Protocol of the Session on May 9, 2019

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner hat Abgeordneter Henke, Fraktion der AfD, das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Werte Abgeordnete, werte Gäste, zu dem vorliegenden Gesetzentwurf möchte ich zunächst einmal festhalten, dass es grundsätzlich zu begrüßen ist, dass nun endlich auch im Freistaat Thüringen das Personalvertretungsgesetz novelliert und damit an die aktuelle Rechtsprechung sowie die bereits fortgeschriebenen Personalvertretungsgesetze anderer Bundesländer angepasst wird. Auch die mit dieser Gesetzesnovelle bezweckten Erweiterungen und Stärkungen der Rechte der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes im Freistaat Thüringen finden grundsätzlich unseren Zuspruch.

Nach unserem Dafürhalten sind dabei vor allem die Erweiterungen im Bereich der Wahlberechtigung nach § 13, die Verlängerung der Amtszeit der Personalvertretungen nach § 26 auf insgesamt fünf Jahre sowie die Klarstellung, dass zukünftig alle Personalversammlungen während der Arbeitszeit abgehalten werden, positiv hervorzuheben.

Neben diesen positiven Ansätzen enthält dieser Gesetzentwurf gleichzeitig jedoch auch eine erhebliche Anzahl von Schwächen, von denen ich jetzt zwei exemplarisch etwas näher beleuchten werde. Zunächst wäre da die nach § 68a des Gesetzentwurfs beabsichtigte Neueinführung eines Wirtschaftsausschusses zu nennen. Die Einführung eines solchen Gremiums neben dem Personalrat ist nach unserem Dafürhalten überflüssig, da durch § 68 des aktuellen Thüringer Personalvertretungsgesetzes bereits hinreichend gewährleistet ist, dass der Personalrat auch über die wirtschaftlichen Sachverhalte in einem erforderlichen Maße unterrichtet wird. Gegen die Schaffung eines solchen Gremiums spricht darüber hinaus auch der Umstand, dass hierdurch wieder unnötigerweise weiteres Personal und damit Arbeitszeit gebunden werden.

(Beifall AfD)

Wie sich aus § 68a Abs. 4 des Gesetzentwurfs ergibt, sind die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses mit den Mitgliedern des Personalrats nicht identisch, sodass es für die Arbeitgeber zukünftig notwendig sein wird, die entsprechenden Sachverhalte nicht nur mit den Personalratsmitgliedern, sondern

(Abg. Lehmann)

zudem mit den Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses zu erörtern. Nach unserem Dafürhalten sollte daher die Regelung des § 68a zur Einführung des Wirtschaftsausschusses komplett aus dem Gesetzentwurf gestrichen werden.

(Beifall AfD)

Des Weiteren möchte ich auf die geplante Einführung der sogenannten Allzuständigkeit des Personalrats zu sprechen kommen. Hierdurch wird dem Personalrat zukünftig bei allen sozialen, organisatorischen und innerdienstlichen Maßnahmen der Dienststelle ein Mitbestimmungsrecht eingeräumt. Da in dem Gesetz nicht definiert ist, um welche Vorgänge es sich hierbei im Detail handelt, wird der Dienststellenleiter zukünftig bei jeder Maßnahme gezwungen sein, Überlegungen anzustellen, ob eine Beteiligung des Personalrats notwendig ist. Bereits jetzt ist absehbar, dass diese Erweiterung der Mitbestimmungsregelung zu einer Vielzahl von umfangreichen und langwierigen Beteiligungsverfahren sowie zu einer erhöhten Anzahl von Verfahren der Einigungsstelle führen wird. Im Ergebnis wird dies zu einem erheblichen personellen sowie finanziellen Verwaltungsmehraufwand führen, durch welchen ein effizientes und zeitnahes Verwaltungshandeln erschwert, wenn nicht sogar unmöglich wird.

(Zwischenruf Abg. Kräuter, DIE LINKE: Falsch!)

