die Menschen in der DDR auch zur Freiheit befreit wurden, obwohl Sie wissen, dass das Gegenteil der Fall war.
Deswegen kann man überall diese Themen ganz berechtigt diskutieren, aber ich finde, das Motiv, was Sie haben, um diesen 8. Mai hier als Gedenktag zu verankern, ist sehr stark zu hinterfragen und das zeigt auch, um was es Ihnen eigentlich geht. Sie wollen ein Stück weit Umdeutung von Geschichte, um eine andere Vorstellung von der Zukunft zu begründen. Dass das der eigentliche Kern Ihrer Regierungsmission ist, hat wiederum der Chef der Staatskanzlei am 23.03. in der „Thüringer Allgemeinen“ sehr treffend ausgeführt. Er hat dort gesagt, ich zitiere: „Wir setzen auf eine allmähliche Transformation, auf eine schrittweise Veränderung der Gesellschaft. Wenn Sie so wollen: Das Revolutionäre wird man erst in der Rückschau erkennen.“ Es geht also hier ganz klar um gesellschaftliche Veränderungen.
(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Kinderarmut abschaffen zum Beispiel! Was wollen Sie denn erreichen?)
Da ist Ihnen dieses Instrument von Geschichtspolitik ganz recht, um genau das zu erreichen. Sie wollen Geschichtsbewusstsein ganz deutlich verändern. Das muss man in so einer Debatte auch mal sagen dürfen.
Wenn hier von Ihnen permanent der Vorwurf der Geschichtsklitterung kommt, will ich das schon einmal aufgreifen, was Herr Hoff – und Kollege Mohring hat es in seiner Kleinen Anfrage zitiert – gesagt hat: „Die Weimarer Republik ist nicht am Konflikt zwischen Kommunisten und Nazis gescheitert, sondern am Verrat der Deutschnationalen an der Republik und an ihren Werten.“ Auch hier blenden Sie, wenn Sie uns und anderen Geschichtsklitterung vorwerfen, doch selbst aus, welche Rolle beispielsweise die KPD, in deren Tradition Sie sich auch ein Stück weit sehen, gespielt hat. Deswegen ist der Vorwurf der Geschichtsklitterung zunächst erst einmal an Sie selbst zu richten.
Kollege Fiedler hat heute ein anderes Zitat von Willy Brandt zitiert. Ich finde es schon bemerkenswert, dass gerade ein Sozialdemokrat hier die Dinge auch so differenziert gesehen hat. Er hat doch klar gesagt, dass es eben darum geht, dass es um Befreiung geht, wenn wir darüber sprechen, wozu wir auch befreit wurden. Deswegen bestreitet doch auch niemand von uns, dass der 8. Mai ein Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus gewesen ist, aber er hat nicht allen Freiheit gebracht. Genau deswegen, weil man diese Differenzierung machen muss, ist es so schwierig, diesen 8. Mai als Gedenktag zu verankern, um einen historischen Konsens auch in der Bewertung dieser Frage in der Gesellschaft herzustellen. Ich finde, diese Widersprüchlichkeit des Geschehens, dass es hier nicht für alle Freiheit gab, muss man anerkennen. Die muss man berücksichtigen, wenn man über das Gedenken in unserem Land spricht und wenn man das auch gesetzlich verankern möchte. Deswegen will ich Sie einfach nur auffordern, zur Kenntnis zu nehmen, dass es hier eine Widersprüchlichkeit gibt, weil es nicht für alle Menschen Freiheit gab, sowohl in der DDR als auch für diejenigen, die von Kriegsgefangenschaft, von Flucht und Vertreibung betroffen waren.
Deswegen sage ich es noch einmal ganz klar: Wir wollen selbstverständlich in unserer Gedenkkultur ein angemessenes Gedenken an den Holocaust,
an den Krieg, aber genau deswegen haben wir doch in Deutschland den 27. Januar als einen ganz geeigneten Gedenktag,
das zunächst in Deutschland getan hatten. Deswegen gibt es doch einen breiten Konsens gerade für diesen Tag in unserer Gesellschaft, um des Holocausts angemessen zu gedenken. Aber was Sie machen, Sie machen mit Ihrem Gesetz und indem Sie den 8. Mai zum Gedenktag erklären wollen, genau das Gegenteil, nämlich Sie spalten in dieser Frage, was der richtige Tag und was das angemessene Gedenken für den Holocaust ist.
müssen Sie zunächst erst einmal entkräften, denn einen wirklichen Konsens werden Sie damit nicht herstellen können und das schadet unserer Gedenkkultur insgesamt. Deswegen ist es richtig, dass meine Fraktion den 8. Mai als Gedenktag hier ablehnen wird. Schönen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Gruhner. Sie hatten zugesagt, eine Zwischenfrage von Frau Abgeordneter Rothe-Beinlich zu beantworten.
Herr Gruhner, ich frage mich ernsthaft, ob Sie die Begründung gelesen und vor allem Ihre Rede vor dem Hintergrund, wenn Sie sie gelesen haben, so stehen lassen wollen und zum Dritten, ob Sie zur Kenntnis genommen haben, dass es die DDR seit 25 Jahren nicht mehr gibt und wir eine sehr differenzierte Rezeption des 8. Mai anstreben.
