Protocol of the Session on August 24, 2015

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Der Spiegel ist links?)

Die Menschen im Sommer ’89 sind geflohen aus dem SED-Diktaturstaat, weil sie wussten, dass sie auf Dauer eingesperrt sind und weil sie wussten, wenn sie zurückkehren in das Land, dann werden sie politisch verfolgt und dann kommen sie ins Gefängnis.

(Unruhe DIE LINKE)

Deswegen sind die Menschen über die Botschaften geflohen, weil sie raus wollten aus der Diktatur der Unfreiheit.

(Beifall CDU)

Sie wollen uns heute einreden, die Menschen seien nur wegen wirtschaftlichen Gesichtspunkten geflohen. Sie sind geflohen vor Ihrer Diktatur. Es ist unmöglich, das zu vergleichen mit der heutigen schwierigen Situation mancher Kriegsflüchtlinge.

(Beifall Abg. Gentele, fraktionslos)

Meine Damen und Herren, natürlich gehört zu der Frage, was muss man regeln und was erwarten wir vom Flüchtlingsgipfel mit der Kanzlerin, auch die Frage, dass man bundesrechtlich die Unzulässigkeit von Folgeanträgen regeln muss. Bei wem der Asylantrag entschieden wurde, bei dem muss klar sein, egal, wo er in Europa entschieden wurde, es darf kein neuer Folgeantrag gestellt werden, dass das Verfahren von vorne losgeht. Es gab schon mal die Regelung.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen angesichts der schwierigen Situation zurück zu dem Rechtsstatus, den wir schon vorgefunden haben. Nur dann werden wir Stück für Stück der Probleme Herr – auch das gehört zur Wahrheit und zur Ehrlichkeit dazu.

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Grundmelodie von Rot-Rot-Grün heißt: „Alle Flüchtlinge sind Neubürger“. So hat es der Regierungssprecher in einem Blogbeitrag letzte Woche geschrieben, und zwar in der Nacht vor dem letzten Mittwoch auf Donnerstag. Wir sagen ganz ausdrücklich: Nein, nicht alle Menschen, die nach Deutschland kommen, sind Neubürger. Der Gewaltausbruch in Suhl hat auch auf dieses Thema ein grelles und auch neues Licht geworfen.

Meine Damen und Herren, wenn der Ministerpräsident zu Recht sagt, einen Koran schänden geht gar nicht, und das Taktgefühl verbietet es, Menschen in

ihren religiösen Gefühlen zu verletzten, dann teilen wir das ausdrücklich. Aber ich sage eben auch: Das Taktgefühl gilt auch gegenüber dem Christentum und seiner Symbole. Beides gehört zusammen.

(Zwischenruf Ramelow, Ministerpräsident: Ja! Ja!)

(Beifall CDU)

Sie haben das auch gesagt. Aber ich sage das ausdrücklich auch mit Blick auf die Eskalation in Suhl. Der afghanische Asylbewerber, der mittlerweile in einer anderen Einrichtung untergebracht ist, war ein Christ. Und die Eskalation, die in der Suhler Nacht gewesen ist, hat eine Vorgeschichte. Es lohnt sich im zuständigen Migrationsausschuss und es lohnt sich auch im Innenausschuss, sich noch einmal die Vorgänge aus den Vernehmungen der Polizei anzuschauen. Auch das gehört dazu. Wer hier Schutz in Deutschland sucht, der muss auch wissen: Bei uns gilt Religionsfreiheit in der Ausübung wie auch im Leben des Glaubens. Wer gerade in einem Land mit christlich-jüdischer-abendländischer Tradition Schutz sucht, der muss wissen, er ist dann auch dauerhaft mit Christen gemeinsam in diesem Land verortet. Integration gelingt nur, wenn sie von beiden Seiten gewollt ist. Willkommen auf der einen Seite, aber auch der Wille zur Integration, der Wille des Zusammenlebens von verschiedenen Religionen gehören zu den ursächlichen Grundbedingungen, wenn man hier Asyl beantragt. Die Folge über den Antrag folgt danach, aber das Verständnis vorher erwarten wir von jedem, der Integration in diesem Land sucht.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, Bodo Ramelow hat am Wochenende nachgetragen – er hatte es ursprünglich in der ersten Wortmeldung nach Suhl vergessen: Lynchjustiz verbietet unsere Rechtsordnung.

