Aber auch an dieser Stelle – und das haben Sie ja auch öfters eingefordert – gilt der Satz: Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Es ist schon ausgeführt worden und ich komme nachher noch mal darauf zurück, warum das eine oder andere so lange gedauert hat. Im Übrigen: Die Einbindung von Menschen, Verbänden, Organisationen und eine ganz breite Diskussion – das braucht seine Zeit. Und genau die haben Sie eben auch für sich selbst eingefordert und die haben wir vorher natürlich auch genutzt, um Vereine, Verbände und Menschen mit Behinderungen ordnungsgemäß einzubeziehen.
Vielleicht noch mal einige wenige Hinweise darauf, was sich mit der Novelle des Gesetzes künftig verändern wird – die Ministerin hat zwar schon vieles angesprochen, aber lassen Sie mich noch mal kurz auf das ein oder andere eingehen. Ja, die vielleicht weitreichendste Veränderung ist die Ansiedlung des Beauftragten für Menschen mit Behinderungen hier beim Thüringer Landtag. Es ist schon gesagt worden: Er wird nicht mehr ernannt, sondern der Beauftragte wird zukünftig vom Landtag gewählt und ist auch hier angesiedelt. Da sagen Sie, Frau Meißner, dass Sie diesen Vorschlag 2015 hier eingebracht haben und er sei dann von uns abgelehnt worden. Wir haben immer darauf verwiesen, dass wir die Klärung hinsichtlich dieser Frage im Rahmen dieses Gesetzes vornehmen werden. Das ist der eine Punkt. Ich freue mich, dass Ihnen dann als Oppositionspartei im Jahre 2015 diese Überlegung gekommen ist, denn vorher, als wir in Regierungsverantwortung waren, hatten Sie diesen Vorschlag nie gemacht.
Das habe ich Ihnen eben gesagt, weil wir das im Rahmen dieses Gesetzes mit bearbeitet haben. Jetzt sage ich Ihnen noch mal ganz deutlich: Der Beauftragte von Menschen mit Behinderungen ist Mittler und soll Mittler sein zwischen den Menschen mit Behinderungen und der Verwaltung und deswegen ist es gut, dass er durch das Parlament legitimiert wird. Dass die Ansiedlung des Beauftragten beim Landtag künftig zu erfolgen hat, ist eine der zentralen Forderungen der Betroffenen und der Verbände gewesen. Aber – das sage ich auch ganz deutlich und alle, die die ganzen Diskussionen bislang begleitet haben, wissen, dass wir genau diese Frage auch kontrovers diskutiert haben – da ging es nicht um die Position des Beauftragten für Men
schen mit Behinderungen, sondern es ging uns insbesondere – was die SPD-Fraktion betrifft – darum, dass wir auch eine Gleichstellung innerhalb der Beauftragten dieses Landes hinbekommen. Das möchte ich gern in Zukunft noch angehen, denn die Wertigkeit einer Gleichstellungsbeauftragten für Mann und Frau – denke ich – steht in keiner Weise hinter anderen Beauftragten, die hier im Landtag gewählt werden, zurück. Darum möchten wir uns auch künftig kümmern. Das zeigt noch mal, dass es nicht darum geht, dass wir irgendwas nicht gewollt haben. Nein, die Forderungen und die Aussagen der Betroffenenverbände haben uns an diesem Punkt überzeugt.
Deswegen stehen wir dazu, dass der Beauftragte hier im Landtag gewählt wird, aber wir möchten die Beauftragtensituation insgesamt klären im Interesse der Beauftragten und der Menschen, für die sie tätig sind.
