Protocol of the Session on July 9, 2015

Die GEW, geführt von Herrn Wolf, forderte doch auch 2012 6,5 Prozent mehr für Lehrer und mit 3,0 im vergangenen und 2,4 in diesem Jahr liegen die Gehaltssteigerungen der staatlichen Lehrer deutlich über der 1,9-Prozent-Mogelpackung. Damit tritt genau das ein, was ich in den letzten Wochen immer wieder gesagt habe: Sie geben erst mehr Geld ins System und lassen dann die freien Schulen verdursten. Sie füllen erst die Badewanne mit Wasser oder mit Geld und ziehen gleich wieder den Stöp

sel. Sie fördern die Abkopplung der Gehälter im staatlichen und freien Schulsystem.

Ein anderer Bereich, wo Sie deutlich hinter unserem Gesetzentwurf zurückbleiben, bezieht sich auf die Lehrerfortbildung. Sie verankern kein eigenes Fortbildungsbudget im ThILLM für die Lehrkräfte der freien Schulen. Wir haben 10 Prozent gefordert, Sie verweisen lediglich auf freie Plätze. Dabei hätte die gemeinsame Fortbildung der Lehrer beim ThILLM gerade den fachlichen und didaktischen Austausch der Kollegen unseres Thüringer Schulsystems gefördert. Es ist auch nicht neu, dass es überhaupt im Gesetz steht, Frau Ministerin. Es steht bereits drin.

Dort, wo die Kollegen an freien Schulen Ihnen etwas nutzen, öffnen Sie hingegen weit die Türen. So sind Ihnen die Kompetenzen und das Engagement der Kollegen der freien Schulen bei der Mitwirkung an staatlichen Aufgaben wie Lehrerbildung und Lehrplankommission ganz willkommen. Außerdem sehen wir kritisch, dass Sie die Gemeinschaftsschule in ihrer finanziellen Ausstattung vor allen anderen bevorzugen und wir kritisieren die erheblichen Senkungen der Zuweisungen für soziale Ausbildungsberufe. Es ist das falsche Signal, wenn Ausbildungsberufe wie Altenpfleger, Sozialassistent oder Sozialpädagoge existenziell gekürzt werden. Azubis in diesem Bereich haben keine hohen Einkommen, um die Kürzungen über zusätzliches Schulgeld zu kompensieren. Sie gefährden mit diesem Gesetz die Zukunft der Altenpflege in Thüringen, wenn man beachtet, dass 31 der 39 berufsbildenden Thüringer Schulen in dieser Branche von freien Trägern getragen werden. Auch hier fordern wir: Orientieren Sie sich an unserem Gesetzentwurf!

(Beifall CDU)

Wir waren schon verblüfft, wie geschickt Sie in Ihrer Pressemitteilung, Frau Ministerin, um die Punkte herumgeschifft sind, die von Misstrauen gegenüber den freien Trägern zeugen. Drei Beispiele: Sie vergrößern die Bürokratie bei der Lehrergenehmigung. So verlangen Sie umfangreiche Nachweise über die Qualifikation der Kollegen und möchten bei jeder Änderung des Arbeitsvertrags informiert werden. Oder wie sonst ist der Satz im Gesetz zu verstehen: Wesentliche Änderungen sind dem Ministerium anzuzeigen?

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wesentliche, nicht jede!)

Lassen Sie mich doch einmal ausreden. „… wesentliche Änderungen, sind […] dem Ministerium anzuzeigen. Dies betrifft insbesondere […] Änderungen der wirtschaftlichen und rechtlichen Stellung der Lehrkräfte.“

Sie vergrößern zweitens die Bürokratie bei der Beantragung und Abrechnung, wenn Sie über das all

gemeine Abrechnungsverfahren hinaus regelmäßig über alle Einnahmen und Ausgaben der Schulen und die Höhe des Schulgelds informiert sein wollen. Hier stecken Misstrauen und Neid im Gesetz.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Nein, Transparenz!)

Drittens: Sie setzen hohe Hürden für die Schulleitungen. Warum bedarf es besonderer Genehmigungen, wenn ein ausgebildeter Regelschullehrer eine freie Grundschule leiten möchte? Warum wollen Sie den Schulträgern vorschreiben, nach welchen Kriterien sie ihre Schulleitungen zu besetzen haben? Im Übrigen halten wir an dieser Stelle das Gesetz für verfassungswidrig und werben für die offene Regelung in unserem Gesetz.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, Rot-Rot-Grün redet immer davon, wie viel Geld die Schulen in freier Trägerschaft in den kommenden fünf Jahren mehr bekommen sollen. Es ist mit Sicherheit sehr viel Geld, aber die Steigerungen in den Kosten gibt es eben nicht nur bei den freien Schulen. Diese gibt es in viel höherem Maße bei den staatlichen Schulen, die wird es in viel höherem Maße bei der Polizei oder auch bei Investitionen im Straßenbau geben müssen.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Wollen Sie die jetzt etwa gegeneinander ausspie- len?)

