Protocol of the Session on February 1, 2019

Das führt zu Wohlstandsverlusten in allen Bereichen, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete. Aber zugleich ist dieser umfangreiche krakenhafte Staat, der viel zu gerne reguliert, Herr Minister Tiefensee, der viel zu gerne vorschreibt und der sich viel zu gerne zum Kindermädchen aufspielt, zu schwach, sich selbst zu beschränken, notwendige – ich betone: notwendige – Staatsaufgaben zu erkennen und diese dann selbstverständlich auch mit den geeigneten Maßnahmen durchzusetzen. Was denn sonst!

(Beifall AfD)

Wir von der AfD setzen uns für einen schlanken Staat ein, der seine Bürger nicht bevormundet und ideologisch agitiert, sondern sich auf das Notwendigste und Notwendige beschränkt. Zugleich soll dieser Staat stark genug sein, dass er seinen Aufgaben gerecht werden und die als notwendig erkannten regulativen Bestimmungen unmissverständlich durchsetzen kann. Das ist unser Leitfaden in der Wirtschaftspolitik im Allgemeinen und bei der Bewertung des nun vorliegenden neuen Vergabegesetzes im Besonderen.

Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, der zunehmende Wust an vergabefremden Kriterien für öffentliche Aufträge führt zu einem immer größer werdenden Zielkonflikt zwischen der Maßgabe des Prinzips der Wirtschaftlichkeit in der Beschaffung einerseits und den sogenannten strategischen, also vergabefremden Beschaffungszielen andererseits. Dieser Zielkonflikt verschärft sich noch durch einschlägig nicht qualifizierte Mitarbeiter in den Behörden. In einer Umfrage aus dem Jahr 2016 – die Sie sicherlich auch kennen, sehr geehrter Herr Minister – gaben mehr als zwei Drittel der in der jeweiligen Behörde oder Einrichtung zuständigen Mitarbeiter der Vergabestelle an, nicht explizit für die Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen ausgebildet worden zu sein. In der Evaluierung des Vergabegesetzes, die Sie zumindest indirekt eben auch in Ihren Ausführungen erwähnt haben, sehr geehrter Herr Minister, wird dies klar und deutlich auch beschrieben und niedergeschrieben. 90 Prozent – was für eine große Zahl! – der öffentlichen Auftraggeber sagten aus, dass die Beschaffungsstellen nicht die personelle und institutionelle Fähigkeit haben, bei der Vergabe die den Umweltschutz und die Energieeffizienz betreffenden Aspekte stärker zu berücksichtigen. Wir danken den Behörden für ihre Offenheit und wir raten Ihnen,

(Beifall AfD)

sehr geehrte Landesregierung, lesen Sie vielleicht mal etwas intensiver Ihre eigenen Papiere.

(Beifall AfD)

Das immer komplizierter werdende Vergaberecht – nichts mit Bürokratieabbau, sehr geehrter Herr Minister, wie Sie das hier von vorne behauptet haben – und die Professionalisierungsdefizite in den Vergabestellen erklären dann auch die hohe Anzahl von Nachprüfungen und ebenso die hohe „Erfolgsquote“ in den Nachprüfungsverfahren. Daraus ergeben sich dann wiederum die zunehmenden berechtigten Beschwerden, sowohl aus der Unternehmerschaft wie aus den Vergabestellen selbst. Wir als AfD-Fraktion teilen diese Kritik.

(Beifall AfD)

Darum lehnen wir auch eine stärkere Berücksichtigung grüner Weltverbesserungsziele im Vergaberecht ab. Im Vergaberecht haben solche ideologischen Ansätze nichts zu suchen.

(Beifall AfD)

Sehr verehrte Landesregierung, sehr verehrter Minister Tiefensee, Sie vergrößern den bürokratischen Aufwand durch Nachweispflichten und schrecken Unternehmen ab, die sich sonst an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen würden. Damit schaden Sie der Thüringer Wirtschaft, dem Freistaat und Sie schaden letztendlich besonders den Bürgern in Thüringen.

