Protocol of the Session on May 27, 2015

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Es gibt eine weitere Wortmeldung für die Fraktion Die Linke. Herr Abgeordneter Hausold.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sage mal, lieber Kollege Wolfgang Fiedler, selbstverständlich ist es gut und richtig, dass wir auch und gerade zu einem solchen Thema heute wie in den vergangenen 25 Jahren mit Freiheit, Offenheit, Meinungsfreiheit und unterschiedlichen Auffassungen über diese Frage debattieren können, was wir so – denn wir kommen ja aus der DDR – in der DDR nie gekonnt hätten, denn Meinungsfreiheit, Redefreiheit, Pressefreiheit, das gab es alles in der Verfassung der DDR, aber nicht in der Wirklichkeit des Lebens in der DDR.

(Beifall CDU)

Herr Gruhner, Ihnen sehe ich ein bisschen nach, dass Sie in dieser Legislaturperiode hier neu sind. Über die Frage, die wir gerade kurz angerissen haben, was die Bewertung der DDR betrifft, haben wir natürlich schon viele Debatten geführt. Es ist auch richtig, dass wir sie immer wieder führen müssen. Sie können sich natürlich auch in den Plenarprotokollen der vergangenen Sitzungen der vergangenen Wahlperiode darüber unterrichten, dass auch die Linke mehrmals zu diesen Fragen hier ausführlich Stellung genommen hat, sich kritisch mit der DDR, mit ihrer eigenen politischen Verantwortung, mit der der Vorgängerpartei SED auseinandergesetzt hat. Deshalb muss ich Sie fragen, dann reden Sie mit Ihren Fraktionskollegen: Woher nehmen Sie die Überzeugung, dass wir den politischen Mustern und Auffassungen der SED anhängen würden? Das ist in allen diesen zentralen Fragen nicht der Fall.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Jetzt vielleicht noch mal zu dieser Frage, die Sie auch erwähnt hatten. Ja, es ist völlig richtig, das, was in der DDR danach folgte – ich hatte es gerade erwähnt –, kann mit Demokratie und Freiheit im universellen Sinne in keinem Fall in Übereinstimmung

(Abg. Kobelt)

gebracht werden. Aber daraus können Sie nicht schlussfolgern, dass es etwa nicht so gewesen wäre, dass 1945 alle Menschen in Deutschland von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft befreit wurden – alle Menschen, egal, wie die Entwicklungen später unterschiedlich weitergegangen sind.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Deshalb ist dieser Tag in jedem Fall und auch bei unterschiedlichen geschichtlichen Bewertungen eines Gedenkens würdig, meine Damen und Herren. Das sage ich auch noch mal Ihnen von der CDUFraktion.

Ich will noch auf zwei Punkte verweisen. Wir hatten in der Fraktion der PDS – ich denke, diese ist es noch gewesen – vor vielen Jahren eine Debatte mit dem amerikanischen Wirtschaftskonsul, damals Herrn Linderman. Da ging es ziemlich zur Sache im Zusammenhang mit den aktuellen Kriegsentwicklungen im Irak und anderswo in der Welt. Dann kamen wir auch auf diese Fragen 1945 zu sprechen. Natürlich wissen wir um die Verbrechen unter Stalin in der Sowjetunion, die also gewaltige Opfer gekostet hatten, die mit Terror verbunden waren, die auch Millionen Kommunisten – im Übrigen im guten Glauben, sich für ihr Land einzusetzen – abgeschlachtet haben. Dieser amerikanische Konsul hat in der etwas erhitzten Debatte damals gesagt: Ja, wenn Sie uns für das und das kritisieren, dann müssen Sie uns aber auch dafür kritisieren – und das war für uns schon ein bisschen ein Überlegungsgrund im Nachgang, dass wir uns mit einem Diktator wie Stalin zusammengetan haben, um den Nationalsozialismus, seine Herrschaft, dieses mörderische Regime letzten Endes in der Anti-HitlerKoalition zu überwinden. Das gehört natürlich auch zur differenzierten Geschichtsbetrachtung, wenn man heute über diese Fragen redet.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Nun ganz zum Schluss: Ich weiß ja nicht, ob ich Sie in der Frage ein bisschen zum Nachdenken bringen kann. Eingedenk unserer kritischen Bewertung zur DDR, aber wenn man es sich genau überlegt, sicher wäre es aus heutiger Sicht gut gewesen für all die Menschen in Ostdeutschland, dieser Weg hätte nicht so gegangen werden müssen, wie er sich unter Führung der SED im Abgehen von ihren Idealen usw. vollzogen hat. Aber trotzdem, meine Damen und Herren, bleibt es geschichtlich eine Wahrheit: Auch die friedliche Revolution von 1989 wäre nicht möglich gewesen ohne den 8. Mai 1945 – denn das will sich doch von uns niemand vorstellen, was wir gehabt hätten, wenn die Anti-Hitler-Koalition Deutschland nicht von diesem Regime befreit hätte.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zu einer durchaus differenzierten Betrachtung der Wehrmacht. Das war übrigens für meine Begriffe ein kolossales geschichtliches Versäumnis in beiden deutschen Staaten nach 1945, auch in der DDR im Übrigen. Da war nämlich der Zustand, es gab die Kommunisten und dann noch die Sozialdemokraten ganz stark abgestuft und einige andere, die haben alle Widerstand geleistet, aber so, wie das bei uns immer rübergekommen ist, musste man eigentlich annehmen, das ganze Volk war irgendwie im Widerstand gegen die nationalsozialistische Herrschaft. In Westdeutschland wurden diese Themen auch nie andebattiert. Deshalb muss ich sagen: Ja, zu den schmerzlichen Wahrheiten von heute gehört auch, dass der überübergroße Teil der Menschen in Deutschland dieses Regime entweder unterstützt oder zumindest geduldet hat. Das ist eine schmerzliche Wahrheit, auch wenn man mit seinen Eltern und gegebenenfalls Großeltern darüber redet, und das ist sehr differenziert zu betrachten. Das ist alles richtig, meine Damen und Herren. Aber wenn man sich dieser Wahrheit heute im Jahr 2024