Darüber hinaus ist zu erwähnen, dass ein solcher Aufgabenzuwachs für die kommunalen Träger gemäß § 23 Abs. 5 des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes zwingend eine gesetzliche Regelung erfordert, durch welche ein Mehrbelastungsausgleich in Höhe der zu erwartenden Kosten erfolgt.

(Zwischenruf Abg. Kräuter, DIE LINKE: Auch falsch!)

Eine solche Kostenerstattungsregelung fehlt jedoch in dem hier vorliegenden Gesetzentwurf ebenso wie eine hinreichend konkrete Kostenprognose. Stattdessen wird im Entwurf hinsichtlich der zu erwartenden Erhöhung des Verwaltungsaufwands aufgrund der erweiterten Beteiligungsverfahren nur die pauschale Behauptung erhoben, dass durch die Zulassung von Arbeitsgruppen sowie durch eine verbesserte Zusammenarbeit Synergien entstehen werden, die zu Einsparungseffekten führen könnten.

(Zwischenruf Abg. Kräuter, DIE LINKE: Das ist richtig!)

Aus meiner Sicht ist es schlicht und ergreifend unverantwortlich, dass hier suggeriert wird, ein bereits absehbarer erheblicher Aufgabenzuwachs könnte durch eine angeblich verbesserte Zusammenarbeit,

die noch nicht einmal in konkreten Zahlen angesetzt wird, ausgeglichen werden.

Ich möchte somit abschließend festhalten, dass wir als AfD-Fraktion die eingangs erwähnten sinnvollen Verbesserungen des Personalvertretungsgesetzes durch diese Gesetzesnovelle befürworten, jedoch aufgrund der aufgezeigten erheblichen Defizite und des zu erwartenden kompensationslosen Verwaltungsmehraufwands dieses Gesetzentwurfs unsere Zustimmung nicht geben können, sondern uns enthalten werden. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Als nächster Redner hat Abgeordneter Adams, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Gäste hier im Thüringer Landtag, wir erhalten mit diesem Personalvertretungsgesetz ein modernes Personalvertretungsgesetz. Das ist der wichtigste Schritt, meine sehr verehrten Damen und Herren, der heute hier gegangen wird.

(Beifall DIE LINKE)

Der Vorschlag unserer Landesregierung war schon gut, ging uns aber nicht weit genug. Das zeigten auch die Stellungnahmen der verschiedenen Gewerkschaften und Personalvertretungen. Deshalb haben wir nach der Anhörung umfangreiche Änderungen vorgenommen. Jetzt, ein Jahr nach der ersten Lesung können wir das Gesetz verabschieden. Das ist ein guter Tag für viele Beschäftigte hier im Land.

(Beifall DIE LINKE)

Rund 100.000 Beschäftigte bekommen mit diesem Gesetz mehr Mitbestimmung und eine bessere Vertretungsregelung.

Das ist auch ein Tag, an dem man all unseren Mitarbeitern in der Verwaltung des Freistaats Thüringen und in Stiftungen und Universitäten und in den Kommunen einmal ein herzliches Dankeschön für die geleistete Arbeit sagen darf und sagen muss.

Wir haben uns mit diesem Gesetz stark an Schleswig-Holstein orientiert, vor allem, indem wir die Mitbestimmung der Personalräte in allen personellen, sozialen, organisatorischen und innerdienstlichen Maßnahmen der Dienststelle eingeführt haben. Das ist der wirklich revolutionäre Schritt, das ist das Besondere, das Neue an diesem Gesetz und das kann man nicht oft genug betonen.

(Abg. Henke)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist ein großer Fortschritt und war auch eine Kernforderung der Personalräte und Gewerkschaften. Für uns heißt das insbesondere, dass der Personalrat nun umfassend und fortlaufend in all diese Maßnahmen einbezogen wird, auch wenn es nach Maßgabe der §§ 69 und 78 geschieht. Dabei haben wir unter anderem den Mitbestimmungskatalog des § 73, der vorher abschließend war, beibehalten, nun aber umformuliert. Durch das Wort „insbesondere“ zeigt er, dass dies die Beispiele sind und macht deutlich, was damit gemeint ist.