(Beifall AfD)

Wenn Sie Unternehmen und Unternehmer von Ausschreibungen abschrecken, dann wird es immer schwieriger, öffentliche Investitionen umzusetzen. Entsprechend negative Folgen für unsere heimische Infrastruktur sind dann die Folge. Gerade Unternehmen im handwerklichen Bereich können sich – und das wissen Sie –, Gott sei Dank – muss ich sagen –, im Augenblick vor Aufträgen aus dem privaten Sektor kaum noch retten.

(Beifall AfD)

Noch mal, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister Tiefensee: Unternehmen und Unternehmer haben im Rahmen der freiwilligen unternehmerischen Gesellschaftsverantwortung ohnehin ein ausgeprägtes Selbstinteresse, ökologischere Produkte und Fertigungstechniken anzubieten, wenn die Marktnachfrage der Menschen das verlangt. Zweifellos verlangt die Marktnachfrage der Menschen eben dieses unternehmerische Handeln. Das Vergaberecht – ich betone: das Vergaberecht – ist also das falsche Mittel, um politisch motivierte Ziele durchzusetzen. Beim Vergaberecht darf es nur um erstens Rechtssicherheit, zweitens Transparenz und drittens Wirtschaftlichkeit in der Beschaffung gehen.

(Beifall AfD)

Ganz anders, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, stellt sich die Situation beim Aspekt des Mindestlohns im Vergaberecht dar. Die Kritik, dass ein spezifischer Mindestlohn im Vergaberecht das grundsätzlich geschützte Recht der Tarifpartner und Parteien der Verhandlung zur Lohnfindung unterlaufe, greift hier tatsächlich zu kurz. Der Staat beeinflusst die Lohnfindung immer, allein durch seine schiere Existenz. Er stellt Beamte oder Angestellte ein und fragt so Arbeitskräfte nach. Er verknappt oder vergrößert das Arbeitskräftepotenzial durch Einführung oder Abschaffung einer allgemeinen Dienstpflicht, beispielsweise der Wehrpflicht, oder auch durch die Anhebung oder die Absenkung des Renteneintrittsalters.

Es stört mich. Frau Präsidentin, es stört!

Ich bitte, auf der Regierungsbank die Gespräche leise zu führen.

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Mich stört der Redner da vorn gerade, Frau Präsidentin!)

Frau Präsidentin, das ist unverschämt!

Frau Abgeordnete König-Preuss, jeder Redner hat das Recht, hier seine Meinung darzustellen.

Ich finde das wirklich unerträglich. Ich habe den Herrn Ministerpräsidenten zu Beginn meiner Rede aufgefordert, bitte etwas leiser zu sein. Jetzt muss ich noch mal dazu auffordern. Das ist doch mein Recht als Abgeordneter, hier ungestört reden zu dürfen.

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Sie haben überhaupt niemanden zu etwas aufzufordern!)

Ich finde, das ist eine Sauerei. Ich fahre …

Herr Abgeordneter Höcke! Herr Abgeordneter Höcke! – Ich bitte um Ruhe!

Ich fahre fort.

Herr Abgeordneter Höcke, die Aufforderung zur Ruhe gegenüber der Regierungsbank geht von diesem Stuhl hier aus. Ich bitte die Regierungsbank – wie gestern auch und in jeder Debatte –, sich zurückzuhalten, damit die Redner vorn nicht gestört werden. Ebenso bitte ich um Aufmerksamkeit im ganzen Haus.

Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin.

(Beifall AfD)

Der Staat sitzt also zumindest immer am Verhandlungstisch, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete und beeinflusst so die Lohnfindung. Er hat auch in seinen Bundesländern immer der grundvernünftigen Forderung zu dienen, die da lautet: gleiches Geld für gleiche Arbeit. Dass in Thüringen im Durchschnitt nur 76 Prozent des Lohns eines Westdeutschen verdient werden, ist für uns als AfD tatsächlich ein inakzeptabler Zustand.

