Protocol of the Session on May 28, 2015

Es gibt jetzt kein Zwiegespräch in diesem Haus. Das können Sie gern vor der Tür machen. Die Abgeordnete Herold hat sich jetzt zu Wort gemeldet.

Danke sehr. Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, der in vielen Bereichen grassierende und oft beschworene Fachkräftemangel hat auch die digitale Wirtschaft erfasst. Man spricht von Personalmangel im deutlich fünfstelligen Bereich. Das bedeutet, dass wir hier einen Nachfragemarkt haben. Junge und gut ausgebildete Menschen können sich in Deutschland aussuchen, wo und für wen sie arbeiten möchten. Das verbessert beträchtlich ihre Ausgangslage bei der Verhandlung über Arbeitsbedingungen und Entlohnung. Viele der Fachkräfte bevorzugen mittlerweile eine weniger traditionelle Arbeitsweise – das kann zum Beispiel bedeuten, an vier Tagen in der Woche für einen Arbeitgeber oder ein Projekt zu arbeiten, um dann an anderen drei Tagen sich einer eigenen Firma, der Familie oder einem Hobby zu widmen oder auszuschlafen. Sicherlich wird sich der eine oder andere in solchen Arbeitsbeziehungen auch selbst ausbeuten. Es ist mir aber schwer vorstellbar, dass interessierte Auftrag- und Arbeitgeber hier maßlose Forderungen stellen, wenn sie an einer produktiven Zusammenarbeit mit diesen gesuchten IT-Spezialisten interessiert sind. Sicherlich ist es sinnvoll, im Rahmen des Gesundheitsschutzes die Einhaltung von Ruhezeiten in solchen Arbeitsbeziehungen anzuregen oder einen Anspruch darauf grundsätzlich festzuschreiben. Eine Überregulierung verbietet sich aber hier aus meiner Sicht.

Wenn in Deutschland eine Gruppe von Programmierern zwischen abends 6.00 Uhr und morgens 3.00 Uhr in einem Café an einem Projekt arbeitet, dann ist bei ihren Kollegen, die am selben Projekt in Australien arbeiten, gerade Tagesarbeitszeit. Ich kann nicht erkennen, dass hier eine staatliche Regulierung wirklich sinnvoll wäre. Viele dieser neuen Spezialisten arbeiten freiberuflich. Diese Freiheit sollte ihnen auch erhalten bleiben. Der Gesetzge

ber täte gut daran, diesen jungen Selbstständigen steuerliche Begünstigungen für Alterssicherung und Krankenversicherung zu ermöglichen. Für sinnvoll halte ich auch die größtmögliche Förderung von selbstorganisierter oder firmengestützter Fortbildung. Das kann auch dazu beitragen – wie es mein Kollege Krumpe schon angesprochen hatte – bei vorübergehender oder länger andauernder Beschäftigungslosigkeit den Spezialisten und Facharbeitern ein Gefühl von Sicherheit und Selbstwert zu geben.

Arbeitsmedizinische Regulierungen bei der Bereitstellung von Arbeitsmitteln seitens der Arbeitgeber für die Digitalwirtschaft existieren bereits und sollten nicht auf den Bereich privat genutzter Geräte und Arbeitsplätze ausgedehnt werden. Gestaltungsvorschriften für häusliche Arbeitsplätze sollten lediglich Empfehlungscharakter annehmen. Angesichts der Globalisierung und der Ansiedlung der Arbeitsplätze in der digitalen Wirtschaft rund um den Globus sollte staatliche Regulierung hier auch ihre eigenen Grenzen akzeptieren. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion der CDU hat sich Abgeordneter Dr. Voigt zu Wort gemeldet.

Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Henfling und auch noch mal zu der Rede von Herrn Hausold zum Thema „Arbeitszeitmodelle“: Wir können das gern mal in Ruhe diskutieren. Verpacken Sie es bitte nicht unter „Industrie 4.0“. Ich sage auch, wir würden einem Antrag, der inhaltlich gut ist, zustimmen, aber er muss auch inhaltlich gut sein. Sie haben hier versucht, Anti-Stress-Verordnung in einer Frage innovativer, moderner Arbeitsmarkt zu vermanteln. Das halte ich offen gestanden für Etikettenschwindel. Das haben wir einfach nur thematisiert.

