Protocol of the Session on May 28, 2015

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Da auf der Besuchertribüne das Publikum gewechselt hat, begrüße ich auch noch mal herzlich die Schülerinnen und Schüler und die Kollegen Lehrer recht herzlich.

Frau Ministerin, ich habe nicht ganz verstanden, warum Sie meinen Beitrag und auch unseren Antrag als eine persönliche Kritik an Ihrer Amtsführung wahrgenommen haben. Darum geht es uns überhaupt nicht, sondern ganz im Gegenteil, es geht uns um ein Problem, was sich in den nächsten Jahren erst richtig entwickeln wird. Wir haben in den letzten fünf Jahren immer die Diskussion gehabt und gehört, dass viele Kollegen Lehrer, aber auch Schulleiter in den Ruhestand gehen, aber der große Aufschlag kommt erst noch. Deswegen ist es doch wichtig und legitim, dass wir frühzeitig zu Beginn einer Legislaturperiode auch die richtigen Maßnahmen ansprechen und Wege suchen – gern auch gemeinsam suchen –, die wir in den nächsten

(Abg. Rothe-Beinlich)

Jahren gehen müssen, um eine gute Schule in Thüringen zu erhalten.

Frau Rothe-Beinlich, es ist schon interessant, wie verkürzt manchmal die Weltsicht von Ihnen ist, auch beim Lesen. Es ist richtig, der TLV hat eine Pressemitteilung gemacht, aber er schreibt auch mehr in dieser Pressemitteilung. Er schreibt – ich darf zitieren –: „Unabhängig davon sind es die richtigen beschriebenen Anforderungen, die der TLV gern unterstützt. Deshalb wird auch der TLV mit Interesse verfolgen, was aus diesem Antrag wird.“

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Na, ist doch schön!)

Wir bleiben dabei, wir müssen unsere Schulen, unsere Thüringer Lehrer und unsere Schulleitungen ernst nehmen. Es ist nötig, unsere Schulleitungen zu fördern und zu unterstützen. Wir haben in den vergangenen Wortmeldungen viel Theorie, bisweilen auch Zweifel gehört, und um diese Theorie mal etwas aufzubrechen, möchte ich drei Beispiele aus der Schullandschaft nennen, die stellvertretend für viele Schulen in unserem Freistaat stehen. Alle Beispiele habe ich selbst als Lehrer oder als Referendar erlebt.

In einem ersten Beispiel ist der Gymnasialschulleiter ganz normal in den Ruhestand gegangen. Das Ausscheiden des Direktors war mindestens bekannt, seit er das Amt übernommen hatte, nämlich 15 Jahre vorher. Aber dennoch dauerte es dann fast drei Jahre, bis ein neuer Schulleiter für die 80 Kollegen und 800 Schüler berufen werden konnte – drei Jahre an einem Gymnasium.

Zweites Beispiel: An einer Gesamtschule ist der Schulleiter an eine andere Schule versetzt worden. Er wurde versetzt vom Ministerium – er ist nicht ausgerissen oder irgendwohin, er wurde vom Ministerium versetzt. Über ein Jahr hat die Stellvertreterin der Schule diese engagiert von morgens – und das ist das in Ergänzung, Frau Ministerin, was Sie gesagt haben, dass es immer Übergangsregelungen an Schulen gibt – 7.00 Uhr bis abends 21.00 Uhr geleitet, fast bis zur Selbstaufgabe war sie da.

Herr Tischner, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Rothe-Beinlich?

Machen wir später, aber dann gern.

Sie hatte dabei sowohl die Aufgaben des Schulleiters kommisarisch zu führen, die Aufgaben der stellvertretenden Schulleiterin weiterzuführen, den

mehrmals im Schuljahr neu zu planenden Stundenplan zu erstellen, den Vertretungsplan mit zu überwachen, eigenen Unterricht zu geben – an einer Gesamtschule – und ein Schuljubiläum verantwortlich vorzubereiten und kollegial umzusetzen.

Ich nenne ein drittes Beispiel: eine Grundschule, an der schon zum dritten Mal die Stelle des Schulleiters ausgeschrieben wurde. Es finden sich aber dort keine Kollegen, die die Leitung der Landschule übernehmen möchten.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Habe ich auch gesagt!)

