Vielen Dank, Herr Minister. Ich schließe den zweiten Teil und rufe auf den dritten Teil der Aktuellen Stunde
c) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Rüdigsdorfer Schweiz für den Naturschutz dauerhaft sichern“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/1326
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, die unendliche Geschichte zu einer einzigartigen Naturlandschaft in Deutschland geht leider in die – welche Ebene auch immer. Ich weiß nicht, in welcher Scheinwelt wir in Nordhausen da zurzeit sind. Die Rüdigsdorfer Schweiz ist die kleinste Schweiz in Deutschland und ist schutzwürdig für die Nachwelt zu erhalten.
1991 verkaufte die Treuhand die Lagerstätte mit der Gipskarstlandschaft an ein Gipsunternehmen, aber das ist jetzt nicht mehr relevant. Es wurde dann weitergegeben an ein anderes Gipsunternehmen. 1993 wurde der Winkelberg einstweilig unter Schutz gestellt, weil sich erwiesen hat, dass diese Landschaft besonders schützenswert ist. Es gibt da besonders viele Fledermausarten, es gibt Orchideen – es ist alles gegeben, um diesen Winkelberg
unter Schutz zu stellen. Doch es kam anders: 1996 – schon in der Auslegungsphase, als der komplette Winkelberg unter Schutz gestellt werden sollte und das von den Fachbehörden vorbereitet wurde, vom Landesverwaltungsamt unterstützt und vorgelegt wurde – stoppte ein Staatssekretär namens Illert mitten im Verfahren die Unterschutzstellung des Winkelbergs. Es war ein einzigartiger Vorgang, den es so in Deutschland noch nie gegeben hat. Es war das erste Mal in einem Auslegungsprozess, wo die Fachbehörden entschieden hatten, es lohnt sich, der Winkelberg muss komplett unter Schutz gestellt werden – nein, der politische Wille der CDU war ein anderer und der Schutz wurde nicht vorgenommen, sondern es wurde nur ein Teil des Winkelbergs unter Schutz gestellt. Und in dieser Phase entstand – auf welche ominöse Weise auch immer – ein sogenannter Gipskompromiss, den ich bis heute nicht untersetzen kann und bei dem ich nicht weiß, auf welcher rechtlichen Grundlage er basiert und welche Gremien diesen Kompromiss jemals beschlossen, gesehen oder auch für sich angenommen haben. Dieser Thüringer Landtag hat sich mit diesem Gipskompromiss zwar versucht zu beschäftigen, aber es ist uns – Tilo Kummer kann das bestätigen – über die Jahre nie gelungen, mehr über diesen Kompromiss zu erfahren oder zur Kenntnis zu bekommen. Es gipfelte dann darin, dass, als Staatssekretär Illert als Umweltstaatssekretär in Nordhausen war, er sogar gedroht hat: Wenn noch mal die Existenz eines Kompromisses zum Gipsabbau am Winkelberg in den Mund genommen wird, würde er dagegen juristisch vorgehen. Das war 1998.
Ja, das ist auch schon lange her. Aber das sind die Fehler, auf denen wir jetzt leider aufbauen und auf denen wir leider jetzt hängen, Frau Tasch, weshalb wir jetzt Probleme haben. Das ist unser Problem.
Im Jahre 2001 gab es eine große Anhörung im Umweltausschuss des Landtags, die Region war hier, alle Leute – also der Landkreis –, und alle haben gesagt: Wir wollen keine weitere Ausdehnung des Gipsabbaus in der Rüdigsdorfer Schweiz, wir wollen keine neuen Gipsabbauverfahren. Alle waren sich einig, dass – damals war es HeidelbergCement – die keine Genehmigung für den Winkelberg bekommen. Das war im Jahre 2001. Doch schon im Jahre 2002 wurde das wieder untergraben, weil wieder dieser ominöse Gipskompromiss in den Raum gestellt wurde, den es eigentlich gar nicht geben sollte. Es wurde gesagt, aufgrund des Gipskompromisses müssten wir vielleicht doch zugestehen, dass am Winkelberg Gips abgebaut wird. Dann kam das Jahr 2004. Dieter Althaus wollte Ministerpräsident werden und es ergab sich so, dass in Nordhausen ein Riesenprotest gegen das Vorgehen auflief, am Winkelberg wieder Gips abzubauen. Im Wahlkampf kann man so allerhand versprechen.
