Protocol of the Session on January 30, 2019

Dort haben wir als Land auch ohne große Unterstützung des Bundes – muss man leider sagen – Möglichkeiten zur sozialen Wohnungsbauförderung. Da ist uns als Grünen aufgefallen – das wollen wir ändern –, dass zu wenig Mittel abfließen. Das hat einmal damit zu tun, dass über die letzten Jahre viel in das Wohnungsbauvermögen geflossen ist. Wir haben von Anfang der Legislatur an gesagt: Wir wollen jetzt an die Ursache herangehen und mehr sozialen Wohnungsbau betreiben, da gibt es noch Potenzial nach oben. Zum Beispiel sind die Investitionszuschüsse an Wohnungsbauunternehmen letztes Jahr auf ein Rekordtief von 1,5 Millionen Euro gesunken. Das ist eine starke Reduzierung in den letzten Jahren. Dort wollen wir im Haushalt 2020 mit der zehnfachen Summe, die jetzt eingestellt ist, einen ganz anderen Weg gehen.

Dazu gehört aber auch, dass wir das Angebot für den sozialen Mietwohnungsbau attraktiver gestalten, indem wir gerade Zuschüsse, die jetzt schon

(Abg. Rudy)

möglich sind, um die Nebenkosten zu senken, bereitstellen. Da bin ich auch einer ganz anderen Meinung als die AfD. Wir müssen die Mieter unterstützen, dass sie zum Beispiel mehr bei Heizenergie einsparen oder bei den Nebenkosten. Wir haben die erste Möglichkeit dafür geschaffen, dass bei einer ökologischen Sanierung, bei einer Erneuerung, zehn Prozent Zuschuss gegeben werden kann. Leider wurde das Programm noch viel zu wenig beworben. Wir sollten diesen Teil stärken, damit sich die Mieterinnen und Mieter auf sinkende Nebenkosten einstellen und davon profitieren können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine andere Möglichkeit, die wir haben, ist unsere Landesentwicklungsgesellschaft. Hier ist es leider auch so, dass in den 90er-Jahren – aber jetzt auch immer noch – in vielen Bereichen verstärkt auf das Einfamilienhaus auf der grünen Wiese gesetzt wurde und dort durch staatlich unterstützte Gelder, die nicht wie bei Privatinvestoren ständig fließen können, den Einfamilienhausbau unterstützt und Bauland erschlossen wird. Für Bauland können die Kommunen und Private sorgen, das müssen wir nicht als Land unterstützen. Wir wollen die Gelder lieber für ökologische Sanierung oder für den sozialen Wohnungsbau einsetzen. Dafür wünsche ich mir mehr Unterstützung. Dann brauchen wir auch nicht eine einseitige Forcierung der Versiegelung von Landwirtschaftsflächen oder einer Mietobergrenze, die nichts bringt. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Für die Regierung hat das Wort Herr Staatsekretär Dr. Sühl. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung zur bundesweiten Mietbelastungsquote – also dem Verhältnis zwischen Einkommen und Mietaufwendungen – rücken die steigenden Kosten des Wohnens wieder in den Blick einer breiten Öffentlichkeit. Daher bedanke ich mich ausdrücklich bei der Fraktion Die Linke für die Initiative, diese Thematik im Rahmen einer Aktuellen Stunde hier im Thüringer Landtag aufzugreifen. Gerne nehme ich die Gelegenheit war, auf das im Antrag beschriebene Anliegen einzugehen.

Meine Damen und Herren, die regierungstragenden Parteien haben im Koalitionsvertrag dem Thema „Bauen und Wohnen“ eine besondere Bedeutung beigemessen. Es heißt dort, ich zitiere – Frau Präsidentin mit Ihrer Erlaubnis –: „Wohnen ist kein Gut

wie jedes andere, sondern ein existenzielles Grundbedürfnis.“ Dazu steht diese Regierung. Meine Damen und Herren, Sie werden sich an die Diskussion erinnern, die unser für den sozialen Wohnungsbau zuständiges Ministerium vor noch nicht allzu langer Zeit mit Vertretern der Thüringer Wohnungswirtschaft zu den Fragen geführt hat: Brauchen wir einen sozialen Wohnungsbau in Thüringen oder nicht? Brauchen wir eine Mietpreisbremse oder nicht?