Sicherlich gäbe es an der Schule engagierte Kollegen mit der Kompetenz zur Leitungsübernahme, aber es fehlen die Anreize. Diese können natürlich mit einem höheren Gehalt gesetzt werden, okay, aber es sind auch besonders solche Anreize und Rahmenbedingungen zu setzen, die dem Kollegen, der hier Verantwortung übernimmt, das Gefühl einer Entlastung vermitteln. Diese Beispiele zur Ergänzung Ihrer Theorie.

Nun noch etwas zu den Zweifeln an unseren nicht unbedingt neuen – da haben Sie recht –, aber dafür umso richtigeren Vorschlägen. Vielleicht auch dazu in Ergänzung, weil Frau Ministerin Klaubert so stark auf ihre Amtsvorgänger geschimpft hat: Ja, Sie haben recht, wir waren da auch nicht zufrieden. Deswegen haben wir uns in unserem Wahlkampf im vergangenen Jahr in der Bundespolitik sehr deutlich abgegrenzt.

(Beifall CDU)

Es war ja schon bezeichnend, dass die SPD bei Ihrer Rede, Frau Ministerin, kaum geklatscht hat.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Frau Lieberknecht hat sich dafür entschuldigt!)

Wie beim Thema „Vorläufiger Landeshaushalt 2015“ zeigt sich auch hier: Die Hausleitung des Bildungsministeriums und die Koalitionsfraktionen betreiben Bildungspolitik mit angezogener Handbremse. Wenn Ihnen das Thema so wichtig ist, wenn das Ministerium momentan mit den freien Schulen und dem Bildungsfreistellungsgesetz zu tun hat, okay, aber warum haben die Regierungsparteien nicht selbst einen Antrag zum Thema „Schulleiter oder Lehrer stärken“ gestellt? Sie relativieren die Entwicklungen, die sich abzeichnen, und lähmen damit ein funktionierendes Bildungssystem. Wer unseren Antrag kritisiert, verschließt die Augen vor den großen Herausforderungen in der Altersstruktur unserer Thüringer Schulen.

Laut der Kleinen Anfrage der Kollegin Meißner sind 30 von 53 offenen Schulleiterstellen seit über zwei Jahren nicht besetzt. Sie haben es gerade noch einmal gehört. Es ist gut, dass da etwas passiert, aber wir könnten wahrscheinlich in 14 Tagen die Kleine Anfrage noch einmal stellen und es würde

sich wieder erhöhen oder runtergehen, es ist ein ständiger Prozess. Deswegen muss man auch ständig etwas machen.

Es geht vor allem darum, dass in den nächsten fünf Jahren 12 Prozent aller Schulleiter in Thüringen aus dem Schuldienst ausscheiden und deswegen sollten wir etwas tun. Es handelt sich auch nicht, wie von Frau Hennig-Wellsow behauptet, um eine Großbaustelle, die ehemalige Bildungsminister am Ende ihrer Herrschaft, um den Sprachgebrauch von Frau Hennig-Wellsow zu nehmen, hinterlassen haben. Es handelt sich vielmehr um eine Daueraufgabe, die in den kommenden Jahren zunehmen wird, weil die Altersstruktur in unseren Schulen ist, wie sie ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Schulleiter sind Lehrkraft, sind Stundenplankoordinator, Organisator des Schullebens und des Ganztagsbetriebs, Vorgesetzter, Mitgestalter des kulturellen Lebens in den Ortschaften und Ansprechpartner für Schüler, Lehrer, Eltern, technisches Personal, für die Schulträger und für Schulbehörden in einer Person. Zugleich werden sie gerade in kleinen Grundschulen häufig kaum besser besoldet als ihre Lehrerkollegen, erhalten nur wenige Entlastungsstunden und sind zudem in Grundschulen häufig auch noch als Klassenleiter tätig. Das Aufgabenfeld von Schulleitern ist in den letzten Jahren immer anspruchsvoller und komplexer geworden. Gleichzeitig werden die Rahmenbedingungen jedoch nicht unbedingt besser. So ist an den Schulen eine zunehmende Bürokratisierung zu beobachten. Denken wir zum einen an die hohen Dokumentationspflichten, die Worturteile als Ergänzungen oder Ersatz der Notengebung, die Durchführung von umfangreichen Elterngesprächen bzw. dann Lernentwicklungsgesprächen und vielen, vielen Kompetenztests, die im SPD-Bildungsministerium in der letzten Wahlperiode massiv gefordert wurden. Denken wir zum anderen an die Zunahme von Schülern mit Verhaltensproblemen und traurigerweise das damit häufig in Verbindung stehende tendenzielle Nachlassen der Unterstützung durch die Elternhäuser. Gute Schule zeichnet sich auch dadurch aus, dass Lehrkräfte ihrem eigentlichen Auftrag, nämlich Wissen und Werte zu vermitteln, nachkommen können, dass Zeit, die sie für ihre Schülerinnen und Schüler haben, nicht durch immer neuere bürokratische Aufgaben gebunden wird, dass Eltern mit ihnen und nicht gegen sie arbeiten, dass Schulleitungen individuelle Potenziale erkennen und fördern sowie professionelle pädagogische und didaktische Angebote aufbereiten.