Ich will aber zu dem Thema „Arbeitszeitmodell“ schon noch einmal etwas sagen. Da geht es natürlich immer um Maß und Mitte. Wenn Sie sich anschauen, ich habe mir das 2007 bei „Best Buy“ in den USA angeschaut, größte Elektronikkette. Die haben ein Arbeitszeitmodell eingeführt, bei dem keine Anwesenheit des mittleren und höheren Managements im Unternehmen überhaupt Bedingung war. Die konnten kommen und gehen, wann sie wollten. Das haben die fünf Jahre gemacht. Mittlerweile haben sie es wieder abgeschafft, weil sie festgestellt haben, dass die Begegnung am Arbeitsplatz ein Wert an sich ist, wo Ideen entstehen, die für die Entwicklung eines Unternehmens zentral sind. Trotzdem – da gilt auch wieder Maß und Mitte

(Abg. Henfling)

gibt es moderne Erhebungen zu der Fragestellung: Wie müssen flexible Arbeitszeitmodelle gestaltet werden? Da kann ich Sie nur einladen, da gibt es eine Untersuchung, eine große Befragung, in der Unternehmen und Non-Profit-Organisationen befragt worden sind, Führungspersönlichkeiten, wie sie sich Arbeitszeitmodelle vorstellen. Da wird unter anderem deutlich, dass es erstens keine Ausnahme bei flexiblen Arbeitszeitmodellen gibt, dass es zweitens elementar wichtig ist, dass Eltern auf solche Modelle Wert legen. In der Studie ist es sogar so, für über 50 Prozent der High Potentials mit Kindern ist es wichtig, dass es flexible Arbeitszeitmodelle gibt. Es ist laut der Studie für Frauen total entscheidend. Und viertens, Unternehmen, die das nicht anbieten, verschmälern ihren Talent Pool, weil die Leute sehr bewusst danach schauen.

Wenn Sie sich das anschauen, dann ist es heutzutage ein Gebot der Stunde, klug mit seinen Arbeitnehmern darüber im Gespräch zu sein, wie man bestmögliche Ergebnisse erzielen, aber trotzdem bestmögliche Lebensqualität für den Arbeitnehmer gewährleisten kann. Das ist etwas, das ist sehr zentral. Jetzt werden Sie sagen: Nun gut, der Voigt redet jetzt über mittleres Management und Führungspersönlichkeiten, aber was ist denn mit dem Arbeiter in der Fabrik? Genau. Da kommt der Punkt hinein, den ich für sehr zentral halte, den ich vorhin mit Volkswagen beschrieben habe, die solche Modelle haben. Ich glaube, das kann ein Weg sein. Der Arbeiter in der Fabrik hat seine fest definierten Arbeitszeiten, und tarifrechtlich könnte Herr Ramelow als unser großer Schlichter hier natürlich bestens darüber referieren.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Da höre ich jetzt aber Neid heraus!)

Neid? Sie können sich in einer Sache sicher sein, ich bin in keinster Art und Weise auf Herrn Ramelow neidisch.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Weil Sie nicht mit uns zusammenarbeiten wollen!)

(Unruhe DIE LINKE)

Wobei ich mir jetzt sicher bin, dass Attila wahrscheinlich in dem Pissing Contest auch mit dabei sein könnte.

Insofern will ich eines sagen: Ich glaube, wenn Sie über Anti-Stress-Verordnung, Arbeitszeitmodelle reden wollen, dann lassen Sie uns das in Ruhe machen, aber tun Sie bitte nicht so, dass das eine sachnotwendige Voraussetzung ist, über „Industrie 4.0“ zu reden. Ich glaube, da gibt es zentralere Fragestellungen. Das ist deutlich geworden, deswegen lehnen wir den Antrag ab. Schönen Dank.

Es gibt jetzt keine weiteren Wortmeldungen. Kann ich davon ausgehen, dass das Berichtsersuchen zu

Nummer II des Antrags erfüllt ist, oder erhebt sich Widerspruch? Das kann ich nicht erkennen. Es ist keine Ausschussüberweisung beantragt, aber getrennte Abstimmungen zu den Nummern I und III des Antrags.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Noch viel besser!)

Herr Emde.

Frau Präsidentin, ich möchte dazu namentliche Abstimmung beantragen.

Herr Abgeordneter Emde, zu beiden?

(Zuruf Abg. Emde, CDU: Ja!)

Dann kommen wir zur Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer zur namentlichen Abstimmung zu Nummer I des Antrags. Ich eröffne die namentliche Abstimmung.

Haben alle Abgeordneten ihre Stimme abgegeben? Ich schließe die Abstimmung und bitte um Auszählung.

Ich gebe das Ergebnis bekannt: Anwesende Abgeordnete 90, es wurden 88 Stimmen abgegeben. Mit Ja stimmten 46, mit Nein 42 (namentliche Abstim- mung siehe Anlage 2). Damit ist der Antrag angenommen.

Ich eröffne die namentliche Abstimmung zum Punkt III des Antrags und bitte die Schriftführer.

Haben alle Abgeordneten von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht? Dann schließe ich die Abstimmung und bitte um Auszählung.

Ich gebe das Ergebnis zu Nummer III des Antrags in der Drucksache 6/617 bekannt: Anwesende Abgeordnete 90, es wurden 88 Stimmen abgegeben. Mit Ja stimmten 45, mit Nein 43 (namentliche Ab- stimmung siehe Anlage 3). Damit ist die Nummer III des Antrags angenommen und ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Die Fraktionen sind übereingekommen, damit die 15. Plenarsitzung für heute zu beenden und am morgigen Tag um 9.00 Uhr fortzusetzen. Ich wünsche einen guten Abend.

Ende: 18.51 Uhr