Protocol of the Session on September 30, 2015

Herr Brandner hat wiederum das Wort.

Meine Damen und Herren, seit Jahren und beschleunigt seit einigen Monaten zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zwischen der öffentlichen Meinung und der veröffentlichten Meinung sowie den tatsächlichen Gegebenheiten und den Berichten darüber. Nehmen Sie beispielhaft die Berichterstattung über das Asylproblem. Kaum ein Bericht

(Minister Lauinger)

kommt ohne Bilder von Kindern, insbesondere Kleinkindern, aus, obwohl tatsächlich über zwei Drittel der Kommenden junge Männer sind. Zunehmend wird berichtet, was Asylbewerber alles so finden, Geld, Gepäck, und dann öffentlichkeitswirksam, wenn die „Bild“-Zeitung dabei ist, zurückgeben. Angeblich kämen auch nur Familien, Facharbeiter und Ärzte. Sogar Herr Scherer hat inzwischen eingeräumt, es wüsste ja jeder, dass es nicht so ist. Das würde zwar in den Medien so transportiert, wenn Sie sich erinnern, aber jeder wüsste, es wäre nicht so. Ein weiteres Beispiel: Es wurden bei der ersten AfD-Demo am 16.09.2015 in Erfurt von den Medien, hier dem MDR, etwa 650 Teilnehmer und mindestens genauso viele Gegendemonstranten gemeldet, während sogar die Polizei offiziell von etwa 1.200 Demonstranten und etwa 150 Gegendemonstranten sprach. Oder nach den aktuellen Politbarometer-Zahlen bescheinigen angeblich drei Viertel der Befragten der Bundeskanzlerin insgesamt eine gute Politik. Im Bereich Flüchtlingspolitik sollen es immerhin noch sagenhafte 50 Prozent sein, meine Damen und Herren. Außer denen von der CDU, die dafür bezahlt werden, kenne ich keinen Einzigen, der so denkt. Das mag man jetzt noch nachvollziehen können, aber ich kenne auch keinen, der jemanden kennt, der so denkt, und darüber sollte man sich dann Gedanken machen, wo solche Zahlen herkommen.

(Beifall AfD)

Medien, also Fernsehen, Radio und Zeitung, stellen faktisch die vierte Säule in der Gewaltenteilung dar. Dazu kommen wir später noch in einem anderen Thema. Sie sollen über Vorgänge zunächst einmal möglichst objektiv berichten und sie dann kritisieren, rügen oder infrage stellen. Journalisten dürfen dabei keine plumpe Meinungsmache betreiben. Es muss objektive Berichterstattung gewährleistet sein. Dazu gehört auch, vor jeder Berichterstattung eine Recherche von Fakten durchzuführen. Wird das nicht gewährleistet, lassen sich Journalisten missbrauchen.

Welches Bild zeichnet sich in Thüringen ab? In den gedruckten Medien hat es in den vergangenen Jahren einen starken Konzentrationsprozess gegeben. Das hat zur Folge, dass es zum Beispiel in der Asylpolitik nur eine einzige einhellig veröffentlichte Meinung gibt. Fast alle Menschen in Deutschland seien bereit, weiterhin Hunderttausende oder sogar Millionen Migranten aufzunehmen. Dass ein nicht unerheblicher Teil – ich vermute sogar die Mehrheit – der Bevölkerung eine solche Politik des Merkel’schen „Wir schaffen das“, wobei immer noch offenbleibt, was sie eigentlich schaffen will, ablehnt, findet in der Presse kaum und wenn, nur mit diffamierenden Untertönen Widerklang. Auch das unreflektierte Zitieren fremder Positionen hat sich in die Presse eingeschlichen. Ein Höhepunkt fand sich vor etwa zwei Wochen im „Freien Wort“ in Suhl. Ei

ne verblendete Linksradikale aus diesem Landtag schrieb zu einer ihr nicht genehmen Veranstaltung, das sei eine „rassistische Hass-Demo“. Diese Passage stand dann ungefiltert so in der Zeitung und wurde transportiert. Was, meine Damen und Herren, soll damit bezweckt werden, einen dicken Glatzköpfigen neben einer AfD-Demo zu fotografieren? Welchen Wert hat die Aussage: „Es wird wohl eine dreistellige Anzahl Neonazis bei der Demonstration gewesen sein“? 5.000 Leute, 100 Neonazis, das sind gerade mal 2 Prozent. Ich glaube, die Linke-Fraktion wäre froh, wenn sie nur 2 Prozent Parlamentsunwürdige in ihren Reihen hätte.

(Beifall AfD)

Das ist bei unserer Demonstration deutlich weniger, wie Sie sehen. Kann es sein, dass auch die Beteiligung von Parteien, vor allem von der SPD, für solche Berichterstattungen, die im klassischen Sinne gar keine mehr sind, verantwortlich ist, dass Journalisten da die Schere im Kopf haben, weil sie wissen, die SPD ist an dem Verlag beteiligt?

