Protocol of the Session on September 13, 2019

Ob Kondomwerbung auf öffentlichen Plakaten oder die in Werbung und Fernsehen vorgelebte bindungslose Sexualität – Grenzen, insbesondere Altersgrenzen nach unten hin scheint es bei diesem Thema kaum noch zu geben. In Thüringer Schulen findet Aufklärungsunterricht statt, der oftmals von interessierten Lobbygruppen und nicht vom zuständigen Lehrer erteilt wird. Unter Rot-Rot-Grün wurde ein Bildungsplan in Kraft gesetzt, der im Alter zwischen drei und sechs Jahren vorsieht, dass im Unterricht – ich zitiere – „Medien mit Nacktdarstellungen, mit sexuellen Anspielungen etc. aufgegriffen und im Unterricht thematisiert [werden]“ und außerdem – Zitat – „[stehen] Bücher, Zeitschriften etc. für Recherchen zur Verfügung.“ Nach dem Willen von Rot-Rot-Grün soll die Pornografisierung unserer Kinder also bereits im Kindergarten- und Vorschulalter beginnen.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Sie sind so krank im Kopf!)

Im Bildungsplan selbst finden sich die Wörter „Mutter“ und „Vater“ kein einziges Mal. Es ist immer nur von Eltern die Rede, ganz so, als gäbe es bei dem Ganzen keine biologische Komponente. Gleichzeitig heißt es – ich zitiere –: „Die Idee eines natürlichen und damit unveränderlichen Junge- oder Mädchen-Seins führt aber auch häufig dazu, dass Begrenzungen entstehen und Potentiale eingeengt werden.“

Wenn die Thüringer Landesregierung ein Werk absegnet, das das Geschlecht als soziales Konstrukt behandelt und nicht als biologische Tatsache, dann ist offensichtlich, dass wir hier in Thüringen Handlungsbedarf haben.

(Beifall AfD)

(Präsidentin Diezel)

Wir haben Handlungsbedarf im Interesse unserer Schüler und auch im Interesse unserer Familien.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser Gesetzentwurf legt fest, dass die Sexualerziehung in den Schulen das Bewusstsein für Zuneigung, gegenseitige Achtung und Verlässlichkeit als wichtige Bestandteile persönlicher Beziehungen, beständiger Partnerschaft und des Familienlebens stärken soll. Unser Gesetzentwurf legt fest, dass die Kernfamilie als Leitbild des privaten Zusammenlebens der Orientierungspunkt für den Unterricht sein soll. Unser Gesetzentwurf legt fest, dass die Sexualerziehung nicht nur altersgemäß und auf Grundlage sachlich begründeten Wissens erfolgen muss, sondern auch das Schamgefühl und die individuelle Intimsphäre eines jeden Schülers zu schützen sind.

(Beifall AfD)

Ferner wollen wir die Eltern als Sorgeberechtigte stärken und räumen ihnen gesetzlich ein Recht darauf ein, über Inhalte und Form der Gesundheitsförderung und Sexualerziehung unterrichtet zu werden sowie Einsicht in Materialien und Methoden zu nehmen. Die Sexualerziehung soll als Teil des Biologieunterrichts ausschließlich durch den Fachlehrer erteilt werden. Wir glauben, dass diese Änderungen im Interesse der Thüringer Schüler, der Eltern und Familien im Allgemeinen sind,

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und freuen uns, Frau Henfling, auf eine konstruktive Debatte.

(Beifall AfD)

Ich bin mir sicher, Sie schaffen das vielleicht ausnahmsweise.

Ich eröffne die Aussprache und Abgeordneter Tischner von der Fraktion der CDU hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, kein neues Thema, sondern ein Thema, was wir bereits vor einiger Zeit hier im Landtag diskutiert haben. Gerade als es um das Thema „Bildungsplan“ ging, hatten wir als CDU-Fraktion damals eine öffentliche Debatte zu diesem Plan gefordert, die ausgeblieben ist. Ansonsten ist im Grundsatz natürlich das Ansinnen nachvollziehbar, dass man sagt, bei der Sexualerziehung hat die Familie Vorrang, allerdings erschließt sich uns nicht, warum es dazu notwendig ist, das Schulgesetz zu ändern. Insgesamt wissen Sie ja, sehr geehrte Kolleginnen

und Kollegen, dass die CDU-Fraktion wenig davon hält, immer wieder am Schulgesetz herumzudoktern, weil da am Ende meistens nichts Gutes rauskam, was wir ja auch in den vergangenen Monaten erlebt haben.

