Protocol of the Session on May 28, 2015

ich freue mich, dass wir heute über den Antrag „Radverkehr in Thüringen planvoll und zielstrebig verbessern“, für den die Koalitionsfraktionen verantwortlich zeichnen, debattieren können.

Wir greifen heute damit ein bisher finanziell und, was den Ausbau der Radwege betrifft, quantitativ und qualitativ etwas stiefmütterlich behandeltes Verkehrsthema auf, das immer wichtiger und bedeutender wird.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das ist auch aktuell!)

Wir wollen mit der Umsetzung des Antrags auch den Anteil des Fahrradverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen fördern und stetig ausbauen. Damit setzen wir einen weiteren Mosaikstein des Koalitionsvertrags um. Wir wollen bei diesem Thema eine Richtung vorgeben und Thüringen für Radfahrer, vor allem für den Alltagsradverkehr, attraktiver und sicherer machen.

Wir sind uns sicherlich darüber einig: Thüringen braucht Verbesserungen im Hinblick auf den Radverkehr. Das nützt nicht nur den Radfahrern, sondern auch allen anderen Verkehrsteilnehmern. Aus unserer Sicht brauchen wir ein neues Radverkehrskonzept, ein echtes Thüringer Radwegenetz, eine Vernetzung dieser Angebote auch im Tourismussektor und eine Angebotsverbesserung für Radfahrer beim ÖPNV, um nur ein paar Schwerpunkte herauszugreifen. Bei all dem vergessen wir aber auch nicht, dass wir nur begrenzte finanzielle Ressourcen aufwenden können. Das werden wir auch beachten. Wir wollen bescheiden bleiben und haben uns realistische Ziele gesetzt. Doch die wollen wir auch umgesetzt wissen, dann hätten wir einiges erreicht und echten Mehrwert geschaffen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir laden Sie gern ein, den Antrag mit uns im Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten weiter zu diskutieren und gegebenenfalls auch zu verbessern. Deshalb will ich hier gar nicht lang und breit dem Einzelnen verfallen, denn der Antrag kommt ja noch einmal ins Plenum zurück. Ich beantrage mithin die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bedanke mich für die Kürze des Beitrags. Vielen Dank, Herr Warnecke. Wir kommen nun zum Herrn Abgeordneten Kobelt, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, alle Experten und vor allem die Bürgerinnen und Bürger erkennen immer mehr, dass die Erhöhung des Radverkehrs sowohl gesundheitlich als auch wirtschaftlich und ökologisch viele Vorteile verspricht. In Thüringen haben wir ein großes Potenzial. Die letzte große Studie zum Mobilitätsverhalten in Deutschland aus dem Jahr 2008 weist Thüringen allerdings als das Land mit den wenigsten Fahrrädern pro Einwohner aus. Während im Bundesdurchschnitt drei Viertel der Haushalte ein funktionierendes Fahrrad haben, sind es in Thüringen nur knapp 65 Prozent.

Politik und Verwaltung sind in der Pflicht, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, dass sich das Fahrrad lohnt. In der Vergangenheit ist hier zu wenig geschehen. Besonders traurig ist die Bilanz im Bereich des Infrastrukturbereichs, im Bereich des Landesstraßenbaus. Dort hat sich in den letzten Jahren fast nichts bewegt. Die Mittel wurden weiter gekürzt, zuletzt war nur noch 1 Million Euro im Haushalt vorgesehen. Seit 1993 wurden deshalb gerade einmal 166 Kilometer straßenbegleitende Radwege durch den Freistaat Thüringen gebaut. Das entspricht jährlich nur 8,3 Kilometer in ganz Thüringen und das ist sicherlich kein ambitionierter Wert.

Dies wollen wir ändern. In den kommenden Jahren soll der Bau von Radwegen für den Alltag endlich wieder vorangebracht werden. Denn so schön es ist, am Wochenende eine Radtour durch das schöne Unstruttal zu machen, das Leben findet vor allem in der Woche statt. Und da wollen wir die Menschen von Zuhause auf die Arbeit, zum Einkaufen oder zur Musikschule unterstützen und stärker das Rad ermöglichen. Das muss auch mit dem Rad gehen. Deshalb wollen wir hierfür die Mittel deutlich erhöhen. Sie sollen mindestens 10 Prozent der Straßenbaumittel betragen. Das sind zurzeit mindestens 4 Millionen Euro pro Jahr beim Budget des Straßenbauhaushalts.

Um die knappen Mittel effizient einzusetzen, braucht es einen aktuellen und zielgerichteten Plan. Leider hat sich hier auch in den letzten Jahren nicht viel getan. Das Radverkehrskonzept des Freistaats Thüringen stammt noch aus dem Jahr 2008 und wurde seitdem nicht fortgeschrieben. Damals gab

(Abg. Rudy)

es noch kaum E-Bikes und klare Ziele wurden sowieso nicht festgelegt. Wir brauchen deshalb dringend eine Aktualisierung.

