Protocol of the Session on March 27, 2019

Das zweite Programm heißt: „bewegte Kinder = gesündere Kinder“. Das ist ein Programm, das wir gemeinsam mit dem Landessportbund umgesetzt haben. Hier wird der aktuelle Stand der motorischen Fähigkeiten von Drittklässlern in Thüringen erfasst und es werden gemeinsam mit den Kindern und mit den Eltern Wege erarbeitet, wie mehr Bewegung, wie mehr gesunde Lebensweise hier erreicht werden kann. Die Kinder und die Eltern werden dort abgeholt, wo sie wohnen.

Als Drittes: Die Landesgesundheitskonferenz hat genau in diesem Jahr das Thema „Gesundheitskompetenz“ als ein gemeinsames Thema als Jahresthema festgelegt. Und auch das kommt in der DAK-Studie ja vor, dass gesagt wird, dass vielleicht die gesundheitlichen Unterschiede unter anderem darauf zurückzuführen sind, dass eben die Gesundheitskompetenz der Eltern nicht ausreichend ist, wie übrigens 50 Prozent der Menschen in Deutschland insgesamt sagen, dass sie den Eindruck haben, nicht gesundheitskompetent zu sein. Deswegen ist das unser Jahresthema und wir arbeiten als verschiedene Akteure gemeinsam daran.

Natürlich gibt es weitere Dinge. Unser Landesprogramm „Solidarisches Zusammenleben der Gene

rationen“ wird dazu beitragen, Eltern in ihrem Umfeld abzuholen und bessere Voraussetzungen zu schaffen. Wir haben flächendeckend in Thüringen inzwischen ThEKiZ, also Kindertagesstätten, Kindergärten zu Thüringer Eltern-Kind-Zentren umgebaut, erweitert, damit eben die Eltern als Experten, ihre Kinder hier gestärkt werden. Wir haben das Thema „ThINKA“ ausgeweitet und wir haben Armutspräventionsstrategien in den Landkreisen und in den Städten auf den Weg gebracht oder die werden durch die Kommunen auf den Weg gebracht, um genau aus dieser Falle herauszukommen, dass der Status der Eltern Einfluss auf den Gesundheitsstatus der Kinder hat.

Es sind noch viele andere Dinge angesprochen, wo man gern mal auch in Ruhe ins Gespräch kommen will.

Zum Schluss noch zum Thema „Impfen“: Ja, es gibt verschiedenen Meinungen dazu und Sie werden vielleicht auch heute früh gehört haben, der Ethikrat hat sich mit dem Thema „Impfen“ auseinandergesetzt. Zumindest vom Ethikrat wird die Empfehlung kommen, das Thema „Impfpflicht“ sehr vorsichtig anzuschauen. Ich weiß, es gibt ganz viele verschiedenen Meinungen dazu. Aber von wissenschaftlicher Basis besteht eben die Angst, dass Impfgegner auf jeden Fall einen Weg finden, um das Impfen zu vermeiden, und dass diejenigen, die vielleicht unentschlossen sind, dann unsicher werden können und vielleicht nur die eine Impfung wahrnehmen und denen gar nicht klar ist, dass mehr Impfungen notwendig sind. Deswegen sollten wir darüber gut miteinander diskutieren und nicht hier einfach mal am Rande einer Aktuellen Stunde so ein Thema aufwerfen, das viel zu schwierig ist, um es hier am Rande zu behandeln. Vielleicht noch einmal der Hinweis, wir haben ja neu ein Impfportal eingerichtet, wo wir tatsächlich die Eltern informieren, wo die Menschen informiert werden und sich informieren können, welche Impfungen sinnvoll und notwendig sind, wo auf die vielen Fehlinformationen, die es in der Umwelt gibt, auch eingegangen wird, wo man Fragen stellen kann. Das, denke ich, ist der richtige Weg, hier auch entsprechend zu informieren.

Ich habe länger gesprochen als 10 Minuten, das sage ich hier schon, aber mir ist es wirklich wichtig, dass Sie sehen, dass hier eine ganze Menge läuft. Es wird nichts nützen, wenn Sie dagegen arbeiten oder vielleicht die Augen davor verschließen. Dass die Kindergesundheit abhängig ist vom sozioökonomischen Status der Eltern, das ist eine wirkliche, ja, Schweinerei, kann man hier an der Stelle sagen. Hier muss man gemeinsam daran arbeiten und da

(Ministerin Werner)

müssen alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für alle Fraktionen ergeben sich jetzt wieder 2 Minuten zusätzliche Redezeit. Herr Abgeordneter Zippel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Schnittstellen, Arbeitsgruppen, Studien, Projekte, Erarbeitung zielgruppenspezifischer Maßnahmen – Frau Ministerin, das klingt alles sehr salbungsvoll und eines nehme ich Ihnen tatsächlich auch ab, Ihre Begeisterung für das Thema und Ihr Engagement. Das nehme ich Ihnen wirklich ab. Aber ich habe selten in einer einzigen Rede so viel Theorie ohne eine einzige praktische Maßnahme auf einmal gehört.