Noch auf den Tagen der Thüringer Wohnungswirtschaft im Mai 2017 erklärte ein Sprecher des Verbands der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, also des vtw, angesichts von durchschnittlichen Nettokaltmieten der vermieteten Wohnungen in Thüringen von 4,85 Euro, angesichts von Durchschnittspreisen bei Neuvermietungen zwischen 5 und 6 Euro pro Quadratmeter und angesichts von Bestandsmieten in Erfurt von durchschnittlich 5,05 Euro und in Jena von 5,55 Euro verbiete es sich, für Thüringen von angespannten Märkten zu reden, die einer Regulierung bedürfen, oder gar Wohnraum als nicht bezahlbar zu bezeichnen. Ich erinnere mich auch an eine Debatte in der Jenaer Stadtratssitzung im Februar 2016, in der die Forderung der Stadtratsfraktion der Linken nach mehr sozialem Wohnungsbau in Jena von nahezu allen anderen Fraktionen mit großer Skepsis abgelehnt wurde.

Meine Damen und Herren, die Lage der Wohnungswirtschaft und das Angebot an bezahlbaren Wohnungen in Thüringen sind komplizierte und kontrovers diskutierte Themen. Das liegt an dem sehr heterogenen Wohnungsmarkt in unserem Freistaat. In einer Studie von empirica-systeme, die im Auftrag des Fernsehmagazins „Panorama“ erstellt und vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde, wird dies für Thüringen sehr deutlich. Diese Studie hat deutschlandweit ermittelt, wie hoch der prozentuale Anteil am Einkommen ist, den ein Haushalt mit durchschnittlichem Einkommen für eine Dreizimmer-Neubauwohnung ausgeben muss. Die Zahlen für Berlin lauten 41,3 Prozent, für Frankfurt/Main 40,7 Prozent und für Leipzig 37,5 Prozent. Mit anderen Worten, keine Durchschnittsfamilie kann sich in diesen Städten eine Dreizimmer-Neubauwohnung leisten.

Schauen wir uns einige Zahlen für Thüringen an. Dass eine Durchschnittsfamilie in Jena, Gotha und Erfurt fast ein Drittel ihres Einkommens für eine Dreizimmer-Neubauwohnung ausgeben muss, nämlich 32,6 Prozent in Jena, 32,1 Prozent in Gotha und 30,3 Prozent in Erfurt, macht deutlich, dass wir uns in einer Entwicklung befinden, die durchaus besorgniserregend ist.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Abg. Kobelt)

In den Städten Erfurt und Weimar, die vergleichsweise schon hohe Mieten hatten, und im Landkreis Sömmerda sind die Mieten in den vergangenen vier Jahren um 37 bzw. 35 Prozent gestiegen. Diese Prozentsätze machen deutlich, warum Wohnungsbauministerin Birgit Keller immer wieder darauf hingewiesen hat, wie wichtig es ist, jetzt den Bau neuer Wohnungen und hier insbesondere den sozialen Wohnungsbau zu forcieren,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

um so einem weiteren unheilvollen Anstieg der Mietpreise entgegenzuwirken. Wir wollen nicht warten, bis wir Verhältnisse wie in München, Berlin oder Frankfurt haben, wo sich nur noch sehr wohlhabende Familien Wohnungen in den Innenstädten leisten können. Wenn wir nicht zulassen wollen, dass Krankenschwestern, Kindergärtner, Altenpfleger, Busfahrer, Verkäuferinnen und Polizisten keine bezahlbaren Wohnungen mehr in Jena und Erfurt finden, also dort, wo ihre Arbeitsplätze sind und wo sie gebraucht werden, dann müssen wir für viel mehr bezahlbaren Wohnraum sorgen, als wir das in den vergangenen Jahren getan haben. Wir werden uns nicht mit dem Hinweis aus der Verantwortung stehlen, dass es doch noch genügend bezahlbare Wohnungen im ländlichen Teil Thüringens gibt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, zum Glück sind wir in Thüringen noch nicht in der Situation, wie wir sie in anderen Regionen Deutschlands finden. Das zeigen die günstigeren Mietbelastungsquoten in vielen Thüringer Städten und Landkreisen. 18,2 Prozent muss ein Haushalt aus seinem Einkommen für eine Dreizimmer-Neubauwohnung im Weimarer Land zahlen. Allerdings schon 24,7 Prozent in der Stadt Weimar. 20,4 Prozent sind es im Saale-Holzland-Kreis, 21,8 Prozent im Ilm-Kreis, 18,1 Prozent in Eisenach und 15,4 Prozent in Gera. Diese Zahlen zeigen, wie heterogen die Lage in unserem Freistaat ist, und sie zeigen auch, dass es für die Landes- und Kommunalpolitik keine einfache Lösung mit der Gießkanne geben kann.

