Fünftens: Im ThürGIG stehen neue Regeln für den Landesbehindertenbeirat. Im Landesbehindertenbeirat treffen sich Menschen mit verschiedenen Behinderungen. Diese kommen von zehn verschiedenen Vereinen für Menschen mit Behinderungen in Thüringen. Sie beraten die Regierung von Thüringen. Sie sagen der Regierung, was man tun kann, damit es Menschen mit Behinderungen besser geht. Sie können auch Dinge beschließen. Sie schlagen zum Beispiel eine Person für die Wahl zum Landesbehindertenbeauftragten vor. Im Landesbehindertenbeirat dürfen auch Menschen ohne Behinderungen sein. Diese Menschen dürfen die Menschen mit Behinderungen aber nur beraten. Sie dürfen nichts beschließen.
Sechstens: Im ThürGIG stehen auch neue Regeln für den Landesbehindertenbeauftragten. Der Landesbehindertenbeauftragte kümmert sich um die Menschen mit Behinderungen in Thüringen. Er will das Leben der Menschen in Thüringen verbessern. Er kümmert sich um Wünsche und Probleme von Menschen mit Behinderungen. Neu ist: Der Landesbehindertenbeauftragte wird vom Landtag gewählt. Die Wahl ist geheim. Wer gewählt werden kann, schlagen die Parteien des Landtags vor und die Mitglieder des Landesbehindertenbeirats. Wichtig ist, wenn das Gesetz nicht eingehalten wird, können sich Vereine von Menschen mit Behinderungen beschweren. Sie dürfen klagen. Dann entscheidet ein Gericht, was richtig ist. Diese Möglichkeit heißt „Verbandsklagerecht“.
Das Gesetz enthält viele gute Dinge. Ein paar Beispiele habe ich gerade gesagt. Es ist ein gutes Gesetz. Mit dem neuen Gesetz wird es Menschen mit Behinderungen in Thüringen besser gehen. Die Rechte von Menschen mit Behinderungen werden gestärkt. Es werden Hindernisse abgebaut. So können sie besser überall teilnehmen. Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich eröffne die Aussprache und als Erste hat Abgeordnete Meißner von der CDU-Fraktion das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, guten Morgen, liebe Zuschauer an den Bildschirmen! Frau Ministerin, ich darf Ihnen für Ihre Ausführungen in Leichter Sprache danken. Ich glaube, das trifft uns alle. Es ist nicht einfach für uns Politiker, gerade solche Gesetze in Leichter Sprache zu formulieren. Von da
her ist das eine gute Sache, damit die Personen, die dieses Gesetz letztendlich betrifft, auch wissen, welchen Inhalt es hat. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, ich hätte das Gesetz gern schon eher hier im Landtag mit Ihnen diskutiert.
Deswegen finde ich es nicht gerechtfertigt, dass Sie mit dem Finger auf die CDU bzw. auf die Vorgängerlandesregierung zeigen, denn – ich muss Ihren Wahlkampfslogan nicht wiederholen – besser gemacht haben Sie es wirklich nicht. Wir haben jahrelang hier im Parlament – in dieser Legislaturperiode – die Vorlage dieses Gesetzes eingefordert und wir sind jedes Jahr auf das Neue vertröstet worden, dass es hier eingebracht wird.
(Zwischenruf Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie: Weil wir es diskutiert haben!)
Das betrifft nicht nur uns als Oppositionspolitiker, sondern die vielen Verbände, beispielsweise das Außerparlamentarische Bündnis, wo ich mich gar nicht mehr daran erinnern kann, wie oft die gefordert haben, dass das Gesetz endlich hier vorgelegt wird.
Es hat vier Jahre gedauert und jetzt wird es hier eingebracht, was wir natürlich begrüßen, aber ich finde, es ist in diesem Zusammenhang nicht redlich, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Letztendlich könnte man das als Ausdruck von mangelnder Wertschätzung gegenüber diesem Thema werten, aber ich will es mal so ausdrücken: Die Latte ist dadurch ziemlich hoch gelegt worden.