Deswegen ist es ja auch gerade ein falsches Signal, die Pro-Kopf-Verschuldung in diesem Land zu erhöhen, wo Geldquellen des Landeshaushalts momentan sprudeln. Unser Gesetzentwurf war durchfinanziert,

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

würde die Schulen in freier Trägerschaft sofort besserstellen und hätte eine Erhöhung der Thüringer Pro-Kopf-Verschuldung vermieden.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Sie müssen selbst lachen!)

Ich möchte abschließend durchaus noch ein Lob aussprechen. Der Entwurf enthält neue finanzielle Anreize für die Förderschulträger, die die Förderschule um eine allgemeinbildende Schule in räumlicher Nähe erweitern und dabei inklusiv arbeiten. Das bietet freien Förderschulen eine Entwicklungsoption für die Zukunft und ist sinnvoll. Es ist gut, dass Sie damit so schnell auf einen konkreten Genehmigungsantrag aus Ostthüringen reagieren und gleich für dieses Beispiel rechtliche Klarheit in meinem Heimatort schaffen. Vielen Dank dafür.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, insgesamt gesehen bleiben wir dabei: Der vorliegende Gesetzentwurf zeigt ein Bemühen in die richtige Richtung. Aber in wesentlichen Dingen sollten wir uns in den kommenden parlamentarischen Beratungen vielleicht doch den Vorschlägen aus dem CDU-Gesetzentwurf annähern. Dann werden wir nämlich tatsächlich umfassende Planungssicherheit und Entbürokratisierung für viele freie Schulen und für die freie Schullandschaft in unserem Freistaat erreichen.

(Beifall CDU)

Herr Tischner, es gab hier noch eine Anfrage des Abgeordneten Dittes.

Das mache ich später.

Das machen Sie später, okay. Nun hat das Wort Abgeordnete Rothe-Beinlich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, liebe Gäste, liebe Vertreterinnen und Vertreter der freien Schulen hier in Thüringen, in der Tat, es ist ein Thema, welches uns schon lange beschäftigt – und uns als Bündnis 90/Die Grünen im Besonderen. Ich werde auch noch im Einzelnen darauf eingehen.

Herr Tischner, Ihrer Rede hat man sehr stark angemerkt, wie weh es tut, zu wissen, dass man selbst dafür gesorgt hat, dass ein Gesetz vor dem Verfassungsgericht gelandet ist. Sie haben versucht, das so gut wie möglich zu verdecken, aber es ist Ihnen nicht gelungen, kann ich Ihnen sagen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU, auch Ihr schnell zusammengeschusterter Entwurf vom Februar kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es etwas mehr braucht als ein paar Sprüche und Blütenträume. Es braucht mitunter auch die Auseinandersetzung, Diskussion und das Ringen um die richtigen Positionierungen und auch um die richtigen Paragrafen. Ich möchte mich bei allen bedanken, die sich an diesem durchaus schwierigen Prozess bislang beteiligt haben.

Warum sage ich Prozess? Weil wir natürlich wissen, dass dieser noch nicht zu Ende ist. Mit der Debatte heute hier – der ersten Lesung im Parlament – wird ja die parlamentarische Debatte dazu

(Abg. Tischner)

erst eröffnet. Ich hoffe allerdings, dass wir jetzt sehr schnell tatsächlich zur Verabschiedung des Gesetzes kommen. Deswegen werden wir uns – so ist jedenfalls der Plan – schon morgen im Bildungsausschuss zusammensetzen, um über die Anzuhörenden zu beschließen, damit bereits am 25. August – so jedenfalls schlagen wir das vor – eine mündliche Anhörung zu dem Gesetzentwurf stattfinden kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben in Thüringen 158 Schulen in freier Trägerschaft. Diese sind in den letzten 25 Jahren zu einem festen Bestandteil des öffentlichen Schulwesens geworden, und das ist auch gut so. Insbesondere nach den Erfahrungen mit dem Einheitsschulsystem aus der DDR-Zeit sind aus unserer Sicht freie Schulen ganz klar Ausdruck einer lebendigen Bildungslandschaft, auch von Wahlfreiheit, von Engagement und damit ein ganz wichtiger Bestandteil für unser Land. Meine sehr geehrten Damen und Herren, was freie Schulen ganz sicher nicht sind, und das macht es auch nicht richtiger, wenn Sie das hier wiederholen, zumal ohne Belege – Sie wollten die Frage von Herrn Dittes dann auch offenkundig lieber nicht beantworten –, freie Schulen sind eben keine Eliteschulen oder gar Einkaufsschulen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Freie Schulen sind offen für jeden und jede, der oder die sich dafür entscheidet, das eigene Kind auf eine solche Schule zu geben. Es gibt das Sonderungsverbot, was einzuhalten ist. Darauf werden wir auch sehr genau achten und das war und ist uns auch ganz besonders wichtig. Um einem weiteren Vorurteil zu begegnen, wenn Sie sich die freien Schulen mal genau anschauen und welche Kinder dort hingehen, werden Sie feststellen, dass sich dort genauso viele Kinder aus Familien befinden, die im Regelleistungsbezug sind wie in den staatlichen Schulen auch. Insofern stimmt es einfach nicht, hier immer so eine Schere aufzumachen.