Bei einer Gesamtschau der Wohnungssituation in Thüringen kommen wir deshalb auf eine durchschnittliche Mietbelastungsquote von knapp 24 Prozent – auch schon sehr hoch. Dieser Wert stammt allerdings aus dem Mikrozensus 2014. Bundesweit hatte Thüringen damit hinter Sachsen die zweitgünstigste Mietbelastungsquote. Die Wohnungsmieten in Thüringen bewegen sich auch heute noch im bundesweiten Vergleich nach wie vor im unteren Preissegment, aber sie steigen.

Wir haben Städte mit einem angespannten Wohnungsmarkt, wo die in der Regel städtischen Wohnungsbaugesellschaften mit Unterstützung des Landes mehr für den Neubau bezahlbarer Wohnungen, also für den sozialen Wohnungsbau, tun müs

sen als in der Vergangenheit. Und wir haben Städte und Gemeinden, in denen es einen Leerstand von über 10 Prozent gibt und es den Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften schwerfällt, die Mieteinnahmen zu erzielen, die sie benötigen, um überfällige Sanierungen zu finanzieren. Ich verweise beispielhaft auf den Landkreis Hildburghausen und auf die kreisfreie Stadt Suhl. Im Landkreis Hildburghausen lagen die Mieten im Jahr 2017 um 9 Prozent unter denen von 2008. Dieser Mietrückgang im Landkreis wird sogar noch dadurch etwas gedämpft, dass die Mieten in der Kreisstadt im genannten Zeitraum um 11 Prozent gestiegen sind. Und in Suhl lagen die Mieten 2017 um 5 Prozent unter denen von 2008. Die Entwicklung auf solchen Wohnungsmärkten in Thüringen erklärt auch, warum wir auch in Zukunft Wohnungsrückbau genehmigen werden, also den Abriss insbesondere von Plattenbauten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich sehr darüber, dass wir inzwischen mit der Thüringer Wohnungswirtschaft in einem guten Einvernehmen einen gemeinsamen Weg gefunden haben. Bedenken Sie bitte, dass die Anzahl von Sozialwohnungen in Thüringen von 2005 bis 2018 von 62.576 auf 17.215 gesunken ist. Das ist eine Abnahme um sage und schreibe 72,5 Prozent. Und sie sinkt täglich weiter, weil die Preis- und Belegungsbindungen für mehr Wohnungen enden als neue preis- und belegungsgebundene Sozialwohnungen gebaut werden.

Daher haben wir 2015 die Förderrichtlinien für den sozialen Wohnungsbau einer ersten Überarbeitung unterzogen. Damit hat der soziale Wohnungsbau in Thüringen im vergangenen Jahr wieder eine größere Bedeutung bekommen, es wird wieder investiert. 50 Millionen Euro stellt Thüringen jährlich für den sozialen Wohnungsbau bereit. Diese Mittel kann die Wohnungswirtschaft über verschiedene Förderprogramme im Bereich Neubau und Sanierung als Darlehen oder Zuschuss für den sozialen Wohnungsbau abrufen.

Um diese positive Entwicklung weiter zu verstetigen, haben wir Ende letzten Jahres unsere Richtlinien im sozialen Wohnungsbau in enger Abstimmung mit dem vtw (Verband Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e. V.) noch einmal überarbeitet und den sich stetig ändernden Erfordernissen des Wohnungsmarkts angepasst. So wurden in den Richtlinien die Einkommensgrenzen für Wohnungssuchende um 20 Prozent erhöht, um den Einkommensentwicklungen der letzten Jahre Rechnung zu tragen, den Kreis der Mieter mit Wohnberechtigungsschein zu erweitern. Zudem soll bei einer Verlängerung der Belegungsbindung um fünf Jahre auch die Zinsfreiheit für ein Darlehen um fünf Jahre verlängert werden. Darüber hinaus soll ein Baukostenzuschuss für Neubauprojekte anders als bisher auch dann gezahlt werden, wenn die ortsübliche

(Staatssekretär Dr. Sühl)

Miete auch ohne diesen Zuschuss erreicht werden kann.