(Heiterkeit CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Entschuldigung –, 2015 nicht verschließen kann, dann ergibt sich doch daraus auch, wie das Verhältnis zur Wehrmacht gewesen ist, die nichts anderes war als diese Armee mit der ganzen Breite des Volkes bei der Größe, die sie letzten Endes hatte, und bei – das ist letztens erwähnt worden – 7 Millionen oder noch mehr Mitgliedern der NSDAP, die das politisch aktiv mitgetragen haben. Aus all diesen Gründen müssen wir uns natürlich weiter mit diesen Fragen auseinandersetzen. Wir werden immer differenzierte Betrachtungen haben. Aber ich bitte Sie noch mal unter diesem Gesichtspunkt, egal, wie die Entwicklung danach verlaufen ist, dieser 8. Mai 1945 war ein Tag der Befreiung, er hat erst wirklich ermöglicht, dass wir heute in diesem Thüringer Landtag debattieren können, und die friedliche Revolution von 1989 war auch die Voraussetzung dafür. Aber ich sage es noch mal: Sie hatte auch eine Voraussetzung im 8. Mai 1945. Denken Sie bitte darüber nach!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hausold. Er war seiner Zeit jetzt mächtig voraus. Es gibt eine weitere Wortmeldung des Abgeordneten Wirkner, CDUFraktion.

Werter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, es war heute nicht mein Thema,

(Abg. Hausold)

aber die angeregte Debatte hat mich bewegt und mich letzten Endes dazu angeregt, hier heute zu sprechen. Der 8. Mai 1945 war ein Tag der Freude und der Trauer zugleich, eine Freude für die, die ihre Männer aus dem Krieg zu Hause wieder empfangen konnten, und ein Tag der Trauer für jene, die ihre Heimat verloren hatten, ein Trauertag für jene, die ihre Männer im Krieg gelassen hatten oder Verwandte verloren hatten. Jeder hat den 8. Mai anders erlebt.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Welche Seite meinen Sie denn?)

Aber es war das Kriegsende, die Kapitulation eines nationalsozialistischen Systems gegenüber den Alliierten. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, ich bin erschüttert darüber, dass wir einen Gesetzentwurf einbringen müssen, um uns an diesen Tag zu erinnern und seiner zu gedenken. Das ist für mich – und, ich glaube, für viele, vor allen Dingen in den älteren Lebensjahren – eine Selbstverständlichkeit, dass der 8. März ein Gedenktag ist

(Zwischenruf aus dem Hause: 8. Mai!)

Entschuldigung –, der 8. Mai ein Gedenktag ist.

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Umso mehr befremdet es mich, dass es dazu überhaupt einen Gesetzentwurf geben muss. Ich persönlich kann nur sagen...

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Umso schlimmer ist Ihre Reaktion darauf!)

Bitte sind Sie nicht immer so laut, das stört den Ablauf hier. Ich habe Ihnen das schon einmal gesagt.