Deswegen möchte ich in dieser ersten Lesung auf den Inhalt des Gesetzes eingehen. Der Gesetzentwurf sieht einen Strauß von neuen Pflichten und Aufgaben für öffentliche Stellen vor, die an der einen oder anderen Stelle zeitgemäß und richtig sind. Allerdings lässt dieser Gesetzentwurf den Leser mit einer großen Anzahl von Fragen zurück. Ich möchte an dieser Stelle eine Frage herausgreifen, die wir auch in den vergangenen Beratungen, beispielsweise bei der Umsetzung des Maßnahmenplans der UN-Behindertenrechtskonvention oder auch beim Gesetz für das barrierefreie Internet, hier gestellt haben, nämlich die Frage der finanziellen Untersetzung, hauptsächlich für die, die es ausführen müssen, nämlich für die Kommunen und für die Verbände für Menschen mit Behinderungen. An dieser Stelle lässt das Gesetz viele Fragen offen und wir werden das natürlich in der Ausschussberatung thematisieren.
Ich möchte weitere Punkte des Gesetzentwurfs aufgreifen. Schauen wir uns den Gesetzentwurf näher an, so muss man ganz ehrlich sagen, dass dieser Gesetzentwurf nicht nur sehr lange gedauert hat, sondern er bleibt auch hinter den von Ihnen gesteckten Zielen des Koalitionsvertrags zurück. In diesem Zusammenhang möchte ich das Stichwort „Barriereabbau“ nennen. Zwar verpflichtet der Gesetzentwurf in § 10 die öffentlichen Eigentümer von Gebäuden zu mehr Barriereabbau, aber was ist denn beispielsweise mit den privatrechtlich betriebenen Einrichtungen der öffentlichen Hand wie Krankenhäusern, Verkehrsbetrieben, Energieversorgern, Messegesellschaften oder Flughäfen? Fehlanzeige. Dazu finden wir nichts. Genauso wie wir in diesem Zusammenhang auch im Gesetz nichts dazu finden, wie das Land so etwas finanziell unterstützen möchte. Da ist beispielsweise die Frage, ob es nicht eine Verpflichtung des Landes zur Bereitstellung von Fördermitteln für Barrierefreiheit geben sollte. Denn eines müssen wir uns vor Augen führen: Barrierefreiheit nützt am Ende nicht nur Menschen mit Behinderungen, es nützt auch Seniorinnen und Senioren, es nützt auch Familien, beispielsweise mit Kinderwagen. Barrierefreiheit ist schon lange nicht mehr nur ein Thema für Menschen mit Behinderungen.
Ich möchte jetzt zu einem zentralen Punkt des Gesetzentwurfs kommen, nämlich zum Interessenvertreter für Menschen mit Behinderungen auf Landesebene. Denn das, was der Gesetzentwurf mit dieser Vertretung für Menschen mit Behinderungen hier im Land vorhat – das muss ich ganz ehrlich sagen –, ist schon skandalös. Sie rühmen sich damit, dass man diese Stellung stärkt, aber gleichzeitig machen Sie aus ihm einen zahnlosen Tiger. Ich will vielleicht an dieser Stelle vorwegschicken, dass wir begrüßen, dass Sie endlich die Forderung der CDU-Fraktion umsetzen, dass der Behindertenbeauftragte hier vom Thüringer Landtag gewählt und auch hier angesiedelt wird.
Das finde ich schon sehr interessant, denn wir haben in dieser Legislatur erstmals 2015 diesen Vorschlag mit einem Antrag hier im Plenum eingebracht. Das war der Zeitpunkt, wo es einen neuen Behindertenbeauftragten gab. Da haben wir gesagt: Das ist ein guter Anlass, um eine Neustrukturierung vorzunehmen.
den Vorschlag gemacht haben. Im Rahmen der Haushaltsberatungen für den Doppelhaushalt 2018/2019 haben wir sodann im Jahr 2017 erneut diesen Antrag hier in das Parlament eingebracht und auch da – siehe da – haben Sie ihn abgelehnt.
Von daher will ich es an dieser Stelle positiv werten, dass der Landesbeauftragte nun endlich durch den Gesetzentwurf hier durch den Landtag gewählt werden soll und letztendlich auch über seine Stelle die Ausgestaltung und die Struktur diskutiert wird. Damit setzen Sie nicht nur unsere Erwartungen um, sondern auch die von vielen Verbänden und auch die Forderung der Vereinten Nationen.