Mit der Neufassung der Förderrichtlinien haben wir einen weiteren entscheidenden Schritt getan, um den sozialen Wohnungsbau in Thüringen zu stärken. Inzwischen können wir eine rege Nachfrage nach Fördermitteln verzeichnen, und das ist auch dringend nötig. Wir erwarten, dass aufgrund dieses Instruments der geförderte Wohnungsbau weiter an Fahrt gewinnt und wir damit auch der sinkenden Zahl an belegungsgebundenen Wohnungen Einhalt gebieten können. Dies ist eine entscheidende Maßnahme, um auch in der Zukunft dem Personenkreis, der sich aufgrund finanzieller Umstände auf dem freien Wohnungsmarkt nicht ausreichend mit Wohnraum versorgen kann, eine angemessene Wohnung anbieten zu können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenden wir uns wieder den Städten Erfurt und Jena zu. Aufgrund der festgestellten Wohnungsknappheit haben wir mit Zustimmung beider Städte vor nunmehr drei Jahren eine Mietpreisbremse per Rechtsverordnung eingeführt. Damit wird bei Neu- und Wiedervermietung von Wohnungen die Steigerung der Miethöhe auf maximal 10 Prozent im Vergleich zur ortsüblichen Miete begrenzt. In keiner anderen Stadt in Thüringen waren die rechtlichen Voraussetzungen für die Einführung der Mietpreisbremse gegeben.

Für das Gebiet der Stadt Erfurt beabsichtigt die Landesregierung zudem, von der Möglichkeit des § 558 Abs. 3 BGB Gebrauch zu machen und per Rechtsverordnung eine Kappungsgrenze einzuführen. Dabei wird bei bestehenden Mietverträgen die Möglichkeit der Mieterhöhung auf 15 Prozent begrenzt, um den Anstieg der Mieten in Bestandsmietverhältnissen zu verlangsamen. Hierzu hat das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft aktuell einen Entwurf erstellt, der nach den erforderlichen Abstimmungsprozessen alsbald vom Kabinett bestätigt werden soll.

Als eine weitere Maßnahme zur Entspannung auf den Wohnungsmärkten wird sich die Landesregierung im Bundesrat für die Umsetzung des Wohngeldstärkungsgesetzes zum 1. Januar 2020 einsetzen, wonach unter anderem eine Leistungsverbesserung für Wohngeldbezieher vorgesehen ist. Auch dieses Instrument ist eine Säule, mit der wir im unteren und mittleren Mietpreissegment unterstützend wirken können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in einer Gesamtschau dieser Instrumente zeigt sich, dass die Landesregierung entscheidende Maßnahmen ergriffen hat, um die Wohnungsmarktsituation in Thüringen in die richtigen Bahnen zu lenken.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch kurz auf die Diskussion um eine stärkere Nutzung der Gestal

tungsmöglichkeiten des Landes im Sinne einer stärkeren Mietpreisdeckelung eingehen. Auch wenn mir diese Überlegungen auf den ersten Blick sympathisch erscheinen, sind viele Aspekte in dieser Diskussion gerade unter dem Blickwinkel der Gesetzgebungskompetenzen und Grundrechtseinschränkungen problematisch. Ich gestehe gern, dass ich es durchaus begrüßen würde, wenn die Länder eine rechtssichere Möglichkeit hätten, auf eine aus dem Ruder laufende Mietpreisentwicklung zu reagieren, und zwar mit effektiveren Instrumenten als der Mietpreisbremse. In diesem Sinne verstehe ich auch die Debatten in Berlin angesichts der dort herrschenden Lage auf den Wohnungsmärkten. Wie auch aus der Presse zu entnehmen war, will das Land Berlin diese Denkansätze prüfen; ich gehe davon aus, dass damit auch eine juristische Prüfung verbunden sein wird. Wir werden das Ergebnis der Prüfung abwarten und danach festlegen, ob sich daraus Schlussfolgerungen mit Blick auf eine weitere Landesinitiative Thüringens ergeben könnten. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen, damit schließe ich den zweiten Teil der Aktuellen Stunde und rufe auf den dritten Teil

c) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: „Ende Gelände? – Energiepolitische Konsequenzen aus dem geplanten Kohleausstieg für Thüringen“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 6/6713

Ich eröffne die Aussprache und das Wort hat Herr Abgeordneter Kobelt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben das Thema „Kohleausstieg“ heute auf die Tagesordnung genommen, weil es zum einen ein bundespolitisch brisantes Thema ist, aber zum anderen auch Auswirkungen auf Thüringen hat, auch wenn das nicht so direkt nachvollziehbar ist. Aber ich möchte Ihnen das gern erläutern.