Weiterhin war uns noch wichtig, die Freistellungsregelung auszuweiten und eine gute Regelung für Assistenten an der Hochschule in § 88 zu treffen – dazu wird aber meine Kollegin Madeleine Henfling noch etwas sagen. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei ein Punkt aus der Anhörung noch deutlich gemacht: In § 73 Abs. 4 steht, dass die Personalvertretung der aufnehmenden Dienststelle zu beteiligen ist. Selbstverständlich ist natürlich auch die Personalvertretung der abgebenden Dienststelle zu beteiligen. Das war vorher auch schon klar, sollte an dieser Stelle aber noch mal deutlich gemacht werden, auch wenn das dort nicht explizit steht.

Das vorliegende Gesetz ist natürlich nicht der Weisheit letzter Schluss, obwohl es ein großer Fortschritt für die Beschäftigten – fast 100.000 – in Thüringen ist. Wir werden sehen, wie sich diese Regelungen in den nächsten Jahren in der Praxis darstellen und dann werden wir sicherlich das Gesetz weiterhin anpassen können. Dies ist ein guter Tag für Mitbestimmung in der Thüringer Verwaltung und wir sind froh, dass wir diesen langen Weg so gemeinsam miteinander gegangen sind. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion Die Linke hat sich Abgeordneter Kräuter zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne hier im Thüringer Landtag, willkommen am Livestream! Die rot-rotgrüne Landesregierung und die Abgeordnetenkolleginnen und ‑kollegen der Regierungskoalition verändern mit dem Thüringer Gesetz zur Anpassung personalvertretungsrechtlicher Vorschriften die Mitbestimmungsrechte für die Beschäftigtenvertretun

gen in Thüringen nicht nur nachhaltig, es ist ein Quantensprung in personalvertretungsrechtlichen Angelegenheiten. Es ist Ausdruck einer modernen Personalführung und zeigt die Wertschätzung gegenüber den Beschäftigten.

Der Gesetzentwurf und der Änderungsantrag machen deutlich, dass die Landesregierung und die Regierungskoalition aktiv an der Attraktivität des öffentlichen Dienstes, die mit moderner Mitbestimmung einhergeht, arbeitet. Ich bin stolz, heute dazu für die Fraktion Die Linke im Thüringer Landtag zu Ihnen sprechen zu dürfen, und ich begrüße sehr herzlich die Vertreter der Gewerkschaften, der Verbände, des Personalrats. Stellvertretend möchte ich Julia Langhammer vom DGB, Frank Schönborn vom tbb und am Livestream Inken Franke, die in der Stadtverwaltung Jena den Personalratssitz führt, willkommen heißen. Seien Sie alle herzlich willkommen!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist ein großartiger Tag für den öffentlichen Dienst in Thüringen, es ist ein großartiger Tag für die rot-rot-grüne Landesregierung und die Regierungskoalition! Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf und dem von der Regierungskoalition in einem langen, intensiven Aushandlungsprozess vorgelegten Änderungsantrag hat die Koalition mehr umgesetzt, als im Koalitionsvertrag vereinbart war. Des Weiteren werden durch die Öffnung der Zuständigkeit im Rahmen des Initiativrechts bei Dienstvereinbarungen und bei den Anhörungen die Rechte des jeweiligen Personalrats auf das Niveau der Mitbestimmung gehoben und damit insgesamt gestärkt.

Ich grüße auch sehr herzlich die Vertreter der kommunalen Arbeitgeberseite. Sie hatten im Gesetzgebungsverfahren Ihre Bedenken und Ihre Ablehnung gegenüber dem Gesetz zum Ausdruck gebracht, die wir in unseren Abwägungsprozess intensiv einbezogen haben. Ich bringe aber auch unseren Dank gegenüber der Landesregierung zum Ausdruck. Unter Führung unseres Ministerpräsidenten wurde letztlich ein Gesetzentwurf für den Landtag eingebracht, der schon in dieser Phase von den Gewerkschaften, Verbänden und Personalräten in weiten Teilen getragen und begrüßt wurde.

