Protocol of the Session on March 29, 2019

Herr Hartung, Ihre zwei wesentlichen Argumente lauten: kein Bedarf und wirtschaftlicher Wahnsinn. Da gehen wir das mal durch. Fangen wir mal mit „kein Bedarf“ an. Wir haben eine Kleine Anfrage, und zwar eine, die von meiner Wenigkeit gestellt worden ist, und darauf haben wir auch eine Antwort vorliegen. Ich sage Ihnen mal die Zahlen für versuchte Abschiebung und Rückführung aus Thüringen. Das waren im Jahr 2018 1.733 Fälle Versuch einer Abschiebung und vollzogen wurden im Jahr 2018

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Hört! Hört!)

nur 665 Fälle. Das sind also ungefähr 38 Prozent und Sie merken schon, selbst für Schlechtrechner, da liegt ein Delta von 1.000 abgebrochenen Abschiebungen dazwischen.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Ziemlicher Blödsinn!)

Ich würde Sie am Ende meiner Redezeit dann gleich drannehmen mit Ihrer Frage.

Also wenn Sie mehr als 1.000 Fälle haben, wo die Abschiebung scheitert, dann sollte doch der Bedarf klar sein, warum es provisorische Abschiebeplätze benötigt, und zwar in moderater Höhe von 100. Denn all das sind Fälle nicht vollzogenen Ausländerrechts.

Jetzt kommen wir zu Ihrem zweiten Argument: wirtschaftlicher Wahnsinn. Wissen Sie, was wirtschaftlicher Wahnsinn ist? Dass wir Leute, die unanfechtbar abgelehnt worden sind, deren Asylantrag sozusagen unanfechtbar

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das heißt Ausreisepflicht!)

abgelehnt worden ist, die ausreisepflichtig sind, dass wir die weiter auf Kosten des Steuerzahlers versorgen, unterbringen, gesundheitlich betreuen, beschulen, sogar Integrationsmaßnahmen durchführen. Das ist wirtschaftlicher Wahnsinn, aber dieser wirtschaftliche Wahnsinn,

(Beifall AfD)

der wird von Ihrer rot-rot-grünen Koalition mitgetragen und mitverursacht, nicht von uns – wir wollen ihn beenden.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Wirt- schaftlicher Wahnsinn ist es, die AfD durch- zufüttern!)

Denn Sie müssen sich nur mal ausrechnen, was ein Ausländer kostet, der auf Kosten des Sozialsystems hier untergebracht, versorgt wird, dann in der Regel auch noch zu erhöhten Standards, weil viele Städte in Thüringen ja Rot-Rot-Grün dominiert sind und dadurch dann auch für die Einzelunterbringung votieren, die noch mal ein Stückchen teurer ist. Da kommen Sie locker auf Werte jenseits der 2.000 Euro im Monat. Und all das bezahlen nicht Sie, das bezahlt nicht der Herr Ramelow, auch nicht der Herr Hoff, sondern das bezahlt der Steuerzahler,

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Na und Sie zahlen wohl keine Steuern, Herr Möller?)

aber dessen Geld scheint Sie irgendwie überhaupt nicht zu interessieren. Ich bin mir sicher, der Steuerzahler wäre gern bereit für eine Absenkung der Steuerlast oder auch nur für eine vernünftige Verwendung der Steuergelder, nämlich für eigene Interessen, für die Schulen beispielsweise, für die Kindergärten usw. usf. Da wäre der gern bereit, auch mal eine provisorische Abschiebehaftanstalt für 100 Haftplätze zu finanzieren, wenn er damit auf Jahre hinaus nicht für den sozialen Unterhalt von solchen abzuschiebenden Menschen aufkommen muss. Damit ist Ihr zweites Argument eigentlich auch schon entzaubert.

Jetzt stehe ich gern für Ihre Fragen zur Verfügung. Weitere Argumente kenne ich ja noch nicht.

Herr Möller, zwei Argumente, zwei Nachfragen. Erstens: Können Sie mir sagen, bei wie vielen dieser 1.000 gescheiterten Abschiebungen tatsächlich Abschiebehaft angeordnet wurde und nicht vollzogen werden konnte? Das ist die erste Frage.

Wenn ich die zweite gleich hinterherschieben darf: Sie haben gesagt, das kostet etwa 2.000 Euro, wenn der Asylbewerber nicht abgeschoben wird und hierbleibt. Ich habe mal kurz mitgeschrieben und gerechnet. Die Haftplätze in München am Flughafen kosten pro abgeschobenem Asylbewerber 8.000 Euro im Monat. Was von beidem ist mehr? Das können Sie mir kurz beantworten.