Aber – ich sagte es schon – dieses auf den ersten Blick erfreuliche Bild wird leider, wenn man detailliert ins Gesetz schaut, getrübt. Denn – und ich erinnere noch einmal an die Ausführungen im Koalitionsvertrag – Sie hatten versprochen, die Aufgaben und Befugnisse des Beauftragten zu stärken. Jedoch interpretieren Sie das wahrscheinlich einseitig, denn zukünftig wird der Beauftragte einen erheblichen Aufgabenzuwachs haben – ohne personelle und sächliche Mittel bei gleichzeitiger Einschränkung seiner Rechte und Kürzung seiner Bezahlung und das vor dem Hintergrund, dass Sie die neuen Aufgaben im Gesetz wirklich detailliert ausführen. Es sind acht neue Aufgaben zu finden. Ich möchte die an dieser Stelle nicht aufzählen, das kann sicherlich jeder nachlesen, aber eine neunte ist durch das letzte Plenum hinzugekommen. Das ist im Übrigen eine, die wir hier auch seit Jahren gefordert haben, nämlich dass der Beauftragte auch die neue Landesdurchsetzungsstelle für die Umsetzung des barrierefreien Internets gemäß der EU-Richtlinie sein soll.
Bei so vielen neuen Aufgaben sollte man erwarten, dass der Beauftragte auch mehr Rechte und finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt bekommt.
Aber das Gegenteil ist der Fall. Das ist nicht redlich. Denn weder sind im aktuellen Haushaltsentwurf der Landesregierung mehr personelle oder sächliche Mittel vorgesehen, noch erhält der Beauftragte – wie von der Koalition versprochen – mehr Befugnisse. Ich frage Sie ernsthaft: Wie soll das gehen? Deswegen möchte ich an dieser Stelle mal ein Beispiel herausgreifen, um das vielleicht zu verdeutlichen. Momentan ist es so, dass der Beauftragte nach dem gegenwärtig gültigen § 17 Abs. 2 ThürGIG von jeder Behörde Auskunft verlangen kann, ohne den Dienstweg einhalten zu müssen. Das – man höre und staune – soll er zukünftig nicht mehr dürfen. Denn seine Ersuchen – so § 22 Abs. 3
neu – sollen über die zuständige oberste Landesbehörde an die jeweilige Behörde geleitet werden und von dieser zurück über die oberste Landesbehörde an den Beauftragten gehen.
Jetzt habe ich Herrn Leibiger mal gefragt, was das denn bedeutet, und er hat gesagt, er hat das im letzten Jahr mal probiert mit dem Ergebnis, dass diese Auskunft für ihn drei Monate gedauert hat. Das finde ich schon skandalös, dass man sich hier hinstellt und sagt, man verbessert die Rechte für Menschen mit Behinderungen, vor allen Dingen von deren Vertreter hier auf Landesebene, und gleichzeitig, wenn man ins Detail schaut, legt man Ihnen mehr Steine in den Weg.
Da muss man sich fragen: Hat Rot-Rot-Grün Angst vor einem starken Behindertenbeauftragten? Wir werden das im Ausschuss hinterfragen und werden an der Stelle auch darauf Wert legen, dass wir einen starken Behindertenbeauftragten haben, der mit seinen Rechten und Befugnissen die Interessen der Menschen mit Behinderungen hier in Thüringen gut umsetzen kann.
Nach diesem Punkt möchte ich aber noch einen weiteren nennen, wo man sich fragt, was sich die Landesregierung da eigentlich gedacht hat bzw. was eigentlich zwischen dem 15. Januar und dem 19. Februar hier passiert ist. Am 15. Januar beschließt das Kabinett den Landeshaushalt und sieht für den Beauftragten wie in den Jahren zuvor eine Planstelle der Wertigkeit der Besoldungsgruppe B3 vor. Das entspricht einem stellvertretenden Abteilungsleiter oder dem Leiter einer kleinen Landesbehörde. Am 19. Februar erblickt dann das ThürGIG das Licht der Welt und das Kabinett beschließt die Herabstufung der Vergütung des Behindertenbeauftragten. Danach soll er auf die Besoldungsgruppe A16 heruntergestuft werden, was der Bezahlung eines Referatsleiters im Ministerium entspricht. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Man möchte die Stellung einer Person stärken, hebt das auch hervor, aber gleichzeitig legt man ihr nicht nur neue Steine in den Weg, sondern kürzt auch die finanziellen Mittel in ihrer Besoldung. Ich frage mich nicht nur, wie das in der Umsetzung gehen soll, sondern ich frage mich: Wer soll denn am Ende diesen Beauftragten auch noch machen? Wer stellt sich dafür zur Verfügung? Ich kann Sie nur auffordern, dieses vergiftete Geschenk zurückzunehmen und in der Ausschussberatung zu korrigieren, denn es kann nicht sein, dass ein Beauftragter
Wir haben dieses Amt im Jahr 2004 geschaffen, als es noch kein Gesetz gab, und wir haben es mit einer ordentlichen Bezahlung versehen. Wir werden deswegen die Abwertung dieses Amts nicht zulassen und wollen auch einen Beauftragten, der sich einmischt und auch mal unbequem wird.
