Protocol of the Session on February 27, 2019

Kollegin Rothe-Beinlich ist schon darauf eingegangen, wenn Privates politisch wird, jetzt zum zweiten Mal, das wird dann lustig hier. Punkt eins: Wir haben hier eine Aktuelle Stunde von der AfD, die zwei Sachen beschreibt, dass wir eine unzureichende Besetzung an den Regelschulen, nur an den Regelschulen, hätten, und zweitens die Schwächung der Regelschulen durch das Schulgesetz. Wenn man sich jetzt mal nicht mit den Beschreibungen der alternativen Fakten der AfD beschäftigt, sondern mit dem, was wirklich Realität in Thüringen ist, stelle ich Folgendes fest: Erstens, sehr geehrter Herr Kollege Höcke: Wir können nur die Lehrer einstellen, die wir tatsächlich haben. Es ist eben nicht so, dass wir keine Stellen haben, es ist so, dass wir keine Lehrkräfte haben. Deswegen gehen wir auch den Weg, dass wir die Regelschullehrer zukünftig genauso bezahlen wie die Gymnasiallehrer, weil wir dann eine laufbahngleiche Verwendung haben, weil wir dann auch die Gymnasiallehrer an den Regelschulen einsetzen können, ohne dass sie die Laufbahn wechseln müssen. Das stärkt die Regelschule. Nur, dass Sie es mal gehört haben, vielleicht kommt es irgendwann mal an.

Es sind nicht die fehlenden Stellen, auch nicht die Besetzungsverfahren, sondern insbesondere die fehlenden Lehrer, insbesondere im ländlichen Raum, insbesondere an den Regelschulen, insbesondere die Fachkombinationen, die uns zu schaffen machen. Sie wurden nie ausgebildet – bundesweit! Man kann und muss davon ausgehen, dass wir jetzt schon nur etwa jede zweite Stelle an den Regelschulen mit einem ordentlich ausgebildeten Regelschullehrer besetzen können. Deswegen nehmen wir jetzt das Schulgesetz in die Hand und sagen: Wir müssen als letztes Bundesland die Klassen- und Schulgrößen regeln. Wir müssen den Lehrerpersonaleinsatz so regeln, dass tatsächlich über Kooperationen die Fachabsicherung im Mittelpunkt steht. Das sind Lösungsvorschläge per Gesetz. Nehmen Sie es doch endlich mal zur Kenntnis. Das ist verantwortliche Politik, die wir hier betreiben, und dazu stehen wir auch.

Zweitens, die Landesregierung handelt. Nicht erst seit 2014, aber insbesondere ab 2014. Wir kommen nämlich in eine Zangenbewegung. Wir haben auf der einen Seite – Kollegin Rothe-Beinlich hat schon gesagt, wie viele junge Lehrerinnen und Lehrer wir eingestellt haben. Die sind aber in einer Familiengründungsphase, werden schwanger, sind in Elternzeit, sind „kindkrank“, die älteren Kolleginnen und Kollegen sind krank, meistens sehr lange

krank, und dadurch fällt – da wir nicht die mittlere Generation haben – der Unterricht aus. Wir stellen sehr viele Lehrerinnen und Lehrer ein, wir haben fünfmal mehr Schulbauinvestitionen als noch in der Legislatur vorher. Ministerpräsident Ramelow, Minister Hoff, jetzt der Bildungsminister Helmut Holter – damals noch in der Kommission „Zukunft Schule“ – haben Vorschläge erarbeitet, die auch in die entsprechenden Empfehlungen in den „Thüringenplan“ eingeflossen sind, den wir jetzt schon zu 90 Prozent abgearbeitet haben. Das alles wirkt und das alles wird an den Schulen wahrgenommen.