Eine weitere zentrale Forderung der Verbände, die jetzt in der Gesetzesnovelle umgesetzt wird, ist die Einführung eines Verbandsklagerechts. Ich will das nicht noch mal untersetzen, Frau Ministerin hat in aller Deutlichkeit schon darauf hingewiesen. Das bedeutet eben, dass Menschen mit Behinderungen bei Benachteiligungen nicht selbst den Klageweg beschreiten müssen, sondern anerkannte Verbände, die es auch an ihrer Stelle tun können. Auch die Streichung des Finanzvorbehalts für die Kommunen bezüglich der Erfüllung der Gesetzesvorgaben haben wir vorgenommen, denn dieser Finanzvorbehalt widersprach explizit den Festlegungen der UNBehindertenrechtskonvention.
Durch das Gesetz wird außerdem festgelegt – auch das ist schon gesagt worden –, dass das Land, die Landkreise und die kreisfreien Städte Maßnahmenpläne zur Erreichung der Inklusion von Menschen mit Behinderungen erarbeiten und – wie wir es auch im gesamten Diskussionsprozess vorher gemacht haben – natürlich dabei die Betroffenen und deren Interessenvertreter beteiligen werden. Diese Pläne – auch das ist schon gesagt worden – sollen nicht länger als fünf Jahre gelten, bevor sie wieder überarbeitet werden. Ich halte das für eine ganz wesentliche Zielsetzung, damit auch eine Weiterentwicklung gegeben ist und die Betroffenen immer entsprechend mit eingebunden werden müssen.
Auch im Bereich der Barrierefreiheit bezüglich öffentlicher Gebäude oder der Erreichung barrierefreier Kommunikation trifft der Gesetzentwurf zahlreiche Festlegungen, die Thüringen inklusiver für Menschen mit Behinderungen machen. Auch die
Verbesserung der Zugänglichkeit von Einrichtungen und Informationen, insbesondere für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, die Bewusstseinsbildung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, die Verbesserung ihrer Partizipation und die Stärkung der Position der jeweiligen Beauftragten für Menschen mit Behinderungen auf kommunaler Ebene schreibt die Gesetzesnovelle fest.
Lassen Sie mich feststellen, weil es heute die Einbringung und die erste Diskussion hier ist und wir auch schon an vielen anderen Stellen über den Gesetzentwurf diskutiert haben: Ich finde schon, dass wir mit der vorliegenden Gesetzesnovelle einen weiteren großen Schritt auf dem Weg Thüringens zu einer inklusiven Gesellschaft gehen.
Jetzt vielleicht noch einige Sätze dazu, warum es etwas länger gedauert hat, wenn auch die Ministerin schon darauf hingewiesen hat: Wie es schon ausgeführt wurde, wurde bei der Erarbeitung der Gesetzesnovelle der Grundsatz der UN-Konvention „Nicht ohne uns über uns“ gewahrt. Es gab eine breite Diskussion. Ich will an dieser Stelle – weil ich es vorhin nur erwähnt und mich noch nicht bedankt habe – allen Vereinen und Verbänden, die sich intensiv und zielorientiert eingebracht haben, mitdiskutiert haben, sich viel Arbeit gemacht haben – und es hat viel Zeit und Kraft gebraucht – ein ganz herzliches Dankeschön sagen.
Das ist eigentlich alles bekannt. Man muss da nicht irgendetwas hin- und herschieben, man muss jetzt einfach über den vorliegenden Gesetzentwurf diskutieren. Wir werden ihn noch intensiv in den Ausschüssen und auch im Rahmen von Anhörungen beraten. Ein weiterer Grund, warum die Erarbeitung länger gedauert hat, ist, dass auch der Maßnahmenplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Thüringen überarbeitet worden ist.
Auch das ist schon ausgeführt worden: Der Maßnahmenplan 2.0 war erst kürzlich in der Anhörung des Sozialausschusses Thema hier im Landtag. Er enthält immerhin 130 Maßnahmen und Festlegungen zur zukünftigen weiteren Inklusion von Menschen mit Behinderungen und war für mich auch immer im Zusammenhang mit dem Behindertengleichstellungsgesetz zu betrachten, zu diskutieren und auch zu sehen.
