Protocol of the Session on December 14, 2018

(Unruhe AfD)

Wenn Sie das nicht verstehen, lieber Herr Gruhner, dann kann ich Ihnen auch nicht mehr helfen.

Jetzt noch mal was zum Verfahren. Es gibt für jedes Windrad in diesem Land – wer von Ihnen noch kein Buch unter dem Weihnachtsbaum liegen hat, lese von Juli Zeh „Unterleuten“ – ein ganz normales Verfahren. Am Ende unterstellen Sie uns bei dem Klimagesetz, wir würden mit Verboten handeln. Das ist falsch. Die Regionalen Planungsgemeinschaften entscheiden, wo welches Vorranggebiet ist, niemand anderes, lieber Herr Gruhner.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe CDU)

Wer etwas anderes behauptet, der behauptet nichts Richtiges oder hat das Gesetz nicht verstanden. Deswegen hoffe ich, dass wir in diesem Sinne ein gutes Gesetz heute verabschieden. Wie Sie sehen, ist es noch ein weiter Weg, bis wir dahin kommen. Es gibt unterschiedliche Methoden, man muss die auch nicht gegenseitig teilen, aber ich glaube, dass wir mit diesem Gesetz Thüringen zukunftsfähig machen. Deswegen bitte ich um Ihre Zustimmung. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Die Nachfrage von Herrn Abgeordneten Malsch, Frau Ministerin?

(Zwischenruf Siegesmund, Ministerin für Um- welt, Energie und Naturschutz: Oh, sorry! Jetzt habe ich Sie vergessen! Darf ich noch mal vor?)

Frau Ministerin, ich habe nur eine Frage: Wird es denn nach der Datenerfassung durch die Unternehmen dann so sein, dass die Unternehmen wieder ein Klimarettersparbuch bekommen,

(Beifall CDU)

wo die Gutscheine von nicht Thüringer Unternehmen zur Verbesserung der Energielage drin sind?

(Beifall CDU)

Das ist eine wirklich spannende Frage. Ich habe das bislang nicht erwogen und habe eigentlich auch nicht vor, das in irgendeiner Form in Erwägung zu ziehen. Ich hatte gehofft, dass sich Ihre Frage fachlich um das Klimagesetz dreht, das ist nicht der Fall, deswegen können wir jetzt, denke ich, in die Abstimmung eintreten.

(Beifall DIE LINKE)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen, dann schließe ich die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung zum Gesetzentwurf, als Erstes über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Energie und Naturschutz in der Drucksache 6/6509. Wer ist dafür? Dafür sind die Fraktionen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Wer ist dagegen? Dagegen sind die Fraktionen der AfD und der CDU. Wer enthält sich? Keine Enthaltung. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksache 6/4919 in zweiter Beratung unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Abstimmung über die Beschlussempfehlung. Wer für diesen Gesetzentwurf ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Wer ist dagegen? Das sind die Fraktionen der CDU und der AfD. Wer enthält sich? Es enthält sich niemand. Damit ist der Gesetzentwurf angenommen.

Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in der Schlussabstimmung seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. Das sind die Fraktionen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Wer ist dagegen? Das sind die Fraktionen der CDU und der AfD. Wer enthält sich? Es enthält sich niemand. Damit ist der Gesetzentwurf in der Schlussabstimmung angenommen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Ministerin Siegesmund)

Wir kommen nun zur Abstimmung zu dem Entschließungsantrag. Wird Ausschussüberweisung beantragt? Ich habe es in der Debatte nicht gehört.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Nein!)

(Zwischenruf Abg. Kummer, DIE LINKE: Ent- schließungsantrag kommt jetzt!)

Da keine Ausschussüberweisung beantragt worden ist, kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 6/6564. Wer ist für diesen Entschließungsantrag? Das sind die Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und der SPD. Wer ist gegen diesen Entschließungsantrag? Das sind die Fraktionen der CDU und der AfD. Wer enthält sich der Stimme? Es enthält sich niemand der Stimme. Damit ist der Entschließungsantrag angenommen.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf den Tagesordnungspunkt 10

Thüringer Gesetz zur Beseitigung von Wahlrechtsausschlüssen Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/6495 ERSTE BERATUNG

Wünscht jemand von den Fraktionen die Begründung? Bitte schön, Frau Müller.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, der hier in der Drucksache vorliegende Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Beseitigung von Wahlrechtsausschlüssen ist ein wichtiger Gewinn an Demokratie für Thüringen und ein wichtiger Gewinn an Selbstbestimmtheit für Menschen mit Behinderungen in Thüringen. Mit diesem Gesetzentwurf wird sowohl im Kommunalwahlgesetz als auch im Landeswahlgesetz der Ausschluss von Menschen in vollständiger gesetzlicher Betreuung und auch von Menschen, die sich in angeordneter Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung befinden, abgeschafft.