Und so versprach Dieter Althaus 2004 – am 13.06. waren die Wahlen: Nie wieder soll ein neuer Gipsabbau in Nordhausen passieren und schon gar nicht am Winkelberg. Das waren seine Worte und wir haben das auch geglaubt, will ich mal vorsichtig sagen. Unter dem Druck der Bevölkerung und unter dem Druck der Umweltverbände musste dann am 27.04.2004 ein Kabinettsbeschluss gefasst werden, wo das Land Thüringen wirklich dazu „geprügelt“ – in Anführungsstrichen, Herr Präsident – werden musste, FFH-Gebiete nachzumelden, weil die Europäische Union uns gedroht hat, sonst ein Verfahren gegen Thüringen anzustreben, weil der Winkelberg auch bei der FFH-Meldung herausgenommen wurde. – Ich bin entsetzt. Ich glaube, wir müssen das Thema noch breiter anlegen. Entschuldigung. Die 5 Minuten sind schon um und ich habe noch so viel zu sagen.
Vielen Dank für Ihr Verständnis, Frau Becker. Nun hat Abgeordnete Tasch für die CDU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident, liebe Damen und Herren! Frau Becker, dann machen wir mal einen Selbstbefassungsantrag für den nächsten Umweltausschuss, da haben wir dann mehr Zeit, denke ich.
Ich will es am Anfang deutlich sagen: Eine Neuverritzung im Südharz darf es nicht geben! Das hatten wir, liebe Frau Becker – so weit zurück kann ich mich gar nicht erinnern, da war ich auch noch nicht hier, Anfang der 90er-Jahre saß ich noch in meinem Küllstedt und war glücklich und zufrieden –,
Andererseits ist es so, dass die Gipsindustrie einfach zum Südharz dazugehört. Nicht wenige Menschen haben Arbeit durch den Gips und die Region lebt davon und damit. Ganz klar ist aber auch, dass die einzigartige Südharzer Gipskarstlandschaft vor weiteren Eingriffen geschützt werden muss. Dass der Gipsabbau mit Eingriffen in Natur und Landschaft einhergeht, ist schließlich unbestritten. Leider wird die öffentliche Diskussion nicht immer sachlich geführt. Oft werden Argumente verwendet, die einer näheren Überprüfung nicht standhalten. Seien es die Naturschutzbemühungen der Gipsunternehmen, der Einsatz von Alternativen zum Naturgipsabbau oder die wirtschaftliche Bedeutung der Gipsindustrie. Zuallererst müssen Fakten auf
den Tisch statt Fehlinformationen. Deshalb hat auch die CDU-Kreistagsfraktion gemeinsam mit der Fraktion Die Linke im Nordhäuser Kreistag beantragt, einen runden Tisch einzusetzen. Der Kreistag hat diesen Antrag mit großer Mehrheit angenommen, das war schon im März. Leider hat der runde Tisch bis heute noch nicht getagt. Dennoch finde ich, den runden Tisch sollte man nutzen, um über die Fakten aufzuklären, um einen Lösungsweg für den weiteren Gipsabbau in der Region zu finden und für einen angemessenen Interessensausgleich zu sorgen. Das halten wir für wichtig. Der runde Tisch sollte helfen, mit den Beteiligten aus Politik, Wirtschaft und ehrenamtlichen Gremien einen Kompromiss zum Schutz des Südharzer Zechsteingürtels herbeizuführen. Ich bin überzeugt, dass es gelingen wird, mit der Gipsindustrie Möglichkeiten auszuloten, die sowohl den Vorgaben des Kreistags als auch der Forderung nach Erhalt von Arbeitsplätzen entsprechen.
Nun waren Sie, Frau Becker, schon im Frühjahr der Meinung, dass der Kompromiss der letzten 25 Jahre nicht zum Erfolg geführt hat und ein runder Tisch nicht zielführend sei. Liebe Frau Becker, nicht immer sind wir einer Meinung, aber mit einem haben Sie recht: Wir finden es auch unmöglich – da spreche ich auch für Egon Primas, der heute nicht hier sein kann –, wie sich die CASEA verhält. Die Strategie von CASEA, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen, ist ein Verhalten, das unserer Meinung nach kontraproduktiv ist. Wer vollendete Tatsachen schaffen will, fällt dem Anliegen eines runden Tisches in den Rücken. Das, finden wir, darf nicht sein.
Wir halten es weiterhin für sinnvoll, sich an einen Tisch zu setzen. Ich hoffe, das Tischtuch ist auch noch nicht zerschnitten. Da bin ich mit Egon Primas einer Meinung, man sollte nicht übereinander reden, sondern miteinander. Ich teile auch die Sorge um den Erhalt der Arbeitsplätze in der Region uneingeschränkt. Die Bemühungen des Unternehmens und seiner Mitarbeiter für einen umweltschonenden Gipsabbau sind mir sehr wohl bewusst. Trotzdem sagen wir: Eine Neuverritzung darf es nicht geben.