(Beifall AfD)

Jedoch hat der Freistaat Thüringen die Pflicht, seinen Beitrag zu leisten – wer zweifelt daran. Darum fordern wir einen Vergabemindestlohn, der eben um diese etwa 20 Prozent höher liegt als der allgemein verbindliche Mindestlohn. Dann kommen wir auch in einen Bereich, wo man tatsächlich eine Altersvorsorge über Rentenbeiträge generieren kann, die einem ein menschenwürdiges Altern ermöglichen, Herr Wirtschaftsminister.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Das müssen Sie aber noch mal genauer vorrechnen, ob das stimmt!)

Das können wir uns dann gerne mal durchrechnen, ja, Herr Emde. Wir rechnen uns das gerne mal durch. Lesen Sie mal unser Rentenkonzept durch, da steht viel Sinnvolles und Wertvolles drin.

Sehr geehrte Damen und Herren, natürlich werden die Kosten von den Unternehmern dann in Form höherer Preise an den Staat weitergegeben. Die Lohnangleichung in Ost und West muss es uns aber wert sein, auch wenn wir dann immer weniger Geldmittel für links-grüne Weltverbesserungspolitik zur Verfügung haben.

(Beifall AfD)

Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, wir wollen die kleinen und mittelständischen Unternehmen und Unternehmer entlasten, wo es geht, weniger Bürokratie, geringere Steuerbelastung, weniger Bevormundung

(Unruhe CDU)

ja, da regt sich die CDU auf –, weniger Verbote, mehr Freiheit, mehr Fortschritt. Wir wollen aber auch, dass die Arbeiter und Angestellten dann auch mehr vom größer werdenden Kuchen bekommen. So geht gute Wirtschaftspolitik, dafür steht die AfD. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Danke schön. Als Nächstes hat Abgeordneter Hausold von der Fraktion Die Linke das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, also manches, was ich jetzt in der Rede gehört habe, das höre ich natürlich manchmal auch von den Kollegen aus der CDU. Aber ich bin bei Weitem nicht etwa an dem Punkt. Was man vergleichen kann, kann man lange nicht gleichsetzen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber auf meinen Vorredner eingehend will ich sagen: Sie haben hier ein Kauderwelsch geboten, wie das für Sie typisch ist. Sie wollen auf der einen Seite vorgaukeln, dass Sie natürlich konsequent sind, also gegen die Regulierung, Sie wollen deregulieren. Sie werfen das der Landesregierung vor. Ich befasse mich hier gar nicht mit einzelnen Punkten. Da muss ich Ihnen doch mal sagen: Der Mensch, der wenig Einkommen hat, der Mensch, der als sozial schwach gilt, gar als armutsgefährdet, der Mensch, der verschiedene Handicaps hat, der braucht einen Staat, der sozial und politisch reguliert.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer über Vermögen verfügt, über ein sehr gutes überdurchschnittliches Einkommen, vielleicht nicht von Handicaps betroffen ist usw., der hat diese Regulierung des Staates allerdings bei Weitem nicht so notwendig. In dem Spannungsfeld liegt die Verantwortung der Politik. Deregulierung hatten wir in den letzten 30 Jahren; die Ergebnisse sind im Übrigen zu besichtigen. Wer also für Deregulierung eintritt, der braucht dann hinterher nicht für einen vergabespezifischen Mindestlohn zu heucheln. Das ist Politik, die in der Öffentlichkeit die Leute hinter die Fichte führen soll. Das können Sie ja aber gut!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte ausdrücklich dem Ministerpräsidenten, ich möchte dem Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee, der Landesregierung insgesamt dafür danken, dass wir – wenn auch nach einer langen Beratung – dieses Gesetz heute, diesen Gesetzentwurf vorliegen haben. Er ist – und das lässt sich schon jetzt sagen – ein Fortschritt für Beschäftigte, ein Fortschritt für Unternehmen, auch ein Fortschritt für die, die damit zu tun haben, die öffentlichen Vergabestellen. Deshalb hat sich die Debatte dazu bis hierher sehr gut gelohnt und ich denke, das wird sich auch in der parlamentarischen Beratung fortsetzen.