Nicht zuletzt wurde eine Prüfung des Gleichstellungsgesetzes hinsichtlich seiner Übereinstimmung mit den in der UN-Behindertenrechtskonvention getroffenen Regelungen und Forderungen durch das Deutsche Institut für Menschenrechte durchgeführt.
Im Übrigen wurden auch Sie von der Opposition immer auf dem Laufenden gehalten, was die Zeitverschiebungen angeht. Ob es das Außerparlamentarische Bündnis war, ob es die Ausschüsse waren, ob es andere Gesprächsrunden waren: Es ist vonseiten des Ministeriums durch die Ministerin immer ordnungsgemäß über die Zeitabläufe informiert worden.
Meine Damen und Herren, Sie sehen also, bei der Novellierung des Gesetzes wurde sehr gründlich unter Einbeziehung der Betroffenen und deren Vertreter vorgegangen, und das werden wir auch im weiteren Verfahren so handhaben. Deswegen bin ich eigentlich froh, dass wir die Sondersitzung nachher in der Mittagspause haben, um schnell und zügig schon diejenigen festzulegen, die wir dann zu Anhörungen einladen wollen. Ich freue mich deshalb auf die Diskussionen in den Ausschüssen und natürlich auch in den Anhörungen und die weitere Diskussion mit den Vertretern der Menschen mit Behinderungen und deren Organisationen und Verbänden.
Ich freue mich auf eine breite, intensive Diskussion, gehe aber davon aus, dass wir natürlich mit diesem Gesetzentwurf den richtigen Weg gegangen sind, und bin auch ein bisschen stolz darauf, dass wir im Vorfeld diese enge Absprache und die enge Verbindung mit denen hatten, die wissen, worum es geht, und dass sie sich auch bereit erklärt haben, mit uns zu sprechen und dieses Gesetzesvorhaben zu begleiten. Deswegen bitte ich um Überweisung des Gesetzentwurfs an den Sozialausschuss und an den Gleichstellungsausschuss und freue mich auf eine angenehme sachgerechte Diskussion. Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Einen schönen guten Morgen, liebe Kollegen Abgeordnete, sehr geehrte Besucher auf der Tribüne und Zuschauer im Internet, die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag bekennt sich mit Bezug auf unser abendländischchristlich geprägtes Menschenbild
mit mitteleuropäischer Tradition zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. Grundsätzlich begrüßen wir also politische Bemühungen, die Er
leichterungen für Menschen mit Behinderungen im Alltag, bei Behörden, im Straßenverkehr und in allen Lebenssituationen zu ermöglichen.
Die Drucksache 6/6825 zielt darauf ab, die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen zu fördern, worin sie natürlich unsere Unterstützung erfährt. Dennoch mussten wir bei der Lektüre des Entwurfs einige Schwachstellen herausarbeiten, die nun hier genannt werden sollen.
Zu § 10 bezüglich der Forderung nach baulichen Maßnahmen zur Herstellung von Barrierefreiheit: In den Bereichen Bau und Verkehr ist unbedingt darauf zu achten, dass die Kommunen, die hier die Hauptlast zu tragen haben, mit ausreichenden Finanzmitteln ausgestattet werden. Es darf nicht nur bei der bloßen Formulierung sachlich gerechtfertigter Forderungen bleiben, es muss auch an die ausführende Ebene gedacht werden.
Wir werden den sich in Beratung befindlichen Haushaltsplan 2020 genau auf diesen Finanzierungsvorbehalt hin sorgfältig prüfen.
Hinsichtlich Kapitel D, Kosten für Kommunikationshilfen zum Zwecke einer barrierefreien Kommunikation – zum Beispiel Dolmetscherleistungen, Wegstreckenentschädigungen, Fahrtkosten im Rahmen von Behördengängen –, fordern wir schon länger aus Gründen der Vereinfachung und des echten Bürokratieabbaus für die Menschen, die diese Erleichterungen brauchen, die Einrichtung eines persönlichen Budgets in angemessener Höhe, über die die Anspruchsberechtigten eigenverantwortlich entscheiden können.