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: … Ihr Ko- alitionspartner … an den müssen Sie sich wenden!)

Herr Tischner, Sie haben den Vorwurf hier geäußert, wollten dann nicht darauf eingehen. Sie müssen sich das jetzt anhören. Ich habe Sie auch reden lassen.

Mit dem vorliegenden Gesetz über die Schulen in freier Trägerschaft reagieren wir auf eine Situation, für die die Vorgängerregierung verantwortlich ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich muss es an dieser Stelle noch einmal sagen. Im Jahr 2010 wurde die Finanzhilfe für die freien Schulen derart stark reduziert, dass diese faktisch nicht mehr auskömmlich war und Neugründungen

de facto unmöglich wurden. Zugestimmt haben damals, Herr Tischner, auch wenn es wehtut, alle Abgeordneten der CDU- und der SPD-Fraktion und damit muss man sich natürlich auch heute auseinandersetzen. Ich finde, Sie sollten sich einfach Ihrer Verantwortung stellen und hier nicht so tun, als wären Sie schon immer für die freien Schulen gewesen und damals von Ihrem kleineren Koalitionspartner so stark unterdrückt worden. Unser Mitleid hält sich da in der Tat in Grenzen.

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Sie wis- sen doch, wie das ist!)

Wir wissen, wie es ist, genau. Als kleinster Teil einer Koalition um einen Gesetzentwurf zu ringen, der uns wirklich am Herzen liegt, das ist kein Geheimnis, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich glaube, wir haben ein gutes Ergebnis, einen guten Kompromiss erzielt, aber wir mussten darum sehr hart ringen. Sie haben nicht gerungen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben schlichtweg der Kürzung zugestimmt. Sie sind umgefallen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU. Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen.

Nun noch einmal zu unserer Normenkontrolle, die auch nicht ganz einfach war. Unsere Fraktion hat diese drei Jahre lang vor dem Thüringer Verfassungsgericht vertreten und am 21. Mai 2014, Frau Ministerin hat es ausgeführt, wurde uns recht gegeben und das bisher geltende Gesetz für verfassungswidrig erklärt. Der Verfassungsgerichtshof hat drei wichtige Klarstellungen in seinem Urteil vorgenommen und auf die möchte ich noch mal im Einzelnen eingehen. Zum einen hat der Verfassungsgerichtshof betont, dass Bildung und Kultur nach der Thüringer Verfassung ganz zentrale Staatsziele sind. Demnach haben genehmigte Schulen in freier Trägerschaft Anspruch auf Bezuschussung und es ist erforderlich, dass der Freistaat Thüringen nicht nur ihre Existenz, sondern auch ihren Fortbestand sicherstellt. Die Zuschüsse, sagt das Gericht weiter in seinem Urteil, müssen so ausgestaltet sein, dass sie nicht nur – und das ist wichtig – das Existenzminimum für die freien Schulen sicherstellen, sondern dass dauerhaft die Gewährleistungen der Genehmigungsvoraussetzungen ermöglicht sind. So viel zur Aussage mancher, die Höhe der bisherigen Finanzierung sei vom Gericht nicht beanstandet worden, was das letzte Gesetz anbelangt. Drittens hat das Verfassungsgericht klargestellt, dass der Gesetzgeber die Entscheidungen selbst und hinreichend bestimmt zu treffen hat. Dann müssen wir uns sicher in der Anhörung auch damit noch einmal beschäftigen, mit Blick auf alle Fragen, die für die Förderungshöhe wesentlich sind. Es ist eben nicht zulässig, das sagt das Verfassungsgericht sehr deutlich,

dass wesentliche Parameter, die die Förderhöhe bestimmen, von der Landesverwaltung bestimmt werden. Summa summarum lässt sich also festhalten, dass Vielfalt im Bildungswesen nach dem Grundgesetz und der Thüringer Landesverfassung nicht nur gewollt ist, sondern auch der Schutz dieser Vielfalt staatliche Aufgabe ist und genau dem stellen wir uns als rot-rot-grüne Koalition, meine sehr geehrten Damen und Herren.