwerk grundsätzlich bereit, Flüchtlingen eine berufliche Perspektive zu eröffnen. Ab einer Anzahl von 50 Mitarbeiterinnen sind 90 Prozent der Betriebe bereit, Flüchtlinge zu integrieren – je größer die Betriebe umso mehr. Damit die Jobcenter beim Integrationsprozess von anerkannten Flüchtlingen besser unterstützen können, brauchen wir allerdings auch mehr interkulturell kompetente Beraterinnen und Vermittlerinnen.

Noch einmal kurz zu der Problematik des Mindestlohns, der von der CDU aufgegriffen wurde, den sie für Flüchtlinge unterschreiten möchte. Wir meinen, dass eine untaugliche Idee auch durch ständige Wiederholung nicht besser wird. Löhne unterhalb der Mindestlohngrenze für Flüchtlinge führen nicht zu einer besseren Arbeitsmarktintegration dieser Gruppe, sondern sind der Nährboden für Ressentiments, und wo das endet, das wissen wir.

(Unruhe CDU)

Flüchtlinge würden so dem Vorwurf ausgesetzt, mit Dumpinglöhnen die Arbeitsmarktchancen einheimischer Bewerber zu schmälern. Das ist reines Gift für das gesellschaftliche Klima. Die Rede von Herrn Höcke haben wir eben hören müssen. Daher lehnen übrigens auch Arbeitgeber und Gewerkschaften diesen Vorschlag unisono ab. Wenn die CDU wirklich etwas für den besseren Arbeitsmarkteinstieg von Flüchtlingen tun möchte, dann soll sie endlich ihren Widerstand gegen die Abschaffung der bürokratischen Vorrangprüfung aufgeben.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist also deutlich geworden, dass die Landesregierung die Handlungsbedarfe erkannt hat. Wir als Koalitionsfraktionen steuern nach und schaffen die haushalterischen Voraussetzungen für gute Bildung und gelingende Arbeitsmarktintegration.

(Unruhe AfD)

Ich komme zum Schluss. Einige Forderungen des CDU-Antrags gehen zwar teilweise in die richtige Richtung. Viele sind jedoch auch abzulehnen

(Unruhe CDU)

wie eben das ständige Insistieren auf vermeintlich guten und schlechten Geflüchteten je nach Bleibeperspektive.

Frau Rothe-Beinlich, es gibt eine Anfrage des Abgeordnete Wirkner. Erlauben Sie diese?

Bitte schön, Herr Wirkner.

Frau Rothe-Beinlich, ich habe trotzdem noch mal eine grundsätzliche Frage: Finden Sie, dass es gerecht ist, wenn Langzeitarbeitslose in einem halben Jahr der Einarbeitung unterhalb der Mindestlohngrenze beschäftigt werden sollen