In Artikel 46 Abs. 1 der Thüringer Verfassung heißt es: „Wahlen nach Artikel 49 Abs. 1 und Abstimmungen nach Artikel 82 Abs. 6 dieser Verfassung sind allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim.“ Das Kriterium „allgemein“ bezieht sich auf den demokratischen Grundsatz, dass alle Menschen, die von staatlichem Handeln betroffen sind – das heißt auch von parlamentarischen Entscheidungen –, dieses Parlament mitwählen dürfen sollen. „Gleich“ bedeutet: Alle Wählerinnen und Wähler müssen in gleicher Weise ihr Wahlrecht ausüben können. Vor

allem muss jede Stimme bei der Wahl den gleichen Wert, das gleiche Stimmgewicht haben.

Von diesen für einen demokratischen Rechtsstaat ganz zentralen und unverzichtbaren Grundsätzen darf es nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts und anderer Verfassungsgerichte nur in ganz begrenzten und sehr gut begründeten Ausnahmefällen Abweichungen geben. So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2010 entschieden, dass pauschalierte Wahlrechtsausschlüsse unzulässig sind. Bei den beiden nun gestrichenen Wahlrechtsausschlüssen handelt es sich um solche vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte monierte pauschalierte Wahlrechtsausschlüsse.

Durch den vorliegenden Gesetzentwurf wird daher konsequenterweise nicht der Wahlrechtsausschluss im Einzelfall abgeschafft, der durch einen konkreten Richterspruch erfolgt. Entstanden ist der Wahlrechtsausschluss gegen Personen, die für alle ihre Angelegenheiten unter Betreuung stehen, durch die Einschätzung, diesen Personen fehle es generell an Einsichtsfähigkeit. Sie könnten daher auch keinen politischen Willen formulieren und keine Wahlentscheidung treffen. Bei genauerem Hinsehen erweist sich dieses Pauschalurteil zu dieser Personengruppe als grundsätzlich falsch. Auch wer mit vielem in seinem Leben nicht zurechtkommt, kann trotzdem eine politische Meinung haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und provokant gesagt: Auch bei vielen Leuten, auch solchen, die als nicht behindert gelten, kann man streng genommen an der Einsichtsfähigkeit bezüglich ihrer Wahlentscheidung zweifeln, aber niemand würde ihr Wahlrecht infrage stellen. Wenn dem so ist, dann gibt es auch keinen Grund, Menschen in sogenannter Vollbetreuung das Wahlrecht zu versagen.

Ebenso deutlich stellt sich die Problematik für die zweite betroffene Gruppe dar, die nun in das Wahlrecht einbezogen wird: Menschen, die auf Anordnung in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht sind. Auch bei dieser Personengruppe verbietet sich das oben genannte Pauschalurteil zum Ausschluss aus dem Wahlrecht. Auch diese Personen können grundsätzlich ihre politische Meinung kundtun.

Darüber hinaus gesteht auch die UN-Behindertenrechtskonvention mit ihren Regelungen – hier vor allem Artikel 29 – behinderten Menschen das gleiche Wahlrecht zu, wie es nicht behinderte Personen ausüben können. Nicht zuletzt und vor allem ergibt sich die Notwendigkeit der Abschaffung der beiden Wahlrechtsausschlüsse in § 2 Thüringer Kommunalwahlgesetz und § 14 Thüringer Landeswahlgesetz aus dem in Artikel 2 Abs. 4 der Thürin

(Präsidentin Diezel)

ger Verfassung verankerten Nachteilsausgleichsgebot zugunsten von behinderten Menschen.

Mit der weiteren Öffnung des Wahlrechts bekommen die betroffenen Personen aber nicht nur das aktive Wahlrecht zum Parlament, weil das aktive Wahlrecht in Thüringen auch Anknüpfungspunkt für das Stimmrecht bei der direkten Demokratie ist. Auch bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden sowie Volksbegehren und Volksentscheiden können sich die Betroffenen nun bei der direkten Demokratie aktiv beteiligen.