Erst mal ein kleiner Tipp, mein lieber Herr Dr. Hartung: Ich möchte die Abschiebeplätze nicht im teuren München einrichten, sondern dann eher irgendwo in der Nähe des Flughafens Erfurt,

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das geht nicht nach dem Mietspiegel! Das ist Ihnen schon klar?!)

da ist der Platz wesentlich günstiger, das verspreche ich Ihnen in die Hand hinein. So, das ist vielleicht das Erste.

Die zweite Frage zum Bedarf bei Abschiebehaftplätzen: Da kann ich auf die Auskunft der Landesregierung verweisen. Die lautet im Zusammenhang mit diesem Thema: Eine statistische Erfassung im Sinne der Fragestellung liegt nicht vor. Warum liegt die wohl nicht vor?

(Zwischenruf Abg. Dr. Hartung, SPD: Weil es Einzelfälle sind!)

Ich sage Ihnen eines: Weil die Antworten, die dadurch gewonnen werden würden, dass man diese Sachen statistisch erhebt, unglaublich unangenehm wären. Die wären auch nicht gut verwertbar für die politische Agenda von Rot-Rot-Grün, weil sie eben den Bedarf von Abschiebeplätzen plötzlich erkennbar machen würden.

(Beifall AfD)

Genau deswegen werden solche Werte nicht erfasst. Das ist leider die Realität, Herr Dr. Hartung.

Als nächstem Redner erteile ich Abgeordnetem Herrgott von der CDU-Fraktion das Wort.

(Abg. Möller)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Abschiebehaft ist ein wesentlicher Bestandteil des Ausreiseprozesses für diejenigen, die nicht freiwillig ausreisen wollen und alle anderen Fristen versäumt haben oder sich dem aktiv widersetzen. Der Antrag der AfD führt allerdings hier am Thema deutlich vorbei, meine Damen und Herren. Man würde nicht von Irrsinn und von übersteigerten Kosten reden.

Aber bei dem, was Sie gerade ausgeführt haben, haben Sie gesagt, der Bund hat hier gar nichts getan, das ist alles ganz schlimm. Das stimmt nicht. Ein Blick in die derzeitige parlamentarische Praxis und ins Bundesministerium des Innern würde dazu führen, dass Sie das zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht hätten anschauen können, das sogenannte Geordnete-Rückkehr-Gesetz. Dort will der Bundesinnenminister berechtigterweise einen sehr praktikablen und auch finanziell deutlich zielführenden Weg gehen, als es der AfDVorschlag hier vorschlägt, nämlich leer stehende Haftplätze für einen Zeitraum des Übergangs, bis derzeit im Bau befindliche Abschiebehaftanstalten neue Plätze vorweisen, auch normale Haftplätze in Abschiebehaftplätze umzuwidmen. Das können wir auch hier in Thüringen tun. Und wenn dieses Gesetz den Bundestag passiert hat, kann ich dem Thüringer Justizministerium nur anraten, davon Gebrauch zu machen, um eine geordnete Rückkehr auch hier besser umzusetzen.

Die AfD-Vorschläge sind an der Stelle völlig an der Sache vorbei sowohl kostentechnisch wie auch inhaltlich, meine Damen und Herren. Deswegen werden wir diesen Antrag ablehnen.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Als nächste Rednerin erhält Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich fürchte ja, dass Herr Möller gleich noch mal was sagen wird. Für mich ist es einmal mehr ein Beleg, diesen Antrag jetzt beraten zu müssen/zu dürfen, dass die AfD ganz offenkundig kein Plenum erträgt, in dem sie nicht ganz offensichtlich gegen Geflüchtete hetzen kann.

Ich will durchaus etwas zu dem Kostenargument sagen, weil ich der Meinung bin, dass man nicht immer alles nur rechnen kann, und weil mich diese Argumentation, etwas rechnet sich oder rechnet sich nicht, ganz besonders stark stört, wenn wir über Menschen reden und wenn wir über den Umgang mit Menschen reden.