Frau Kollegin Rothe-Beinlich, in der Tat, die DDR gibt es nicht mehr, aber wir haben auch zur Kenntnis genommen, dass die Linke sich selbstverständlich in der Tradition der SED sieht und dass sie ihre Nachfolgepartei ist und genau deswegen stellen wir weiterhin berechtigt diese Fragen und ich finde es schade,
In der Reihenfolge der Wortmeldungen hat jetzt das Wort Herr Abgeordneter Kobelt, Bündnis 90/Die Grünen. Ich habe Ihre Wortmeldung gesehen, Frau Abgeordnete.
Sehr geehrte CDU-Fraktion, möchte ich jetzt mal sagen, als Herr Fiedler gesprochen hat, wollte ich mich gern zu Wort melden, aber Herr Gruhner hat es mit seinem moralischen Imperativ noch getoppt. Ich finde es unanständig, wenn Sie sich von dem Antrag Punkte herauspicken, die in Ihrer Propagandarede in den Kram passen, und nicht den ganzen Antrag richtig lesen.
Wir haben uns als rot-rot-grüne Koalition sehr intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt. Wenn Sie einmal genau in die Begründung reinschauen – aber ich befürchte, dass Sie, beide Redner der CDU-Fraktion, entweder mit Absicht oder auch mit Nachlässigkeit nicht so weit gekommen sind –, dann werden Sie ganz deutlich sehen, dass beide Sichtweisen der Geschichte dargestellt sind. Ich zitiere aus der Begründung: „Niemand wird um dieser Befreiung willen vergessen, welche schweren Leiden für viele Menschen mit dem 8. Mai erst begannen und danach folgten“.
Und so geht es weiter: „In der Deutschen Demokratischen Republik war der Tag der Befreiung nicht nur ein zentraler Strang der geschichtspolitischen Untermauerung der SED-Herrschaft – verankert im kommunistischen Widerstand gegen das Nazi-Regime und mit Bezug auf die Rolle der Sowjetunion. Der Widerstand bürgerlicher, kirchlicher sowie anderer Gruppierungen fand nur wenig Erwähnung. Zudem wurde die Shoa, die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Europas, erst nach 1989 stärker in die ostdeutsche Gedenkkultur aufgenommen.“
Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe als Grüner großen Respekt vor den Linken, die sich selbst in so einem Antrag mit der Geschichte auseinandergesetzt haben und in der Abstimmung mit der rot-rot-grünen Koalition sowohl die Begründung als auch die Debatte geführt haben.
Sehr geehrter Herr Gruhner, Sie sind noch relativ jung. Ich glaube, zur Wendezeit waren sie fünf Jahre, ich war 14 zu der Zeit. Deswegen taugen wir vielleicht jetzt nicht als Geschichtsberichter, aber ich lasse einmal einen anderen Zeitgenossen aus der DDR-Zeit zu Wort kommen. Da heißt es: „Der Sozialismus ist die Gesellschaftsformation, in der sich alle Anstrengungen auf das Wohl der Menschen richten, in der die Grundrechte des Menschen nicht nur angesprochen, sondern verwirklicht werden.“
Liebe CDU-Fraktion, das ist jetzt kein Zitat gewesen, was von der Linken gekommen ist, sondern von Ihren Abgeordneten, was 1987 Ihre Worte waren, von Abgeordneten der CDU-Fraktion. Daher wünsche ich mir wirklich, dass Sie hier keine Sonntagsreden halten,
sondern dass Sie sich als CDU-Fraktion ernsthaft, so, wie es die Linke in der rot-rot-grünen Koalition auch macht, mit der Geschichte auseinandersetzen, debattieren und die Aufarbeitung endlich auch in Ihren Reihen beginnt. Dann würden Sie, glaube ich, auch nicht so schnell über andere urteilen und moralisch über Rot-Rot-Grün und die Aufarbeitung urteilen. Danke.
Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich, Ihre Wortmeldung wäre die Nächste. Sie haben noch 1 Minute und 6 Sekunden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin Roberto Kobelt sehr dankbar für seine Worte, die ich voll und ganz teile. Hätte Herr Gruhner vorhin zugehört, hätte er wahrgenommen, dass ich genau diesen Teil der Begründung unseres Gesetzentwurfs hier auch schon vorgetragen hatte. Hätte Herr Gruhner weiterhin zugehört, hätte er auch wahrgenommen, was ich hier ausgeführt habe zum Umgang der DDR oder Nichtumgang der DDR mit der Verantwortung für die Vernichtung der Juden mit der Shoa. Ich habe auch den ersten Volkskammerbeschluss zitiert. Es ärgert mich so, Herr Gruhner, dass Sie überhaupt nicht in der Lage sind, auf das einzugehen, was hier vorgetragen wird, dass Sie nicht einmal die Begründung lesen, die einem solchen Gesetzentwurf beigefügt ist, sondern Ihre vorgefertigte Rede hier ablesen. Das sind Scheu
klappen, die ich mir heute im 21. Jahrhundert und in einer lebendigen Demokratie so nicht mehr wünsche. Wenn es um die Sache geht, sollten wir doch schauen, wer bereit ist, sich der Vergangenheit zu stellen, und das differenziert und das auch, wo es wehtut. Wir jedenfalls sind es und wir hoffen nach wie vor darauf, dass Sie sich dem anschließen können.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Es gibt eine weitere Wortmeldung für die Fraktion Die Linke. Herr Abgeordneter Hausold.