(Zwischenruf Ramelow, Ministerpräsident: Habe ich nicht vergessen!)

Der Justizminister hat ausdrücklich auch darauf hingewiesen. Ich will das ausdrücklich loben. Ich will an dieser Stelle auch sagen, ich glaube, dass aus der politischen Debatte heraus Rücktrittsforderungen zu weit gehen. Aber ich will Ihnen auch sagen, sehr geehrter Herr Justiz- und Migrationsminister, Sie haben Schwierigkeiten mit der Amtsausfüllung im Justiz- und Migrationsbereich. Aus gutem Grund ist in keinem anderen deutschen Bundesland der Migrationsbereich bei dem Justizministerium verankert. Es passt nicht zusammen, es zerschneidet die behördlichen Stränge im Innenbereich, die Wege vom Innenministerium über das Landesverwaltungsamt zu den kommunalen Behörden. Dass wir mehr Bürokratie haben, dass viele Landräte beklagen, es funktioniert nicht mehr, dass die Ankunft der Asylbewerberbusse manchmal zwei Stunden vorher erst bei den Landräten mitgeteilt wird, liegt

auch daran, dass Sie nicht in der Lage sind, die Aufgabe in Ihrem Haus zu beherrschen. Es wäre besser, der Migrationsbereich wäre im Innenressort verankert, wo er jahrelang gut etabliert war.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Ganz toll, Herr Mohring!)

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, ich will an der Stelle abschließend anmerken, es ist richtig, es ist eine Aufgabe der Europäischen Union. Es kann nicht richtig sein, dass fünf Mitgliedsländer der Europäischen Union 75 Prozent der Asylbewerberanträge bewerkstelligen müssen. Solidarität in der Europäischen Gemeinschaft heißt, es muss gemeinsame Verteilquoten geben, Sie müssen verbindlich gelten. Die Solidarität weniger auszunutzen, damit andere sich abducken können, das kann keine richtige europäische Aufgabe sein. Die Gemeinschaft ist in der Lage, diese Herausforderung zu schultern. Aber Sie kann diese Herausforderung nur schultern, wenn jeder seinen Beitrag leistet und nicht die einen die Flüchtlinge durchwinken ohne Registrierung, gegen Dublin-III- und Schengen-Abkommen verstoßen. Die Rechtsordnung einzuhalten gilt es auch für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Darauf drängen wir. Da haben Sie eine große Aufgabe, auch im Bund dafür mit Beitrag zu leisten.

(Beifall CDU, SPD)

Wir brauchen vergleichbare Standards, wir brauchen abgestimmte Integrationsangebote, wir brauchen einheitliche Abschieberegeln, wir brauchen faire Verteilungsquoten. Ich will ausdrücklich sagen, der Zehn-Punkte-Plan des Außenministers des Bundes und des SPD-Vorsitzenden ist ein richtiger Schritt. Wir begrüßen ihn ausdrücklich. Er trägt zur sachlichen Debatte bei. Aber er zeigt eben auch, die SPD ist in der Realitätserinnerung näher als die roten und grünen Koalitionspartner.

Liebe Sozialdemokraten in diesem Land, ihr seid unser Hoffnungsschimmer, dass diese Regierung nicht völlig versagt, dass sie nicht völlig überfordert wird, aber ihr müsst auch das, was im Bund gemacht wird, wo ihr als Sozialdemokraten jeden Tag die Hand hebt, wo ihr Programme vorlegt, wo ihr für sichere Drittstaaten seid, wo ihr für klare Abschieberegeln seid – all das sagen Sozialdemokraten in Deutschland –, ihr müsst es auch dort umsetzen, wo ihr Verantwortung tragt. Hier in Thüringen könnt ihr es beweisen, endlich einmal aus dem Schatten der Linkspartei heraustreten. Viel Kraft und viel Mut dabei!