Nicht zuletzt das, was vorgestern passiert ist und heute in der Zeitung steht, dass sich der Ministerpräsident, der Bildungsminister und der Wissenschaftsminister zusammen mit den Hochschulleitungen hingesetzt und beschlossen haben, wir machen Lehrerbildung zum Schwerpunkt, wir gründen eine „Allianz für gute Lehrerbildung“, das alles stärkt insbesondere die Bereiche Naturwissenschaften, Sprachen, Sport – also die Mangelfächer. Dort wird der Schwerpunkt gebildet.

Sie sehen, wir brauchen nicht Ihren ziemlich dünn begründeten und hier vorgetragenen Antrag zur Aktuellen Stunde. Es ist auch nicht SOS. Diese Landesregierung mit den drei regierungstragenden Fraktionen hat die Situation erkannt. Wir arbeiten systematisch daran. Ja, das dauert. Das ist ein lebendes System, aber wir sind dran und bringen Verbesserungen vor Ort. Alle Maßnahmen, die jetzt und in den letzten Jahren ergriffen worden sind, arbeiten die Probleme ab, Frau Rosin, die Ihre Fraktion verursacht hat. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der SPD hat Abgeordneter Hartung jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wenn man als Letzter redet, dann hat man schon das eine oder andere gehört, kann sich darauf beziehen, muss nicht alles wiederholen, das hat also auch seine Vorteile.

Da haben wir jetzt also gelernt, dass die AfD so eine Aktuelle Stunde einbringt. Zur Regelschule habe ich von Herrn Höcke zwar nicht sonderlich viel gehört,

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Dann haben Sie nicht richtig zugehört!)

(Abg. Wolf)

außer die Geschichte seines Sohnes und den Schlachtruf: Hausaufgaben gegen Familienzerstörung. Das werde ich mir mal für die Zukunft merken. Frau Rosin hat zur Generalabrechnung von der Gebietsreform bis zum Gegensatz von Stadt und Land ausgeholt. Ich finde das schon spannend, Torsten Wolf hat schon darauf Bezug genommen, zur Einstellung zur Thüringer Gemeinschaftsschule. Das kenne ich auch aus dem Wahlkampf zur letzten Landtagswahl noch anders, da hat Frau Rosin noch deutlich anders gesprochen.

Aber egal, kommen wir zum Thema dieser Stunde: Wir haben ein Problem, das müssen wir unumwunden zugeben. Dieses Problem heißt Stundenausfall. Und ein Wert von durchschnittlich 6,6 Prozent Stundenausfall im November ist genauso inakzeptabel wie die Meldung, dass in der Grundschule Kamsdorf wegen Lehrermangels zur Vier-Tage-Unterrichtswoche übergegangen werden musste. Das ist ein Problem, aber da hilft es nicht zu polemisieren oder schönzureden, es hilft nicht, das immer wieder wie ein Mantra vor sich herzutragen, wir müssen endlich an den Stellschrauben drehen, um diesen Zustand abzustellen. Das tun wir doch. Ich will die Stellschrauben kurz skizzieren, die sich dafür ergeben. Das ist zum einen die Frage der Lehrereinstellung, zum anderem die Frage der Lehrerausbildung. Wir müssen an der Attraktivität des Berufs etwas ändern und wir müssen letztlich auch bei der Effizienz des Lehrereinsatzes bessere Ergebnisse erzielen.

Fangen wir beim Einstellungskorridor an. Wir haben zwischen 2015 und 2018 2.506 unbefristete Lehrerstellen besetzt. Wir werden in diesem Jahr noch einmal 1.200 Lehrer einstellen. Wir haben das Personalentwicklungskonzept 2025, das heißt also, den Stellenabbau für dieses und das nächste Jahr ausgesetzt. Wir haben die Möglichkeit geschaffen, frei werdende Stellen auch unterjährig zu besetzen. Das heißt, in dem Moment, in dem sie frei werden, können wir diese Stelle, so Lehrer vorhanden sind, so Bewerber vorhanden sind, sofort wieder besetzen. Das ist ein großer Unterschied zur Politik der früheren Jahre und ich glaube, das ist eine Hilfe, diese Einstellungsmöglichkeiten tatsächlich auch zu nutzen.