Das Thüringer Schulgesetz ist aus unserer Sicht an der Stelle völlig ausreichend. Es regelt in § 47 Abs. 4: „Bei der Sexualerziehung ist Zurückhaltung zu wahren sowie Offenheit und Toleranz gegenüber den verschiedenen Wertvorstellungen in diesem Bereich zu beachten; jede einseitige Beeinflussung ist zu vermeiden.“ Und weiter regelt der Absatz 5: „Die Eltern“ – und das ist das Zentrale und das Wichtige – „sind über Ziel, Inhalt und Formen der Gesundheits- und Sexualerziehung zu unterrichten.“ Jeder Lehrer, der das vernünftig macht, redet auch vorher mit den Eltern darüber, wie man das am besten machen kann. Und wenn es Fälle gibt, wo die Eltern meinen, da passiert irgendwas, was dem Kind nicht gut tut, dann haben wir immer noch eine Schulaufsicht, die da einzubeziehen ist und die man dann vielleicht auch mal an das Gesetz, was gilt, erinnern kann.

Die CDU-Fraktion setzt sich für eine Sexualerziehung ein, die die Eltern im Dialog einbezieht. Was passiert, wenn Sexualerziehung über die Köpfe der Eltern hinweg geschehen soll, konnte man eindrücklich bei den Diskussionen um den Bildungsplan in Baden-Württemberg vor einigen Jahren erleben, den viele Eltern fürchteten. Und viele Eltern fürchteten auch eine frühe Sexualerziehung ihrer Kinder und sehen darin zu Recht Gefahren. Deshalb sollte aus unserer Sicht darauf geachtet werden, dass Themen altersgerecht angesprochen werden und selbstverständlich die Schamgrenze der Kinder und Jugendlichen respektiert wird. Zentrale Fragen, wie: „Was ist richtig? Was ist falsch? Was möchte ich nicht? Wie kann ich mich wehren? Wer hilft mir?“, sollten als Prävention von sexuellem Missbrauch durchaus früh altersgerecht thematisiert werden. Die CDU-Bundestagsfraktion hat in diesem Jahr im April ein umfassendes Positionspapier zur Bekämpfung von sexuellem Missbrauch beschlossen. Darin enthalten ist beispielsweise auch die Forderung nach Schutzkonzepten gegen sexuellen Kindesmissbrauch in allen Kindertageseinrichtungen, Schulen etc. Wir würden uns wünschen, dass wir vielleicht darüber in der nächsten Legislatur auch noch einmal ausführlicher reden. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Für die SPD-Fraktion erhält Abgeordneter Hartung das Wort.

(Abg. Muhsal)

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, ausnahmsweise stimme ich mal Herrn Tischner vorbehaltlos zu. Wir sollten am Schulgesetz nicht herumkritteln; das ist gut so, wie es jetzt ist. Die Frage, die die AfD jetzt aufwirft, beweist mal wieder, dass sie sich von der Sachpolitik ein ganzes Stück entfernt hat. Wir haben vor einem halben Jahr intensive Debatten über ein Schulgesetz geführt, wir haben ein halbes Jahr und länger in Anhörungen, unterwegs vor Ort, im Ausschuss usw. geredet. Es kam überhaupt nichts von der AfD, nichts zum inklusiven Bildungssystem, was viel wichtiger ist als die Frage des Sexualkundeunterrichts, nichts zum effizienten Einsatz pädagogischen Personals, nichts zur Stärkung der Thüringer Schule als Lernund Lebensort, nichts. Kein Änderungsantrag, kein Beitrag, gar nichts, auch nicht zum Sexualkundeunterricht.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nichts! Kein Wort!)

Nichts in dieser Debatte ist von der AfD gekommen. Jetzt kommen Sie plötzlich damit, die Kernfamilie als Leitbild des privaten Zusammenlebens in den Mittelpunkt zu stellen. Mit Verlaub, ist das noch zeitgemäß? Ist das nicht ein Schlag ins Gesicht jeder Patchworkfamilie? Ist das nicht ein Schlag ins Gesicht jeder alleinerziehenden Mutter, jedes alleinerziehenden Vaters? Ist das nicht ein Schlag ins Gesicht zum Beispiel homosexueller Paare, die Kinder aufziehen? Warum soll das denn diskriminiert werden? Warum soll das nicht gleichberechtigt behandelt werden?

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir leben in einer Demokratie, in der die Gleichheit der unterschiedlichen Lebensentwürfe, die Gleichheit unterschiedlicher Auffassungen und unterschiedlicher Orientierungen respektiert und akzeptiert werden muss. Das muss nicht nur toleriert und ertragen werden, wie es die AfD notfalls tut, sondern es muss respektiert werden. Dazu gehört auch, dass es Eingang in den Unterricht finden kann. Hier ist mit einer Nonchalance alles in einen Topf geworfen worden, der Sexualkundeunterricht zusammen mit der Werbung für Kondome. Werbung für Kondome ist zum Beispiel Werbung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Das ist ganz wichtig, dass wir Menschen, nicht nur Jugendliche, darauf hinweisen, dass ungeschützter Geschlechtsverkehr gefährlich sein kann. Das muss man machen, sonst muss man heilen. Die Zahlen der Entwicklung bei Syphilis und anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen zeigen, es muss eigentlich mehr Aufklärung geben anstatt we

niger, und zwar bevor die jungen Leute ihren ersten Verkehr haben. Das ist wichtig und all das will man hier im Prinzip rausstreichen.

