Protocol of the Session on May 28, 2015

Gut. Als nächster Redner hat sich Abgeordneter Warnecke, Fraktion der SPD, zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, beginnen möchte ich mit der Vorbemerkung: Es hat mich gefreut, dass ich mit der Rede von Dr. Mario Voigt in vielen Punkten Übereinstimmung habe, allerdings endet die Übereinstimmung bei der Anti-Stress-Verordnung, aber dazu komme ich noch in meiner Rede.

Zunächst einmal Dank an den Wirtschaftsminister für den ausführlichen Bericht, den er heute gehalten hat. Die Digitalisierung bringt eine neue Dynamik in alle Branchen und sorgt für die Eröffnung von vielen Möglichkeiten der Vernetzung und des

Ideen- und Wissensaustauschs. „Zwischen einem, der führt, und einem, der folgt, unterscheidet Innovation.“ Diese Feststellung stammt von Steve Jobs und hat, wie Sie mir wahrscheinlich alle zustimmen, eine absolute Geltung im heutigen wirtschaftlichen Wettbewerb. Diesem internationalen Zeitgeist, der durch die Digitalisierung befördert wird, hat sich die Bundesregierung mit der neuen Plattform „Industrie 4.0“ erfolgreich angeschlossen. Es vergeht kaum eine Konferenz oder eine Messe, auf der nicht die aktuellen Herausforderungen der „Industrie 4.0“ diskutiert werden, sei es in Hannover oder in Davos und bald auch auf dem Wirtschaftsforum in Weimar. Das zeigt, Thüringen zieht mit diesem Zeitgeist mit. Innovation, Ideen und kluge Köpfe sind auch für ein kleines Flächenland wie Thüringen enorm wichtig. Wir können vor der Vernetzung und der Digitalisierung der Produktion nicht ausweichen. Wir werden mitziehen und die Chancen des nächsten industriellen Wandels als kluge Marketingstrategie jetzt für uns nutzen. Ein wichtiges Element ist zum Beispiel die Kreativwirtschaft, die als wichtiges Zahnrad innerhalb der „Industrie 4.0“ wirkt. Neue Geschäftsmodelle und ausgebildete Fachkräfte sind auch bei der „Industrie 4.0“ das A und O für den Erfolg. Ich begrüße in diesem Zusammenhang an dieser Stelle ausdrücklich den Aufbau eines „Kompetenzzentrums Industrie 4.0“ vom Wirtschaftsminister. Thüringen wird einer von fünf Standorten in ganz Deutschland sein und davon profitieren.

(Beifall SPD)

Dennoch, die Medaille hat zwei Seiten. Die neue Dynamik der „Industrie 4.0“ bringt viele unbekannte Faktoren für die Arbeitnehmer mit sich, die nicht immer von Vorteil sind. Wir sprechen hier von der „Arbeitswelt 4.0“, einer sehr dynamischen, smarteren Arbeitswelt mit hohen Ansprüchen an alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Gewerkschaften reagieren mahnend auf diese Zustände. Dabei geht es jedoch nicht nur darum, die technische Entwicklung zu verhindern. Sowohl die Gewerkschaften als auch wir möchten uns dafür einsetzen, diese menschengerechter und arbeitnehmerfreundlicher zu gestalten. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat mit dem Grünbuch „Arbeit 4.0“ einen wichtigen Beitrag in der Debatte geleistet. Die Koalitionsfraktionen greifen diese genannten aktuellen Fragestellungen in ihrem Antrag auf und setzen, wie ich denke, auch die richtigen Schwerpunkte für eine erfolgreiche „Wirtschaft 4.0“ in Thüringen. Ich werde sie noch einmal einzeln benennen: erstens bei den Unternehmen der Softwareindustrie, des produzierenden Gewerbes sowie der Hochschulen und der Ausbildung, zweitens bei der Landesverwaltung, drittens dem Risikoschutz durch mehr Arbeits- und Gesundheitsschutz, viertens der Überwindung von neuen Herausforderun

(Abg. Krumpe)

gen in den Bereichen Datensicherheit und Datenschutz.

