Prof. Dr. Rolf Oerter, ein emeritierter Professor für Entwicklungspsychologie der Universität München, hat festgestellt, dass wir – ich zitiere – ab 16 Jahren „Jugendlichen das allgemeine Wahlrecht zusprechen“ können. Denn die „intellektuelle Entwicklung des Jugendlichen befindet sich im Alter von 16 Jahren bereits auf dem Höhepunkt. Bezüglich des formal-logischen Denkens, des hypothetischen und relativistischen Denkens gibt es keine Unterschiede zum Erwachsenen. Bezüglich ihres Wissens sind sie im naturwissenschaftlichen Bereich und teilweise auch im politischen Bereich dem durchschnittlichen Erwachsenen infolge ihrer Nähe zum Bildungseinfluss nicht selten überlegen.“
Und Sie, liebe CDU, haben Angst, dass 16-Jährige, falls sie wählen dürfen, Extrempositionen wählen würden, was im Übrigen auch sehr witzig ist, weil uns gleichzeitig vorgeworfen wird, dass wir versuchen, mit der Absenkung des Wahlalters unseren eigenen Stimmenerhalt zu sichern. Ich wusste gar nicht, dass die Grünen jetzt auch als extreme Partei gezählt werden.
Ich finde den inflationären Sonnenblumengebrauch der Grünen auch ein bisschen nervig, aber den gleich als extrem einzustufen, schießt dann doch über das Ziel hinaus. Aber ernsthaft, die CDU braucht da gar keine Angst zu haben. Auch bei den U18-Wahlen in Thüringen im letzten September war die CDU die stärkste Kraft.
Die Linke hatte übrigens bei den U18-Wahlen satte 14 Prozent weniger. Dies ist aber für unsere Partei eine Herausforderung, der wir uns sehr gern stellen.
Und wissen Sie, wie viel Prozent bei der U18-Wahl für die NPD gestimmt haben? 3,6 Prozent. Und jetzt kommt es: Wissen Sie, wie viel bei der offiziellen Landtagswahl für die NPD gestimmt haben? Auch 3,6 Prozent. Sehen Sie, so extrem sind unsere Jugendlichen.
Davon abgesehen, dass es natürlich beide Male 3,6 Prozent zu viel waren. Mittlerweile ist es in vier Bundesländern für Jugendliche ab 16 Jahren möglich, bei den Landtagswahlen wählen zu gehen und zwar sind das Brandenburg, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein. Und wissen Sie was? Die gibt es noch, die sind nicht untergegangen. Das einzige, was sich dort geändert hat, ist, dass die Politiker jetzt die Jugendlichen ernster nehmen.
Denn plötzlich müssen die auch so unbeliebte Themen wie Jugendarbeitslosigkeit oder Kinderarmut bearbeiten, da das ja jetzt alles plötzlich potenzielle Wähler sind. Die Parteien sind in diesen Bundesländern gezwungen, sich Themen und Stile zu überlegen, die auch junge Leute ansprechen, was wiederum direkte Auswirkung auf das politische Interesse junger Leute hat.
(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Das wä- re sehr traurig, wenn sie es nur dann ma- chen! Sie müssen jetzt aber mal überlegen, was Sie da sagen!)
In zehn Bundesländern können Jugendliche bereits ab 16 Jahren an Kommunalwahlen teilnehmen. Das sind so viele, dass es schneller geht aufzuzählen, wo dies nicht möglich ist, nämlich Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und natürlich Thüringen. Aber das wollen wir jetzt endlich ändern.
Es gibt nämlich keinen vernünftigen Grund, warum wir Jugendliche von Wahlen ausschließen. Viele Jugendliche beteiligen sich schon jetzt ehrenamtlich in Vereinen und Initiativen und bringen sich so in das gesellschaftliche Leben ein. Mit der Absenkung des Wahlalters können wir ihre Teilhabe an der Gestaltung der Gesellschaft fördern und sie frühzeitig in demokratische Entscheidungsprozesse einbeziehen. Im Übrigen gibt es in Thüringen bereits seit 2009 eine Möglichkeit der Beteiligung von Jugendlichen ab 14 Jahren an der Kommunalpolitik. Es handelt sich dabei um den Einwohnerantrag, mit dem der Gemeinderat zur Beratung und Entscheidung eines gemeindlichen Sachverhalts bestimmt werden kann. Die ersten Thüringerinnen, die von dieser Möglichkeit, sich in die kommunale Entscheidungsfindung einzubringen, Gebrauch machten, waren Schülerinnen einer Geraer Schule. Das Interesse an Kommunalpolitik ist bei den unter 18-Jährigen also fraglos gegeben.