Ein Weiteres ist wichtig: Die Gesellschaft muss anerkennen, wie komplex die Anforderungen an Schulleiter und an Lehrkräfte sind und wie wertvoll deren Arbeit für unsere Gesellschaft ist. Lehrer und Schulleitungen brauchen Rückhalt, sie brauchen Stärkung und gute Rahmenbedingungen durch die

Politik und alle gesellschaftlichen Kräfte. Entscheidungen verantwortungsvoll zu treffen, Prozesse zu initiieren, gemeinsame Zielvorstellungen zu entwickeln, andere zu eigenständigem Handeln zu befähigen und Problemlösungen aufzuzeigen, sind Herausforderungen, mit denen sich Schulleiter in ihrer Leitungsfunktion täglich neu auseinandersetzen. Dazu bedarf es starker und kompetenter Schulleiter und unser Antrag zielt hier genau in die richtige Richtung. Ziel des vorliegenden Antrags ist es darum, erstens das Verfahren der Stellenbesetzung zu optimieren; durch eine thüringenweite transparente Übersicht über freiwerdende Leitungsstellen im Thüringer Schulportal sollen absehbare Vakanzen so frühzeitig publiziert werden, dass Bewerbungsauswahl, Beteiligungs- und gegebenenfalls eben die schon genannten Einspruchsverfahren möglichst vor Eintritt einer Vakanz abgeschlossen sein können. Es ist schön, Frau Ministerin, dass Sie hier schon signalisiert haben beim Thüringer Schulportal, dass man da vielleicht gemeinsame Wege gehen kann. Die Landesregierung soll sich durch ein Schulleiterversprechen, und dazu stehen wir, selbst das Ziel setzen, ein eigenes Ziel setzen, dass keine Schule länger als drei Monate ohne Schulleiter auskommen muss.

Zweitens, wir wollen die Attraktivität von Schulleiterpositionen steigern und damit die Bereitschaft von Pädagogen erhöhen, Leitungspositionen zu übernehmen. Die Leistungen von Schulleitern müssen angemessen anerkannt sowie die nötigen Entlastungen geschaffen werden. Gerade im Grundschulbereich bedeutet das höhere Leistungszulagen und mehr Abminderungsstunden für die Leitungstätigkeit. Denn nur wenn die Übernahme einer Leitungsfunktion für einen Lehrer auch erstrebenswert ist, lässt sich die Bewerberzahl für frei werdende Stellen auch wieder steigern. Wir haben in Thüringen ein gutes, modularisiertes System der Schulleiterbildung. Wenn man aber genau hinschaut, wer in der ersten Phase beginnt und was am Ende in der dritten Phase übrig bleibt, sind sehr große Unterschiede festzustellen.

Eine höhere Attraktivität der Leitungstätigkeit kann auch durch einen größeren Entscheidungsspielraum für Schulleiter erreicht werden. Deshalb setzen wir uns dafür ein, Schulleitern mehr Verantwortung und Entscheidungskompetenz zu übertragen, sodass ihr Gestaltungsspielraum bei der Schulentwicklung steigt. Wichtig ist vor allem ein größeres Mitspracherecht bei der Personalentscheidung und mehr Steuerungsmöglichkeiten bei der Personalentwicklung an ihren Schulen. Das beginnt bei der Auswahl des stellvertretenden Schulleiters und endet bei der Übernahme von engagierten und gut ausgebildeten Referendaren. Ich glaube, liebe Kollegen, Sie kennen alle aus Ihren Wahlkreisen Beispiele, wo die Schulleiter zu Ihnen kommen und sagen, wir haben einen ganz tollen Referendar, eine

ganz tolle Referendarin, unheimlich engagiert, wir hätten sogar Unterrichtsstunden für diese. Dann sagt das Ministerium: April, April, lieber Referendar, geh mal in den Westen, dort brauchen sie dich vielleicht mehr. Das ist ein Widerspruch, den man endlich auflösen muss. Den habe ich am eigenen Leib erfahren und da müssen wir ran.