Meine Damen und Herren, zum Schluss unsere Bitte und Aufforderung an die Medien: Kehren Sie zurück zu einer möglichst objektiven Berichterstattung! Mehr wollen wir gar nicht. Flankiert dann durch abgetrennte Kommentare, wo Sie Ihre Meinung verbreiten können, aber vermischen Sie nicht Berichterstattung mit Kommentaren und dann immer zulasten von Institutionen, die sich nicht wehren können. Nichts anderes wollen wir. Wir wollen, im Gegensatz zu Ihnen in den Altparteien, keine Jubelberichte in die eine oder andere Richtung, sondern eine ordentliche, faire, klassische Berichterstattung bezogen auf alle Akteure und vor allem die in der Politik. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion Die Linke hat Abgeordneter Blechschmidt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte meinen Beitrag mit einem Zitat beginnen, das sicherlich nicht nur mir die Haare zu Berge stehen lässt: „Ihr seid die Ersten, die an die Wand gestellt werden.“ Das haben Teilnehmer der AfDDemonstration am 16. September 2015 vor der Thüringer Staatskanzlei einem Kamerateam des MDR zugebrüllt. So werden Journalisten von Anhängern der AfD hier in Thüringen beschimpft und bedroht. Von Menschen, die Herr Höcke gerufen hat

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: So ein Käse!)

und zu denen weder die AfD noch Herr Höcke auf Distanz gehen wollen.

(Abg. Brandner)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Die haben Sie vielleicht selbst hingeschickt!)

Mit Deutlichkeit: Eine solche Bedrohung ist ein Angriff auf die Pressefreiheit,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

ist ein Angriff auf Artikel 5 des Grundgesetzes und ist somit ein Angriff auf die Demokratie in diesem Land.

(Unruhe AfD)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

„Ihr seid die Ersten, die an die Wand gestellt werden.“ – Dass diese Aussage offenbar nicht nur eine hohle Phrase, sondern ernst gemeint ist, bewiesen andere Teilnehmer der gleichen AfD-Demonstration. Sie bedrängten und attackierten in mindestens zwei Fällen Fotografen, die dort am Rande der Veranstaltung ihrer Arbeit nachgingen. In einem Bericht

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Kommen Sie zum Thema, Herr Blechschmidt!)

das ist genau das Thema, wie man Öffentlichkeit und öffentliche Meinung gestalten und proklamieren will – des MDR über den Aufmarsch der AfD eine Woche später, am 23. September 2015, sehen wir dann, wie die Teilnehmer gemeinsam gegen Journalisten skandieren: „Lügenpresse“. Der Begriff „Lügenpresse“ war bekanntermaßen ein gern benutztes Wort des NS-Funktionärs und späteren Propagandaministers, des Nazis Joseph Goebbels. Zitat: „Ungehemmter denn je führt die rote Lügenpresse ihren Verleumdungsfeldzug durch. Alles Lüge.“ Und der NS-Ideologe Alfred Rosenberg konstruierte zwischen dem Begriff der Lügenpresse und dem von ihm dargestellten öffentlichen Willen des Volkes gezielt einen Widerspruch, der zwingend aufgelöst bzw., wie er formulierte, geklärt werden muss. Heute hören wir: veröffentlichte Meinung gegen öffentliche Meinung. Ich frage: Wo ist da der Unterschied?

(Unruhe AfD)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Nun könnte man ja die Drohungen und Beschimpfungen auf der Erfurter AfD-Demonstration den Neonazis und den rechen Hooligans unter den Teilnehmern zuordnen, aber die waren ja laut Herrn Höcke nicht da.

Meine Damen und Herren, wir können uns auch den Meinungsäußerungen der AfD hier im Haus im Allgemeinen oder denen des medienpolitischen Sprechers im Konkreten zuwenden, der sich über die Arbeit von Journalisten artikuliert, die sich inten

siv mit Rechtsextremismus und Rassismus auseinandersetzen und die wiederholt für ihre Arbeit, ihre authentischen, objektiven und mithin auch mutigen Beiträge, ausgezeichnet wurden. Darüber schreibt Herr Brandner – ich zitiere –: „Schaut euch mal den Artikel und das Foto dazu an – so funktioniert Propaganda beim MDR.“

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Da hat er doch recht!)