(Beifall CDU, AfD)

(Zwischenruf Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie: Ich habe mindestens zwei genannt!)

Die Frage, die Sie sich gefallen lassen müssen: Wo sind die Ergebnisse?

Wir haben heute die Studie lang und breit diskutiert und ich bin nochmals der SPD dankbar, dass sie diese Aktuelle Stunde eingereicht hat. Aber was Sie sich gefallen lassen müssen als Nachfrage: Wo sind die konkreten Ergebnisse von all diesen Diskussionsrunden, die Sie veranstalten, die seit viereinhalb Jahren über das Land hinwegziehen? Dort wird an der Ecke geredet, an der Ecke geredet, aber hier im Landtag kriegen wir nichts davon mit, außer dass die Kinder im Freistaat kränker werden, dass die Kinder eben nicht gesünder werden. Wir haben diese Studie, wir haben die harten Fakten, und das ist das, woran Sie sich messen lassen müssen.

(Beifall CDU)

Das ist der Maßstab. Frau Ministerin, Sie sind an der Regierung. Ich nehme Ihnen das einfach nicht mehr ab, wenn Sie nach viereinhalb Jahren hier noch Formulierungen bringen wie „wir müssen, wir werden, wir sollten tun“. Sie hätten machen können, Sie hätten machen sollen und das haben Sie nicht gemacht und jetzt haben wir die Abrechnung mal bekommen und deswegen will ich von Ihnen Maßnahmen hören und nicht nur Theorie.

(Beifall CDU)

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Herr Abgeordneter Kubitzki, Fraktion Die Linke.

Herr Zippel, bleiben Sie mal auf dem Teppich!

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich habe im Gegensatz zu Ihnen eine Zeit erlebt in diesem Land, da herrschte die Diktatur, die wir alle nicht mehr haben wollen. Da war aber manches anders möglich zu klären. Da hat man nämlich den Eltern gesagt: Impfpflicht, Schuluntersuchungspflicht usw. Die Zeiten sind Gott sei Dank vorbei.

Was Sie hier der Ministerin vorwerfen, auch mit der Landesgesundheitskonferenz – ich habe ja nun auch das Vergnügen, Mitglied im Vorstand der AGETHUR zu sein. Dort laufen auch Programme für Kindergesundheit, an denen sich Landkreise beteiligen können und an denen sich Landkreise auch beteiligen, aber eben nicht alle Landkreise in Thüringen. Wir können sie nicht zwingen. Die Realität im Leben ist eigentlich auch: Ich kann fünfmal mit Eltern reden, die in prekären Verhältnissen leben, Frauen und Kolleginnen von mir müssen die betreuen. Wir sehen unsere Aufgabe darin, mit den Kindern zu den Ärzten zu gehen und so weiter. Aber wir können nicht in allen Familien jemanden an die Hand nehmen. Ein bisschen Eigenverantwortung müssen die Familien auch noch von sich aus als Eltern haben.

Ich will noch mal etwas zu der Frage psychisch kranker Kinder sagen. Gerade bei Eltern, die gut situiert sind, wo die Kinder erst kommen, wenn die Eltern Mitte 30 sind, erlebe ich dann manche, die wollen auf nichts verzichten, obwohl sie Kinder haben. Auf nichts wollen sie verzichten, alles mitmachen, die schleppen abends noch kleine Kinder zu Veranstaltungen oder in Gaststätten mit. Und dann wundern die sich, dass die Kinder nervös sind. Frau Rosin, da brauchen Sie gar nicht lachen, das kann man diesen Eltern in dem Sinne nicht verbieten. Eine Gaststätte kann die eigentlich rausschmeißen, aber wenn es eine geschlossene Gesellschaft ist, kann ich das nicht verbieten. Das ist doch die Realität.

Herr Abgeordneter, …

(Ministerin Werner)

Bleiben Sie doch mal ein bisschen realistisch. Es sollen auch die Verantwortung tragen, die dafür sind. Und dazu müssen wir die Eltern befähigen.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist um.

Aber wir können sie nicht diktatorisch dazu zwingen. Ja, das macht einen doch wahnsinnig hier.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Es passiert doch nichts!)

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Herr Abgeordneter Hartung, Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Kollegen, sehr geehrte Gäste! Frau Ministerin, ich hatte die Impfpflicht extra ausgeklammert, weil Sie sich heute positioniert haben und ich wollte das nicht kritisieren. Aber wenn Sie sagen, man weiß nicht, was das Richtige ist, dann muss ich Ihnen doch widersprechen. Denn es gibt eine Krankheit, die ist in Deutschland und weltweit ausgerottet worden und wir wissen, wie das funktioniert hat. Ich hab dazu promoviert, ich weiß es relativ genau. Der erste Schritt: Kein Besuch von Bildungseinrichtungen ohne Impfung. Hat nicht funktioniert. Zweiter Schritt: Generelle Impfpflicht – so weit will ich gar nicht gehen – mit notfalls polizeilicher Vorführung. Wie gesagt, so weit will ich gar nicht gehen. Aber nur die generelle Impfpflicht hat dazu geführt, dass die Pocken weltweit ausgerottet worden sind.