(Beifall CDU, AfD)

Wenn wir da gemeinsam an einem Strang ziehen, dann bin ich immer an Ihrer Seite.

Die Schulleitungen und Kollegen stecken viel Engagement und Elan in die Qualifizierung der Lehramtsanwärter, wenn es aber um die Übernahme nach dem zweiten Staatsexamen geht, ist der Einfluss eben nicht vorhanden. Deshalb sagen wir, nur mit einem motivierten und engagierten Lehrerkollegium kann Schulentwicklung gelingen.

Qualifizierungsmöglichkeiten – das ist der dritte Punkt – für potenzielle Schulleiter müssen verbessert werden. Qualifizierungsangebote sollten möglichst praxisnah und effizient ausgestaltet sein und mit der täglichen Arbeit des Lehrers gut in Einklang gebracht werden. Hier, denken wir, kann man gerade auch das System am ThILLM noch einmal evaluieren, ob nicht da manche Sachen noch praxisorientierter oder noch schularbeitsorientierter, sodass die Kollegen auch in den Schule gewisse Entlastung finden, ausgestaltet werden können. Außerdem sollen Qualifizierungsangebote engagierter Fachkräfte gezielt als Maßnahme der weiteren persönlichen Laufbahnentwicklung angeboten werden, denn nicht alle Lehrer können sich von sich aus eine Übernahme einer Leitungstätigkeit vorstellen. Manchmal gibt es auch genau das Gegenteil, dass Lehrer sich vorstellen können, eine Leitungstätigkeit zu übernehmen und es dann nicht so gut passt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen, unsere Vorschläge sind vernünftig und unsere Vorschläge sind mit einem gestalterischen Willen – und ich höre ihn ja auch heute aus den Regierungsfraktionen und aus dem Bildungsministerium – zu lösen.

Unsere Vorschläge sind eben genau nicht das, was der Grüne-Vorsitzende behauptet. Herr Adams tritt hier im Landtag zwar gern mal als Oberlehrer auf, wenn er aber tatsächlich etwas von Schule verstehen würde, würde er wissen, dass Personalentwicklung und Personalqualifizierung fortlaufende Aufgaben sind.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist es unter Ihrer Re- gierung auch schon gewesen!)

Ihre medialen Einlassungen, Frau Rothe-Beinlich, oder die Ihres Kollegen zu diesem Thema zeugen mal wieder von absoluter Unkenntnis von dem, was

in der Schule los ist. Schauen Sie in die Presseberichterstattung der letzten Plenarsitzung.

(Beifall CDU)

Unsere Vorschläge kosten zunächst kein Geld, unsere Vorschläge verlangen Organisation, unsere Vorschläge verlangen Entscheidung, unsere Vorschläge verlangen Handlung.

Meine Damen und Herren, die Debatte heute hat gezeigt, es ist ein drängendes schulpolitisches Problem, gern schließen wir uns deshalb den Vorschlägen an und möchten das Thema im Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport weiterberaten. Danke schön.

(Beifall CDU)

Es gibt noch eine Nachfrage der Abgeordneten Rothe-Beinlich.

Vielen Dank, Herr Tischner. Sie haben ja so schöne praktische Beispiele vorgetragen. Könnten Sie vielleicht noch dazu sagen, wann genau sich diese zugetragen haben und wer zu der Zeit die Regierungsverantwortung getragen hat?

Ja, kann ich Ihnen sagen. Zwei der Beispiele haben sich ich der vergangenen Wahlperiode zugetragen, als das Bildungsministerium SPD-geführt war

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: War Schwarz-Rot!)

und massive Interventionen auch von unseren Fraktionskollegen an den Bildungsminister herangetragen wurden. Das andere Beispiel ist noch aktuell.