Protocol of the Session on July 10, 2015

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ganz sach- lich!)

(Unruhe AfD)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das war ein Zitat, meine sehr geehrten Damen und Herren. Unsere Landesregierung und auch die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke haben sich einer menschenrechtsorientierten Flüchtlingspolitik verschrieben. Diana Lehmann hat es eben auch schon ausgeführt. Das wird Sie jetzt nicht wundern, mit guten Gründen werden wir Ihre Anträge auch ablehnen.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Sie haben sich dem willfährigen Altruismus verpflichtet!)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Was Sie vorhaben, nämlich die Staaten des Westbalkans als sogenannte sichere Herkunftsländer auszuweisen, hat zur Folge, dass die Betroffenen faktisch die Chance auf ein individuelles, rechtsstaatlich überprüfbares Asylverfahren verlieren. Das Grundrecht auf Asyl ist ein Menschenrecht. Wir spielen nicht mit Menschenrechten, wir stellen Menschenrechte auch nicht infrage, sondern wir streiten für Menschenrechte und das auch mit Emotionalität, wenn es an dieser Stelle richtig ist, aber selbstverständlich auch mit Sachlichkeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich weiß nicht, wer es von Ihnen erlebt hat. Ich habe es erlebt, wie in Rostock schon einmal eine Unterkunft für damalige Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter in der ehemaligen DDR gebrannt hat. Und es brennen wieder Flüchtlingsunterkünfte, beispielsweise in Freital. Die Brandstifter sind auch Vertreterinnen und Vertreter einer Politik, die Rechtspopulismus bedienen und rassistischen Ressentiments nicht Halt gebieten. Politik muss aktiv für Menschenrechte und die Aufnahme von Flüchtlingen eintreten

(Zwischenruf Abg. Muhsal AfD: Kommen Sie jetzt mal zum Thema!)

und auch entsprechende Integrationskonzepte entwickeln. Da ist nicht die Frage, wie viele Flüchtlinge kommen, sondern wie wir sie aufnehmen, wie wir sie empfangen und wie wir mit ihnen umgehen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Muhsal, AfD: Wieder ab- schieben!)

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: AfD abschieben!)

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Aber Sie gleich mit!)

Wissen Sie, es ist immer so ein bisschen einfach – ich halte auf Demonstrationen auch immer wenig von dem Slogan „Nazis raus“, weil man sich dann fragen muss, wo sie denn hinsollen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Genau!)

Gleiches gilt wahrscheinlich auch an dieser Stelle für die AfD, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Wir müssen uns auseinandersetzen und das mache ich auch hier. Das versuche ich ganz ruhig und versuche ich auch ganz sachlich.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Der Ver- such ist aber gescheitert, Frau Rothe-Bein- lich!)

Da können Sie noch so viel dazwischen rufen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer schnellere Asylverfahren will und damit einhergehend schnellere Abschiebungen, und das ist ganz offenkundig Ihr Ziel, tritt das Grundrecht auf Asyl, nach meiner Meinung, mit den Füßen.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Völliger Un- sinn!)

Dafür werden Sie uns nicht gewinnen. Wer auch nur darüber nachdenkt, sogenannte Abschiebelager einzurichten,

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Was reden Sie denn? So ein Quatsch!)

(Unruhe AfD)

der sollte tatsächlich überlegen, welche Kontinuitäten er in seinem Geiste fortführt. Das sind welche, die Rot-Rot-Grün niemals bedienen werden, meine sehr geehrten Damen und Herren. So viel ist sicher!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe AfD)

Der UNHCR hat sich auch zu der Frage von sogenannten sicheren Herkunftsstaaten positioniert. Da heißt es:

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Fragen Sie mal die Kommunisten, was die von Lagern halten!)

„[…] solange seine Verwendung der Priorisierung und/oder Beschleunigung der Prüfungen in präzise eingegrenzten Situationen dient“ [kann man gegebenenfalls über sichere Herkunftsstaaten sprechen.] Es bleibt jedoch unerlässlich, jeden Antrag inhaltlich vollständig und im Einklang mit geltenden Verfahrensgarantien zu prüfen.

(Beifall DIE LINKE)

Jeder Antragsteller muss Gelegenheit erhalten, die Sicherheitsvermutung im Hinblick auf die individuellen Umstände des Falles zu widerlegen. Dabei darf der Antragsteller keiner erhöhten Beweislast unterliegen und muss das Recht auf wirksamen Rechtsschutz gegen eine negative Entscheidung haben.“ So der UNHCR zu der Problematik, die hier zu beraten ist.

Vielleicht wagen Sie ja mal einen Blick über den Tellerrand und schauen sich die Situation beispielsweise im Kosovo an. Einige aus diesem Hause haben das auch schon getan. Ein Drittel der Bevölkerung dort lebt im Elend und das Leben ist gekennzeichnet von Mangelernährung, von Obdachlosigkeit, von fehlender medizinischer Versorgung, von fehlendem Zugang zu Bildung. Die Hoffnung auf die Besserung der Lebenssituation haben die meisten der Menschen dort längst aufgegeben. Es gibt eben nicht nur die staatliche Verfolgung, sehr geehrte Damen und Herren, sondern es gibt auch nicht staatliche Verfolgung, die anerkannt werden muss. Gerade Minderheiten, wie beispielsweise die Roma, sind dort einer massiven Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt. Wer das negiert, der knüpft in der Tat an bedenkliche historische Parallelen an, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Gehen Sie mal raus und fragen die Leute, was die da- von halten!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was haben die Leute wohl für eine Meinung?

(Unruhe im Hause)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf sehr um Ruhe bitten. Frau Rothe-Beinlich hat das Wort. Alle anderen können sich später noch melden.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Machen Sie betroffen weiter, Frau Rothe-Beinlich!)

(Abg. Rothe-Beinlich)

Vielen Dank, Herr Präsident.

Ich möchte aus einem Interview zitieren, welches in „DIE WELT“ nachlesbar ist, die zitieren Sie als Konservative sonst auch ganz gern. Gegeben hat das Interview Günter Burkhardt, er ist Chef von PRO ASYL. Er hat gesagt: „Wenn man allerdings anfängt wie Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, vom massenhaften Asylmissbrauch zu schwadronieren, dann untergräbt man diese Aufnahmebereitschaft und fördert populistische und rassistische Tendenzen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Rassisten sehen sich dann bestätigt durch einen Ministerpräsidenten und sagen sich, wir reden nicht, sondern handeln und schreiten zur Tat. Solche Äußerungen bereiten den Nährboden für Brandanschläge auf Asylunterkünfte.“

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Ihre Politik bereitet den Nährboden!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zu den Anträgen noch einmal.

(Unruhe AfD)

Das Projekt der sicheren Herkunftsstaaten auszuweiten – ich habe das ausgeführt –, ist ein massiver Angriff auf das Grundrecht auf Asyl. Dafür werden Sie weder in diesem Hause noch auf Bundesebene eine Mehrheit finden, zum Glück, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einzig das Interesse, Flüchtlinge schneller abschieben zu können, statt darüber nachzudenken, wie legale Fluchtwege eröffnet und Rassismus und Diskriminierung weltweit bekämpft werden können, kann kein Maßstab für unsere Politik sein. Sie sagen Ja, Herr Primas. Wir gucken alle betroffen, wenn wieder hunderte Tote im Mittelmeer gefunden werden, weil sie auf schiffbrüchigen Booten unterwegs sind, weil sie keinen anderen Weg kennen. Ja, wir müssen über legale und sichere Fluchtwege reden, meine sehr geehrten Damen und Herren, ob Ihnen das passt oder nicht.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)