Ich möchte noch auf zwei weitere Punkte eingehen, und zwar zum Stichwort „kommunale Behindertenbeauftragte im Hauptamt“ – eine Forderung, die viele Jahre im Raum stand und die sich jetzt im Gesetz nicht mehr wiederfindet. Wir werden in der Ausschussberatung sehr genau hinhören, was die Anzuhörenden dazu sagen, aber auch welche Stellung die kommunalen Spitzenverbände dazu nehmen.
Wir werden im Ausschuss – damit will ich dann letztendlich schließen – auch nachfragen, was hinter den Ankündigungen steckt, sehr geehrte Frau Ministerin, die Sie hier auch noch mal wiederholt haben, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sie finanziell untersetzt werden müssen. Vieles ist im Vagen und wir werden viele Fragen stellen und auch Änderungen an zentralen Stellen beantragen.
Vor diesem Hintergrund – das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich aufgrund der Erfahrungen der letzten Monate auch noch mal sagen – wünschen wir uns eine intensive Beratung im Parlament. Wir haben bereits jetzt die Einladung für den Sozialausschuss in der nachher folgenden Mittagspause, wo eine mündliche Anhörung beschlossen werden soll. Das erinnert mich sehr an das Vorgehen zum Landesprogramm Solidarisches Zusammenleben, wo hier mit Schnelligkeit ein Gesetz durchgepeitscht wurde und letztendlich nicht genügend Raum zum Diskutieren war. Ich möchte nicht, dass wir Parlamentarier das ausbaden müssen, was die Landesregierung hier in den letzten vier Jahren versäumt hat. Vier Jahre lang wurde es nicht geschafft, ein Gesetz vorzulegen, und jetzt hat es den Landtag erreicht. Wir als Oppositionsfraktion erwarten, dass uns deswegen auch genügend Zeit eingeräumt wird, nicht nur von unserer Seite Bedenken und Anregungen einzubringen, sondern auch die Betroffenen zu hören.
Deswegen möchte ich an dieser Stelle auch gleich sagen: Wir werden im Ausschuss beantragen, dass dieses Gesetz auch im Online-Forum des Landtags eingestellt wird, damit unter barrierefreier Beteiligung alle Menschen mit Behinderungen in Thürin
gen die Chance haben, sich zu diesem Gesetz zu äußern, damit wir deren Anregungen auch aufnehmen können. Deswegen kann ich an dieser Stelle nur sagen, ich freue mich auf die Beratung und auch auf deren Ergebnisse und möchte Ihnen für die Aufmerksamkeit danken.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Gäste auf der Tribüne und auch in den anderen Räumen, wo Sie uns zuhören, ich darf Sie alle ganz herzlich begrüßen. Die politische, wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu verwirklichen, ist eines der wesentlichen sozialpolitischen Ziele der rot-rot-grünen Landesregierung. Genau deshalb – Frau Ministerin ist schon darauf eingegangen – haben wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben, das Thüringer Gesetz zur Inklusion und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen zu überarbeiten, um die gesetzliche Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Thüringen weiter voranzutreiben. Bei der Erarbeitung gesetzlicher, politischer und wirtschaftlicher Maßnahmen, die Menschen mit Behinderungen betreffen, gilt nach wie vor: Die Betroffenen sprechen mit – gemäß dem Grundsatz der UN-Konvention: „Nicht ohne uns über uns“. Das ist auch beim Außerparlamentarischen Bündnis immer angesprochen worden. Ich darf an dieser Stelle auch ganz herzlich Herrn Pfeffer begrüßen. Er folgt heute der Diskussion.
Ich freue mich sehr, dass wir heute das Thüringer Gesetz zur Inklusion und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen sowie zur Änderung des Thüringer Beamtengesetzes in der ersten Lesung diskutieren können. Ich weise noch mal darauf hin – es ist auch schon vorher angesprochen worden: Ziel dieses Gesetzes ist nichts Geringeres als die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und die Schaffung einer inklusiven Gesellschaft als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das macht auch noch mal deutlich, was dieses Vorhaben für einen Umfang hat, um alles insgesamt zu beraten und zu diskutieren.
Natürlich, werte Kollegin Meißner, hätten wir uns alle darüber gefreut, wenn wir beispielsweise schon