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Deutschland und Thüringen stehen vor großen Herausforderungen. Wir sind in der Lage, den Flüchtlingsstrom zu meistern, und wir brauchen – jeder auf

seiner verantwortlichen Position – Menschen, die um diese Verantwortung wissen, die unser Recht klar anwenden, die eine Idee haben von der Bewältigung dieser Problematik und die den Menschen erklären, warum wir angesichts der starken Flüchtlingsströme aus den Kriegsgebieten Hilfe und Solidarität noch mehr brauchen, als wir uns jemals vorstellen konnten. Wer aber über die Köpfe der Menschen hinweg entscheidet, wer Polizeistationen räumt, ohne dass es die Zuständigen vor Ort wissen, wer mit den Bürgern nicht redet und auf Demonstrationen sagt, dass man schon alles entschieden hat und das jetzt so gemacht wird, wer infrage stellt, dass die Menschen vielleicht auch in Sorge sind angesichts der besonderen Herausforderungen, und jeden gleich in die rechte Ecke stellt und immer sofort sagt, Rassismuskeule raus, Nazikeule raus, bei jedem, der sich empört, der versteht diese Welt nicht. Nein, es braucht Verantwortung und es braucht Gespräche. Ich will namens unserer CDU-Fraktion deutlich einfordern: Wir erwarten gerade von denen, die in der Opposition nicht laut genug rufen konnten, was man alles in Flüchtlingsfragen tun muss, nur einen Bruchteil dessen jetzt zu realisieren, wo Sie in Verantwortung sind. Es ist nicht zu viel verlangt! Und wenn Sie überfordert sind, dann müssen Sie die Aufgabe anderen übertragen. Aber wenn Sie im Amt sind, dann erwarten wir jeden Tag von Ihnen aufs Neue Verantwortung für die Zukunft dieses Landes. Vielen Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Mohring. Als Nächster erteile ich das Wort Frau Abgeordneter Hennig-Wellsow für die Fraktion Die Linke.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Jetzt be- ginnt die Märchenstunde!)

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Vertreterinnen und Vertreter des Flüchtlingsrats, der Kirchen, des Landkreistags, des Gemeinde- und Städtebunds, herzlich willkommen zu dieser Debatte!

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Thüringer CDU hat sich entschieden, aus der Flüchtlingsund Asylpolitik ein parteipolitisches Kampffeld zu machen.

(Heiterkeit CDU)

Die Thüringer CDU will auf dem Rücken von Menschen, die vor Krieg und Verfolgung geflohen sind, die ihr nacktes Leben gerettet und im Mittelmeer in

(Abg. Mohring)

viel zu kleinen Booten überlebt haben, offenbar politisches Kapital schlagen.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Dann haben Sie den Ernst der Lage immer noch nicht ver- standen! Nehmen Sie den Schleier runter!)

Da hilft auch eine Rede des Wolfs Mohring im Schafspelz nicht. Für ihn ist Freiheit seine eigene, aber nicht die aller Menschen nach ihrer Fasson.

(Beifall DIE LINKE)

Die Thüringer CDU instrumentalisiert das Leid von Menschen, um mit Populismus gegen die Thüringer Landesregierung und die rot-rot-grüne Koalition ins Feld zu ziehen. Das ist eklatantes Versagen des CDU-Vorsitzenden. Jetzt ist gemeinsames Handeln gefragt und nichts anderes.

(Heiterkeit CDU)

Und wer nicht erkennt, welche Verantwortung diese Landesregierung übernimmt und welche Antworten sie für die Zukunft aufbietet,

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wo lebt ihr denn eigentlich?)

dem will ich sie auch noch einmal sagen – es war deutlich zu hören in der Regierungserklärung: Diese Landesregierung und die sie tragenden Parteien stehen für humane Flüchtlingspolitik.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Das sieht man ja!)

(Heiterkeit CDU)