Und jetzt spannen wir mal den Bogen. Wir hatten eine Impfpflicht in der DDR, die will ich in dieser Form gar nicht wieder haben – darum geht es überhaupt nicht –, in dieser Form, wohlgemerkt. Aber seitdem es die nicht mehr gibt: Vormarsch von Keuchhusten, Vormarsch von Masern, Polio in Deutschland noch nicht, in anderen Ländern schon.

(Zwischenruf Abg. Kubitzki, DIE LINKE: Wer hat es denn abgeschafft, diese Impfpflicht? Denk doch mal darüber nach!)

Jörg, es geht nicht darum, wer es abgeschafft hat, es geht darum, welche Konsequenz wir heute daraus ziehen. Das heißt, wir müssen eine Impfpflicht

befürworten. Das ist die einzig logische Konsequenz. Ich bin deswegen vorgegangen, weil hier eine andere Konsequenz gezogen worden ist. Deswegen geht der Vorschlag von Herrn Spahn auch nicht weit genug. Wie gesagt, wir haben es schon mal gehabt. Nur die Impfpflicht über den Zugang zu Bildungseinrichtungen zu regeln, reicht nicht. Wir brauchen eine Impfpflicht für diese Krankheiten, die ausrottbar sind, die nachweislich ausrottbar sind. Dafür treten wir ein, dafür tritt die Sozialdemokratie ein, die Linken überwiegend auch, nicht alle, das haben wir heute Morgen gehört. Aber wir treten dafür ein. Ich hoffe, dass sie bald kommt. Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Es liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Doch – Frau Abgeordnete Herold für die Fraktion der AfD.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Es ist schön, dass jetzt gegen Abend das Auditorium sich a) wieder etwas gefüllt hat und b) wieder munter geworden ist.

Die Impfpflicht ist ein sehr zweischneidiges Schwert. Die Impfpflicht wird ja gern von Leuten ins Feld geführt, die glauben, mit staatlicher Regulierung kann man alles Mögliche regeln, unter anderem die Gesundheit der Kinder. Die kriegen dann vielleicht weniger Masern, aber die kriegen dann dafür andere Erkrankungen. Wenn es die Kinder nicht sind, dann kriegen andere Kinder andere Erkrankungen. Ich glaube persönlich, dass unterm Strich die Infektionskrankheiten nicht einfach mit einer Impfpflicht zu bekämpfen sind.

Wir in der AfD plädieren energisch dafür, den Eltern Beratung und Aufklärung zukommen zu lassen. Angesichts der Gebührenziffern, die Ärzte für eine Impfung abrechnen können – und ich weiß selbst, aus meinem eigenen Patientenkreis, wie kurz und knapp die Beratung zum Beispiel für Grippe-Impfungen gehalten wird, während sich die Patienten nach der Impfung wundern, dass sie eine, zwei Wochen außer Gefecht sind und krank mit Fieber daliegen – wie wenig Aufklärung und Beratung es also gibt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Patienten, die ausführlich und mit hohen ärztlichen Standards aufgeklärt und beraten werden, sich einer sinnvollen und vernünftigen Impfung für sich oder ihre Kinder verweigern würden. Mit Zwang und staatlichem Druck erreichen wir da eher das Gegenteil. Wir erreichen nur, dass es immer mehr Eltern geben wird, die genau aus diesen Gründen – weil sie keinen

Zwang und keinen staatlichen Druck wollen – versuchen werden, sich der Impfpflicht zu entziehen.

(Beifall AfD)

Darum werden wir auch immer gegen eine staatliche Pflicht an dieser Stelle votieren. Vielen Dank.

Es gibt eine weitere Wortmeldung, Herr Abgeordneter Dr. Hartung.

Frau Herold, mit Verlaub, Sie sagen, es gibt nicht weniger Infektionskrankheiten mit einer Impfpflicht. Es gibt keine Pocken mehr. Das heißt, es gibt weniger Infektionskrankheiten. Die Durchseuchung in der Bevölkerung war damals 100 Prozent bei einer Sterberate von 30 Prozent. Sehr geehrte Frau Herold, ist das weniger als es ohne Impfung gäbe? Ja. Die Frage, die Sie aufgeworfen haben, können wir also ganz klar beantworten. Sie haben nicht recht!

(Zwischenruf Abg. Herold, AfD: Keine Po- cken, Tuberkulose und Krätze zum Beispiel!)

Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aktuelle Stunde und diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 3