Nun sind Sie in Ihrer Pressemitteilung – die haben auch wir gelesen – auf den Scoping-Termin eingegangen und Sie wissen auch, dass die CASEA wenig Hoffnung auf eine Genehmigung hat. Wir sind überzeugt, dass der jetzige Schutzstatus eine Genehmigung nicht ausreichend erscheinen lässt. Das ist auch gut so.
Vielleicht darf ich zum Abschluss noch aus einem Brief vom Juni dieses Jahres zitieren, den die Kreisfraktion der Linken an CASEA geschrieben hat: Sie bringen Ihre Sorge um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze für uns nachvollziehbar zum Ausdruck.
Dafür haben wir vollstes Verständnis und werden Sie in dieser Hinsicht entsprechend unseren Möglichkeiten unterstützend begleiten. Als Mandatsträger haben wir dabei auch die regionale Entwicklung des gesamten Landkreises im Interesse der im Südharz lebenden Menschen zu beachten. – Dem können wir uns uneingeschränkt anschließen, dem ist nichts hinzuzufügen. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist nicht das erste Mal, dass die Unterschutzstellung des Winkelbergs die Gemüter erhitzt und zu heftigen Diskussionen hier im Landtag führt. Ich fühlte mich, als ich die Aktuelle Stunde der SPD gelesen habe, in die dritte Legislatur zurückversetzt, wo wir zu diesem Thema eine wirklich sehr, sehr gute Anhörung im Umweltausschuss des Landtags hatten, wo eben zur Sprache kam, warum für die Gipsindustrie ein so naturschutzfachlich wertvolles, ein so wunderschönes und für den Tourismus auch so wichtiges Gebiet wie der Südharz abgebaut werden soll. Im Kern kann man das Ergebnis dieser Anhörung so zusammenfassen, dass es für die Gipsindustrie unwirtschaftlich ist, REA-Gips, also Recyclinggips, der vor allem in der Filterreinigung in der Braunkohle anfällt, nach Nordthüringen zu transportieren, zu den Gipswerken zu transportieren und dort zu verarbeiten, weil die Transportkosten plus der Preis für den REA-Gips insgesamt 1 Euro mehr als der Abbau des Naturgipses ausmachen. Das war das Ergebnis der damaligen Anhörung. Wenn man sich die heutige Diskussion ansieht, dann, glaube ich, ist es wieder so, dass der Recyclinggips um ein weniges teurer ist als der Naturgips und dass man deshalb nach wie vor Interesse hat, Naturgips abzubauen und für die Bauindustrie zu verarbeiten, wofür man den hochreinen Naturgips eben wirklich nicht braucht, wofür man Recyclinggips nehmen könnte. Wenn in Anbetracht der Energiewende die Diskussionen kommen, dass Braunkohleverstromung nicht mehr in der Größenordnung stattfindet und deshalb der REA-Gips weniger werden würde, dann muss man klar darauf verweisen, dass die Bauhaus-Uni, hier im Land ansässig, eine Prognose erstellt hat, wonach wir auch in Zukunft mehr an Recyclinggipsen zur Verfügung haben werden, als die Gipsindustrie insgesamt an Gips braucht. Man kann also klar sagen: Für die Baustoffindustrie brauchen wir keinen Naturgips mehr. Das müsste doch die erste Prämisse unseres Handelns sein,
um zu sagen: Langsam mit dem Gipsabbau im Südharz, bitte nur für die Spezialitäten, wo wir Naturgips brauchen. Und für die Baustoffindustrie lasst uns einen Weg finden, wie wir den Recyclinggips in die Gipsverarbeitungswerke im Südharz bringen, damit dort die Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.
Meine Damen und Herren, ebenso unstrittig ist, dass der Winkelberg zum Naturschutzgebiet Rüdigsdorfer Schweiz gehört, dass er ein ökologisches Kleinod ist und dass es den Wunsch in der Region gibt, dieses Gebiet zu schützen, dieses Gebiet dem Gipsabbau nicht preiszugeben. Unstrittig ist auch, dass der Regionalplan sagt, dort soll es keinen Gipsabbau geben und
dass es ein Zielabweichungsverfahren bräuchte, um diese Region für den Gipsabbau zur Verfügung zu stellen.