Wichtig ist es, nicht in die Fallstricke der digitalen Vernetzung und der digitalen Arbeitswelt zu gelangen. Wir müssen rechtzeitig hier die richtigen Antworten finden. Deshalb bitten wir die Landesregierung, die „Wirtschaft 4.0“ im Rahmen der „Regionalen Innovationsstrategie RIS3“ aufzugreifen und zeitnah eine Bundesratsinitiative zur Einführung einer Anti-Stress-Verordnung zusammen mit weiteren Bundesländern zu prüfen. Mit diesen Weichenstellungen und dem Zusammenspiel der gesellschaftlichen Kräfte können die Erwartungen einer leistungsstarken und zugleich arbeitnehmerfreundlichen „Wirtschaft 4.0“ vorangetrieben werden. Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich die Abgeordnete Henfling zu Wort gemeldet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Präsidentin, es ist nicht das Schlusswort, weil wir ja mit der Sache wahrscheinlich noch nicht am Ende sind. Auch vonseiten meiner Fraktion herzlichen Dank für den Bericht aus dem Wirtschaftsministerium von Minister Tiefensee. Ich glaube, uns allen, und das ist hier der Konsens, das habe ich auch bei Ihnen gehört, Herr Voigt – obwohl ich glaube, wenn wir die Anti-Stress-Verordnung nicht drinstehen hätten, hätten Sie etwas anderes gefunden, was Sie doof finden. Sie brauchen ja einen Grund, warum Sie den Antrag ablehnen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Unterstel- lung!)

Ich denke, es ist aber trotzdem Konsens, dass wir an dieser Stelle relativ viel zu tun haben, was die Digitalisierung der Wirtschaft, die Digitalisierung unserer Gesellschaft angeht. Herr Voigt hat den Breitbandausbau angesprochen. Das gebe ich gern zurück: Den Breitbandausbau werden wir nur schaffen, wenn wir die Unterstützung vom Bund bekommen. Und da ist die Frage: Was kommt denn da? Da sollten Sie vielleicht mal bei Ihrer Bundesregierung anfragen, wie es denn aussieht mit der Unterstützung der Länder beim Breitbandausbau. Dann wären wir da auch schon deutlich weiter.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Minister Tiefensee hat die Umfrage des DIHK von Januar 2015 angesprochen. Ich finde die ziemlich gut, weil die relativ prägnant noch einmal auf den Punkt bringt, wo auch die Ansätze für uns liegen müssen und wo wir Rahmenbedingungen schaffen

müssen. Besonders interessant für Thüringen finde ich an dieser Stelle, dass es einen deutlichen Unterschied gibt, aus welcher Größe die Firmen kommen. Es ist nämlich etwas anderes, ob wir hier davon reden, dass die Digitalisierung von Großunternehmen stattfindet oder ob es eben der Mittelstand ist. Die Großunternehmen sehen insbesondere bei der Digitalisierung in großen Teilen sehr viel Potenzial auch für sie nach oben, wohingegen die Mittelständler da doch eher skeptisch sind. Ich glaube, das ist etwas, was wir uns in Thüringen auch noch mal ganz groß auf die Fahnen schreiben müssen, weil wir hier mit der kleinteiligen Wirtschaft ganz andere Voraussetzungen haben.

Ein besonders wichtiger Aspekt, der hier auch schon mehrfach angesprochen wurde, ist die Frage der Rechtsfragen, die sich mit einer zunehmenden Digitalisierung stellen. Da sehe ich auch ganz klar, dass gegenwärtige Gesetze definitiv nicht mehr ausreichend sind, um diese Digitalisierung zu stemmen. Auch da müssen wir, glaube ich, von Landesebene aus eine gute Kommunikation in die Bundesund in die Europaebene pflegen, um beispielsweise solche Fragen wie die EU-Datenschutz-Grundverordnung umsetzen zu können, um Fragen des Urheberrechts zu klären und da weiter voranzugehen.

Aber natürlich ist Digitalisierung auch mehr als der Breitbandausbau. Sicherlich ist es eine wichtige Grundlage – das hat auch hier niemand infrage gestellt –, die wir schaffen müssen. Mit der zunehmenden Vernetzung von Unternehmen und dem rasant anwachsenden Austausch großer Datenmengen werden IT-Sicherheit und Datenschutz – auch das steht in dem Antrag – zur zentralen Herausforderung der Wirtschaft. Insbesondere personenbezogene Daten sind in diesem Umfeld eine relevante Handelsware und durch ihren ökonomischen Wert auch Zielscheiben für Angriffe von außen. Auch da hatten wir vom Kollegen Hausold schon eine Ausführung zu der Frage von Hackerangriffen, wobei das nur ein Problem ist. Unternehmen müssen deshalb schon aus eigenem Interesse auf Verschlüsselung und Datensicherheit setzen. Auch das Vertrauen der Kunden hängt aus unserer Sicht maßgeblich davon ab, ob ein sicherer Umgang und Schutz der eigenen Daten gewährleistet werden kann. Auch das sieht man in der Umfrage des DIHK sehr deutlich, dass es dort immer noch Skepsis gibt, gerade in Fragen des Datenschutzes, gerade in Fragen der Datensicherheit. Ich glaube, da müssen wir in Thüringen in eine Vorreiterstellung gehen und müssen genau solche Sachen wie Verschlüsselung – das können wir in der Verwaltung anfangen – auch gut machen.