Laut des LBS-Kinderbarometers von 2013 würde sich gern die Hälfte der thüringischen Kinder bei Entscheidungen in ihrer Stadt bzw. Gemeinde beteiligen, aber die wenigsten werden dort nach ihrer Meinung gefragt, denn über 70 Prozent fühlen sich in ihrer Stadt oder Gemeinde nicht ernst genommen. Dabei gibt es gerade hier einen Zusammenhang hinsichtlich des Wohlbefindens. Wenn Kinder davon ausgehen, dass ihre Meinung in Stadt und Gemeinde etwas zählt, berichten sie nämlich auch von einem höheren Wohlbefinden. Wir sind deshalb der Meinung, dass das Mindestalter für das aktive Wahlrecht auch in Thüringen auf 16 Jahre gesenkt gehört. Wir sind der Meinung, dass 16-Jährige sehr wohl einschätzen können, was es bedeutet, eine Stimme abzugeben. Ja, auch junge Menschen haben die intellektuelle und soziale Urteilsfähigkeit. Mehr Demokratie e. V. hat sich bereits positiv zum vorliegenden Gesetzentwurf geäußert und auf die Chance hingewiesen,
die das aktive Wahlrecht auch für die schulische Bildungsarbeit darstellt. Ich zitiere: „Viele Jugendliche würden damit die Erfahrung der ersten Wahl während ihrer Schulzeit machen. Dies wäre die Chance, politische Bildung in der Schule …“
Als Abgeordnete, Herr Präsident, bin ich meinem Gewissen verpflichtet und dieses sagt mir, nicht mit Rassistinnen zu diskutieren.
Ich darf sehr darum bitten, Beschimpfungen von Abgeordneten gegenseitig gehören einfach nicht in diesen Saal und auch nicht in die Debatte. Das steht weder Zwischenrufern noch einem Redner zu. Insofern erwarte ich von Ihnen auch eine gewisse Mäßigung, Frau Engel, wenn Sie den Redebeitrag jetzt fortführen.
Mehr Demokratie e. V. sagt: „Viele Jugendliche würden damit die Erfahrung der ersten Wahl während ihrer Schulzeit machen. Diese böte die Chance, politische Bildung in der Schule an einem konkreten Anlass auszurichten und auf die Fragen der jungen Wähler gezielt einzugehen. Schließlich sei eine Absenkung des Wahlalters auch angesichts der demografischen Entwicklung geboten. Jugendliche stellen zunehmend eine gesellschaftliche Minderheit dar. Können sie früher wählen, können sie auch eher selbst für ihre Interessen eintreten.“
Frau Engel, es gibt eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Brandner. Akzeptieren Sie diese? Nein, die Zwischenfrage ist nicht akzeptiert, Herr Brandner.
Uns ist dabei sehr wohl bewusst, dass die Senkung des Wahlalters kein Allheilmittel für politische Teilhabe junger Menschen ist. Aber wir versprechen Ihnen: Dies ist erst der Anfang. Wir werden diese Legislatur nutzen, um das Mitspracherecht von Kindern und Jugendlichen auch neben den Wahlen auszubauen. Denn auch Kinder und Jugendliche sollten wir mit ihren Problemen, Meinungen und Ansichten ernst nehmen.
Die Studie „Kinderbeiräte in Stiftungen“ von 2013 zeigte klar, dass Kinder und Jugendliche, die in Entscheidungsprozesse eingebunden wurden, sich auch später in der Gesellschaft aktiv beteiligen. Auch der Deutsche Kinderschutzbund sagte, dass Partizipation ein wichtiger Beitrag zur Weiterentwicklung der Demokratie ist. Rot-Rot-Grün hat sich deshalb im Koalitionsvertrag verpflichtet, sich dafür einzusetzen, die direkte Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen zu verbessern, kinder- und jugendgerechte Partizipationsstrukturen landesweit auszubauen. Denn junge Menschen wollen mehr, als nur entscheiden, ob sie eine Nutria oder einen Hund als Haustier haben möchten, oder was sie heute zum Mittag essen.
Auch sie wollen sich in die Gesellschaft einbringen und beteiligen. Deshalb müssen wir die aktive Teilhabe von Kindern und Jugendlichen in Thüringen auch unterstützen und fördern. Sie, liebe CDU, haben jetzt die Wahl. Sie können durch Ihre Zustimmung zu diesen Gesetzentwürfen signalisieren, dass Sie bereit sind, die politische Willensbildung junger Menschen ernst zu nehmen, oder durch Ablehnung weiterhin Politik über die Köpfe junger Menschen machen.
Glauben Sie mir, liebe CDU, Jugendliche sind nicht blöd. Sie werden sich merken, wer heute oder in der nächsten Zeit dagegen gestimmt hat und dage