Darüber hinaus haben wir ab 2020 die Studienseminare auf 600 Teilnehmer erweitert. Das ist ein erster Schritt. Das wird sicher nicht der letzte Schritt sein, aber wir tun eben etwas im Unterschied zu anderen Regierungen. Wir sind jetzt gerade in den Haushaltsberatungen dabei, darüber zu reden, ob wir da nicht sogar noch eine Schippe drauflegen.

(Beifall DIE LINKE)

Wir sehen also, bei diesen ganzen Dingen haben wir tatsächlich den Ernst der Lage erkannt. Wir werden auch an der Attraktivität des Berufs etwas verändern. Das eine ist, Stellen besetzen zu wollen, das andere ist, Lehrer dafür auch zu gewinnen. Wir werden also schrittweise den Regelschullehrer – um den geht es hier angeblich bei der Aktuellen Stunde der AfD – auf die A13 anheben. Wir sind uns darüber im Klaren, dass es eine Frage der Gerechtigkeit ist, spätestens zu Beginn der nächsten Legislatur auch den Grundschullehrer entsprechend zu besolden. Wir werden darüber hinaus im Rahmen der Besoldungsgesetzesnovelle eine gangbare unbürokratische Regelung für die EinFach-Lehrer finden, sodass wir auch hier Lebensleistungen besser würdigen und dass wir auch hier auf die Menschen zugehen und ihnen ihren Job etwas schmackhafter machen. Aber all das kann nicht reichen. Wir müssen den Lehrereinsatz effizienter gestalten. Wenn wir uns die tatsächlichen Zahlen mal anschauen, dann haben wir auf dem Papier die beste Lehrer-Schüler-Relation aller Bundesländer. Wir geben mit das meiste Geld für die Schüler aus und haben trotzdem diese erheblichen Ausfallzeiten. Das hat etwas mit Einsatzeffizienz zu tun. Wenn wir hier das Hohelied der Schule vor Ort, der kleinen Schulen in kleinen Orten singen – und da stimme ich problemlos mit ein, ich möchte die kleine Schule am kleinen Ort auch erhalten –, müssen wir aber darüber nachdenken, wie wir den Lehrereinsatz an diesen Schulen effizienter gestalten können.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Unsere Antwort darauf ist die Kooperation, das ist eben nicht das Schließen kleiner Schulstandorte, es ist eben nicht das Akzeptieren großer Ausfallzeiten, sondern es ist einfach die Kooperation dieser Schulen untereinander, was dann auch dazu führt, dass die Kollegien, die sich untereinander absprechen, größer werden, dass am Ende konzeptionell für diese Schulen eine Perspektive aufgemacht wird, die eben weit über die Schließungsmöglichkeit hinausgeht. Insofern, denke ich, sind wir auf der Höhe der Zeit.

Meine Zeit hier vorn ist jetzt um, die 5 Minuten und 10 Sekunden sind durch. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat nun Minister Holter das Wort.

(Abg. Dr. Hartung)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich darf feststellen, dass der Fraktionsvorsitzende der AfD und seine bildungspolitische Sprecherin an der Debatte nicht mehr teilnehmen. Ich habe die Aktuelle Stunde immer so verstanden, dass es auch eine verbale Auseinandersetzung geben kann, aber die kann so nicht stattfinden.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Ich darf Sie, meine Damen und Herren, fragen: Was haben denn der Beitrag der AfD und der Beitrag der CDU zur Lösung des Problems beigetragen?

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Null!)

Null – nichts. Nicht eine Alternative, Frau Rosin, haben Sie aufgezeigt. Die Verantwortung der Opposition besteht darin, den Finger in die Wunde zu legen. Richtig.

(Unruhe CDU)

Ich war lange genug selbst Oppositionsführer im Norden, verstehe ich auch. Vollkommen richtig.

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Haben Sie unsere Anträge nicht gelesen?)

Verantwortung der Opposition, auch verfassungsrechtlich abgesichert, heißt auch, Alternativen zur Regierungspolitik aufzuzeigen. Wo sind Ihre Alternativen in Fragen der Schul- und Bildungspolitik?