In § 23 Nr. 6 ist das festgeschriebene Recht der kommunalen Beauftragten für Menschen mit Behinderungen auf Teilnahme an einer jährlichen Ausund Weiterbildung aus unserer Sicht nicht ausreichend. Wir halten eine jährliche Weiterbildungspflicht aus verschiedenen Gründen für angezeigt.
Im Gleichstellungsgebot in § 7 ist die Gleichstellung der Geschlechter geregelt und nennt dabei allein Frauen als Opfer von Intersektionalität. So sind nach unserer Auffassung allerdings unter Wahrung wirklicher Gleichstellung, insbesondere hinsichtlich des Schutzes vor Intersektionalitätserfahrungen, auch Männer mit Behinderungen einzubeziehen. Das Gesetz stellt an dieser Stelle nicht klar, welche von den heute in der modernen Geschlechterdebatte aufgeführten Erscheinungsformen von Geschlecht damit eigentlich gemeint sind und unter
Auch werden die Rechtsfolgen kaum thematisiert. Was passiert, wenn zum Beispiel den Bedürfnissen der Betroffenen nicht entsprochen werden kann, etwa bei der Forderung der Pflege durch Personen des gleichen Geschlechts? Welches Geschlecht ist gemeint und was passiert, wenn diesen Forderungen oder diesen Wünschen und Bedürfnissen nicht entsprochen werden kann? Wie soll das im Einzelfall sichergestellt werden, wenn wir davon ausgehen müssen und sollen, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt?
Bezüglich des Abbaus von Defiziten bei der barrierefreien Kommunikation von Menschen mit Behinderungen, wie er an verschiedenen Stellen des Gesetzentwurfs gefordert wird, könnte das Land mit gutem Beispiel vorangehen, denn längst nicht alle Onlinedokumente des Freistaats aus den Bereichen Senioren-, Gleichstellungs- und Behindertenpolitik sind gegenwärtig barrierefrei abrufbar. Halten Sie sich also bitte dort auch an Ihre eigenen Zielsetzungen.
Kommen wir abschließend auch zu der in meinen Augen sensibelsten Stelle im Gesetzentwurf, nämlich dem Recht auf gemeinsamen Unterricht in § 12 des Gesetzes. Dort heißt es – ich möchte zitieren mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin –: „Eine Unterrichtung an Förderschulen erfolgt dann, wenn der gemeinsame Unterricht mit Schülern ohne Behinderungen nicht möglich oder eine gesonderte Förderung erforderlich ist. Die Eltern werden in die Schulwahl einbezogen. Dabei wird den Eltern von Schülern mit Behinderungen eine individuelle und schulartneutrale Beratung gewährt.“ Wie großherzig, möchte man an dieser Stelle ausrufen. Was genau ist unter dieser Vorgabe zu verstehen? Wer entscheidet letztendlich darüber, welches Kind Zugang zu einer Förderschule hat und welches Kind möglicherweise gegen seinen oder gegen den Elternwillen in eine allgemeinbildende Schule eingeschult wird?
Der Elternwille ist nicht eindeutig definiert. Auch das Letztentscheidungsrecht der Eltern konnte ich in Ihrem vorgelegten Gesetzentwurf nicht entdecken.
Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen stellt unsere bewährten Förder- und Sonderschulen keineswegs infrage. Die Forderung, behinderten Kindern Teilhabe am Bildungssystem zu garantieren, haben wir hier bereits in Deutschland umfassend und erfolgreich erfüllt. Die ideologisch motivierte Inklusion um jeden Preis verursacht erhebliche Kosten und hemmt behinderte wie nicht behinderte Kinder in ihrem Lernerfolg.