Das neue Radverkehrskonzept soll auch endlich einen Landesradwegeplan beinhalten, der alle zentralen Orte berücksichtigt. Damit wollen wir uns am Nationalen Radverkehrsplan 2020 orientieren, der auf Bundesebene in vielen Aspekten schon vorbildlich ist.

Mittelfristig wollen wir den Radnutzungsanteil von jetzt 6 Prozent bis 2025 auf mindestens 12 Prozent im Alltagsradverkehr erhöhen. Beim touristischen Radverkehr sind wir glücklicherweise schon einen Schritt weiter. Da muss man ohne Neid sagen, dass in diesem Bereich auch von der alten Landesregierung viel getan wurde. Hier hat sich Thüringen als beliebte Destination etabliert. Jedoch müssen dringend Lücken geschlossen und in Teilbereichen noch eine durchgängig leichte Befahrbarkeit ohne Huckelpisten erreicht werden.

Ein wichtiges Projekt, das noch umgesetzt werden muss, ist aus unserer Sicht der Iron Curtain Trail, der Radweg entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs, der auf über 700 Kilometern ein großes Potenzial bietet und entlang der Thüringer Grenze verlaufen soll.

Wir wollen zur Koordination und Kommunikation eine landesweite Radwegekonferenz durchführen. Auf dieser wollen wir mit den Bürgerinnen und Bürgern in den Kommunen ins Gespräch kommen, intensiv in den Dialog treten und Lösungsmöglichkeiten diskutieren. Zusammen mit den Kommunen wollen wir dazu auch die Potenziale des Radverkehrs als Wirtschafts- und Tourismusfaktor weiter stärker herausarbeiten. Der Erfolg im Tourismus zeigt deutlich: Eine Verbesserung des Radanteils gelingt am besten, wenn die Infrastruktur und gleichzeitig der Service verbessert werden. Dazu brauchen wir auch eine verlässliche Zusammenarbeit mit dem ÖPNV, denn es nützt nichts, wenn der Bus Räder nur nach dem Zufallsprinzip mitnimmt. Kundinnen und Kunden müssen sich darauf verlassen können. Wir wollen die Mitnahme von Rädern deshalb in den Nahverkehrszügen weiter sicherstellen, in den Bussen verlässlicher machen und uns dafür einsetzen, dass auch im Fernverkehr wieder Fahrräder mitgenommen werden können. Wie sonst soll der Berliner oder Hamburger Tourist ohne Auto zum Fahrradurlaub nach Thüringen kommen? Das neue Fernverkehrskonzept der Deutschen Bahn sendet hier zumindest mittelfristig positive Signale aus. Was in Thüringen aber noch fast vollständig fehlt, sind sichere Fahrradabstellanlagen. In Zusammenarbeit mit den Kommunen wollen wir deshalb bessere Konzepte für den ruhenden Radverkehr entwickeln. Nicht jeder kann schließlich sein Rad mit ins Büro nehmen.

Sehr geehrte Damen und Herren, der Radverkehr ist ein preiswerter, gesunder und umweltfreundlicher Teil unserer Mobilität. Wir setzen uns deshalb mit einer Vielzahl von Maßnahmen dafür ein, das Fahrradfahren attraktiver zu machen. Dazu gehört auch ein gutes Miteinander mit allen anderen Verkehrsteilnehmern. Ich selbst fahre fast täglich mit dem Rad in den Landtag, fast täglich aber auch fühlen sich dort, wo keine reinen Radwege vorhanden sind, entweder die Autofahrer auf der Straße oder Fußgänger auf den Fußwegen durch Radfahrer gestört.

(Unruhe CDU)

Wir wollen deshalb neben mehr Raum für Fahrradfahrer verstärkt für ein gutes Miteinander aller Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer werben und bitten die Landesregierung mit einer Aufklärungskampagne positiv auf Rad- und Kfz-Fahrende einzuwirken.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir von Bündnis 90/Die Grünen haben uns bereits im Koalitionsvertrag für klare Aussagen zur planvollen und zielstrebigen Verbesserung des Radverkehrs in Thüringen eingesetzt. Unser gemeinsamer Antrag mit den Fraktionen der SPD und Die Linke wird hier einen ersten Impuls setzen. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kobelt, vielen Dank. Das Wort hat nun Abgeordneter Malsch für die CDU-Fraktion.

Werter Herr Präsident, liebe Abgeordnetenkollegen, lassen Sie mich vorwegnehmen, die CDU-Fraktion hat nichts gegen den Radverkehr, noch nie gehabt und auch in Zukunft nicht.