Ich persönlich halte diesen Antrag für ziemlich schlecht. Es ist eine Rolle rückwärts in eine Zeit, die wir lange überwunden haben. Wenn ich mir Zitate angucke wie „Früh- und Zwangssexualisierung“, das ist ja schon fast ein Anwurf gegen die Lehrer. Aber auf jeden Fall, wenn hier steht, dass der Sexualkundeunterricht eine Sexualisierung und eine Erotisierung darstellt, dann muss ich sagen: Diese Zwanghaftigkeit, diese Fixierung auf diese negative Darstellung, da wäre ich echt mal gespannt, was Siegmund Freud dazu gesagt hätte. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Muhsal, Fraktion der AfD, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Dr. Hartung, vielen Dank für Ihre Wortmeldung, zeigt sie doch, dass Sie sich wenigstens mit dem Thema etwas auseinandergesetzt haben; andere Fraktionen scheinen es vorzuziehen, nicht dazu zu sprechen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wieso? Ich habe mich auch gemeldet!)

Ich finde das schade, weil ich glaube – ach, Sie haben sich gemeldet, gut, dann freue ich mich auch auf Ihren Beitrag, Frau Rothe-Beinlich. Ich bin etwas verwundert wegen der Rednerreihenfolge, weil es ja doch in aller Regel so gehandhabt wird,

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das entscheidet die Präsi- dentin!)

dass man sich dann auch erst mal anhören kann, was andere Fraktionen zu dem Gesetzentwurf zu sagen haben.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Wenn alle erst auf die anderen warten, dann redet keiner!)

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Das war eine Kritik an der Präsidentin!)

Nichtsdestotrotz, Herr Dr. Hartung, glaube ich, dass Ihre Kritik ziemlich fehlgeht, insbesondere solche Vergleiche wie: Das inklusive Schulgesetz ist viel

wichtiger als der Sexualkundeunterricht. Das ist doch vollkommener Quatsch. Welches Schulsystem wir haben – Sie wissen, wir bevorzugen ein gegliedertes Schulsystem –, ist selbstverständlich wichtig, aber was und wie in der Schule Sexualkundeunterricht passiert, ist selbstverständlich auch wichtig.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Hartung?

Nein, ich möchte ganz gern erst mal noch ein paar Dinge ausführen.

Ihre Dekonstruktion der Familie, die Sie auch gerade haben anklingen lassen, möchte ich auch noch mal zum Anlass nehmen, um zu sagen, dass die Familie und ihre Stabilität und die Bindungsfähigkeit, die dadurch vermittelt wird, dass man Eltern hat, dass man eine Familie hat und sich umeinander kümmert, wichtig für einzelne Familienmitglieder sind.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das sprechen Sie den Lehrern ab?)

Nein, das spreche ich niemandem ab, Herr Adams. Vielleicht lassen Sie mich erst mal sprechen. Sie können ja nach mir auch noch was sagen, wenn Sie wollen.

Das ist für einzelne Familienmitglieder, aber auch für die komplette Familie wichtig, für Vater, Mutter und Kinder. Es ist aber auch für unsere Gesellschaft wichtig. Und als Signal dafür, dass der wichtigen Rolle der Familie wieder mehr Wertschätzung entgegengebracht wird, Frau Henfling, soll der § 47 des Thüringer Schulgesetzes nicht nur „Gesundheitsförderung und Sexualerziehung“ heißen, sondern das Wort „Familie“ soll bereits in seiner Überschrift Platz bekommen. Selbstverständlich – Herr Dr. Hartung, Sie haben das angesprochen – hält nicht jede Beziehung, selbstverständlich wächst nicht jedes Kind bei Vater und Mutter auf, selbstverständlich finden sich Eltern und Kinder in sogenannten Patchworkfamilien wieder. Das heißt aber nicht, dass man nicht ein Leitbild haben kann, das heißt nicht, dass nicht auch in diesen Familienformen normal gelebt wird, und es ist schon gar keine Diskriminierung, wenn man sagt, man hat ein Leitbild.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Dr. Hartung, SPD: Was ist denn „normal“?)

Auch und gerade in diesen unterschiedlichen Lebensverhältnissen ist es wichtig, die Gewissheit zu haben, dass die leiblichen Eltern ihre Kinder lieben, lebenslang für sie Verantwortung tragen, und auch wenn sie nicht beim Kind leben, sind die MutterKind- bzw. die Vater-Kind-Beziehung wichtig für das Kind und seine Entwicklung. Die Familie aus Vater, Mutter und Kindern ist das gesellschaftliche Leitbild und dieses Leitbild soll auch im Unterricht fest verankert sein.

(Beifall AfD)