(Beifall DIE LINKE)

Wer von Ihnen kann sich noch an den 30.09.2009 erinnern?

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Ich!)

Sehr gut! Ich kann mich sehr gut daran erinnern. Ich habe Kenntnis genommen, dass die Fraktion

(Abg. Adams)

Die Linke im Thüringer Landtag in Drucksache 5/26 das Dritte Gesetz zur Änderung des Thüringer Personalvertretungsgesetzes vorgelegt hat. Warum hat das die damalige Fraktion meiner Partei getan? Wo waren die Ziele? Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat durch Beschluss vom 24. Mai 1995 in einem Verfahren der abstrakten Normenkontrolle, welche durch 282 Abgeordnete des Deutschen Bundestags gemäß Artikel 93 Abs. 1 Nr. 2 Grundgesetz beantragt wurde, über die Verfassungsmäßigkeit des Mitbestimmungsgesetzes Schleswig-Holstein vom 11. Dezember 1990 entschieden. Diese Entscheidung definiert eine Schranke für die bundesverfassungsrechtlich zulässigen Mitbestimmungen der Personalvertretungen in innerdienstlichen, sozialen und personellen Angelegenheiten der Beschäftigten, stellt also eine Obergrenze für Beteiligungsrechte dar.

Am 7. März 2001 reichte die Thüringer Landesregierung ein Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Personalvertretungsgesetzes in den Landtag ein. Damit wurden die Mitbestimmungsrechte in Thüringen deutlich verschlimmbessert. Zum Themenbereich der Beteiligung der Beschäftigten und ihrer Personalvertretungen äußerte sich eine CDULandesregierung in der Vergangenheit wie folgt: „Für die Personalvertretungen der Geschäftsbereiche ist bei der Modernisierung der Behördenstruktur eine aktive Rolle vorgesehen. Für die Auflistung von Behörden bedeutet dies, dass die Personalvertretungen einbezogen werden, auch wenn dies in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht obligatorisch ist. Gleichzeitig sind die Frauenbeauftragten und Schwerbehindertenvertretungen in den Reformprozess zu integrieren. Unabhängig hiervon sind die genannten Gremien bei den personellen Einzelmaßnahmen zu beteiligen“.

Die CDU-Landesregierung räumte hier bereits ein, dass die gesetzliche Ausgestaltung der Mitbestimmung durch das gegenwärtige Personalvertretungsgesetz nicht dazu führt, dass in jedem Fall die Personalvertretungen zu beteiligen sind. Gleichwohl hält sie eine darüber hinausgehende rechtlich nicht abgesicherte Beteiligung für notwendig. Eine derartige Beteiligung hat ausschließlich informellen Charakter. Aus ihr entspringt weder eine Pflicht zur Information der Beteiligten, der Personalvertretung durch die Dienststelle noch verbindlich ausgestaltete Mitwirkungsmöglichen im Entscheidungsprozess.

Die Erfahrung im Rahmen der bisher erfolgten Umstrukturierungen in den einzelnen Ressorts der Landesregierung im Jahre 2009 und die konkrete Rechtsanwendung bis heute machten die heute zur Entscheidung vorliegende Änderung des Thüringer

Personalvertretungsrechts erforderlich. Bereits vor zehn Jahren hat die damalige Fraktion Die Linke im Thüringer Landtag dafür folgende Lösungsansätze generiert: Festschreibung einer gleichberechtigten Zusammenarbeit zwischen Dienststelle und Personalvertretung, Stärkung der Personalvertretung durch verbindliche und konkrete Regelungen im Mitbestimmungsverfahren, Neugestaltung der Beteiligungstatbestände, Streichung des Verfahrens zur Mitwirkung, Unterrichtung und Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheit entsprechend dem Betriebsverfassungsgesetz, Neugestaltung der Größe der Personalvertretungen sowie der Anzahl der Freistellungen, weitestgehende Reduzierung der eingeschränkten Sondervorschriften.