(Beifall CDU)

Aber was hier als rot-rot-grüner Wunschzettel an den Weihnachtsmann aufgeschrieben steht, kann so nicht unsere Zustimmung finden.

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Die CDU steht nur auf Laufräder!)

Oder, Frau Lukasch, soll ich sagen „rot-rot-rot Wunschzettel“?

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Oder Großfahrräder!)

Bedenken Sie doch bitte, Sie sind jetzt in der Regierung.

(Abg. Kobelt)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das wissen wir!)

Und wenn man als regierungstragende Fraktionen Forderungen aufschreibt, die die Landesregierung umsetzen soll, sollten diese wenigstens ansatzweise realisierbar sein. Frau Keller wird sich für die Liste nach dem Motto „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.“ bestimmt bedanken.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Die Ministerin ist begeistert!)

In erster Linie aber wundert mich die SPD-Fraktion. Die müssten doch eigentlich wissen, wie es geht. Den Antrag von den Grünen vom Sommer letzten Jahres, den Sie jetzt hier wieder aufwärmen, hätten die Kollegen glatt mit abgelehnt, habe ich mir sagen lassen.

(Zwischenruf Abg. Mühlbauer, SPD: Weil wir mussten!)

Er war leider nicht mehr im Juliplenum Beratungsgegenstand. Realistischer und besser ist der Antrag aber seitdem nicht geworden.

Werte Kolleginnen und Kollegen, verhaltenes Lob haben Sie in Ihrer Antragsbegründung für die vormalige Landesregierung notiert. Ja, die Landesregierung hat den Ausbau der radtouristischen Netze vorangetrieben. Erst kürzlich sind in den Medien Vertreter von Tourismus- und Fahrradverbänden sowie des Thüringer Hotel- und Gaststättenverbands zu dem Schluss gekommen, dass der Radtourismus in Thüringen von steigender Bedeutung ist und sich das Radfahren in Thüringen wachsender Beliebtheit erfreut. Das wäre wohl kaum der Fall, wenn die Thüringer und unsere Gäste auf Schotterpisten unterwegs wären. Werte Kolleginnen und Kollegen, entsprach das radtouristische Landesnetz 2008 noch rund 2.300 Kilometern, waren es Ende 2013 bereits mehr als 2.800 Kilometer. Von 2004 bis 2013 wurde der Bau von insgesamt 326 Kilometern touristischen Radwegen mit Zuwendungen von rund 38 Millionen Euro gefördert. Für den Bau von Radwegen an Bundes- und Landesstraßen wurden in den vergangenen zehn Jahren über 47 Millionen Euro ausgegeben. Hinzu kommen rund 3 Millionen Euro für die Förderung von Radwegen an kommunalen Straßen. Insgesamt wurden in den vergangenen zehn Jahren in den Bau sowie in die Förderung von Radwegen gut 88 Millionen Euro investiert. Dabei lag der Förderschwerpunkt unter anderem auf der Erhöhung der Verkehrssicherheit und der Bildung durchgebundener Wege. Der von Ihnen angeführte Aspekt in der Begründung Ihres Antrags, dass es ein Mangel sei, in den letzten 120 Jahren nur 301 Kilometer Radwege an Bundesstraßen errichtet zu haben, hinkt deutlich. Herr Kobelt, das erste Automobil war zwar schon neun Jahre zuvor entwickelt worden, aber an

Bundesstraßen und Radwege hat damals noch keiner einen Gedanken verschwendet.

(Beifall CDU)

Laut Thüringer Tourismus GmbH liegt Thüringen aktuell auf Platz 7 der beliebtesten deutschen Radregionen. Der Ilmtal- und der Rhönradweg wurden mit der Bestnote des ADFC ausgezeichnet. Meine Fraktion ist der Überzeugung, dass sich Thüringen mit dieser Bilanz im bundesweiten Vergleich sehen lassen kann.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich habe also gar nichts dagegen, wenn Sie dort weitermachen, wo die alte Landesregierung aufgehört hat. Investieren Sie weiter in eine bessere Radinfrastruktur, bauen Sie Radwege; das ist es, was den Radverkehr voranbringt.

(Beifall CDU)

Aber tun Sie mir und uns allen einen Gefallen: Lassen Sie die ganzen Laberrunden weg, die sich durch Ihren Antrag durchziehen. Wir brauchen keine Öffentlichkeitsarbeit zur Verbesserung des Verkehrsklimas zwischen den unterschiedlichen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Doch, brauchen wir!)

Wir brauchen keine Aufklärungskampagne zu Verhaltensregeln für Rad- und Kfz-Fahrende. Wir brauchen Radwege. Dazu braucht es keine Radverkehrskonferenz, nötig ist Handeln statt Quatschen.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Beifall CDU, AfD)

Sie müssen auch nicht Scharen von Experten bemühen, um strategische Rahmenbedingungen abzustecken,