Die Wortwahl, der Trend, die Art und Weise sind keine sachliche Kritik, sondern man kann dies nur als gezielte Verunglimpfung und Hetze bezeichnen, so, wie es der Präsident heute am Anfang unserer Plenarsitzung gesagt hat.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die wiederholten Angriffe auf die Presse hier in Erfurt, in Leipzig, in Nordrhein-Westfalen und kein Wort dazu von der Thüringer AfD, die sich immer im Internet stolz mit ihren Teilnahmen bei den Aufmärschen in Dresden präsentiert und hier in Erfurt organisiert. Eine Distanzierung zur Gewalt gegen Journalisten von AfD, von Partei- und Fraktionschef Höcke oder dem medienpolitischen Sprecher habe ich bis heute nicht gehört.

(Unruhe AfD)

Das Schweigen der AfD bedeutet Tolerierung, bedeutet Ermutigung der Täter.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wer Journalisten verbal bedroht und tätlich angreift, stellt sich gegen die Pressefreiheit, gegen das Grundgesetz und gegen die Demokratie. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben die Pressefreiheit ausdrücklich und bewusst ganz weit vorn im Grundgesetz verankert, denn die Pressefreiheit war in den Jahren von 1933 bis 1945 keinen Cent wert. Die Nazis bekämpften die unabhängige Presse, bekämpften Journalisten und Publizisten, die sich kritisch mit dem Nazismus auseinandersetzten. Später wurden sie verfolgt, Emigrierung drohte ihnen oder sie sind selber gegangen, ins KZ gesperrt und später ermordet worden, Stichwort: Carl von Ossietzky. 1932 schrieb Goebbels verärgert über einen kritischen Zeitungsartikel: „Am besten wäre es ja, man ließe eine solche Schreiberkreatur von einem S.A.-Trupp aus der Redaktion herausholen und auf der Straße öffentlich verprügeln.“ Bei der AfD-Demonstration vor zwei Wochen hieß das: Ihr seid die Ersten, die an die Wand gestellt werden.

Herr Abgeordneter Blechschmidt.

(Abg. Blechschmidt)

Letzter Satz, Frau Präsidentin.

Alle demokratischen Parteien werden Ihnen Ihre Meinung zu Ihrem Handeln und Tun oder Ihrem Nichthandeln und Nichttun deutlich sagen und sie werden auch die Pressefreiheit hier verteidigen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat Abgeordneter Wucherpfennig das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren, wir können hier im Parlament natürlich über vieles und nahezu alles debattieren und dieses auch in unterschiedlicher Intensität. Allerdings sollten wir uns von pauschalen Bewertungen möglichst distanzieren. Eine grundsätzliche Bewertung der Thüringer Medienberichterstattung würde meines Erachtens eine umfassende Analyse, Diagnose und Prognose erfordern, um eine aussagekräftige Grundlage für eine fundierte Debatte im hiesigen Parlament zu haben. Eine derartige wissenschaftliche Untersuchung der Thüringer Medien liegt jedoch nicht vor. Allein schon deshalb kann eine Debatte zur beantragten Thematik auch nicht tiefgründig sein. Aber auch unabhängig hiervon halte ich die induktive Methode, in diesem Fall auf der Basis von Einzelfällen auf allgemeine Gesetzmäßigkeiten zu schließen, für falsch. Im Übrigen haben sich alle Medienschaffenden wie auch alle anderen Branchen an dem vorgegebenen gesetzlichen Rahmen zu orientieren. Sollte dieser in Einzelfällen nicht eingehalten sein, so hat hierüber nach unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung insbesondere die Judikative zu wachen. In diesem Zusammenhang verweise ich beispielhaft auf die medienrelevanten Urteile des Bundesverfassungsgerichts vom 25. März 2014 bzw. vom 17. Dezember 2014. So haben diese Urteile letztendlich zur Änderung des Rundfunkstaatvertrags, sprich zum 17. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, geführt bzw. zum Entwurf des 18. Rundfunkänderungsstaatsvertrags, den wir morgen sicherlich behandeln werden. Ich denke, dies ist der richtige Weg und diesen sollten wir auch künftig gehen. Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Abgeordnete Henfling zu Wort gemeldet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Presse! Zunächst ein herzliches Dankeschön an den Kollegen Blechschmidt für den wirklich deutlichen und treffenden Redebeitrag, den ich so auch unterschreiben kann. Lassen Sie mich noch einige Sätze ergänzen.

Ich hatte gestern ernsthafte Probleme, bei dem Titel überhaupt zu verstehen, worauf die AfD hinauswill. Ich hatte das Gefühl, dass wir hier über das Thema „Lügenpresse“ reden werden, das Sie auch in der letzten Woche am Mittwoch auf Ihrer Demonstration skandiert haben. Neben dem Thema „Volksverräter“ haben Sie das dort sehr heftig mit gerufen. Ich sage: Es ist mir dann relativ egal, ob Sie das rufen oder ob das Nazis rufen. Sie haben das dort mit Nazis gemeinsam gerufen und machen sich mit denen gemein.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)