Gegen die Ausweisung des Winkelbergs soll es den sogenannten Gipskompromiss von 1997 geben, Frau Becker wies darauf hin. Frau Tasch, Ihren Vorschlag, das Ganze im Umweltausschuss zu beraten, finde ich klasse, da können wir uns diesen Gipskompromiss einmal vorlegen lassen, um uns anzusehen, was denn wirklich darin steht, was dort von Herrn Illert festgehalten wurde und was es wirklich für Gründe gibt,
dass die Gipsindustrie dort auf ihrem Recht beharren kann, Gipsabbau entgegen einem Regionalplan, gegen Naturschutzrecht und diese Fragen durchzuführen.
Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich noch zu einem anderen Punkt kommen, der mit dem Südharz für mich fest verknüpft ist, die Frage eines Biosphärenreservats. Frau Siegesmund, Sie haben das eben sehr konkret und sehr treffend festgestellt.
Ich wünschte mir, dass wir in diesem Punkt weiterkommen, weil ich glaube, gerade die Frage zu klären, wie wir in der Region nachhaltiges Wirtschaften unter gleichzeitigem Schutz dieser hochsensiblen Umwelt ermöglichen können, das ist in einem Biosphärenreservat hervorragend möglich. Aufgabe dieses Biosphärenreservats sollte es sein, die langfristige Sicherheit für die Gipsindustrie und die Sicherheit der Naturlandschaft zu ermöglichen. Ich denke, dafür bräuchte es für die Thüringer Biosphärenreservate eine neue Förderinstrumentarienausstattung
aus dem Bereich des Wirtschaftsministeriums, das will ich gleich einmal anregen. So ein Sondertitel Biosphärenreservat als Sonderwirtschaftszone, ich
zu klären, wie ich Wertschöpfungsketten verlängern kann, wie ich aus der Urproduktion mehr machen kann, dass Thüringen nicht bloß ein Rohstofflieferant ist, sondern dass wir hier veredeln. Das sind Dinge, damit könnten wir für die Rüdigsdorfer Schweiz, für den Winkelberg wirklich etwas tun. Die Gipsindustrie hätte ein großes Interesse. Das war auch Ergebnis der Anhörung, die wir in der letzten Legislatur zum Biosphärenreservat hatten. Da gab es viele Ängste in der Region vor neuen naturschutzfachlichen Gängeleien. Wir sollten Chancen beschreiben. Dazu kann ein solches Instrument dienen, wenn es richtig gemacht wird und dazu lade ich uns alle ein. Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Abgeordnete, liebe Zuschauer auf der Tribüne! Frau Becker von der SPD hat schon einiges ausgeführt. Zu dem Thema ist sehr viel zu sagen, da gebe ich Ihnen recht. Aber leider muss ich sagen: Beim Umgang mit dem Thema „Naturschutz“ bei der SPD fehlt es etwas an Glaubwürdigkeit. Es ist sehr zu begrüßen, dass der lokale Naturschutz sein Augenmerk auf europaweite einzigartige Regionen richtet. Es muss die Aufgabe des Freistaats Thüringen sein, solche Regionen mit seltener Flora und Fauna zu schützen. Die Rüdigsdorfer Schweiz bei Nordhausen ist das letzte zusammenhängende Gipskarstgebiet in Thüringen. Das sollte auf alle Fälle erhalten werden. Allerdings ist es nicht glaubwürdig, wenn diese Debatte von der SPD nun aufgrund einer wirtschaftlichen Nutzung der Region durch den Gipsabbau geführt wird. Natürlich muss die Diskussion geführt werden, das ist vollkommen richtig, ob der Abbau von Gips in der Rüdigsdorfer Schweiz mit naturschutzfachlichen Kriterien vereinbar ist. Dabei ist auch zu prüfen, ob ein solcher Abbau unter Auflagen erfolgen kann oder ob er ganz und gar abzulehnen ist, da Ersatzgipse sowohl in ausreichenden Mengen als auch in Qualitäten vorhanden sind – wie wir bei unserem Vorredner bereits gehört haben. Seit Anfang dieses Jahrtausends werden REA-Gipse von der Industrie in ausreichenden Mengen zur Verfügung gestellt und sogar umsonst in Gipsfirmen angeboten, wodurch auch die regionalen Arbeitsplätze erhalten werden können. Es ist
sehr zu empfehlen, die Bürger nicht nur anzuhören, sondern eventuell sogar selbst entscheiden zu lassen. Bürgerbegehren und Bürgerentscheide – was wir von der AfD des Öfteren fordern – könnten hier zügig eine Klarheit über die Mehrheiten verschaffen. Sicher werden jene, deren Arbeitsplatz am Abbau in der Region hängt, anders stimmen als die Bürger, die die Natur schützen wollen. Deswegen ist diese Debatte mehr als notwendig, gern können wir auch im Ausschuss darüber sprechen.