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Ich habe sie heute nicht erlebt.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Wir haben einen Lösungsvorschlag genannt!)

Zweitens: Verantwortung von Opposition bedeutet auch, neben der Kritik Verantwortung für das Land und seine Menschen zu tragen.

(Unruhe CDU, AfD)

Sie wollen, dass mehr Lehrerinnen und Lehrer an den Regelschulen arbeiten. In dem Moment, wo Sie aber die Regelschulen hier richtig runtermachen, schlechtreden, motivieren Sie niemanden, Lehramt Regelschule zu studieren bzw. als Lehrerinnen und Lehrer an die Regelschule zu gehen.

(Zwischenruf Abg. Rosin, CDU: Das machen Sie doch zu Ihren Bedingungen!)

Ja, wir haben Probleme, das ist richtig. Das haben wir alle beschrieben, da sind wir uns auch einig. Unterricht fällt aus, Zensuren auf Zeugnissen tauchen nicht auf, Lehrerinnen und Lehrer fallen aufgrund von Erkrankungen aus – das gehört zur Wahrheit, das wissen wir, das haben wir hier mehr

fach gesagt. Und eines können Sie dieser Koalition nicht ins Stammbuch schreiben, dass sie nichts unternimmt, um den Stundenausfall zu minimieren, und nichts unternimmt, um die Regelschulen zu stärken.

Heute Abend findet wieder der parlamentarische Abend des Handwerks statt. Letztes Jahr durfte ich das erste Mal daran teilnehmen. Ein großer Inhalt war Bildungspolitik, weil das Handwerk, auch die Industrie, der Dienstleistungsbereich selbstverständlich große Erwartungen an die Schulabgängerinnen und Schulabgänger haben. Jede und jeder wird gebraucht und natürlich auch diejenigen, die über die Regelschule kommen – ganz klar –, auch diejenigen, die einen Hauptschulabschluss machen, und diejenigen, die den Realschulabschluss machen – gerade diese.

Aber ich will Sie mal fragen: Welche Partei war es denn eigentlich, die gesagt hat, dass möglichst viele Schülerinnen und Schüler ans Gymnasium gehen sollen? Ich glaube, das war die CDU hier in Thüringen, so wird mir zumindest berichtet.

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Sie glauben!)

Ja, die Frage, Herr Grob, ist doch: Ist mit der Orientierung „Leute, geht auf das Gymnasium“ nicht etwas passiert, was zu dem geführt hat, was Frau Rosin erst beschrieben hat?

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Wir waren schon immer für die Regelschule!)

Das ist genau die Frage: Hat das, was Sie als Herzstück beschrieben haben, auch zu Ihren Zeiten Bestand gehabt? Ich glaube nämlich nicht. Wenn ich mich im Land umhöre, dann wurde gesagt, möglichst viele sollen nach der vierten Klasse auf das Gymnasium gehen. Und damit sind diejenigen nicht in die Regelschule gekommen, die dort gebraucht werden. Wie viele Kinder und Jugendliche verlassen das Gymnasium und wechseln zurück an die Regelschule, weil sie eine falsche Entscheidung getroffen haben? Auch das gehört zur Wahrheit dazu und das, glaube ich, ist das, womit wir jetzt gerade aufräumen.

Nun werden Sie jetzt sagen, wir machen ideologische Politik. Natürlich! Rot-Rot-Grün ist angetreten, um das längere gemeinsame Lernen durchzusetzen, weil ich davon überzeugt bin und weil auch diese Koalition davon überzeugt ist. Das können Sie kritisieren, aber noch niemand – übrigens auch kein Landrat der CDU – hat mir gegenüber bewiesen, dass das längere gemeinsame Lernen schädlich wäre. Im Gegenteil,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

das längere gemeinsame Lernen trägt dazu bei, dass die Kinder Lernerfolge erzielen, um auch einen guten Schulabschluss zu machen.