Wir beantragen als rot-rot-grüne Koalition, diesen Gesetzentwurf an den Innenausschuss – federführend – sowie an den Gleichstellungsausschuss und an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz – jeweils mitberatend – zu überweisen. Im Innenausschuss soll es zum Gesetzentwurf eine mündliche Anhörung geben. Dort werden dann auch Verbände zu Wort kommen, die schon seit Jahrzehnten die Abschaffung dieser Wahlrechtsausschlüsse fordern. Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Als Erste hat sich Abgeordnete Marx von der SPDFraktion zu Wort gemeldet.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass die Vollbetreuung bisher zu einer Aberkennung des Wahlrechts führt, ist auch rechtstechnisch gar nicht sinnvoll, denn das führt zu Ungleichbehandlungen, die gar nicht ihre Grundlage in dem eigentlichen Sinn des Wahlrechtsentzugs gehabt haben können. Wir reagieren mit diesem Gesetzentwurf aber auch auf das Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs zur letzten Änderung des Kommunalwahlgesetzes, bei der wir das Wahlalter für Kommunalwahlen auf 16 Jahre abgesenkt haben. Denn durch diese Absenkung hatte sich dann die Situation ergeben, dass die 16-Jährigen das Wahlrecht ausüben können, aber alle, allerdings nur ab dem 18. Lebensjahr, dann aufgrund einer potenziellen Vollbetreuung dann nicht mehr wählen können sollten. Das Gericht hatte allerdings auch gleich noch mal zur Klarstellung deutlich gemacht, dass diese Ungleichbehandlung nicht zur Verfassungswidrigkeit des Wahlalters 16 geführt hat.

Neben diesem gesetzestechnischen Hintergrund sprechen aber auch eine Reihe anderer Gründe für die Streichung des Wahlrechtsausschlusses von Vollbetreuten. Deswegen haben das übrigens andere Bundesländer, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, auch schon gestrichen. Das Wahlrecht als Grundlage unserer Demokratie ist nicht an eine politische Reifeprüfung geknüpft, ge

rade Minderheiten müssen in einer repräsentativen Demokratie ebenfalls die Möglichkeit haben, ihre Interessen einzubringen und natürlich auch wählen zu dürfen. Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder betont, dass der Gesetzgeber gute Gründe braucht, um Menschen das Wahlrecht vorzuenthalten. Das Wahlrecht ist also nicht irgendein Geschenk, was die Obrigkeit netterweise zur Verfügung stellt, es ist ein Grundrecht auf Teilhabe und des Souveräns, die Regierung zu kontrollieren und Leute zu wählen oder auch nicht. Die Gründe beim Wahlrechtsausschluss Vollbetreuter führen auch zu Ungleichbehandlungen, denn es ist ja nicht so, dass alle Menschen, bei denen der Betreuungstatbestand gegeben scheint, dann auch automatisch einen gesetzlichen Betreuer erhalten. Es gibt schon lange die Bestrebung – und das ist ja auch richtig so, um Selbstbestimmung möglichst lange zu gewähren –, dass man mit einer Vorsorge- oder mit Betreuungsvollmacht für solche Fälle vorbeugen kann. Und da, wo ich einen Bevollmächtigten habe, der meistens aus der Familie die Vertretung ausübt, dort wird es in der Regel gar nicht dazu kommen, dass ein Betreuer bestellt wird, und es wird auch nicht angeregt.

Wenn man sich mal die Zahlen anschaut, wie ungleichmäßig sich die Vollbetreuungszahlen in den Bundesländern entwickelt haben, dann merkt man auch, dass das nicht daran liegen kann, dass diese Menschen grundsätzlich vom Wahlrecht auszuschließen wären, sondern dass das sehr unterschiedlich gehandhabt wird, wo es überhaupt zu einer Vollbetreuung kommt. Wir haben eine Studie vom Bundessozialministerium und darin haben wir gesehen, dass in Hamburg und Bremen auf je 100.000 Bürger jeweils weniger als zehn Wahlrechtsentzüge kommen. In Bayern hingegen kommen auf 100.000 Bürger 204 Wahlrechtsentzüge und das kann ja nicht sein, dass man sozusagen zwanzigmal mehr Leute hat, bei denen Vollbetreuung überhaupt anfallen könnte.

Wegen all dieser Ungleichheiten ist es sinnvoll und geboten, dass wir dieses Kriterium, wer vollbetreut ist, darf nicht wählen, auch hier in Thüringen aus unserem Gesetz streichen. Ich freue mich auch, wie die Kollegin es schon gesagt hat, auf die gründliche Debatte in den Ausschüssen, an die wir den Gesetzentwurf überweisen werden. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Vielen Dank. Als Nächster hat Abgeordneter Thamm von der CDU-Fraktion das Wort.

(Abg. Müller)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, heute ist die erste Lesung des Gesetzes von Rot-Rot-Grün zur Beseitigung der Wahlrechtsausschlüsse. Sie wollen hier das Thüringer Kommunalwahlgesetz und das Thüringer Wahlgesetz für den Landtag in den §§ 2 und 4 in den jeweiligen Gesetzen ändern und wollen die Absätze 2 und 3 komplett streichen und damit den Tatbestand auf den Richterspruch allein beschränken, so wie Nordrhein-Westfalen und SchleswigHolstein. Dabei berufen Sie sich insbesondere auf die Erfüllung des Artikels 29 der UN-Behindertenrechtskonvention. In diesem Artikel 29 sind die Vertragsstaaten verpflichtet und haben sich dazu selbst verpflichtet, eine gleichberechtigte Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben zu ermöglichen.