Ich verstehe auch die Kritik von Herrn Krumpe da nicht so ganz. Politik ist nun mal dazu da, Rahmenbedingungen zu schaffen. Niemand hat sich hier vorgenommen, dass wir die „Industrie-4.0“er sind. Uns ist durchaus bewusst, dass wir das Know-how

(Abg. Warnecke)

der Wirtschaft und das Know-how von IT-Leuten und von Netzmenschen brauchen, die das gut umsetzen. Wir müssen aber Rahmenbedingungen schaffen. Das sollten wir jetzt anfangen, denn ansonsten verpassen wir das Ganze nämlich.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ein Aspekt, der mir hier noch zu kurz gekommen ist – ich habe lange überlegt, es ist ja eigentlich schon viel gesagt worden –, was hier noch nicht angesprochen wurde, sind Fragen der Netzneutralität. Ich finde, eine wichtige Rahmenbedingung für Digitalisierung in der Wirtschaft ist die Wahrung der Netzneutralität. Innovationen und kreative Geschäftsideen im Internet können nur entstehen, wenn Start-ups und Kleinunternehmen die gleichen technischen Voraussetzungen vorfinden wie große. Das ist für Thüringen, denke ich, auch ein sehr wichtiger Aspekt. Zur optimalen Nutzung der Innovationspotenziale ist ein freies und offenes Internet mit diskriminierungsfreiem Zugang für alle essenziell.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die rot-rot-grüne Koalition sieht die Netzneutralität als fundamentalen Bestandteil der freien Meinungsäußerung im Internet.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Das kommt, meine Damen und Herren, auch der Thüringer Wirtschaft zugute. Als Land wollen wir da als gutes Beispiel vorangehen und auch auf der Verwaltungsebene, wie schon erwähnt, mehr dafür tun.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, noch mal zu der Anti-Stress-Verordnung, Herr Voigt. Sicherlich kann man immer mit der Bürokratiekeule kommen und sagen: Ach, das ist ganz schlimm und wir wollen den Unternehmen etwas aufbürden. Ich glaube, darum geht es hier an dieser Stelle nicht. Wir können aber nicht die Unternehmen in der Digitalisierung unterstützen und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei dieser Sache nicht mitnehmen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dass es sehr wichtig und sehr essenziell ist, genau über die Aspekte der Fragen von entgrenzten Arbeitszeiten und der Vermischung von Freizeit und Arbeitszeit zu sprechen. Das hat auch beispielsweise etwas – und das findet die CDU, denke ich, auch immer richtig – mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu tun. Da müssen wir ran, da müssen wir was machen. Wir wollen da initiativ werden. Was dann am Ende herauskommt, ist sicherlich noch mal eine andere Frage. Aber die Anti-Stress-Verordnung anzugehen und im Bundes

rat initiativ zu werden, halten wir für essenziell, um genau auch die Digitalisierung umsetzen zu können. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der AfD hat sich die Abgeordnete Herold zu Wort gemeldet.

(Zwischenruf aus dem Hause: Zu spät!)

Ja, ich stehe auch schon eine Zeit hier.

Da müssen Sie sehen...

Frau Henfling, wo in diesem Antrag werden denn Rahmenbedingungen geschaffen? Sie wollen zeitlich befristet...

Herr Krumpe, ich habe Ihnen kein Wort erteilt. Sie möchten dann bitte ans Mikrofon treten.

(Unruhe im Hause)

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bitte.

Frau Henfling, an welcher Stelle in diesem Antrag werden Rahmenbedingungen geschaffen? Sie wollen lediglich zeitlich befristet innovative Projekte, die einen Bezug auf „Industrie 4.0“ aufweisen, fördern, mehr nicht. Das sind keine Rahmenbedingungen.

Frau Abgeordnete Henfling, würden Sie die Frage beantworten? Dann erteile ich Ihnen jetzt das Wort.

Es zeigt immer das schwierige Politikverständnis der AfD. Dass eine Politik Rahmenbedingungen schafft – das ist doch wohl klar. Es ist doch wohl auch klar, dass dieser Antrag genau diese Rahmenbedingungen schaffen will, indem wir das Thema auf die Agenda setzen. Ich verstehe die Frage gar nicht so richtig, Herr Krumpe. Das Problem ist, dass Sie immer meinen, da setzt sich im Ministeri

um jemand hin und fängt das an zusammenzubasteln – so funktioniert das nicht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir als Parlament beauftragen die Landesregierung, dort aktiv zu werden, wir stellen Fragen dazu und das Ministerium kümmert sich dann um die Rahmenbedingungen.

(Zwischenruf Abg. Krumpe, AfD: Rahmenbe- dingungen müssen nachhaltig sein!)

Nachhaltig, natürlich.