(Heiterkeit und Beifall CDU)

Man kann in der Ruhe über alles diskutieren. Ich bin beschämt darüber, in welcher Form diese Debatte zum 8. Mai hier abgelaufen ist. Ich sage Ihnen, ich brauche diesen Gedenktag nicht als gesetzlich festgeschriebenen Feiertag. Für mich ist das eine Selbstverständlichkeit und, ich glaube, für viele Menschen in unserem Land auch. Danke.

(Beifall CDU, AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wirkner. Ich schaue noch einmal ins Plenum. Es liegen mir keine Wortmeldungen von Abgeordneten vor. Für die Landesregierung hat sich Herr Staatssekretär Götze zu Wort gemeldet.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, lassen Sie mich für die Landesregierung zu dem Gesetzentwurf der drei re

gierungstragenden Fraktionen kurz Stellung nehmen.

Ja, der 8. Mai hat in der Geschichte Nachkriegsdeutschlands eine ambivalente Rolle gespielt. Er war auf dem Gebiet der DDR nahezu von Anfang an als Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus begangen worden und hatte hier über lange Jahre hinweg den Rang eines gesetzlichen, das heißt arbeitsfreien, Feiertags. Allerdings muss dieser Befund – darauf wurde in der Debatte bereits deutlich hingewiesen – mit folgendem Hinweis versehen werden: Es hat die Befreiung vom Nationalsozialismus und Faschismus in der ehemaligen DDR bekanntlich nicht in die Freiheit geführt. Ambivalenz und Unsicherheit mit dem Datum ließ sich aber auch in der alten Bundesrepublik beobachten. Hier brachte erst das Jahr 1985, in welchem sich das Kriegsende zum 40. Mal jährte, eine Wende und Neubewertung. Damals stellte der hier bereits oft zitierte Bundespräsident von Weizsäcker in seiner bekannten Rede vor dem Bundestag die Bedeutung des Tages als dann wahrgenommene Chance einer Zukunft in Freiheit in den Vordergrund. Einer Freiheit, die sich anderthalb Jahrzehnte später auch die Bürger im Osten Deutschlands erkämpfen konnten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich denke, dass nun 70 Jahre oder mehr als zwei Generationen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Zeit gekommen ist, der Bedeutung des Tags für die jüngere deutsche Geschichte, die auch die Geschichte Deutschlands in einem vereinten Europa ist, Rechnung zu tragen. Die Schaffung eines offiziellen Gedenktags, dauerhaft durch ein Parlamentsgesetz gesichert, ist hierzu der richtige Weg. Es wird damit in der Demokratie auch ein deutliches Zeichen gesetzt gegen jene Kräfte, die sich von den Parolen eines dumpfen Nationalismus angezogen fühlen, den freiheitlichen Rechtsstaat offen verachten und die Geschichte in einem völkisch-rassistischen Sinn umzudeuten versuchen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wäre Ihnen dankbar, wenn das Gesetzesvorhaben die größtmögliche Unterstützung des Hauses erfährt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Bedeutung des 8. Mai zu würdigen, sollte Anliegen aller demokratischen Parteien sein. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Noch einmal der Blick in die Runde. Es liegen mir keine Wortmeldungen mehr vor. Damit schließe ich die Aussprache.

(Abg. Wirkner)

Mir liegen eine Reihe von Anträgen auf Ausschussüberweisung vor. Ich lese diese erst einmal vor, verbunden mit der Frage, ob es dann noch weitere gibt; zunächst einmal an den Ausschuss für Europa, Kultur und Medien, Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft, Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz und natürlich an den Innenund Kommunalausschuss. Gibt es weitere Anträge? Das kann ich nicht erkennen, also stimmen wir jetzt in der Reihenfolge ab.

Wer für die Überweisung an den Ausschuss für Europa, Kultur und Medien ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Bei einer Reihe von Stimmenthaltungen aus den Reihen der AfD-Fraktion mit großer Mehrheit angenommen.

Ich stelle die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft zur Abstimmung. Wer dafür seine Stimme abgibt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus der CDUFraktion und eines Teils der AfD-Fraktion. Gegenstimmen? Gegenstimmen kommen aus den Reihen der Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und der SPD. Damit ist diese Überweisung abgelehnt.

Wir stimmen ab über die Überweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenprobe. Stimmenthaltun

gen? Stimmenthaltungen aus den Reihen der AfDFraktion. Damit mit großer Mehrheit angenommen.

Und last, but not least an den Innen- und Kommunalausschuss. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Wiederum Stimmenthaltungen aus den Reihen der AfD.

Wir stimmen nun noch über die Federführung ab. Die Federführung soll der Innen- und Kommunalausschuss erhalten. Wer dafür ist, den bitte ich um sein Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Wiederum aus einem Teil der AfD-Fraktion Stimmenthaltungen. Damit mit großer Mehrheit angenommen.