(Beifall DIE LINKE)

Ich lebe heute in einer Demokratie und bin dafür sehr dankbar, denn ich habe andere Zeiten erlebt. Eine Demokratie verlangt mir beispielsweise ab, dass sehr viel Geld auch an eine Partei wie die AfD im Moment fließt. Das tut mir in der Seele weh, aber in einer Demokratie muss ich das aushalten. Das ist auch der Wert einer Demokratie, dass eine zugelassene Partei die entsprechende Parteienfinanzierung erhält. Das gilt für alle Parteien, solange sie zugelassen sind. Das ist Demokratie. Und Sie von der AfD, das ist die Sache, stellen derartige Anträge.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Zur Sache, Frau Kollegin!)

Ich habe ja erst überlegt, ob es eine neue Rettungsoption für den Erfurter Flughafen werden soll. Neulich haben Sie vorgeschlagen, ihn zum Militärflughafen zu machen. Jetzt soll es der Abschiebeflughafen werden. Ich meine, man könnte auch mal über sinnvolle Nachnutzungsmöglichkeiten für den Erfurter Flughafen nachdenken: Der ist sehr gut angebunden, die Straßenbahn hält direkt davor, wir brauchen Wohngebiete für Erfurt. Man könnte dort ein ökologisch sinnvolles Wohngebiet zum Beispiel bauen – nur ein Vorschlag.

Jetzt aber tatsächlich noch mal konkret zur Ihrem Antrag: Wir lehnen diesen selbstverständlich ab, weil es Ihnen ganz offenkundig nur darum geht, Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, so schnell wie möglich wieder loszuwerden, das heißt bei Ihnen, abzuschieben.

(Unruhe AfD)

Ja genau, das ist Ihr Ansatz, aber das ist nicht unser Ansatz.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diesmal sind die vermeintlich fehlenden Plätze für Abschiebehaft schuld. Es ist allerdings falsch zu suggerieren, dass es in Thüringen keine Abschiebehaft gebe. Allein 2018 wurden nämlich 25 Menschen aus Thüringen in Abschiebehaft genommen. Die Fallzahl ist in der Tat klein. Thüringen braucht keine eigene Abschiebehafteinrichtung – das haben die Kollegen schon ausgeführt –, weil es mit anderen Bundesländern kooperiert. Nach § 62

Abs. 1 Aufenthaltsgesetz ist Abschiebungshaft zudem unzulässig – hören Sie mir gut zu! –, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes ebenfalls ausreichendes anderes Mittel erreicht werden kann.

Abschiebungshaft ist also nur eine Ultima Ratio, für Sie übersetzt: das allerletzte Mittel. Außerdem gibt es genügend Alternativen zur Abschiebungshaft wie zum Beispiel den Passentzug, Meldeauflagen, Bürgschafts- oder Kautionszahlungen oder aber auch die Übergabe in den Verantwortungsbereich von Vertrauenspersonen. Menschen, die in Abschiebehaft genommen werden sollen, sind übrigens auch keine Schwerkriminellen. Sie haben meist nur, wenn überhaupt, gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen. Auch das ist eine Sondergesetzgebung, die man sich immer mal wieder vor Augen führen muss. Es ist aber offenkundig Anlass für Sie, einmal mehr Stimmung zu machen. Sie wollen ganz offenkundig der Bevölkerung suggerieren, da gibt es eine Unsicherheit, die Sie quasi jetzt bekämpfen oder der Sie begegnen möchten.

Nur noch mal ganz kurz zu den Zahlen: In Thüringen leben derzeit etwa 3.500 ausreisepflichtige Menschen. Ein Großteil davon sind Kinder und Jugendliche. 3.000 Menschen haben eine Duldung. Deren Abschiebung ist also vorübergehend ausgesetzt, das heißt, sie besitzen eine Duldung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen. Wir setzen weiter auf den Vorrang der freiwilligen Ausreise, das unterscheidet uns auch wohltuend von Ihnen. Sie können auch auf die Beatmung verzichten, die möchte ich von Ihnen ganz sicher nicht. Und ich sage Ihnen: Provisorische Haftanstalten oder Lager in Containern oder Ähnlichem, wie sie Ihnen vorschweben, wird es mit uns in Thüringen definitiv nicht und hoffentlich niemals geben. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Als nächste Rednerin erhält Frau Berninger, Fraktion Die Linke, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist zu diesem schäbigen Antrag der rechtspopulistischen Fraktion schon fast alles gesagt worden, aber ich will noch mal auf das eigentliche Ziel dieses Antrags zurückkommen. Die rechtspopulistische Fraktion weiß ja genau, dass dieser Antrag hier im Hohen Haus keine Mehrheit findet. Ich bin sehr froh darüber, dass auch der Ab