Zunächst erst mal unsere ganz klare Position, dass der sogenannte Kohleausstiegskompromiss aus

(Staatssekretär Dr. Sühl)

unserer Sicht nicht ausreichend ist. Wenn wir eine CO2-Verminderung durchführen wollen, dann ist ein Ausstiegsdatum von 2038 aus unserer Sicht gesehen kein gutes Ziel. Es ist sogar noch zu erwarten, dass es bei der Gesetzesumsetzung der Bundesregierung dann noch eine weitere Verwässerung des Kompromisses gibt. Deshalb sagen wir als Grüne ganz eindeutig: Der Kompromiss kann nur ein erster Schritt sein und ein zukünftiges Regierungshandeln muss viel stärker in die CO2-Reduzierung gehen, damit Deutschland zumindest noch halbwegs in dem Bereich seine CO2-Ziele, Klimaschutzziele, die es weltweit versprochen hat, erfüllen kann.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ganz konkret hat die Kohlekommission, sozusagen der Kompromiss, vorgesehen, dass es für die Reviere, die von dem Kohleausstieg betroffen sind, Entschädigungszahlungen gibt. Da sage ich ganz klar: 40 Milliarden Euro, das klingt erst mal nach einer großen Summe, ist aber für den Strukturwandel erstens nicht ausreichend und zweitens finden wir, dass die Maßnahmen, die dort vorgeschlagen sind, eigentlich eine Selbstverständlichkeit von Bundesund Landespolitik sein sollten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn wenn wir jetzt hören, dass in die betroffenen Regionen mehr investiert werden soll, in ein 5GNetz, in Infrastrukturmaßnahmen wie Netzausbau oder wie Verkehrsausbau für Schieneninfrastruktur, dann müssen wir doch ganz eindeutig sagen: Das ist eine Selbstverständlichkeit für Bundespolitik, in Schieneninfrastruktur zu investieren, und nicht nur in den betroffenen Regionen, sondern auch in ganz Deutschland, auch in Thüringen. Und das werden wir auch weiterhin von der Bundesregierung einfordern.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und dann kann man nicht solche Sowieso-Investitionen damit rechtfertigen und dort Mittel binden und vielleicht an anderer Stelle den notwendigen Wandel im Verkehr einfach nicht durchführen, denn wir haben in dem Verkehrssystem genug Geld, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir haben 60 Prozent der Verkehrsinfrastrukturförderung im Bundesverkehrswegeplan in Autobahnen, in Bundesstraßen investiert. Da ist es aus unserer Sicht einfach sinnvoll, aus ökologischer Sicht, aber auch aus ökonomischer, nicht immer mehr Versiegelung im ländlichen Raum durch neue Straßen zu planen und zu bauen, sondern einfach mal die Verkehrswende in die Hand zu nehmen und in Schieneninfrastruktur zu setzen und in neue Mobilitätsinfrastrukturen, die Länder und die Kommunen beim Radwegeausbau oder für den öffentlichen Nahverkehr zu unterstützen. Das kann man dann aber nicht mit einem Kohlekompromiss sozusagen

durch die Hintertür nur für einzelne Regionen durchführen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen uns natürlich auch Gedanken machen. Als Land Thüringen klingt es so, dass wir von dem Kohlekompromiss nicht betroffen sind, also im negativen wie im positiven Sinne von den Förderungen auch abgeschnitten sind. Und da müssen wir natürlich sagen: Thüringen war in den letzten 30, 40 Jahren sehr wohl vom Kohleabbau betroffen. Wenn ich sehe, als Frau Ministerin Siegesmund in Ostthüringen war, wo es jetzt noch darum geht, sozusagen die Umweltsünden aus den letzten Jahrzehnten zu heilen, was dort auch für Landesmittel investiert werden müssen, dann sagen wir in Thüringen ganz deutlich: Der Braunkohletageabbau zum Beispiel in Sachsen und Sachsen-Anhalt hat sehr wohl Umweltauswirkungen auf Thüringen und da lassen wir den Bund nicht einfach raus. Der muss uns dort auch für die letzten Jahrzehnte unterstützen und Entschädigungen dafür zahlen.